Herzsplitter
Das Wetter war schön, die Sonne strahlte wärmend vom Himmel und keine einzige Wolke war zu sehen. Doch ihr war so gar nicht nach Sonnenschein und Sommerschwüle. So hell wie sie vom Himmel schien, war es als erzwang sie Fröhlichkeit und zum Wiederholten Male verfluchte die junge Dame diesen wunderschönen Tag. Diese ganze Schein-Fröhlichkeit.
Als einziges der Fluss, der neben ihren Füßen seinen Lauf nahm, beruhigte sie etwas. Und die Tatsache, dass niemand sich um sie scheren würde, mitten in dem Gedrängel, in dem sie sich befand.
Viele Menschen bahnten sich ihren Weg das Flussufer entlang und keiner achtete auf sein Umfeld. Außer sie. Naja, normalerweise, nicht heute, denn heute war es anders.
Sie ließ sich auf ihre Stammbank, ihren Lieblingsplatz fallen und blickte so gut es ging auf den Fluss.
Das Rauschen, das im Lärm der Menge unterging, hätte sie normalerweise beruhigt, doch auch die Bewegung der Wasseroberfläche tat diesen Dienst.
Langsam sackte sie in sich zusammen und Tränen verschleierten ihren Blick. Ihr Mageninhalt schien Saltos zu schlagen und ihr wurde schlecht.
Nach einiger zeit schniefte sie, richtete sich mit einem Schlag wieder auf und wischte sich über die Augen und Nase. Das bringt doch nichts!, dachte sie verzweifelt. Dann zog sie einen zusammengefalteten Zettel aus ihrer Tasche und öffnete ihn.
Sie las den Text nun schon zum 5. Mal:
Liebe Juna,
ich weiß, dass das ziemlich altmodisch so ein Brief, aber das viel mir am leichtesten. Eine SMS oder E-Mail kam mir zu unpersönlich vor, und dir ins Gesicht zu sagen, hätt ich mich nie getraut.
Ich wollte nie das es so weit kommt, dass musst du mir glauben.
Aber ich liebe dich nicht mehr, im Moment bin ich mir unsicher, ob ich dich jemals richtig geliebt habe. Es liegt nicht an dir!
Dieser Brief ist meine letzte Nachricht, bitte versuch nicht mit mir Kontakt aufzunehmen!
Es tut mir so unendlich leid,
Leo
Es tut mir leid, Pahh! Und was hatte das schon nicht mit ihr zu tun?
Sie hatte ihn geliebt, mehr als sie es sich je eingestanden hätte. Er war für sie da gewesen, als niemand anders da gewesen war. Er hatte sie verstanden, zumindest hatte Juna das geglaubt. Sie hatte ihm vertraut, er war für sie eingestanden.
Eine Träne lief aus ihrem Auge, und mit ihr stiegen wieder tausende in der 16-Jährigen auf.
Sie fühlte sich so einsam hier und jetzt, obwohl so viele Menschen sich ihren Weg durch die Menge bahnten, um endlich nachhause zu kommen.
Aber dem dunkelblonden Mädchen war vollkommen egal, dass sie langsam Abend wurde, und ihre Großmutter bald einen Suchtrupp losschicken würde, wenn sie nicht bald nachhause kam.
Doch sie konnte nicht. Nicht jetzt.
Es fühlte sich an wie damals: als hätte jemand mit einer Axt auf ihr Herz eingeschlagen. Dem Brechen nah.
Aber damals war er da gewesen. Ohne wenn und aber. Er hatte ihr Herz wieder zusammengeflickt, bevor er es erneut brach. Damals, vor etwa 9 Monaten, hatte er ihr versprochen, sie nie wieder zu verlassen. Das hatte sie schon damals nicht geglaubt, sie hatte gewusst, dass es nicht so kommen würde, aber in ihrem inneren hatte sie es immer gehofft.
Das Problem war nicht, dass ihre Gedanken Realität wurden, sondern, dass er ihr das nicht einfach hatte sagen können! Und, dass sie wusste, dass da jemand zwischen ihnen stand. Jemand, dessen Gesicht sie nicht kannte, von dem sie aber wusste, dass er ihre Beziehung zerstört hatte.
