Scout ging über den Steg des Strandes und zog ihrer Strickjacke etwas enger um sich. Gestern war sie hier angekommen und hatte sich bereits viel wohler gefühlt. Kaum hatte sie alle Taschen in dem Haus abgestellt, war sie sofort mit ihrem Auto an den Strand gefahren und am Ufer entlang spaziert. Es waren 22 Grad gewesen und sie hatte Schuhe und Strümpfe ausgezogen um die nackten Zehen in den Sand zu graben. Gott, das Gefühl hatte sie vermisst.
Es war, wäre in diesem Moment eine Riesenlast von ihr abgefallen! Als wären all ihre Probleme in Köln geblieben. Scout wusste, dass sie sich irgendwann damit befassen musste. Dass sie weg ging, ohne das mit Valentin endgültig geklärt zu haben. Es kam ihr vor, als würde sie weglaufen. Aber anderseits, hatte sie auch versucht mit Valentin zu reden. Vielleicht nur einmal, aber sie hatte es versucht. Er hatte nicht gewollt. Vielleicht hätte sie es noch mal versuchen sollen, aber vielleicht war es auch gut so.
Der Wind strich über ihr Gesicht und wehte ihr Haar sanft um ihren Kopf. Sie roch die frische Seeluft, blickte auf das scheinbar endlose Meer und lächelte.
Es war, als wäre sie erstmal wieder zu Hause. Sie hatte ihr Refugium gefunden. Urlaub von ihrem Leben. Zumindest für eine Weile. Wenn sie zurück nach Hause kehrte, würde ein neues Kapitel in ihrem Leben anfangen. Und ganz egal wie dieses Kapitel verlief, sie war bereit sich dem zu stellen. Daher war ein Tapetenwechsel vorher vielleicht gar nicht so schlecht.
Scout strich sich die losen Strähnen hinters Ohr und richtete den Blick gen Himmel. Das hatte sie vermisst.
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Valentin hatte die letzten zwei Tage damit verbracht für Scout ein passendes Geschenk zu finden, nicht nur um zu zeigen, dass er an ihren Geburtstag gedacht hatte, sondern auch, um sich angemessen zu entschuldigen.
Er hatte erst etwas von ihrer Amazon Liste bestellt und dann Tatjana nach Scouts Musikgeschmack gefragt.
„Sie liebt Ed Sheeran. Das hört sie ganz oft. Bringt sie oft in Stimmung", antwortete Tatjana am Telefon, wobei sie lächelte. Scheinbar hatte die Nachricht Wirkung gezeigt.
„Okay, danke Tatjana", antwortete er, während er nebenbei seine Sachen fürs Wochenende rauslegte.
„Nicht dafür. Sag mal, weiß Scout eigentlich schon, von deinem „In letzter Sekunde"- Besuch?", fragte sie dann.
„Nein, ich habe entschlossen, dass es bei einer Überraschung bleiben soll", meinte Valentin.
„Dann würde ich mir aber auch ein gutes Hotel suchen, denn in ihrem Haus, ist auch nur begrenzt Platz oder willst du dir unbedingt mit Rumpel, eine Matratze teilen?"
„Ich habe ne eigene Luftmatratze und Schlafsack, die kann ich mitnehmen. Gott bewahre, dass ich auch nur eine Nacht neben Rumpel auf einer Matratze verbringe", meinte Valentin zynisch.
„Valle, also ich bin mir ehrlich gesagt, nicht sicher, ob du sie so überraschen solltest. Du hast sie echt scheiße behandelt und vielleicht war die Einladung auch nur aus Höflichkeit", meinte Erik, der über den Lautsprecher mithörte.
„Ich weiß und ganz ehrlich, ich hab auch Schiss vor ihrer Reaktion. Aber ich will es wiedergutmachen, koste es was es wolle."
„Das kannst du aber auch noch, nachdem sie wieder aus dem Urlaub da ist. Sie arbeitet ja immer hin noch bis Ende Mai für uns."
„Erik, hier geht es doch nicht nur um ihre Kündigung. Ich will sie einfach nicht als Freundin verlieren und ich will..."
Valentin stockte. Erik und Tatjana warfen sich gegenseitig bedeutungsvolle Blicke zu. Ihnen war bewusst, was er eigentlich sagen wollte. Mal sehen, ob sie es aus ihm herauskitzeln konnten.
