Kapitel 17
Pov Daichi Sawamura
Ein Knistern in der Leitung. Ein Knacken. "Guten Tag, hier spricht dir Mailbox von Koushi Sugawara. Bitte hinterlassen Sie-"
Ich gab es endgültig auf und beendete den Anruf, bevor die blechernde Stimme zu Ende sprechen konnte.
Vier mal hatte ich in den letzten Stunden bereits bei Suga angerufen, doch sein Handy blieb ausgeschaltet.
Seufzend beschloss ich, dass das für diese Nacht mein letzter Anruf sein würde - ich wollte ihn nicht bedrängen oder gar kontrollieren. Er würde sich schon bei mir melden, wenn er bereit dazu wäre.
Als Isamu Miyazaki mir unwirsch zuwinkte, ließ ich mein Handy wieder in meine Hosentasche gleiten und stand widerwillig auf, um seinem Wink zu folgen.
Gemeinsam betraten wir den Verhörungsraum und Miyazaki bedeutete mir, mich zu setzen.
Ich kam der Aufforderung mit einem ungutes Gefühl nach.
"Was soll das?", wollte ich wissen und beäugte Miyazaki misstrauisch.
Irgendetwas plante er und nur zu gerne wollte ich es erfahren.
Triumphierend legte er eine Pistole vor mir auf den Tisch, eingepackt in eine Plastiktüte. Verwirrt zog ich eine Augenbraue hoch.
"Wissen Sie, was das ist, Herr Sawamura?", fragte Miyazaki mich und stützte sich provozierend auf dem Tisch ab.
Ich zögerte. Es schien mir, als wäre ich kurz davor, in eine Falle zu tappen.
Dennoch antwortete ich: "Das ist die Waffe, die wir bei der Drogenübergabe sichergestellt haben. Wieso?"
"Erzählen Sie mir doch bitte, wie diese Übergabe ablief", forderte er mich auf.
Ich runzelte die Stirn. "Verhören Sie mich gerade, Herr Miyazaki? Wir arbeiten gemeinsam an dem Fall, nicht gegenseitig."
Als er mich nur mit undefinierbarem Blick anglotzte, seufzte ich entnervt.
"Wir hatten es geschafft, einem Gefängnisinsassen ein Angebot zur Zusammenarbeit zu machen, und er hatte zugestimmt.
In unserem Auftrag konnte er dieser kriminellen Organisation die neuste Drogenlieferung abfangen und sie in eine Falle locken. Der Zugriff erfolgte unter meinem Befehl, aber wir konnten leider niemanden an diesem Abend festnehmen", berichtete ich.
Wenn dieser Idiot dachte, er könne mich wegen irgendeiner Unzulänglichkeit drankriegen und meinen Fall übernehmen, hatte er sich geschnitten. Außer vielleicht, dass ich einen Zivilisten angeschossen hatte...
"Ist das so, ja?", wiederholte Miyazaki und ich starrte ihn an.
"Wollen Sie behaupten, ich würde lügen?"
Hatte ich bis jetzt gedacht, wir würden lediglich keine Freunde mehr werden, war ich mir jetzt sicher, dass er von Anfang an mein Feind gewesen war.
"Ihre Kollegen hätten mir erzählt, dass sehr wohl Personen vor Ort aufgefunden wurden. Genauer gesagt ein Mann, Koushi Sugawara, der ganz zufälligerweise gerade des Weges vorbeigekommen war und sich nun ihr Lebensgefährte schimpft", zischte er.
Der Stuhl quietschte in den Ohren schmerzend über den Boden, als ich aufsprang.
Ich spuckte ihm die kommenden Worte förmlich ins Gesicht. "Was sollen Sie damit sagen?"
Er lächelte scheinheilig, doch ich erkannte das Misstrauen in seinen Augen.
"Ich will Ihnen mitteilen, dass ich Ihren Freund ganz genau beobachte, Sawamura. Ich habe ihn im Blick", drohte er.
Wütend beugte ich mich zu ihm vor. "Sind Sie so verzweifelt, dass Sie jetzt jeden Dahergelaufenen als Tatverdächtigen konfiszieren? Verschwenden Sie Ihre Energie und Arroganz lieber auf andere Verdächtige, anstatt auf ihn. Suga würde so etwas niemals tun."
