Ana uhibak
Wir liefen weiter zum Sportgeschäft. Es war mehr ein Out-door survival Geschäft. Auch hier war vieles geplündert worden.
Doch offensichtlich hielten die Leute diese Produkte für nicht so wertvoll, da verhältnismäßig viel in dem Geschäft zu finden war. Diesmal schauten wir uns die Gegenstände genauer an. Campingausrüstung und Laufschuhe verschwanden in unseren Rucksäcken.
Ich ging die langen Reihen von Sporthosen entlang und strich unbewusst über alles was ich sah.
Früher hatte dieses Verhalten meine Familie wahnsinnig gemacht. Mein Blick fiel auf eine Armburst mit etwa fünfzig Pfeilen. Das Herz schlug mir bis zum Hals als ich daran dachte dieses Schmuckstück zu besitzen.
Nichts liebte ich mehr als mit Pfeil und Bogen zu schießen, aber eine Armbrust war das nächstbeste auf der Liste. Ehrfürchtig strich ich über das dunkle Plastik.
"Du solltest sie mitnehmen." Frederik war neben mir aufgetaucht und hob die Armbrust aus dem Regal. Vorsichtig legte er sie in meine Arme. Sie war nicht schwer oder unhandlich. Allerdings würde ich Schießübungen machen müssen, viele Übungen. Meine Arme fanden schon jetzt das ungewohnte Gewicht des Schießgerätes unangenehm.
Ein weiblicher Schrei ließ uns zusammenfahren. Suchend blickte ich mich im Geschäft um. Es war nicht Valentinas Art so zu schreien, das bedeutete jemand anderes war hier und schrie sich die Seele aus dem Leib.
Bei Zombies war dies wirklich keine gute Idee. Ich hing mir die Armbrust um die Schulter und rannte mit Frederik zu dem unbekannten schreienden Mädchen. In dem Moment dachten wir nicht an eine Falle oder Gefahr.
Der gute-Samarita-reflex ließ uns nicht genügend Zeit um über unsere Taten nachzudenken. Außerhalb des Sportgeschäfts sahen wir uns um und lauschten. Die Schreie kamen aus westlicher Richtung. Wir rannten darauf zu. Mit einem kurzen Blick zurück sah ich Leon und Valentina im Geschäft auf uns warten.
Sie würden der überraschende Back-up sein, sollten Frederik und ich die Situation nicht händeln können. Als wir um die Ecke gerannt waren, sahen wir endlich den Verursacher des Lärms.
Zwei Zombies hatten ein Mädchen mit langen dunklen Haaren eingekreist. Das Mädchen hielt ein kurzes Messer in den Händen und durch die Haare in ihrem Gesicht konnte ich nicht sagen wie sie aussah.
Frederik stürmte sofort los und erledigte eine der verrottenden Leichen.
Ich legte einen Pfeil in mein neues Spielzeug und visierte mein Ziel an.
Der erste Schuss traf den Körper des Zombies. Nicht sehr effektiv. Mit wütendem Gestöhne machte dieser nun seinen Weg zu mir. Panisch griff ich nach den nächsten Pfeil und legte ihn so schnell ich nur konnte in die Armbrust. Der Zombie kam immer näher, doch Frederik und das Mädchen halfen mir nicht. Endlich schaffte ich es den Pfeil richtig einzulegen und schoss noch einmal. Mit einem klatschenden Geräusch traf der Pfeil den Zombiekopf.
Schweißnass und vom Adrenalin völlig aufgeputscht ließ ich die Armbrust sinken und begann zu lachen.
"Oh mein Gott! Hast du das gesehen? Ich habs geschafft."
Frederik umarmte mich fest und beglückwünschte mich.
"Rosie? Bist du das wirklich?" Das Mädchen etwa einen Kopf größer als ich strich sich die schmutzigen Haare aus dem Gesicht und starrte mich aus hungrigen Augen an.
