2. Kapitel - Tränen des Todes
Die Sonne erhob sich nur langsam über die Wälder von Deni, als würde sie sich vor dem fürchten, das in diesem hauste. Die hellen Strahlen ließen die Sterne langsam verblassen und den Himmel heller und freundlicher wirken. Dicke, bauschige Wolken waren am Horizont zu erkennen, der Sturm gestern Abend musste sie wohl dorthin getrieben haben, wie ein Hirte seine Schafe. Der Wind hatte einigen Schaden angerichtet, denn die instabilsten Häuser der armen Bauern waren in sich zusammengesunken. Das geschäftige Treiben auf den Straßen der Stadt Kaadi hatte trotz allem wieder Fahrt aufgenommen. Das Scharren der Pferdehufe, das Rattern der Kutschen, die sie zogen und die Gespräche, die die Menschen so früh am Morgen führten, erfüllten die Luft. Einige Jungen liefen am Rande des Weges und sprachen die Frühaufsteher an, um Zeitungen, die sie in den Händen trugen, zu verkaufen. Laut riefen sie die neusten Schlagzeilen durch die Gassen, dass es auch jeder hören konnte.
Doch es gab auch Menschen, die sich so früh noch nicht aus dem Hause trauten und unter diesen befand sich auch ein Mädchen. Sie saß am Frühstückstisch, der reich gedeckt war und langte hungrig zu. Ihre roten, langen Haare fielen ihr mit jeder Bewegungen ins Gesicht und rundeten ihr gepflegtes und schönes Gesicht ab. Ihre Beine hatte sie überschlagen, während sie mit ihren braunen Augen aufmerksam die zur Verfügung gestellten Lebensmittel musterte, als könnte sie sich nicht entscheiden, was sie wohl als erstes essen sollte. In der linken Hand hielt sie ein dickes Lehrbuch, in das immer wieder ihre Blicke wanderten.
„Ich muss los, Emily", hörte man im Hintergrund eine dunkle Stimme und während das Mädchen sich noch nach dem Mann umschaute, war er bereits durch die Haustür im Treiben auf der Straße verschwunden. Emily wusste, ihr Vater hatte als Bürgermeister der Stadt eine große Verantwortung zu tragen und so konnte sie ihm kaum böse sein, dass er nur sehr selten zu Hause war. Die junge Frau stand auf, schnappte sich die morgendliche Zeitung, die ein Postjunge ihm jeden Tag zustellte und trat an ein großes Fenster. Sie erkannte ihren Vater, wie er in einen Anzug gekleidet in eine Kutsche stieg, die sie vor einigen Jahren gekauft hatten. Dann stieg er ein und die Kutsche verließ ihr Blickfeld.
Seufzend setzte sie sich aufs Fensterbrett und betrachtete für wenige Minuten die Menschen und Kutschen, die sich wie eine Horde Tiere durch die Straßen zwängten. Kaum jemand schien genügend Zeit zu haben, die Umgebung zu betrachten und so entdeckte auch niemand das rothaarige Mädchen, das an dem Fenster des größten und schönsten Hauses der Stadt lehnte. Aber Emily machte sich nichts aus ihrem Vermögen, denn sie hatte das wertvollste verloren, das sie je besitzen konnte: Ihre Mutter.
Dann aber konnte sich die Halbwaise aus ihren Gedanken lösen. Auch heute würde sie wieder den ganzen Tag mit dem Studium der Medizin verbringen, selbst wenn heute Samstag war und sie somit nicht in die Schule musste. Sie beschloss jedoch, bevor sie in ihr Zimmer gehen würde, einen Blick auf die Zeitung zu werfen, die sie in weiser Vorrausicht mit ans Fenster genommen hatte. Sie schlug sie auf und las die Schlagzeilen, die mit großer, schwarzer Schrift abgedruckt worden waren.
Junge Frau im Wald aufgefunden. War es Mord?
Emily runzelte die Stirn. Ein Mord in ihrer Heimatstadt? Es schien für sie unmöglich zu sein, dass in der Stadt ihres Vaters solch eine grausame Tat verübt werden konnte. Doch als sie weiterlas, wurden all ihre Zweifel zunichte gemacht. Denn sie kannte das Mädchen, dessen Name in der Zeitung genannt wurde.
