4. Kapitel - Mutmaßliche Täter
Die Sonne erhob sich mit anfänglicher Müdigkeit über die weit entfernt scheinenden Bergen des Mendi. Sie brachte all die Nadeln und Blätter zum unheilvollen Leuchten, das noch weit, bis über die Grenzen des Reiches Wereda zu sehen war. Die Vögel, die zu dieser Stunde ihr Morgenlied anstimmten, unterstrichen das Leid der Bewohner mit ihren krächzenden Klängen.
Kaum jemand schien sich aber von der düsteren Stimmung, die in der Luft lag, die Laune zu verderben. Wie jeden Tag schipperten Kutschen über die endlosen Kanäle und wieherten Pferde in den Morgen hinein. Aufgeregte Zeitungsjungen priesen die Frühausgabe der Neuauflage an und hielten in Eile scheinende Männer in Uniform an, die schleunigst zur Arbeit wollten. Jeder schien irgendein Ziel vor Augen zu haben.
Aber wie es in jeder Regel Ausnahmen gab, so gab es auch unter den Frühaufstehern etliche Außenstehende, die sich auf die Straße trauten. Und einer dieser Ausnahmen schien ein Mann zu sein, der sich in ein Blatt Papier vertieft hatte, das er in den von Handwerk geprägten Händen trug. Seine braunen Haare, die er zu einem hochstehenden Zopf gebunden hatte, schienen wohl das außergewöhnlichste Merkmal in seinem Körper zu sein. Er unterschied sich kaum von den anderen Menschen auf der Straße, wenngleich er zu vertieft war, als dass er diese überhaupt bemerkt hätte. Immer wieder wurden ihm Beschimpfungen an den Kopf geworfen oder sein Zylinder, den er auf den eben genannten trug, von einigen ungemütlichen Kerlen auf den Boden geworfen. Ohne ein Wort zu sagen hob er ihn wieder auf und widmete sich erneut seinem Zettel. Die Zeitungsjungen stoben bei seiner Gestalt auseinander und ließen sich erst dann wieder blicken, als er schon weit hinter der nächsten Schlenke der Straße verschwunden oder von der nächstbesten Kutsche verdeckt wurde. Hinter seinem Rücken warf man dem Mann seltsame Blicke zu und flüsterte Gerüchte, die ihn belasteten. Aber der Außenstehende bekam davon kaum etwas mit. Er war dieses Verhalten gewohnt.
Dann bog er erneut um eine Kurve und lautes Getöse und bunte Farben schlugen ihm entgegen. Zum ersten Mal hob er seinen Blick, sodass man seine grünen Augen sehen konnte, die von seltsamen Umrandungen gezeichnet waren. Langsam ließ der Mann seinen Blick über die Stände schweifen, an denen Fleisch und allerlei Korn und Getreide angeboten wurde. Irgendwo in der Menge entdeckte er eine Wahrsagerin, die ihre Künste anbot und tatsächlich einige Menschen dazu überreden konnte, in ihr seltsam ausgerüstetes Zelt zu spazieren. Der Mann kannte sie, Yuna war ihr Name. Sie war mit der Gabe des Zukunftslesen berühmt geworden und konnte sich ein reiches Haus leisten. Der Mann schüttelte den Kopf. Sie wohnte nicht weit von ihm entfernt, wenngleich er ein weit bescheideneres Haus bewohnte.
„Zacharias! Da bist du ja!" Eine Stimme riss den Mann aus seinen Gedanken und er wandte seinen Kopf in die Richtung, aus der das Geräusch seiner Meinung nach kam. Tatsächlich war ein weiterer Mann aufgetaucht. Die Beiden sahen sich gar nicht so unähnlich, auch wenn der neu Erschienene weit gepflegter und reicher wirkte. Ein Grinsen schob sich auf die Lippen der Männer, während sie sich umarmten.