"Valerie? Wow, Valerie. Ich bin so froh dich zu sehen!" Ich löste mich von Frederik und umarmte meine Freundin fest. Wir waren zusammen zur Schule gegangen. Sie war eine wirklich gute Freundin und ich hatte als die Welt zum Teufel ging um sie getrauert so wie um all meine Freunde. Allerdings sah sie nicht so aus als wäre sie vom Totenreich weit entfernt. Ihr Körper schien nur noch aus Haut und Knochen zu bestehen.
"Was machst du hier? Bist du alleine?" Meine Neugierde war kaum zu bändigen. Trotz unserer zahlreichen Ausflüge in verschiedene Orte, hatten wir bis jetzt niemand anderen mehr finden können. Valerie brach in Tränen aus und hielt sich an mir fest.
"Als dieser Mist anfing hat mich eine Gruppe aufgenommen. Ich dachte zuerst die wären nett, aber.... Der Anführer ist ein solches Arschloch, ein Monster. Ich konnte nur mit Glück fliehen und hab mich seitdem alleine durchgeschlagen. Ich hab nicht gewusst, dass die Welt da draußen genauso schlimm sein würde."
Valerie wischte sich die Tränen von den Wagen und sah mich an.
"Aber immerhin hab ich wieder die Entscheidungsgewalt über meinen Körper. Was dieses Arschloch mir angetan hat....." Zwischen all der Verzweiflung blitze Wut in ihren schönen graublauen Augen auf. Ich hatte sie um diese großen farbenintensiven Augen immer beneidet.
Allerdings war es nicht nur das was sie so wunderschön machte. Valerie hatte ich während unserer gemeinsamen Schulzeit oft mit Schneewittchen angesprochen. Blasse Haut, dunkle Haare und Lippen so rot wie Blut.
Das war ihre Beschreibung. Valentina und Leon gesellten sich zu uns. Valentinas Blick fiel auf meine neue Armbrust und mit einem anerkennenden Nicken sah sie mich an. Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen und nickte ihr zu.
"Wer ist das?", fragte mein Bruder skeptisch.
"Erkennst du sie nicht? Das ist Valerie. Meine Freundin. Sie kommt mit uns!" Die Entscheidung war getroffen. Es war mir vollkommen Egal ob mir die anderen zustimmen würden. Valerie war meine Freundin und ich würde sie auf keinen Fall hier draußen alleine lassen. Das wäre ihr sicherer Tod. Ich sah wie sich der Kiefermuskel meines Bruders anspannte.
Er mochte es so gar nicht wenn ich ihm Anweisungen erteilte oder Entscheidungen ohne seine Zustimmung traf. Doch in diesem Punkt würde ich nicht mit mir streiten lassen. Außerdem waren Frederik und Valentina sowieso auf meiner Seite. Man konnte sofort sehen, das das Mädchen Frederiks Beschützerinstinkt weckte. Und Valentina war immer auf meiner Seite.
Valerie sah sich ängstlich um.
"Keine Sorge. Das hier ist Frederik, mein Bruder Leon und meine Cousine Valentina. Wir haben ein Zuhause in der Kaserne nicht weit von hier. Dort sind noch andere Leute. Wir haben genug Essen und du kannst sogar duschen. Also nicht schlecht. Bleib einfach bei uns."
Valerie nickte zögerlich und nahm meine Hand.
"Danke."
"Gut. Genug gekuschelt. Wir haben eine Aufgabe zu erledigen. Das Gartengeschäft wartet auf uns. Zuerst glaub ich aber sollten wir unsere Rucksäcke im Auto ausleeren."
Leon übernahm wieder die Kontrolle und schien sich sichtlich wohler zu fühlen. Valentina und ich nahmen Valerie in die Mitte. So sollte sie sicherer sein. Wieder liefen wir leise und schnell zu unserem Wagen.
Allerdings waren durch Valeries Geschrei viele der Untoten neugierig geworden. Mehrmals mussten wir anhalten und uns verstecken. Es dauerte deutlich länger zum Wagen zurück. Jedes Mal wenn ich Valerie mit meinen Händen oder Schulter streifte, spürte ich wie sehr sie zitterte.