Während die Masse an Touristen und Einheimischen sich langsam auflöste, die Sonne jedoch weiterhin erbarmungslos vom Himmel herunterbrannte, wurde Juna von einigen unaufhaltsamen Schluchzern geschüttelt.
Und auf einmal berührte ihr Kopf mit der blond-braun gesträhnten Wuschelmähne die Bank, die Beine winkelten sich an und ihre Arme hatte sie vor der Brust verschränkt.
Sie rang heftig nach Luft, als der aufgestaute Kummer in Schluchzern aus ihr herausbrach.
Dass die Leute sie kritisch von der Seite betrachteten, war ihr vollkommen egal.
Tränen liefen aus ihren Augen und auf ihre Wangen.
"Ich hab ihr einen Brief geschrieben... sie tut mir echt leid, aber ich kann nichts machen! Ich hoffe, sie kommt einigermaßen damit klar!", drang eine ziemlich klare, laute Stimme an ihr Ohr.
"Brief?!... Das ist nicht dein Problem!", sagte eine Mädchenstimme.
"Ich hab nur ein schlechtes Gefühl. Hier ist ihr Lieblingsplatz!", antwortete die Jungenstimme.
Die 16-Jährige hört von einem Moment zum Anderen auf zu weinen. Ihre Kehle war staubtrocken und sie schluckte schwer. Sie kannte diesen Typen, und er kam direkt auf sie zu! Panik stieg in ihr auf.
Mit einem Ruck saß sie wieder aufrecht da und erschrak.
Sie schaute ihm direkt ins Gesicht, das genauso geschockt aussah, wie ihr eigenes es tun musste.
Ohne nochmal darüber nachzudenken sprang Juna auf, warf dem Braunhaarigen Leo und seiner neuen, blonden Freundin vernichtende Blicke zu und lief davon.
Von Weitem hörte sie noch die Rufe ihres einstigen Freundes: "Es ist nicht so wie du denkst, Junalein!", in einem offensichtlichen Versuch, alles irgendwie gerade zu biegen. In dem Mädchen hatte sich mittlerweile eine erdrückende, unheilverheißende Leere ausgebreite, die sie daran hinderten umzukehren und ihm ordentlich die Meinung zu sagen.
Stattdessen sagte sie nur mit gebrochener Stimme: "Wie soll es denn sonst sein, hm? Du hast kein Recht mich Junachen zu nennen, du elendiger Heuchler!" Ihren Spitznamen spuckte sie förmlich vor sich auf den Boden, während sie achtlos in der Menge verschwand.
Sie hoffte fest ihn nie mehr wieder sehen zu müssen, denn er brachte so viele Erinnerungen in ihr hervor, die sie lieber vergessen würde.
Tränen bahnten sich den Weg in ihre Augen, die auf den Boden gerichtet waren. Niemand hatte sie je so verstanden wie er.
Das sie nicht auf ihre Umgebung achtete und einfach blindlings herumstolperte, war vielleicht nicht die beste Idee, denn von der einen Sekunde auf die andere stieß sie mit jemandem zusammen. Und hätte dieser nicht geistesgegenwärtig nach ihrer Hand gegriffen, wäre sie mit einem lauten Aufschrei auf dem Asphalt gelandet.
"Danke! Und Tschuldigung!"
"Eigentlich ist es meine Schuld..."
"Nein, nein! Es ist meine!"
Der schwarzhaarige Junge schüttelte vehement den Kopf.
Sie kannte ihn irgendwo her.
Erst als er ihre verheulten Augen sah, hörte er auf zu protestieren.
"Was ist denn passiert, Juna?", fragte er leise.
"Woher...?"
"Finn Mitchell... aus deiner Parallelklasse? Nichts?"
"Oh, doch doch! Jetzt wo du's sagst!", sie versuchte sich an einem leichten Lächeln.
Kurz erstarrte er grinsend, dann schüttelte er sich. Ihm schien klar geworden zu sein, was er eigentlich fragen wollte.
"Also? Was ist los mit dir?"
"Ist nicht so wichtig...", sagte sie, aber er schien ihr das nicht abzunehmen.
"Erzähl", forderte Finn, und Juna sah keinen Ausweg. Ja, sie hätte laufen können, aber sie war keine gute Läuferin und hätte nicht lange entfliehen können. Außerdem fühlte es sich seltsam vertraut in seiner Nähe an. So, als würden sie sich schon ganz lange kennen, und jeden Tag ihre Probleme austauschen. Irgendwie sicher.