„Terrian, ich habe schon auf dich gewartet." Die Zahnräder, die er an einer Kette um den Hals baumeln ließ, klimperten bei seinen Worten, als wollten sie sie unterstreichen. Schnell steckte er den Zettel, auf dem eindeutig einige Namen notiert waren, in seine Manteltasche.
„Du glaubst nicht, was mir heute Nacht alles passiert ist!", meinte Terrian aufgeregt und zog den Ärmel seines Mantels, der im Übrigen große Ähnlichkeiten mit dem von Zacharias besaß, hoch. Einige Narben wurden sichtbar, die noch ziemlich frisch aussahen.
„Jetzt sehe ich aus wie du!", scherzte er.
Zacharias runzelte verschreckt die Stirn, doch bevor er seine Frage aussprechen konnte, unterbrach ihn Terrian: „Hast du heute denn noch nicht die Zeitung gelesen?"
Als sein Freund den Kopf schüttelte, holte er aus seiner linken Manteltasche eine Ausgabe der Genannten und wedelte mit dem Papier vor seinem Kopf herum. Dann schlug er eine Seite auf und hielt sie Zacharias vor die Nase.
„Mann in Kutsche ermordet. Durch ein Wunder wieder zum Leben erweckt", las der Mann vor und griff sich reflexartig an seine Halskette. „Das warst du?", hackte er nach und bekam ein heftiges Nicken auf Seiten seines Freundes als Antwort.
Als Zacharias erneut etwas sagen konnte, unterbrach ihn jemand, diesmal aber war es nicht Terrian. Ein weiterer Mann kam auf die Beiden zu gerannt. Seine orangen Haare flatterten wild im leichten Wind, während seine grau scheinenden Augen Zacharias fixierten.
Keuchend blieb er stehen und zischte dann mit zusammengebissenen Zähnen: „Zacharias, du... Ich weiß, dass du es bist. Du bist ein Werwolf! Deine braunen Haare sagen alles! Und die beiden Morde geschahen nicht weit von deinem Haus entfernt."
Zacharias riss die Augen auf und wirbelte zu ihm herum, wobei sein Zylinder fast seine Position geändert und den Boden zu seinem neuen Standpunkt erklärt hätte. „Ernsthaft?", seufzte er und tippte sich an die Stirn. „Es gibt in unserem Viertel viele braunhaariger Menschen, Nico." Oh ja, Zacharias kannte den Mann, dem eine ganze Praxis gehörte. Ein wenig fand er es unfair, dass dieser Mensch sich seinen eigenen Raum leisten konnte, während er, Zacharias, nur in seiner kleinen Wohnung eine Werkstatt für Uhren betreiben konnte.
„Lenk nicht von dir ab, Zacharias. Ich weiß, dass du ein Werwolf bist. Ich habe meine Quellen, im Gegensatz zu dir. Und ich werde nicht zulassen, dass du noch weite Unschuldige tötest."
Zacharias schüttelte kaum merkbar den Kopf. Dieser Junge sollte bei seinem Fachgebiet, den Tieren, bleiben und nicht jemanden wie ihn verdächtigen, seinen eigenen Freund ermorden zu wollen. Zacharias konnte nichts dafür, dass Gerüchte über ihn im Umlauf waren und noch immer sind. Weshalb man diese aber glauben sollte, war ihm ein Rätsel.
„Dann nenn mir doch deine sogenannten Quellen, wenn du nicht willst, dass ich dich verdächtige", konterte er und wischte sich über die schweißnasse Stirn.
Jetzt schien es auch Terrian zu weit zu gehen und er platzierte sich neben seinen Freund.
„Was mich stutzig macht. Wenn du deine Gründe hast, warum willst du sie uns nicht verraten? Wie soll dir jemand glauben, wenn du diese geheim hältst und meinen Freund nur wegen brauner Haare beschuldigst?" Seine Stimme klang schon fast bittend, aber dennoch streng logisch.
„Du wirst schon noch sehen, was du davon hast, wenn du weiterhin mit deinem „Freund" anhängst. Pass lieber auf, was du tust, denn er hat dich schon einmal angegriffen", meinte Nico und stierte Terrian in seine bräunlich grünen Augen.