Valentina zeigte auf einen einsam herum streifenden Zombie. Ich nickte und gemeinsam warfen wir uns auf ihn. Wir waren ein eingespieltes Team.
Seine Gedärme hängten wir uns um den Hals und die Taille. Auf den Gestank und den Schmutz reagierten wir schon gar nicht mehr.
Frederik und Leon verzichteten auf das kleine Make-over und liefen weiter.
Sie hielten von unserem Trick nicht viel, aber Valentina und besonders ich war kleiner als alle anderen. Ich brauchte jeden Vorteil, den ich mir verschaffen konnte, denn Körperkraft würde mich sicher nicht retten.
Valerie verzog das Gesicht als Valentina und ich uns wieder neben sie stellten und weiterliefen. Halt machten wir erst als wir den Parkplatz sahen.
Das Auto war von mehreren Zombies umzingelt. Schnell verstecken wir uns hinter einem Gebüsch.
"Was machen wir jetzt?", fragte Frederik, dessen panische Stimme seinem ruhigen Gesichtsausdruck nicht gerecht wurde. Leon sah sich angespannt um.
"Hier." Valentina hielt den jungen Männern einen Teil der Gedärme des Zombies hin.
"Wenn sie uns nicht sofort entdecken, haben wir vielleicht eine Chance." Ich nickte und gab Leon ebenfalls etwas von den Überresten.
"Valerie, du bleibst hier. Pass auf unsere Rucksäcke auf. Wir sind gleich wieder da. Und sei ja leise. Wenn sie dich hören, sind wir alle tot.", flüsterte ich und strich über ihr schmutziges Haar.
"Nein, bitte, bleib hier! Das ist viel zu gefährlich. Das überlebt ihr nicht.", antwortete sie panisch. Ich lächelte Valerie beruhigend an und streifte den schweren Rucksack ab. Leon, Frederik und Valentina taten dasselbe und zückten ihre Messer. Mit ungelenken Bewegungen stand ich auf und ahmte die Bewegungen der Zombies nach. Langsam gingen wir auf unsere Gegner zu.
Dem ersten Zombie stellte ich unbemerkt ein Bein und fiel mit ihm zu Boden. Die anderen Zombies schienen es kaum zu bemerken. Mein Messer befand sich sehr schnell im Kopf des Zombies und dessen Gedärme auf meiner Militäruniform. Langsam stand ich wieder auf und prallte vorsichtig mit Valentina zusammen. Dabei verschmierte ich die neuen Innereien des Zombies auch auf ihrer Uniform.
Mit dieser Methode schafften wir uns leise aber effektiv alle Zombies vom Hals. Als der Parkplatz wieder ruhig war, lief ich zu Valerie und holte unsere Rucksäcke. Sie sah mich mit großen Augen an.
"Das war unglaublich. Du bist ja richtig gut darin."
Ich lächelte über ihren überraschten Ton. Offenbar hatte jeder aus meinem Umfeld angenommen, ich wäre die erste die beim Ende der Welt draufgeht. Ich konnte nicht umhin mich gekränkt zu fühlen. Wir leerten die Rucksäcke aus und standen eine Sekunde schwer atmend vor unserem Auto. Ich sah meine Mitstreiter an. Die Erschöpfung war uns allen anzusehen und es war bereits nach Mittag. Wir brauchten eine Pause.
"Wie wäre es wenn wir für heute Schluss machen?", fragte ich in die Runde. Valentina nickte dankbar für meinen Vorschlag. Frederik stimmte ebenfalls zu, doch Leon sah sich unsicher um.
"Wir waren noch nicht beim Gartengeschäft."
"Ich weiß, aber schau uns an, Leon. Wir sind müde. Müde Menschen machen Fehler. Also komm, wir können morgen wieder kommen."
Mit einem tiefen Seufzer stimmte Leon zu. Wir stiegen alle ins Auto. Wobei Valerie Richies Platz einnahm und uns alle an seinen Verlust erinnerte.
