Lang erhofft, doch nur kurz erhalten
Pov. Clint
Den Aufprall spürte ich kaum. Alles, was ich wahrnahm, war ein dumpfes Knacken in weiter Ferne.
Als ich meine Augen öffnete, war alles orange. „Eine hässliche Farbe!", schoss es mir durch den Kopf. Ich erkannte diesen Farbton. Genervt stellte ich fest, dass ich in der Seelenwelt gelandet war. Keinen Ort hasste ich mehr, denn es war der erste gewesen, den ich ohne Natasha betreten hatte.
Aber vielleicht hatte ich damit ja falsch gelegen.
Eine Welle der Freude überkam mich, als ich am Horizont einen kleinen Pavillon erkannte. Darin tanzte eine graziöse Ballerina. An sich war das nichts Besonderes, doch würde ich diesen Rotschopf überall wiedererkennen!
Eilig rannte ich auf das Gebäude und der darin tanzenden Person zu. Es dauerte eine Ewigkeit, denn bei jedem Schritt, den ich machte, schien mein Ziel um zwei weiter entfernt zu sein. „Was ist das hier für ein verdammter Teufelskreis?", fluchte ich.
Schließlich stand ich endlich vor den Treppen. Bedächtig schritt ich sie hinauf. Noch immer konnte ich nicht glauben, was gerade passierte. „Natasha?", hauchte ich atemlos. Sofort hörte die wunderschöne Ballerina auf sich zu bewegen. Nicht ein Haar rührte sich mehr in diesem windstillen Gefängnis. Alles wirkte nun wie eingefroren.
Als ich schon nicht mehr daran glaubte, dass sie echt war, drehte sie sich quälend langsam, Stück für Stück um. „Clint?" Auch ihrer Stimme konnte man Unglauben heraushören. Langsam nickte ich, starrte einfach weiter in ihr zierliches Gesicht, dass nach und nach mit mehr Tränen verziert wurde. Ihre Haut schimmerte nun und verlieh ihr ein magisches Antlitz.
Endlich lösten wir uns auf der Schockstarre und ebenso schnell, wie ich meine Arme ausbreitete, stürmte sie auf mich zu. Dankbar nahm ich sie so fest in den Arm, wie ich konnte und auch sie erwiderte die Umarmung ebenso innig. Nach einiger Zeit löste ich mich wieder ein Stückchen, um ihr in die Augen sehen zu können. Noch immer war ich nicht in der Lage, die Situation zu begreifen, aber ich war einfach nur froh, meine beste Freundin wiederzuhaben. Liebevoll strich ich ihr mit dem Daumen ein paar der zahlreichen Freudentränen weg.
„Ich habe dich so vermisst!", sprachen wir gleichzeitig und brachen gleich darauf in hysterisches Gelächter aus. Als wir uns schließlich wieder beruhigt hatten, schien unser Verstand wieder klar zu sein. Skeptisch sah Natasha mich an. „Haben wir die Welt gerettet?" ich lächelte. Natürlich war das ihre erste Frage. Lächelnd nickte ich. „Das ganze Universum und nun bin ich hier, um dich zu retten!" „Mich? Aber müssten wir dann nicht wieder auf Vormir oder sonst wo sein, wo es weniger... orange ist?" Erschrocken sah ich sie an. Sie hatte Recht. Sie sollte hier nicht länger sein. „I-", setzte ich zu einer Erklärung an, als uns plötzlich ein strahlend helles Licht trennte. Es blendete so stark, dass wir uns die Hände vor sie Augen halten mussten. Jedenfalls musste ich das, denn Natasha konnte ich durch die plötzliche Helligkeit hindurch nicht mehr sehen. Erschrocken stolperte ich einige Schritte zurück.
Doch so schnell, wie die Überraschung kam, verschwand sie auch wieder und auf einmal war es nicht mehr so gleißend hell, nur dieses schummrige orange Licht war noch vorhanden. „Clint?" Verwirrt hob ich den Blick. Hatte ich gerade so etwas wie Angst in Natashas Stimme gehört? Als ich auf ihre Hand sah, begriff ich, was sie in Panik versetzte. Auf ihrer offenen Handfläche lag – ganz unschuldig – der wohl gefährlichste Stein im gesamten Universum. Ich löste mich von dem Anblick und sah auf, geradewegs in ihr wunderschönes Gesicht: Tiefe Sorge zeichnete sich darin ab. „Bitte sag mir, dass du nicht das getan hast, was ich denke, dass du getan hast!" „Ich konnte so nicht leben! Nicht ohne dich! Ich hätte es sein müssen! Ich habe so viele Leben genommen, da wäre es nur gerecht gewesen, hätte es nun das meine gekostet." „Clint, Ich-" „Nein, hör zu. Ich hatte meine Jahre mit meiner Familie, auch wenn es ohne dich war. Lila ist nun sogar schon erwachsen. Alles, was mir wichtig war, habe ich in den letzten Jahren erlebt und nun hast du es verdient zu leben! Trauere mir nicht nach. Ich hatte meine Chance. Es war meine Entscheidung! Werde glücklich! Das ist mein einziger Wunsch. Und bitte sprich endlich mit Cait. Sie vermisst dich stärker, als du denkst und bitte sag ihr, dass ich es nicht nur wegen ihr getan habe und dass ich ihr verziehen habe. Ich liebe sie."
Mit Tränen in den Augen und bebender Lippe sah sie mich an. „Du bist, wie eine Schwester für mich und ebenso liebe ich dich! Nutz diese Chance!" Schluchzend zog sie mich in den Arm. „Ich dich auch!" Ich wollte nicht schon wieder ohne sie sein, doch dieses Mal wusste ich, dass sie endlich das Leben leben würde, dass sie verdient hatte.
Ich spürte, wie sie sich langsam auflöste. Auch sie musste es wohl wahrnehmen, denn sie verstärkte die Umarmung. „Vorstellungskraft ist alles. Du findest hier alles, was deine Seele begehrt!", raunte sie mir noch zu, ehe sie vollständig verschwand.
Wenigstens ließ nicht auch sie mich mit einem Häufchen Asche zurück! Aber was meinte sie mit ihren letzten Worten? Grübelnd wollte ich zu dem Pavillon zurückkehren, doch als ich mich umdrehte, war auch er verschwunden.
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