„Ja..., was willst du noch?", fragte Tatjana neckend.
„Ich...ich will es versuchen", kam es nun zögernd.
Erik nickte mit einem wissenden Grinsen.
„Was denn genau?", zog er seinen Freund auf.
„Mann, Erik, ich... ich will...ich will einfach nur rausfinden, ob da vielleicht...noch mehr ist", meinte Valentin dann stockend.
Es schien ihm offensichtlich schwer zu fallen, dass auszusprechen. Aber er hatte es immerhin in die Richtung geschafft. Tatjana quietschte lautlos auf und gab Erik ein High-Five.
„Soso, „mehr", also?", fragte Erik noch immer neckend.
„Mach jetz bloß keine Scherze, oder ich schiebe meine Hand durch das Telefon und erwürge dich", brummte Valentin verärgert. Ihm war jetzt nicht nach irgendwelchen Scherzen zumute.
„Klar, tust du das. Also, willst du wirklich diesen Überraschungstrip dort machen? Ich weiß ja nicht, wie das bei ihr ankommt", meinte Erik dann schmunzelnd.
„Ich muss es wenigstens versuchen."
„Okay, aber bedenke, wir sind da am Meer. Notfalls könnte sie dich auch bei einem romantischen, nächtlichen Spaziergang im Meer versenken und deine Leiche würde vermutlich nie gefunden werden", witzelte Erik.
„Sehr motivierend, Erik. Vielen Dank auch", brummte Valentin.
„Also, um die Diskussion mal abzukürzen. Überleg dich noch mal, ob du sie vorher anrufen willst, oder nicht. Und vor allem auch, was du ihr sagen, willst wenn du dich entschuldigst und auch, sollte da „Mehr" sein, wie du es ausdrückst, was du ihr dann sagen willst. Denn wenn ich sie wäre und ein wenig Verstand in Kopf und Herz hätte, würde ich dir den späten Sinneswandel nicht mehr abkaufen", mischte sich nun Tatjana ein.
„Ich weiß", murmelte Valentin.
„Dann überleg dir, wie du sie überzeugen kannst."
„Mach ich. Ich seh euch dann bei ihr ihr."
Damit legte Valentin auf. Es blieben ihm noch zwei Tage um das perfekte Geschenk aufzutreiben und nun hatte er auch schon Idee.
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Scout begann am Donnerstag mit den Einkäufen, für sie Party. Grillzeug, Kohle, Getränke, etwas Dekoration. Auch Zutaten für einen Kuchen durften nicht fehlen. Abends suchte sie die Luftmatratze und Bettzeug für ihre Gäste heraus. Dabei drehte sie das Radio laut auf und sang bei „Give me Love" von Ed Sheeran mit.
And that I'll fight my corner
Maybe tonight I'll call ya
After my blood turns into alcohol
No, I just wanna hold ya
Das sollte sie vielleicht mal, als nächsten Song für ein Musikvideo vorschlagen. Dafür musste sie sich nur noch ein passendes Konzept ausdenken. Das Video von Ed Sheeran, war schon super, aber bestimmt würde ihr auch noch was Eigenes einfallen. Außerdem mochte ihr Bruder die Musik von Ed Sheeran nicht besonders, hoffentlich konnte sie ihn davon überzeugen, es doch nochmal für sie zu tun. Dabei war Ed Sheeran, ein so wunderbarer Sänger und Songwriter. Seine Texte munterten Scout immer auf, inspirierten sie oder weckten in ihr Sehnsüchte. Und jetzt gerade spiegelten sie auch ihre Gefühle wieder.
No, I just wanna hold ya
Ja, sie wollte auch gehalten werden. Von ihrem Bruder, ihren Eltern oder...von Valentin. Sie wollte sich wiedergeliebt und geborgen fühlen. Dass sie wieder das Gefühl hatte, vollkommen am Leben zu sein. Lebendig zu sein.
Give me love like never before,
'Cause lately I've been craving more,
And it's been a while but I still feel the same,
Maybe I should let you go,
Und vielleicht würde Valentin ihr die Liebe, nach der sie verlangte, niemals so geben können, wie sie es verlangte und vielleicht sollte sie ihn gehen lassen. Aber dennoch sehnte sie sich nach Liebe. Mehr als je zuvor.