Zu sagen, dass Valerie hungrig gewesen war, war eine glatte Untertreibung. Natürlich hatte meine Mutter ihr sofort etwas zu Essen gegeben, als wir alle dreckig und erschöpft in den Schlafsaal beziehungsweise Wohnraum getorkelt waren.
Noch immer verschlang Valerie eine Schüssel Gulasch nach der anderen.
"Nicht so schnell, Schatz, oder du musst dich übergeben.", meinte Mutter sanft und strich über Valeries Rücken. Diese aß tatsächlich langsamer und lehnte sich dann an Mutter. Papa stellte sich zu mir an die Wand und folgte meinem Blick. Ich ließ Valerie nicht aus den Augen.
Meine Befürchtung war es, dass wir zu viel für ihre sensiblen Nerven waren. All die Zeit die sie alleine da draußen verbracht haben muss. Ich wollte mir das nicht mal vorstellen.
"Morgen gehen wir zurück für die Gartensachen." Papa nickte.
"Schon gut. Gott sei Dank hat es keine Eile. Leon und Frederik sind aus der Dusche draußen. Du, Valentina und Valerie seid jetzt dran."
Ich lächelte und öffnete die Arme um Papa zu umarmen.
"Sei mir nicht böse aber du stinkst unbeschreiblich. Ehrlich ich krieg schon gar keine Luft mehr."
Spielerisch versuchte ich Papa trotzdem zu umarmen und genoss sein angeekeltes Gesicht und seine verzweifelten Versuche meiner Umarmung zu entkommen. Valentina tauchte neben uns auf und sah mich so ernst an wie immer. Das Mädchen schien jeglichen Sinn für Humor während der Zombieapokalypse verloren zu haben, sollte sie denn je einen besessen haben.
"Bist du so weit?"
Da ich wusste, dass es Valentina egal war, dass ich sie in meine Arme schloss, größtenteils weil sie ebenso dreckig war wie ich, drückte ich sie fest an mich. Das getrocknete Blut der Zombies rieselte langsam zu Boden und die Gedärme, die immer noch um unsere Körper hingen, machte quietschende Geräusche. Tatsächlich entlockte ihr das ein Lächeln. Alle anderen verzogen bei unserem komischen Anblick das Gesicht.
"Rosie-Marie! Valentina! Ich hab da grade sauber gemacht!", rief meine Mutter ärgerlich und rauschte zu uns. Dort wo wir standen befanden sich Blutflecken und Dreck. Arthur kam bei uns vorbei und hielt mir einen Joint hin.
"Hallo, kleine. Was sollen den die Dinger um deinen Hals?"
Mein Cousin zeigte auf die Gedärme und lächelte mit glasigen Augen.
"Das ist die neueste Mode. Siehst du doch." Ich lächelte Arthur an.
"Steht dir total gut. Hier, nimm nen zug.", meinte er in seinem typischen Kifferslang. Unglaublicherweise meinte er das Kompliment ernst.
Sein Gesicht strahlte keinerlei Sarkasmus aus.
Genau deshalb liebte ich diesen Verrückten so sehr. Natürlich genehmigte ich mir einen Zug und folgte dann Valentina Richtung Badezimmer.
Diese lehnte Arthurs Gabe dankend ab. Nur in sehr seltenen Fällen ließ sich dieses steife Mädchen fallen. Valerie sammelte ich auf dem Weg dorthin ein und zog sie mit mir. Bevor wir durch die Tür gingen, drehte ich mich nochmal um und sah ihr direkt in die schönen Augen.
"Wehe du kotzt da drin!" Valerie sah mich bei meinem ernsten Tonfall erschrocken an. Plötzlich fing ich an zu lachen, drehte mich um und lief prombt gegen die verschlossene Badezimmertür.
Mit voller Wucht landete ich auf meinem Hintern und hörte hinter mir die ganze Gruppe lachen. Willhelm half mir schlussendlich auf und fragte mich ob alles in Ordnung sei. Anstatt ihm zu antworten sah ich mich im Raum nach meinem Cousin um.
