12. Kapitel
Im Alpharat:
Der Ratssaal war düster und erdrückend. Die hohen Fenster ließen nur wenig Licht hinein, und die Stimmung war noch finsterer. Der Vorsitzende, ein beeindruckender Wolf mit rotem Fell, saß mit verschränkten Armen am Kopf der Tafel.
Ein junges Mitglied sprach gerade aufgebracht: „Hyunjin hat die Seiten gewechselt. Und nicht nur das - er hat sich mit einem Omega verbündet."
„Wie sicher sind diese Informationen?", fragte der Vorsitzende kühl.
„Sehr sicher", antwortete Ash, der am Ende des Tisches stand. Seine Augen blitzten verschlagen. „Ich habe es selbst gehört. Euer Alpha spielt jetzt auf der anderen Seite."
Ein leises Raunen ging durch die Reihen.
„Das ist Verrat", sagte ein älteres Ratsmitglied düster.
„Er war einer der Besten", meinte ein anderer. „Ein Fehler, den wir nicht wiederholen dürfen."
„Eine Schande für seinen Rang", fügte ein Alpha hinzu. „Er stellt eine Bedrohung dar."
„Dann beseitigen wir die Bedrohung", sagte der Vorsitzende ruhig.
„Was schlagen Sie vor?" Die Stimme des Vorsitzenden war ruhig, doch die Autorität darin war unüberhörbar.
„Wir schicken ein paar Stadtwachen."
Ein zustimmendes Raunen ging durch die Versammlung. Die Stadtwachen waren für ihre gnadenlose Effizienz berüchtigt. Niemand entkam ihnen.
„Einverstanden", meinte der Vorsitzende schließlich. „Hyunjin hat seine Loyalität verspielt. Bringen Sie beide zurück - tot oder lebendig."
Das Urteil war gefällt.
Hyunjin POV:
Der Morgen dämmerte kühl und klar. Ein zarter Nebel zog sich durch die Baumwipfel, und das Licht, das sich durch die Äste brach, ließ den Wald beinahe friedlich erscheinen. Das Knistern von brennendem Holz erfüllte die Luft, und ich sah zu Felix, der gerade die letzten Funken im Feuer mit einer Handvoll feuchtem Moos erstickte.
„Du weißt, dass wir das Essen auch einfach roh hätten verschlingen können, oder?", fragte ich und biss in das angebrannte Kaninchenfleisch, das uns vom letzten Abend geblieben war.
Felix sah mich abschätzig an. „Nur weil du wie ein Alpha aufgewachsen bist, heißt das nicht, dass ich meine Mahlzeiten wie ein Barbar genießen muss."
„Genießen nennst du das? Das Zeug schmeckt nach verkohltem Leder."
Er rollte die Augen und stand auf. „Dann iss halt gar nichts."
Ich schnaubte, ließ das Stück Fleisch fallen und erhob mich ebenfalls. Die Kälte kroch mir in die Glieder, und mein Instinkt drängte mich dazu, mich zu bewegen. Jeder Muskel in mir kribbelte - ich brauchte ein Ziel, eine Jagd.
Doch als ich den Kopf hob, fror ich augenblicklich ein.
Ein vertrauter Geruch lag in der Luft. Rauchig, metallisch und mit einem Hauch von kaltem Stein - die unverkennbare Aura von Stadtwächtern. Von Alphas.
Felix merkte sofort, dass etwas nicht stimmte. „Was ist?"
„Wir haben Gesellschaft", knurrte ich und sprang auf einen Vorsprung, um einen besseren Überblick zu bekommen.
Der Wind trug ihre Fährte klar zu mir. Drei, nein, vier Wölfe. Sie bewegten sich schnell und zielstrebig, direkt auf unser Lager zu.
Felix stand jetzt neben mir, die Ohren gespitzt. Seine Augen weiteten sich, als er den Geruch ebenfalls erkannte. „Deine Leute?"
Ich kniff die Augen zusammen. „Ehemalige Leute."