Und ja, sie fühlte noch immer für Valentin. Auch wenn die Liebe anders war. Früher war es einfach leicht und heimlich gewesen. Als hätte sie die Chance eines Tages ihn noch zu bekommen. Aber jetzt, fühlte sie sich schmerzhaft und bitter an. Als wäre er nun meilenweit weg und hätte ihr Herz mitgenommen.
Ein fremdes Gesicht, was sie einmal zu kennen geglaubt hatte. Aber bald musste sie sich nicht mehr mit ihm befassen. Vielleicht würde sie ihn noch auf irgendwelchen Partys von Erik und Tatjana sehen, aber sonst nicht mehr. Vielleicht könnte sie ihn ja sogar vergessen.
Am Freitagmorgen stand Scout bereits früh auf, während sie sich im Bad die Zähne putzte, sah sie bereits die ersten Textnachrichten, ihrer Freunde und Verwandten, die ihr zum Geburtstag gratulierten.
Nach einer kurzen Dusche und einem schnellen Frühstück, begann sie langsam alles vorzubereiten.
Sie schob die beiden Tische zusammen, faltete die Servietten, deckte Teller und Geschirr. Dann begann sie mit dem Backen. Gegen 13 Uhr schob sie den Kuchen in den Backofen. Bisher lief alles genau nach Zeitplan. Während der Kuchen im Backofen vor sich hin backte, begann sie sich umzuziehen. Sie flocht ihre Haare zu einem kunstvollen Zopf, suchte sich ein schönes Oberteil und Jeans heraus und passende Schuhe. Während sie sich schminkte, lächelte sie. Heute war ihr Tag. Heute wurde sie 27. Die letzten zwei Jahre hatte sie zwar Glück in der Karriere gehabt, aber Pech in der Liebe. Zeit dies umzudrehen. Wobei, dann hieße es ja, dass sie Pech in der Karriere hätte. Also lieber Glück in der Liebe und in der Karriere. Dank Ria konnte sie sich keinen finanziellen Engpass mehr leisten.
Apropos, diese musste ihr noch bis Ende dieses Monats die 800 € bezahlen. Wie sie das anstellen würde, keine Ahnung. Von dem was Scout gehört hatte, würde sie wohl von Ute keinen einzigen Cent mehr sehen. Zumindest nicht bis zu ihrem Erbe und wer weiß, ob sie dann noch etwas davon hatte.
Überraschender Weise hatte Ria Scout auch am Tag ihrer Abfahrt besucht. Gerade als Scout den Koffer in ihr Auto lud und sich umdrehte, stand Ria plötzlich vor. In den Händen hielt sie eine Orchidee im Blumentopf.
„Hi", kam es unsicher lächelnd von ihr.
„Hi", kam es tonlos von Scout. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte.
„Ich wollte sehen, ob ich dich noch vor deiner Abfahrt erwische und dir das hier geben", meinte Ria dann und reichte Scout die Pflanze.
„Danke", antwortete Scout knapp.
„Hör zu, ich weiß, es macht nichts wieder gut, was ich getan habe, aber ich wollte trotzdem versuchen mich zu entschuldigen. Und diesmal meine ich es auch wirklich so. Was ich dir und anderen angetan habe, war nicht okay und ich wünschte, ich könnte es rückgängig machen. Aber dass kann ich nicht. Aber ich wollte, dass du das weißt", erklärte Ria dann.
Scout nickte langsam.
„Ria, ganz ehrlich. Ich würde dir gerne glauben, aber nach den ganzen Lügen und dem Verrat? Ich fürchte, ich kann es nicht mehr und ich fände es auch besser wenn wir uns nicht mehr sehen. Vielleicht irgendwann mal wieder, aber nicht jetzt. Ich muss das Ganze erstmal verdauen und ich glaube, dass wird auch noch eine Weile dauern, bis ich das vollständig getan habe. Denn ehrlich gesagt, bin ich immer noch wirklich sauer auf dich", meinte Scout so ruhig es ihr möglich war.
„Ja, kann ich verstehen, aber ich hab mir jetzt auch Hilfe gesucht und gehe zur Therapie, damit...damit ich keine Scheiße mehr baue", erzählte Ria.
„Das ist gut. Das freut mich für dich. Also dann, pass einfach auf dich auf, Ria und viel Glück", meinte Scout dann noch immer ruhig .