"Boah. Hey Arthur. Was zur Hölle hast du mir da zu rauchen gegeben." Arthur in einer ernsten Debatte mit einer Taschenlampe verstrickt, antwortete nicht.
Ich schüttelte den Kopf und klopfte an die Badezimmertür.
Valentina öffnete sie mit einem Seufzer und ließ uns Mädels herein.
Zuerst wurde das Fenster geöffnet und die Zombiegedärme entfernt.
Es war tatsächlich so eklig wie es klingt. Die meiste Zeit ließ das Adrenalin mich diese Dinge nicht spüren, doch nun waren wir in Sicherheit und mein Magen ließ beim Anblick der Innereien einen kurzen Protest vermerken.
Danach wurden die dreckigen Kleider ausgezogen und in den Wäschekübel geworfen. Gewaschen wurde nur einmal die Woche, doch da wir so viel Reservekleidung aus dem Shoppingcenter und der Kaserne hatten, kümmerte dies niemanden.
Die Dusche war nicht heiß aber auch nicht kalt. Mein Kopf fühlte sich benebelt an. Allerdings fielen mir trotzdem die Narben an Valeries Körper auf. Sie war leider wirklich sehr dünn und schien ein paar harte Monate hinter sich gehabt zu haben.
"Wie high bist du grad?", fragte Valentina und versuchte das Blut aus ihrem langen Haar zu waschen. Keine leichte Aufgabe.
"Ich seh keine Halluzinationen, glaub ich zumindest. Wieso?"
"Meine Haare werden mir zu lang. Ich dachte, vielleicht kannst du sie schneiden." Ich stieß ein lautes Lachen aus.
"Du willst nicht aussehen wie meine Barbie-Puppen. Ich hab ihnen als ich klein war auch mal die Haare geschnitten. Schlechte Idee. Nachos und ein Burger wären jetzt echt super. Hey spürt ihr auch wie sich der Raum dreht?" Valentina seufzte und trocknete sich ab.
"Ich könnte dir die Haare schneiden. Ich bin zwar keine Friseurin, aber einen geraden Schnitt kann ich immer noch machen."
Valerie sah meine Cousine freundlich an. Diese schien sich nicht so sicher zu sein und das obwohl Valerie bei weitem die beste Option war.
"Ich würds sie machen lassen. Valerie ist in sowas gar nicht so schlecht.", ermutigte ich Valentina und schlüpfte dann in eine weite Militärhose.
Gerade war mir die beste Idee überhaupt gekommen. Grinsend verließ ich die beiden und machte mich auf den Weg in die Küche.
Diese lag wenn man den Schlafraum verließ einen langen Gang auf der rechten Seite hinunter. Es war eigentlich eine große Cafeteria, aber weil wir nur so wenige waren, wollten wir nicht unnötig zusätzlich Räume benutzen. Immerhin je weniger Lärm und Licht wir machten, umso sicherer waren wir vor Angreifern. Mutter, Willhelm und Manni befanden sich in der Küche und kochten unser Abendessen.
Breitbeinig immer noch töricht grinsend stellte ich mich vor die drei hin und meinte mit lauter Stimme:
"Ich werde jetzt einen Kuchen backen. Für Richie!"
Die drei Meisterköche, wobei Manni nur die einfachsten Arbeiten übernehmen durfte, da seine Hände durch den Alkohol permanent zitterten, sahen mich verwirrt und überrascht an. Ich begann zu kichern und sah mich in der spärlich eingerichteten Küche um. Hier war Essen für Soldaten produziert worden, das heißt je geschmackloser und billiger desto besser. Manni umarmte mich und zeigte mir alles.
Jedes Kücheninstrument wurde bestaunt ......von uns beiden.
Schien als hätte Manni wieder einmal zu tief in seine heißgeliebten Flaschen geschaut. Mich störte das nicht. Zusammen würden wir sicher einen Kuchen backen können.