„Wir müssen verschwinden", zischte er.
Ich zögerte. Instinkt und Stolz drängten mich, mich zu stellen. Doch mein Verstand sagte mir, dass ein Kampf gegen vier bestens ausgebildete Alphas nichts Gutes für uns bedeuten würde.
„Los", sagte ich schließlich und packte Felix am Arm. „Wir finden einen besseren Ort zum Kämpfen."
Wir rannten durch das Unterholz, das Laub raschelte unter unseren Füßen. Der Wind schnitt kalt in mein Gesicht, und das Adrenalin ließ mein Herz wild schlagen. Ich spürte Felix dicht hinter mir, seine Schritte leicht und sicher.
„Sind sie schneller als du?" fragte er keuchend.
„Definitiv nicht."
„Gut. Dann gibt's vielleicht eine Chance, dass ich heute nicht sterbe."
Ich konnte ein Grinsen nicht unterdrücken, trotz der Gefahr, die uns im Nacken saß.
Nach mehreren Minuten fanden wir eine Senke, verborgen zwischen dichtem Gestrüpp und moosbedeckten Steinen. Der perfekte Ort für einen Hinterhalt. Ich blieb stehen und deutete Felix an, leise zu bleiben.
„Warte hier", befahl ich. „Ich werde sie aufhalten."
Felix wollte widersprechen, doch ich fixierte ihn mit einem Blick, der keinen Widerspruch duldete.
„Vertrau mir", fügte ich leise hinzu.
Widerwillig nickte er.
Ich schlich mich zurück auf die Lichtung, das Blut pulsierte in meinen Ohren. Meine Sinne waren geschärft, jeder Schritt meiner Verfolger hallte in meinem Kopf wider.
Da waren sie.
Drei von ihnen hatten ihre menschliche Form beibehalten, während der vierte bereits in seiner Wolfsform die Umgebung absuchte. Einer von ihnen war Junseo - ein Vertreter des Rats und einer der besten Fährtenleser, die ich kannte.
„Ich hab ihn hier gewittert", sagte Junseo leise. „Hyunjin ist in der Nähe. Und der Omega auch."
„Der Verräter hat es wohl mit den Außenseitern", spottete der Mann in Wolfsform. „Hätte nie gedacht, dass er so tief sinkt."
Wut flammte in mir auf, aber ich zwang mich zur Ruhe. Sie mussten mich unterschätzen - das war mein Vorteil.
Ohne Vorwarnung sprang ich aus meinem Versteck und rammte Junseo zu Boden. Mein Gewicht drückte ihn in den Waldboden, bevor er reagieren konnte. Die anderen Wölfe brüllten auf und stürmten auf mich zu.
Ich verwandelte mich in meine Wolfsform und wich einem Angriff zur Seite aus. Meine Zähne blitzten im schwachen Licht, als ich einem der Alphas die Schulter riss.
Junseo rappelte sich auf und schlug nach mir, doch ich duckte mich und schlug mit voller Wucht zurück. Das Blutrauschen in meinen Ohren wurde lauter, und für einen Moment war ich nur noch der Jäger, der ich immer gewesen war.
Ein plötzlicher Schrei ließ mich herumwirbeln.
Felix.
Einer der Alphas hatte ihn entdeckt und war auf ihn losgegangen. Felix hatte sich verteidigt, aber ich sah das Blut an seiner Seite.
Wut explodierte in mir. Mit einem Sprung war ich bei ihnen und rammte den Angreifer zu Boden. Meine Zähne bohrten sich in seinen Nacken, und er winselte, bevor er sich zurückzog.
Felix atmete schwer und hielt sich die Seite.
„Ich hab das im Griff", murmelte er, obwohl er alles andere als überzeugend wirkte.
„Natürlich", knurrte ich und zog ihn auf die Beine.
Die anderen Alphas zogen sich zurück, wahrscheinlich um Verstärkung zu holen.
„Wir müssen weg", sagte ich.
Felix nickte, und gemeinsam verschwanden wir in den Schatten des Waldes.
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