Ria nickte. Sie schien zu verstehen, dass sie nicht mehr als ruhiges Auftreten von Scout kriegen würde. Kein Lächeln, keine Umarmung. Kein Händeschütteln.
„Okay, dann...einen schönen Urlaub dir und komm gut an", meinte sie schließlich.
„Danke, bis dann."
Das war alles, was sie seitdem von ihr gehört und gesehen hatte.
Und ehrlich gesagt, war es auch besser so. Scout war grundsätzlich nicht nachtragend, aber das hier, ging einfach zu weit. Es war etwas völlig anderes gewesen. Normalerweise hieß es ja „Blut ist dicker als Wasser", aber daran glaubte Scout mittlerweile nicht mehr. Zumindest nicht mehr bei Ria und ihr. Aber bei Jojo und ihr, galt es noch und sie hoffte, dass es auch immer so bleiben würde.
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Tatsächlich trudelten alle so gegen vier bei ihr ein. Tatjana und Erik zuerst, dann tauchten Lukas und Simon auf und dann Manu. Nur Jojo rief kurz vor vier an und sagte, dass er sich um etwas 20 Minuten verspäten würde, wegen eines Verkehrsunfalls auf seiner Strecke.
Scout hatte bereits Eriks und Tatjanas argwöhnischen und beinahe ungeduldigen Blickwechsel untereinander bemerkt, je mehr Gäste ankamen. Als sie jedoch fragte, was los sei, wichen beide ihr mit einem „Ach nicht do wichtig" aus. Scout entschied sich vorerst, es dabei zu belassen. Während Tatjana ihr mit der Glasur des Kuchens half und einen Salat für später vorbereite, unterhielt sich Erik, mit Manu und den Jungs aus der Band.
„Weiß Erik eigentlich von meinem Youtube-Kanal?", fragte Scout Tatjana.
„Klar, weiß er das. Ich habe keine Geheimnisse vor meinem Mann. Zumindest keine, die unwichtig sind", grinste Tatjana und fing sich dafür einen Po Klatscher mit Scouts Handtuch ein.
„Sag mal!"
„Was denn? Irgendwann hätte er es doch sowieso herausgefunden. Außerdem kannst du mir dankbar sein, denn sonst wäre es eng für sich geworden", meinte Tatjana.
„Ach ja?"
„Ja, denn Erik wollte „Blue Rose" mal zu einer der Live-Streams einladen. Da wärst du ziemlich in Erklärungsnot gekommen, wenn er dich als Scout auch noch dabei haben wollte, oder?"
„Das wollte er machen?", fragte Scout überrascht.
„Jep. Also hab ich es ihm lieber gleich erzählt."
„Er behält das für sich, nehme ich mal an?"
„Süße, er wusste seit über zwei Jahren, dass du in Valentin verliebt bist und hat es niemandem erzählt. Vor allem nicht Valentin! Was denkst du denn?", meinte Tatjana lachend.
„Dass ich ziemlich gute Freunde habe und mich frage, womit ich sie verdient habe", meinte Scout da lächelnd.
Tatjana lächelte ebenfalls und umarmte ihre Freundin.
„Gute Menschen verdienen gute Freunde. Und du hast dir etwas mehr Glück eindeutig verdient."
„Danke", lächelte Scout und löste die Umarmung.
Es klingelte erneut. Überrascht sah Scout zur Tür.
„Wer ist dass denn jetzt noch? Alle, die zugesagt haben, sind doch schon da", meinte sie überrascht, da sie Jojo mittlerweile auch schon unter den Gästen gesichtet hatte.
„Vielleicht ein Überraschungsgast", rief Tatjana ihr hinterher, als Scout zur Tür ging und öffnete.
Als sie die Person sah, die dort stand, wiederstand sie nur mühsam dem Impuls, die Tür gleich wieder zuzuschlagen.
Da stand doch tatsächlich...Valentin! Mit einem verpackten Geschenk und einem Blumenstrauß in den Händen.
Und Scout konnte nichts anderes tun, als ihn fassungslos und verblüfft anzustarren.
„Hi Scout, alles Gute zum Geburtstag", sagte dieser mit einem sanften Lächeln.
Und euch einen schönen Abend. Ich hoffe euch gefällt das neue Kapitel und schreibt mir gerne einen Kommentar oder lasst einen Vote da.
lg liz;)
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