Pov Koushi Sugawara
Fast lautlos hob Mogli das Gitter über dem Abwasserkanal aus seinen Angeln und ebenso lautlos hievten wir uns in den kleinen Raum.
Bevor einer von uns jedoch auch nur einen Fuß auf den Boden setzte, wechselten wir unsere Schuhe. Während wir die dreckigen unten in der Kanalisation ließen, schlüpfte jeder von uns in ein neues Paar neu gekaufter und noch nie getragener Sportschuhe.
Praktisch, ich hätte sowieso mal wieder neue gebraucht.
Endlich fand ich die Zeit dazu, mich umzublicken.
Wir waren in einem kleinen dunklen Badezimmer gelandet, nach meinen Berechnungen die Besuchertoilette im untersten Stock.
"Mir gefällt das alles nicht", murmelte Aki und in Gedanken stimmte ich ihr zu.
Es lief bisher zu perfekt, sodass ich misstrauisch wurde.
"Na dann, bis später", flüsterte Mogli und gemeinsam mit Gabi verschwand er wieder in der Kanalisation.
Nun waren Aki, Yasuo und ich auf uns allein gestellt. Und natürlich auf Selina und Tomi.
Entschlossen schaltete ich mein Headset wieder an.
"Wir sind drin", sprach ich leise in das Mikrofon und bekam ein kurzes Rauschen als Antwort.
Dann Selina. "Okay, alles klar. Wir haben alle Alarmanlagen, dessen Sicherheitssysteme wir knacken konnten, jetzt ausgeschaltet, aber seid dennoch vorsichtig. Es haben zurzeit drei Wachen Schicht, wir behalten sie im Auge."
Ich atmete einmal tief ein und aus. Ich dachte an Daichi und nickte Aki und Yasuo zu. "Dann los."
Vorsichtig verließen wir den Raum, die Waffen gezogen.
Die Gänge des Museums erschienen mir finsterer, als ich mir es an dem Tag meines Besuches ausgemalt hatte. Es hatte etwas gespenstisches, beunruhigendes und die Anspannung machte es mir schwer, zu atmen.
Jeder Schritt kam mir zu laut vor, obwohl wir nahezu keine Geräusche verursachten.
Einzig das Knacken der Headsets durchdrang in regelmäßigen Abständen leise die Stille, wenn Tomi uns Weganweisungen durchgab.
Die Zweifel in mir wuchsen und wuchsen.
"Wache!", zischte Selina plötzlich in mein Ohr und Aki zog mich und den entsetzt dreinschauenden Yasuo hinter eine Ecke.
Hastig knipsten wir unsere Taschenlampen aus.
Man hörte Schritte näherkommen und ich drückte mich enger gegen die Wand.
Plötzlich spürte ich, wie sich Akis Hand um mein Handgelenk legte und es eisern umschloss.
Ich hielt die Luft an, warf ihr einen panischen Blick zu.
Sie konnte es alles beenden. Eine kleine Bewegung und sie hätte mich der Wache vor die Füße geschubst und somit den Löwen zum Fraß vorgeworfen.
Sekunden verstrichen, Minuten, gefühlte Stunden.
Ich hörte, wie sich die Schritte wieder entfernten und langsam löste sich Akis Griff um mein Handgelenk wieder.
Es war eine Drohung gewesen. Eine Drohung, nicht zu vergessen, wem meine Loyalität zu gelten hatte.
"Ihr könnt weiter", gab Tomi zu Verstehen und wie im Trance setzte ich mich in Bewegung, gefolgt von meinen beiden Teamkollegen.
Es dauerte nicht mehr lange, bis wir bei den Ausstellungsausstücken angelangt waren.
Zahlreiche, in Glasvitrinen verborgen.
"Stück D, F, J und I sind nicht mehr gesichert", informierte Selina uns verzerrt und wir steckten die Waffen weg.
Es war eine gute Idee gewesen, die Kunstwerke nach einem System zu ordnen und zu benennen.
Anstelle der Pistolen bewaffneten wir uns nun mit kleinen Messern, Glascuttern.
Niemals gefährlich genug, um jemanden tödlich abzustechen, aber scharf genug, um das Glas sauber und ohne jegliche Mühen aufzuschneiden.