"Vor einem Jahr ungefähr... vielleicht 11 Monate... bin ich zu meinen Großeltern gezogen, weil...", sie schniefte und starrte auf ihre Füße, während die beiden sich durch die Menge drängelten.
"Meine Eltern starben bei einem Autounfall...", nuschelte sie, wonach sie schwer schluckte.
Er hatte sie jedoch verstanden, wie sie mit einem Blick in seine Richtung feststellte. Sein Gesichtsausdruck hatte sich nicht verändert, war nicht fragend oder verwirrt geworden.
Sie wandte sich wieder ab und fuhr leise fort: "Leo, mein Ex-Freund, half mir in dieser Zeit sehr. er kümmerte sich um mich, da war er an dem Zeitpunkt auch der einzige...", ein kurzes Lädcheln huschte über ihr Gesicht, "Er hat mich wieder zusammengesetzt. Er war alles für mich. Mein Fles in der Brandung. Alles was ich hatte." Eine einzelne Träne floh aus ihrem Auge, mehr konnte sie nicht weinen.
Finn unterbrach sie nicht, sah sie nur weiter an, und Juna fühlte sich nicht bedrängt.
"Er hat mich hintergangen", flüsterte sie mit erstickter Stimme, "kannst du dir das vorstellen?! Er hinterging mich, um mich in einem Entschuldigungsbrief um Verzeihung zu bitten! Er hat sich nicht getraut mir ins Gesicht zu sagen, was ihn bewegt, stattdessen hintergeht er mich und hat nebenbei eine zweite Freundin! Er hat mich betrogen!"
Auf einmal war die Waise wütend. Unendlich wütend. Sie atmete schwer und beruhigte sich erst, als Finn ihr eine Hand auf den Arm legte.
"Ich bin für dich da, Juna!", sagte er bloß, und das genügte ihr.
Nach einiger Zeit, in der sie still nebeneinander hergegangen waren. dachte Juna an Leos Freundin. Wie hübsch sie gewesen war. Wie cool, im Gegensatz zu ihr. Sie selbst hatte nur diesen Mob von braun-blonden Haaren auf dem Kopf, und geschmacklose, altmodische Kleidung, das wusste sie selbst.
Früher hatte sie geglaubt, dass Leo das gefiel, dass sie anders war, aber da hatte sie sich maßlos getäuscht.
Bei diesem Gedanken versteifte sie sich vollkommen. Selbst die Geborgenheit, die sie in Finns Nähe spürte, war wie weggeblasen. Sie fühlte sich fehl am Platz.
Sie spürte wieder Finns Blick auf sich, diesmal war es ganz anders als zuvor, denn sie erinnerte sich, wie Leo sie immer angesehen hatte: erwartungsvoll, kritisch.
Juna sah auf, er sah sie komplett anders an: strahlend, fast ehrfürchtig.
"Was ist?", fragte er, und klang besorgt, aber sie konnte nicht. Nicht jetzt. Nicht heute.
Mit einem genuschelten "Entschuldigung!", drehte sie sich um, und verschwand gänzlich in der Menge.
"Warte!", rief er ihr hinterher, aber es hatte keinen Zweck.
Finn wandte sich um, wurde aber von der Menge mitgerissen und verlor Juna komplett aus den Augen.
Während er sich gedankenversunken von der Menge treiben lies, schwor er sich, dass er herausfinden würde, wieso sie ihm nicht vertrauen wollte oder konnte. Dass er sie für sich gewinnen würde, und ihr erzählen würde, wieso er das tat. Denn er, Finn Mitchell, war schon seit dem ersten Moment in dem er sie gesehen hatte, in sie verliebt gewesen, ohne sie zu kennen, Ohne auch nur ihren Namen zu wissen.
Aber eine Sache wusste er von dem Augenblick an, in dem sie ihn zurück lies: man konnte ein gebrochenes Herz nicht wieder komplett reparieren. Der Schmerz mag vergehen, aber die Erinnerungen blieben. Teile fehlten. Sie würden nie wieder werden, wie sie mal gewesen war, und daran war dieser Leo Schuld!
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