„Also ich finde es ja merkwürdig, dass du unbedingt Zacharias aus dem Rennen haben willst, Nico. Es ist suspekt, wenn du etwas sagt, aber deine Gründe nicht nennen willst." Ein Mädchen, kaum älter als 17 Jahre, drängte sich an den Anwesenden vorbei. In der Hand hielt sie einen Korb, der gefüllt war mit den herrlichsten und köstlichsten Früchten, die es wohl auf dem Markt zu kaufen gab. Alle Blicke zogen sich auf die Leckereien und das rothaarige Mädchen schmunzelte.
„Die Tage in der Bibliothek sind ziemlich lang, wisst ihr", lächelte sie, gab aber trotzdem keines von den Früchten an die Männer ab.
Schon drehte sie sich um und wollte sich davonstehlen, als plötzlich der Wind auffrischte. Er verwehte die Gerüche des Marktes und die Geräusche, die aus dem selbigen hervordrangen. Er fuhr über die Haare und Kleidung der Redenden und schien langsam mit ihnen zu tanzen. Dann aber kristallisierte sich eine feine und dünne Stimme, die im Wind zu treiben schien:
Ich glaube Nico, wenn ihr meine Meinung hören wollt. Und ich glaube auch zu wissen, welche Rolle er in stockdunkler Nacht besitzt und auslebt. Er will oder kann sie uns nicht sagen, genauso wenig, wie ihr eure Rollen offenbaren könnt. Ich habe Zacharias in mein Herz geschlossen, als es noch auf dieser Welt weilte und kann mir nicht vorstellen, dass er ein Werwolf ist.
Meine Rolle war der alte Mann, also hört auf meine Worte, ihr Männer.
Noch einmal wirbelte der Wind durch die Haare und strich sanft über die Gesichter der Ratlosen. Dann erschien ein Blatt Papier und wie auf einer unsichtbaren Hand getragen wurde es in Nicos Hand gelegt.
„F", las er stirnrunzelnd vor und blickte dann fragend in die Runde, während er Zacharias mit einem strafenden Blick beseelte. „Was soll das denn heißen?"
Der Geist, dessen Identität noch geheim bleiben wird, hat euch einen Hinweis gegeben. Leider reicht seine Kraft nicht aus, um vollständige Worte oder gar Namen zu schreiben. Doch jede Nacht wird ein Buchstabe erscheinen, also verliert den Hinweis nicht.
Murmelnd vertieften sich die Bibliothekarin und Nico in ein Gespräch, während sie sich langsam von Zacharias und Terrian entfernten. Beiden schienen froh zu sein, dass die Anschuldigungen zunichte gemacht wurden. Doch Terrian verfolgte noch den ganzen Tag ein ungutes Gefühl, sobald die Rede auf Zacharias fiel.
Auch, wenn keiner der Vier mehr davon Wind bekam, so geschah an diesem Tag noch ein weiteres Unglück. Irgendwo in den Straßen der Stadt Kaadi, wurde ein Mädchen, anscheinend Medizinstudentin, auf offener Straße getötet. Mutmaßliche Täter schienen Vampire zu sein, auch wenn dies auch nur ein letztes Wort einer Sterbenden sein mochte.
„Hexe"
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Sooooo, das ist das nächste Kapitel. Ist jetzt nicht sonderlich gut geworden, aber guuuuut.
Nochmal zur Erklärung:
London war die Hexe und hat Terrian, der von den Werwölfen angegriffen wurde, gerettet. Dann hat sie noch schnell Shion umgebracht. Die Vampire haben sie angegriffen und jetzt ist sie gestorben.
Also ist nun Lazyy_Marshmallow tot ^^
Der Geist, also diese Stimme, ist Kristall09 mit Lyra Blackthorn.
Und jetzt könnt ihr mir eure Vermutungen, Tötungen und Vorschläge privat schicken ^^
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