Kapitel 9
Pov Daichi Sawamura
Erleichterung durchströmte mich, als ich mich endlich erschöpft ins Bett sinken lassen und meine Nase unter der Decke vergraben konnte.
Auch wenn ich es niemals zugegeben hätte, jede Bewegung fiel mir noch schwer und war unheimlich anstrengend.
Suga strich mir noch einmal liebevoll durch die Haare, bevor er das Zimmer verlassen wollte.
"Koushi?", hielt ich ihn auf und er drehte sich fragend zu mir um.
"Ja, Daichi?"
"Du musst nicht auf dem Sofa schlafen, das weißt du, oder?", erinnerte ich ihn und er wurde ein wenig rot.
"Ich weiß", stotterte er, "Aber ich dachte, es wäre dir vielleicht unangenehm, wenn-"
Ich unterbrach ihn mit einem unzufriedenem Brummen und deutete auf die Betthälfte neben mir. Ich hatte nichts dagegen, wenn Koushi hier schlief.
Kurz schien der Grauhaarige mit sich zu ringen, bevor er sich einen Ruck gab und den Kopf schüttelte.
"Gute Nacht, Sawamura", murmelte er hastig und verließ das Zimmer. Er würde also doch auf den Sofa schlafen.
Innerlich verfluchte ich mich für meine Dummheit. Er musste mich wirklich für den größten Idioten halten.
Der Lichtschein, der bis eben noch aus dem Wohnzimmer hereingefallen war, erlosch und die Dunkelheit umhüllte mich.
Nun war ich allein. Allein mit mir selbst. Mit mir und meinen Gedanken.
Eigentlich sollte ich mich nicht wundern, dass Suga auf Abstand blieb.
Schließlich war er vor wenigen Wochen noch Hals über Kopf geflüchtet, als ich es wagte, ihn zu küssen.
Ich musste einsehen, dass unsere Zeit vorbei gewesen war, als er vor acht Jahren verschwand.
Ein Rumpeln ertönte und ließ mich aufschrecken. Schmerzhaft.
Ich lauschte in die neu entstandene Stille, bis ich leise Fußtapser ausmachen konnte.
Die Tür quietschte und wenige Sekunden später spürte ich, wie sich die Betthälfte neben mir senkte.
Ich grinste. Er hatte sich also doch umentschieden. Interessant.
"Das ist nur, weil dein Sofa echt verdammt ungemütlich ist und ich es nicht einsehe, mir deswegen Rückenschmerzen einzufangen. Bilde dir bloß nichts drauf ein", knurrte er, als hätte er meine Gedanken gelesen.
"Natürlich." Nur mühsam konnte ich ein Kichern unterdrücken.
Kurz herrschte Stille.
"Ungemütlich, also?", hakte ich mit neckendem Unterton nach und er schnaubte.
"Ja. Kratzig. Und überhaupt nicht weich. Schrecklich! Einfach nur schrecklich!", empörte er sich und ich nickte.
"Das klingt wirklich unakzeptabel. Ich sollte dir demnächst einen Kaffee als Entschädigung ausgeben", stimmte ich ihm zu und nahm wahr, wie er neben mir den Kopf vom Kissen erhob.
"Ein Date? Du bist mir also nicht böse, dass ich nach unseren letzten Kuss weggerannt bin?", fragte er erstaunt.
Ich zuckte mit den Schultern, auch wenn er es nicht sehen konnte. "Ich wusste zwar nicht, dass ich so ein schlechter Küsser bin, dass man danach direkt die Flucht ergreifen muss, aber-"
"Hör auf, du machst mir ein schlechtes Gewissen", unterbrach mich Suga leise kichernd und ich schmunzelte.
"Es tut mir leid, Daichi", sagte er nun wieder ernst, "Ich... bin sehr schnell überfordert in solchen Situationen."
"Ist okay", sagte ich, "Zumindest solange das heißt, dass ich doch noch eine Chance bei dir habe."
Wieder herrschte kurz Stille, bevor er antwortete. "Ich freue mich schon auf unser Date."
Ein Lächeln schlich sich auf mein Gesicht. Ich hatte also doch noch eine Chance.
"Suga?"
"Ja?"
"Mein Sofa hat einen Samtbezug. Es ist wohl das Gemütlichste, das du in einem Umkreis von hundert Kilometern finden wirst."
Erneute Stille.