Die nächten Stunden sind in meiner Erinnerung nur äußerst verworren, doch am Ende schaffte ich es tatsächlich etwas zu backen, das entfernte Ähnlichkeit mit einem Kuchen hatte.
Zusammen saßen wir im Schlafsaal. Alle um ein paar Laternen gekuschelt. Schatten tanzten an den Wänden. Das Essen und Wasser wurden herumgereicht und über den Tag gesprochen.
Caleb neben mir roch nach Metall. Dieser Geruch war nicht unangenehm für mich, da ich mich in den letzten Monaten an ihn gewöhnt hatte. Irgendwie verband ich Caleb damit und musste jedes Mal wenn ich Metall roch an ihn denken. Natürlich würde ich ihm das nie sagen. Gefühle waren ja bekanntlich nicht meine Stärke.
Er verschlang gerade die zweite Portion seines Abendessens und schien glücklich. Valerie saß in eine Decke gehüllt neben mir. Frederik und sie waren in ein tiefes Gespräch verwickelt und schienen die Außenwelt vergessen zu haben. Da Arthurs Joint allmählich nachließ war ich mir meiner Umwelt mehr bewusst. Allerdings hätte ich auch im Vollrausch erkennen können, das die beiden Funken sprühten.
Ich musste beim Gedanken an diese unverhoffte Liebe lächeln.
Die Romantikerin in mir freute sich. Überhaupt war ich über unsere Situation sehr froh. Immerhin leideten wir keinen Hunger oder Angst, zumindest nicht viel. Mutter unterhielt sich angeregt mit Theresa und Papa. Offenbar waren für ihren Geschmack zu wenige Konserven in der Küche. Willhelm saß mit Manni und Arthur zusammen und versuchte trotz lallender Worte und glasiger Augen ein Gespräch zu führen.
Arthur streichelte abwesend seine Pflanze. Manni winkte mir über den Schein der Laternen zu und hielt unseren beinahe ungenießbaren Kuchen hin die Höhe. Er aß ihn mit solch süßen kindlichen Stolz.
Ich lächelte, kuschelte mich tiefer in meine Decke und lehnte mich an Caleb.
"Ich hab gehört was passiert ist. Muss hart da draußen gewesen sein. Irgendwie scheiße das ich nicht da war.", meinte er und strich mir über den Rücken.
"Es war nicht so schlimm, ehrlich. Ich mein, dass mit Richie ist natürlich scheiße. Aber wir haben überlebt, wir sind immer noch da."
Ich sah Caleb in seine dunklen Augen, lächelte und ließ mich küssen. Schon verrückt, dass es Zombies brauchte damit ich einen festen Freund bekam. Wobei eigentlich traurig, sehr traurig. Ich versuchte nicht zu viel darüber nachzudenken. Stattdessen genoss ich meine Zeit mit diesem nervtötenden, angeberischen, liebenswürdigen Idioten.
Caleb strich über meine Haare und Wange, achtete aber darauf nicht zu viel zu erkunden. Es war sozusagen ein ungeschriebenes Gesetz in unserer Gruppe, gewisse Tätigkeiten nicht vor anderen zu tun.
Dafür gab es extra Räume in der Kaserne. Plötzlich tippte jemand auf meine Schultern. Mein Bruder hockte vor mir und sah mich ernst an.
"Was ist?", fragte ich vorsichtig. Eigentlich wollte ich keine schlechten Nachrichten hören. Der Abend war so entspannt und angenehm.
"Habt ihr Karl gesehen? Offenbar hat er sich für den Tag bei Papa krank gemeldet. Aber niemand hat ihn gesehen, den ganzen Tag über. Ich mach mir langsam sorgen. Er war in letzter Zeit nicht er selbst."
"Du meinst kein Arschloch?", fragte ich mit einem patzigen Unterton. Leon verdrehte die Augen, sagte jedoch nichts darauf. Allein das er mir kein Konta gab, sorgte dafür das auch ich unruhig wurde.
