Entzweit
Hello!
Auch hier bin ich endlich mal wieder mit einem neuen Kapitel am Start.
Da ich nichts weiter zu sagen habe, wünsche ich euch viel Spaß.
Was wäre, wenn: Jan und Tim sich nie kennen gelernt hätten
Kapitelname: Entzwei
Wörterzahl: 1325
Vorkommende Personen: Tim Lehmann, Jan Zimmermann, Tina Lehmann, OC
Sicht: Erzähler
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Nur noch zehn Minuten bis zum lang ersehnten Feierabend. Die vierundzwanzig Stunden Schichten zerren immer wieder an Tim Lehmanns Nerven und doch liebt er diesen Beruf sehr. Ja, Bundeswehr oder Polizei wären spannender gewesen und hätten ihn mehr verdienen lassen, aber dafür – musste er sich damals eingestehen – war er einfach zu unsportlich. So entschied er sich 2018 für die Ausbildung im Rettungsdienst. Seine liebste Kollegin Feline sitzt neben ihm in der kleinen Küche und liest in einer Zeitschrift, während Tim sich die Zeit mit dem Smartphone vertreibt. Beide Sanitäter hängen ihren Gedanken nach und kaum denkt Tim zu Ende, dass die Schicht doch recht ruhig endet, geht sein Melder los.
„Och nö, so kurz vor Feierabend", stöhnt die Blonde neben ihm und schaut auf das piepsende Gerät, „Verkehrsunfall mit Kind, NEF ist informiert."
Mit Kind, nie ein gutes Zeichen denkt sich Tim und erhebt sich von seinem Stuhl, streift sich die gelb-rote Jacke über. Feli ist die Fahrerin, schnell sitzen sie in dem Rettungswagen und verlassen die Wache zusammen mit einer weiteren RTW-Besatzung. Innerlich verflucht Tim in diesen wertvollen Sekunden jeden einzelnen Autofahrer, der es nicht auf die Kette bekommt, seinen dicken Schlitten aus dem Weg zu schieben. Bis heute fragt er sich, was denn an Rettungsgassen so schwer sein soll.
Nach rund zwölf kostbaren Minuten erreichen sie den Unfallort. Zwei PKW sind frontal aneinandergestoßen. Zeitgleich mit den beiden Rettungswagen trifft auch das Noteinsatzfahrzeug ein. Tim springt schon beinahe aus dem Fahrzeug und schnappt sich den Kinderrucksack. Jenes Kind liegt bewusstlos auf dem Asphalt, die Mutter kniet aufgebracht und weinend daneben. Da es sich bei dem einen Wagen um einen VW Up handelt, saß das Kind vorne und hat den Aufprall des Audi A3 voll abbekommen. Tim und Feli kümmern sich gemeinsam mit Dr. Hess um das verletzte Kind.
„Eric, sein Name ist Eric", bringt die Mutter schluchzend über die Lippen.
Der Rettungsassistent aus dem NEF nimmt die Mutter beiseite und spricht mit ihr, versucht sie zu beruhigen, während das Rettungsteam den Achtjährigen stabilisiert.
„Uniklinik", murmelt Dr. Hess bestimmend.
Zunehmend wird der kleine Mann wacher, die grünen Augen strahlen dem Rettungsteam entgegen. Er wird in den RTW gebracht, die Mutter darf vorne auf dem Beifahrersitz platznehmen. Tim erfüllt seine Aufgaben routiniert, macht, was der Notarzt ihm sagt. Jetzt ist keine Zeit für Emotionen, auch wenn ihn dieser Einsatz doch mitnimmt. Darüber nachdenken kann er später.
Der Junge wurde der Bonner Uniklinik übergeben, Feline und Tim sind zurück auf der Wache. Der Rettungswagen ist sauber und die Übergabe kann stattfinden. Auch wenn sich Tommy und Deniz nun gedulden mussten.
„Soll ich dich zu Hause rumfahren?", hakt Feli nach, nachdem sie sich umgezogen haben.
Seine Kollegin hat ihn schon öfter abgeholt und nach Hause gefahren, wenn sie zusammen Schicht hatten und so willigt Tim auch heute ein. So kann er auf der zwanzigminütigen Fahrt noch mit ihr über den heutigen Einsatz sprechen. Es hilft ihm dabei, jenen Einsatz nicht mit nach Hause zu nehmen und sie aufzuarbeiten.
„Dem Jungen geht es bestimmt bald wieder besser", spricht sie aus und er nickt.
„Ganz sicher, es sah ja gut für ihn aus."
Er wohnt noch bei seinen Eltern. Henry, sein Labrador, begrüßt ihn als erster erfreut mit wedelnder Rute und leckt dem jungen Sanitäter durch das Gesicht. Tim freut sich über die Begrüßung, auch wenn er todmüde ist und nur noch in sein weiches Bett möchte. Auf der Rettungswache ist er kaum zum Schlafen gekommen, so viel war zu tun. Eine gestürzte ältere Dame, drei Verkehrsunfälle, ein Mann, der seit drei Wochen Rückenschmerzen hatte, ein Opfer einer Schlägerei und ein Betrunkener. Kein Wunder, dass Tim so kaputt ist. Wäre Wochenende, hätte er vermutlich noch mehr zu tun.