"...Sei leise und genieß lieber meine Anwesenheit."
Ich lachte leise, bevor ich mich noch etwas weiter in meine Decke kuschelte und langsam wegdämmerte.
Pov Koushi Sugawara
Viel zu früh klingelte mein Handywecker und ich schlug genervt die Augen auf.
"Scheißding. Blödes blödes Scheißding. Halt doch einfach die-" Blindlings schaltete ich den nervigen Ton aus, bevor ich mich wieder zurück ins Bett fallenließ.
Daichi blinzelte mich schläfrig an. "Beleidigst du deinen Wecker immer mit so viel Hass?", murmelte er und ich nickte.
"Er hat es nicht anders verdient."
Daichi schmunzelte und gähnte.
Mir fiel auf, dass ich während des Schlafens wohl den größtmöglichen Abstand gehalten hatte und war froh darüber. Das fehlte gerade noch, dass ich aus Versehen mit ihm kuschelte.
"Schlaf ruhig weiter. Wir sehen uns dann heute Nachmittag", gähnte ich ebenfalls und quälte mich aus dem Bett, während Daichi die Augen schon wieder geschlossen hatte.
Er sah süß aus - friedlich und harmlos. Ich schüttelte die Gedanken ab und verließ schweren Herzens das Schlafzimmer.
Kaum eine Stunde später saß ich im Klassenzimmer und musterte meine Schüler, die ebenso müde aussahen wie ich mich fühlte.
"Können wir nicht einfach etwas spielen?", fragte einer von ihnen, was zustimmendes Gemurre nach sich zog.
Doch ich schüttelte den Kopf.
"Wir haben gestern morgen schon gespielt, wir müssen wirklich Unterricht machen. Macht bitte die Arbeitsblätter, die ich euch letzte Woche ausgeteilt habe."
Die Protestrufe ignorierend schlug ich das Lehrbuch auf und begann, die kommenden Themen zu studieren. Zumindest tat ich so, denn meine Gedanken waren bei Aki und den anderen.
Sie verließen sich auf mich, rechneten fest damit, dass ich einen Plan hatte. Leider hatte ich noch absolut keine Ahnung, wie man unbeobachtet in ein Museum einbrach.
"Das ist doch der größte Mist!", spuckte Riko aus und starrte auf ihr Arbeitsblatt.
Ich nickte, weiterhin vermeintlich in das Buch vertieft.
"Sag nicht 'Mist', sag 'Scheiße'. Das hört sich viel besser an", murmelte ich abwesend.
Wie viele Wachmänner gab es in dem Gebäude? Wie viele Kameras?
Die plötzlich eingekehrte Stille ließ mich aufschauen.
Oh nein.
Meine Schüler grinsten schadenfroh. Das war nie ein gutes Zeichen.
Nun fiel mir mein Fehler auch auf.
"Ich ähm meinte also, Riko! In meiner Klasse möchte ich solche Ausdrücke nicht hören, verstanden?", verbesserte ich mich in einem strengen Ton, doch ich musste nicht einmal in den Spiegel gucken, um zu sehen, dass ich knallrot angelaufen war.
Die Schüler kicherten und ich seufzte. Das mit der Vorbildfunktion musste ich wohl noch lernen.
Allerdings sollte ein guter Lehrer während des Unterrichts wohl auch keinen Einbruch planen.
Plötzlich kam mir eine Idee und ich grinste meine Schüler an, was sie sichtlich verunsicherte.
"Hättet ihr nicht mal Lust, in ein Museum zu gehen?", strahlte ich.
Die Reaktion war nicht die, die ich mir erhofft hatte.
"Ein Museum?"
"Bäh, wie langweilig."
"Das ist scheiße."
"Man sagt 'Scheiße' nicht!"
"Doch, Sugawara-sensei hat das auch gesagt!"
Ich musste sie definitiv noch überzeugen.
"Wir müssen sowieso verpflichtend einen Ausflug machen und das Museum ist keine fünf Minuten Fußweg von diesem riesigen Adventure-Spielplatz entfernt.
Wie wäre es, wir gehen eine Stunde in das Museum und danach auf den Spielplatz? Dann sind alle zufrieden - der Direktor, ihr, ich..."
Das Jubeln bestätigte mich.
Was für ein Vorteil es doch war, Grundschullehrer zu sein. Unschuldiger könnte man gar nicht wirken.
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