"Sorry, aber ich hab ihn auch nicht gesehen. Arthur und ich waren den ganzen Tag mit den Autos beschäftigt." Leon seufzte.
"Trotzdem danke. Ich werd ihn suchen gehen."
Mit einem unguten Gefühl im Magen sah ich meinem kleinen Bruder hinterher. In unserer Gruppe war Karl bei weitem derjenige dem das Ende der Welt am meisten zu schaffen machte.
Alle anderen hatten sich in ihre Rollen eingefügt. Selbst ich, obwohl es ein seltsames Gefühl war zu wissen wo ich hingehörte. Um mich zu vergewissern, das außer Karl niemand aus meiner Gruppe fehlte, zählte ich nach. Valentina und Nik waren ebenfalls verschwunden.
Allerdings konnte ich mir schon denken, wo die beiden ihre Zeit verbrachten. Alle anderen unterhielten sich fröhlich. Gerade als ich meine Aufmerksamkeit wieder Caleb und seinen Knackarsch widmen wollte, stand Willhelm auf. In den Händen hielt er ein Glas, gefüllt mit Wasser.
Jeder sah ihn an und wartete darauf was nun geschehen würde.
"Hallo erst mal. Ich wollte einfach mal einen Toast ausbringen über das was wir hier geschaffen haben. Ich weiß, wir haben alle viel verloren und diese Verluste prägen uns. Heute trauern wir um unseren Freund Richie, der in Ausübung seiner Pflichten für uns gestorben ist. Richie, wo immer du bist, ich hoffe es geht dir gut. Danke für alles was du für uns getan hast. Und natürlich heißen wir Valerie unser neues Gruppenmitglied willkommen. Ich hoffe, wir können dir eine Familie sein, so wie wir es für einander sind."
Willhelm hob sein Glas und wir taten es ihm gleich.
"Auf das unser Zuhause noch in vielen Jahren, ein Zuhause sein wird! Auf uns!" "Auf uns!", wiederholten wir gleichzeitig.
Eine unerwartete Druckwelle riss uns alle um. Mauern wurden auseinander gerissen, Metallstreben Frederikgen durch die Luft und Staub senkte sich über unser Gesichtsfeld als wäre es Nebel. Zu schnell war die Explosion gekommen und zu schnell war sie vorbei. Meine Ohren klingelten und Blut rann meine dreckigen Wangen hinunter.
Mauerprojektile hatten tiefe Schnittwunden in mein Gesicht gerissen. Hustend und keuchend versuchte ich mit den Händen den Staub vor meinem Gesicht zu vertreiben. Natürlich war dies ein zweckloses unterfangen, doch in diesem Moment war ich so geschockt von der Explosion, dass ich mich von meinem Instinkt leiten ließ.
Nur schwerlich schaffte ich es den Staub aus meinen Augen zu wischen und mich umzusehen. Mein Blick fiel zuerst auf Willhelm. Durchbohrt von mehreren Metallstreben stand er völlig perplex da. Blut rann seinen nun löchrigen Körper hinunter. Er erinnerte mich an einen Schweizerkäse und in mitten all dieses Chaos und der Schreie fing ich an zu lachen.
Vorsichtig versuchte ich mich aufzurichten und sah mich weiter um. Caleb neben mir schien am Kopf getroffen worden zu sein. Blut rann aus einer breiten Wunde an seinem Haaransatz.
Ohne viel zu überlegen, zog ich meine leichte Weste aus und band sie um seinen Kopf. Ich wusste genau Kopfverletzungen bluteten wie sau, waren aber leicht zu nähen. Innerlich betete ich das sein Gehirn nichts abbekommen hatte.
"Caleb wach auf! Ich brauche dich!" Auf Worte reagierte er nicht, also goss ich Wasser auf sein Gesicht. Prustend wurde er wach und versuchte sich zu orientieren. Seine Augen schossen ziellos hin und her bis er sie auf mich konzentrieren konnte. Ich nahm seinen Kopf in meine Hände.