Ich zögerte, betrachtete den nun freigelegten Gegenstand.
Es war eine kleine vergoldete Skulptur. Zwei Männer, die eng beieinanderstanden und sich in den armen hielten.
Ich hatte sie schon bei meinem ersten Besuch ins Auge gefasst, sie hatte mir direkt gefallen. Langsam richtete ich den matten Lichtkegel meiner Taschenlampe auf das Infoschildchen, das an der Glasvitrine befestigt war.
"Die Freunde - von Diana, 2010", stand dort in tiefschwarzer Druckschrift.
"Nun steck das verdammte Ding schon ein. Zum Betrachten hättest du tagsüber vorbeikommen können."
Ich fuhr erschrocken zu Aki herum, die mit einem Beutel in der Hand hinter mir stand.
Hastig nickte ich, fischte die Skulptur aus der Vitrine und ließ sie in Akis Beutel sinken, um anschließend das fehlende Stück, das ich aus dem Glas herausgeschnitten hatte, wieder einzusetzen.
Die anderen Gegenstände schienen Yasuo und sie bereits eingesammelt zu haben. Es waren nicht viele, doch genug, um ausreichend Geld aus ihrem Verkauf herauszuziehen.
Nun trat auch Yasuo zu uns. "Lasst uns abhauen, bevor die Wachen doch noch Lust bekommen, der Party hier beizuwohnen."
Aki und ich wechselten einen kurzen Blick, dann nickte ich. Es reichte.
Ein Knacken im Headset kündigte Tomi und Selina an. "Beeilt euch. Bald ist Schichtwechsel bei den Typen. In 10 Minuten werden wir alle Alarmanlagen wieder einschalten und die Videoaufnahmen von euch durch andere ersetzen."
Das mussten sie nicht zweimal sagen.
Fast schon fluchtartig eilten wir zurück in das Badezimmer, aus dem wir gekommen waren.
Zurück in das Loch, zurück in die Kanalisation.
Leise schloss ich das Gitter über uns wieder und schnappte erleichtert nach Luft. Ein riesiger Fehler. Allein in der kurzen Zeit hatte ich vergessen gehabt, wie sehr es hier stank.
Auch Yasuo hielt sich die Nase zu. "Irre ich mich, oder stinkt es hier jetzt noch mehr als zuvor?", fragte er mit nasaler Stimme und Aki verdrehte die Augen.
"Du irrst dich. Wir müssen da lang."
Sie übernahm die Führung und die nächsten fünfzehn Minuten Bogen wir um zahlreichen Ecken und Biegungen, schlängelten uns durch enge Tunnel und überquerten einige Male mit riskanten Sprüngen die ekelhaft Brühe, die unter uns gurgelte.
Ich hatte bereits nach wenigen Biegungen die Orientierung verloren, doch Aki lief zielstrebig.
Es schien eine Ewigkeit vergangen zu sein, bis wir an einem Ausgang auskamen.
Müde und verdreckt kletterten wir auf die Straße heraus.
Mogli und Gabi begrüßten uns mit einem Nicken und drückten uns ohne Umschweife in ein Auto.
Erst als der Motor ansprang und sich der Wagen mit uns immer weiter von all dem entfernte, fiel die Anspannung und die Angst von mir.
Wir hatten es geschafft. Wir hatten es tatsächlich geschafft.
Ein letztes Mal schaltete ich das Headset an. "Wir sind fertig. Jetzt macht ihr, dass ihr auch wegkommt."
Zustimmendes Gemurmel von Selina, Tomi, Kenji und Gina hallte mir entgegen, bevor ich mir das Headset erschöpft vom Kopf zog.
Ich ließ es achtlos neben mir auf den Boden des Autos fallen und vergrub mein Gesicht in meinen Händen.
Auf einmal konnte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten und das erste Mal kümmerte es mich auch nicht, dass ich vor meinem Team weinte.
Was hatte ich nur getan?
Was hatte ich mir nur gedacht?
Wie lange konnte das noch so weitergehen, bevor es alles aufflog?
Ich dachte an Daichi und schluchzte noch stärker, sodass ich nicht einmal Yasuos tröstende Hand auf meiner Schulter wahrnahm.
Ich hatte alles verkackt.
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