„Hallo Tim, du bist aber spät dran", begrüßt ihn seine Mutter mit einem Lächeln.
„Hatten noch einen Verkehrsunfall, ich hau mich ins Bett", sagt der Angesprochene und stapft die Treppenstufen nach oben.
Schnell macht er sich noch Bettfertig, dann kuschelt er sich in sein Bett. Henry legt sich neben ihn. Das macht der Hund häufig, er liebt es mit Tim zu kuscheln und wacht über seinen Schlaf. Tim schafft es noch ein paar Mal, seinen Hund zu kraulen, dann ist er auch schon eingeschlafen.
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Eigentlich würde Jan Zimmermann sich nun auf das Fahrrad schwingen und in sein Azubi-Büro im Umweltbundesamt Köln fahren, allerdings hat er sich für heute mal freigenommen. Immer noch ist er sehr dankbar dafür, diese Ausbildung machen zu dürfen, nachdem er die Ausbildung zum Physiotherapeuten abbrechen musste und daraufhin nur noch Absagen kamen. Schuld daran ist seine Krankheit, denn Jan leidet an dem Tourette Syndrom. Leider immer noch eine Krankheit, mit der sich kaum einer auseinander zu setzen scheint, weshalb Jan oft auf Ablehnung stößt. Nur nicht bei seinem Freund. Phil akzeptiert ihn so wie er ist, er ist für Jan fester und bester Freund gleichzeitig. Mit eben diesem sitzt er nun am Frühstückstisch und genießt seine warmen Brötchen mit Käse. Phil ist mehr der süße Typ und bestreicht schon die vierte Hälfte mit Nutella. Sie haben nichts Großes für heute geplant, obwohl Jan doch ein Abenteurer ist und gerne etwas unternimmt. Vor allem aber reist er gerne. Aber das lässt sein Urlaubsplan und auch sein Gehalt im Moment nicht zu.
„Wollen wir nachher eine Runde spazieren gehen?", hakt Phil nach, der sich heute auch mal von seiner Hausarbeit fernhält.
„Ja, klar. Hm!", meldet sich nun auch mal sein Tourette zu Wort, welches Phil liebevoll Kobold nennt.
Milly, die Serengeti Katze von Jan und Phil, streift um die Beine des Touretters und miaut, möchte was von dem Frühstück haben. Dabei wurde sie erst vor zwanzig Minuten gefüttert. Jan streichelt sie kurz und führt dann sein Frühstück fort.
Eine halbe Stunde später laufen Phil und Jan Hand in Hand durch den nächstgelegenen Park. Immer wieder tict Jan, zuckt mit den Gliedmaßen oder boxt Phil gegen die Schulter. Ein älteres Ehepaar mustert das junge Pärchen mit einem angeekelten Blick, Jan möchte gar nicht wissen, was genau sie so ekelhaft finden. Er schaut weg, während Phil mit dunklem Blick den Kopf schüttelt.
„Hey, Schatz. Mach dir nichts draus", er gibt Jan einen Kuss auf die Wange.
„Ha, Gay!", brüllt sein Kobold, was beide zum Lachen bringt.
„Schon viel besser", bestätigt sein Freund letztendlich.
Zurück in der Wohnung spielt Jan mit Milly, sie ist sein Ruhepol. Zwar haut er ab und an Worte wie Katzenfleisch heraus, jedoch werden an sich seine Tics weniger. Er hat eine Maus in der Hand und ärgert die Katze damit ein bisschen, aber diese hat dabei ihren Spaß. Phil schreibt währenddessen die Einkaufsliste, sie müssen nachher noch einkaufen fahren. Manchmal macht sich der Gesellschaftswissenschaftsstudent Sorgen um seinen Freund, denn es gibt Phasen, in denen Jan nicht wirklich selbstbewusst mit seiner Krankheit umgeht. Schuld sind die Mitmenschen, wie vorhin im Park. Phil würde ihm gerne helfen. Wofür studiert er denn schließlich dieses Fach? Er weiß nur noch nicht so ganz, wie er das anstellen soll.
Wieder einmal bestätigt sich Phils Sorge, als sie in seinem Mazda auf dem Parkplatz eines Supermarktes stehen. Jan wirkt wie eingefroren, er beobachtet die vielen Menschen, die ihre Einkäufe in die Autos packen, sich Einkaufswagen holen oder versuchen, dass ihnen nicht die Tomaten auf den Asphalt fallen. Phil greift nach Jans Hand, häufig ist er schon alleine gegangen, wenn Jan solche Phasen hat.
„Du schaffst das", spricht Phil ihm Mut zu, „Scheiß auf die anderen. Und ich bin immer bei dir, das weißt du."
„Ja. Okay, los", murmelt Jan und greift nach dem Türgriff, öffnet die Beifahrertür.
Auch Phil steigt aus und schließt sein Auto ab. Noch einmal sieht er zu Jan, welcher selbstsicher nickt. Sie schaffen das. Zusammen.
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