"Alles okay. Tief Luft holen. Alles gut." Er klammerte sich an mich und betastete seinen blutenden Kopf. Ich sah Papa wie er Mauertrümmer von seinem Körper schob und meine vor schock schreiende Mutter zu beruhigen versuchte. Theresa konnte ich nirgends sehen, doch Arthur war ebenfalls wach und blinzelte mich verwirrt an.
Er schien bis auf einige Schnittwunden nicht ernsthaft verletzt worden zu sein. Wie in Trance streichelte er seine Pflanze, kümmerte sich nicht um unsere verletzten Freunde, unsere Familie. Bei diesem Anblick wurde ich wütend.
"Hilf Manni!", rief ich aufgebracht und zeigte auf die bewusstlose Person neben ihm. Arthur wandte sich nur langsam seinem Freund zu.
Ich beschloss mich um diejenigen zu kümmern die in meiner Nähe waren. Kopfschüttelnd um wieder klar sehen zu können, drehte ich mich zu Valerie um. Sie war bei vollem Bewusstsein, obwohl ich bei ihren Verletzungen gehofft hatte, sie wäre es nicht.
Ein großer Mauerteil lag auf ihren rechten Bein und ein Betonbrocken hatte ihre rechte Seite aufgerissen. Sie blutete stark. Frederik neben ihr saß mit einem Metallstreben in seinem Rumpf da. All das frische Blut verursachte mir Schwindelgefühle.
Das Adrenalin versteckte offenbar die ohne Zweifel sehr starken Schmerzen vor ihm. Ängstlich sah ich an mir selbst hinunter. Die Möglichkeit ebenfalls irgendwas in mir stecken zu haben, das da nichts verloren hatte, ließ mich die Luft anhalten.
Erleichternd aufatmend begriff ich, dass meine kleine Statur mich wohl vor dem größten Schaden bewahrt hatte. Manchmal war es schon gut, ein Zwerg zu sein. Vorsichtig stand ich auf und half Caleb sich ebenfalls aufzurichten. Er schwankte stark und hielt sich an mir fest.
Da ich auch in normalen Situationen kein gutes Gleichgewicht hatte, schwankten wir nun zusammen. Aus dem Loch in der Mauer drang Feuer. Beißend lächtzte es nach immer mehr. Der Rauch wurde immer dichter und brachte meine Augen zum Tränen. Zumindest wollte ich das es der Rauch war.
"Wir müssen hier raus!", rief ich ohne jemand bestimmtes zu meinen. Ich wusste, dass es nicht alle schaffen würden.
Der Kloß in meinem Hals wurde immer größer, doch Tränen ließ ich nicht zu. Ich brauchte eine klare Sicht. Wir mussten hier raus.
Erst überleben, danach trauern. Papa half meiner Mutter auf und hielt sie fest. Schockiert stellte ich fest, dass auch sie viele blutige Stellen aufwies. Ob es ihr Blut war, oder wie stark sie verletzt war, wusste ich nicht.
"Lauft! Wir treffen uns draußen!", hörte ich Papa über das laute Feuer und das Ächzen des Gebäudes rufen. Zähneknirschend sah ich hinunter zu Valerie und Frederik. Tränen rannen ihre dreckigen Gesichter hinunter. Ihre auswegslose Situation war ihnen bekannt.
"Lauf, Rosie." Schluchzend küsste ich ihre Stirn und strich über ihre vom Staub grau gefärbten Haare. "Ich liebe dich. Du warst eine unglaublich gute Freundin. Wir hatten so viel Spaß. Dort wo du hingest wird es Schokolade geben.", versuchte ich sie trotz allem aufzuheitern.
Frederik blutete derweilen einen See. Es war klar, dass auch er nicht mit kommen konnte. Lächelnd legte er sich neben Valerie und nahm ihre Hand.
"Ich liebe dich.", flüsterten sie sich sterbend zu. Das letzte, dass ich von meiner alten, gerade erst wieder gefundenen Freundin sah, war ihr erster Kuss mit einem jungen Mann, der vielleicht mehr hätte werden können.
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