„Lyra Blackthorn", flüsterte die Rothaarige mit bebender Stimme. Sie und Lyra waren gute Freunde gewesen. Sie waren auf dieselbe Schule gegangen und obwohl Emily ein Jahr jünger war, hatte sich die Tote niemals überheblich oder gar arrogant gegenüber der Tochter des Bürgermeisters verhalten, sondern immer angemessen und freundlich. Emily hatte sich ihrem Medizinstudium gewidmet und hatte manchmal Tag und Nacht gelernt. Doch Lyra war nicht böse auf sie gewesen, wenn Emily sich vorher entschuldigt und abgesagt hatte. Ihre Freundin hatte immer nur gemeint: Dann eben ein Andermal.
Doch jetzt war es dafür zu spät. Und zwar für immer. Eine Träne bildete sich in ihren Augen, die sich langsam und still ihren Weg durch ihr hübsches Gesicht bahnte und schließlich auf die frische Druckerschwärze tropfte. Als sie weiter las, wurde Emily darüber informiert, wann und wo ihre Beerdigung stattfinden würde. Wie als wäre die Rothaarige in einen tiefen Schlaf verfallen, stand sie auf und ging langsam zur Tür. Sie legte ihre Hand auf die kalte Klinke und drückte sie hinunter. Dann trat sie auf die Straße, hielt eine Kutsche an und stieg ein.
Die Fahrt war lang und unbequem, die holprigen Straßen schienen eine Reparatur nötig zu haben. Am anderen Ende der Stadt hielt der Kutscher seine Pferde an und half dem Mädchen auszusteigen. Tränen rannen ununterbrochen über ihre Wangen und durchnässten den Boden unter ihr und die Kleidung, die sie trug. Dann atmete Emily tief aus und zwängte sich durch eine enge Gasse, die den Weg zum Hof der Toten darstellte. Der Boden unter ihr schien wegzusacken und jeder Schritt fiel dem Mädchen so schwer, als würde sie jeden Moment ins Leere treten. Und dann, dann war sie endlich am Tor des Friedhofes angelangt. Sie öffnete es und trat ein.
Eine düstere Atmosphäre empfing sie, die durch die leisen Geräusche des Windes, der über die Blätter der angepflanzten Bäume und Sträucher strich, verstärkt wurde. Kleine Beete waren über den Gräbern angepflanzt worden, manche schmückten Blumen andere waren kahl und leer geblieben. Auf jedem Verstorbenen ruhte ein Stein, in dem Wünsche, Trauergedanken und das Datum des Todes eingemeißelt worden waren. Langsam schritt Emily durch die kleinen Pfade, die zwischen den Gräbern angelegt waren, auf eine kleine Gruppe von Menschen zu. Jeder von ihnen hatte sich in schwarz gekleidet und senkte seinen Kopf. Ein Mann mit schwarzen Haaren hielt einen Blumenstrauß in der Hand.
Als Emily näher trat, sah sie, wie kleine Tränen seine Augen verließen und in das Loch vor ihr fielen. Ein Zittern durchschüttelte ihn immer wieder, während ein anderer Mann mit braunen Haaren ihn zu trösten versuchte. Emily kannte den jungen Mann, der vergebens versuchte, den Weinenden zu beruhigen. Sanft legte sie ihm eine Hand auf seine Schulter, was ihn dazu brachte sich zu der Rothaarigen umzudrehen. In seinen Augen glänzte die ungebändigte Trauer, die sie noch nie bei ihrem Mitstudenten zu Gesicht bekommen hatte, bevor er sich wieder dem Weinenden zuwendete. Aber auch den anderen Mann erkannte sie nun. Es handelte sich um Cole, Lyras Bruder.
Langsam trat Emily vor, an den Rand des Grabes und ließ einen Blick auf den hellen Sarg fallen, in dem ihre Freundin nun lag.
„Ich werde dich vermissen, Lyra", flüsterte sie traurig und ein erneuter Tränenschwall tropfte auf den Boden, der inzwischen ziemlich feucht geworden war. Dann wurde dunkle Erde auf den Sarg gelegt, die ihn vollends bedeckte. Einige Blumen wurden auf das frische Beet gelegt und Verabschiedungen gemurmelt, sodass Emily erneut eine Träne verlor. Immer wieder erschien das lächelnde Gesicht, das vor noch wenigen Tagen lebendig war, vor ihrem inneren Auge und ließ unzählige Schauer über ihren Rücken jagen.
Einige Männer hoben einen Stein auf den Boden, der nun am Kopfende stand und alle Anwesenden an den Körper erinnerte, der hier unter der Erde lag. An den Rändern war er mit unzähligen Schnörkeln verziert, die nur von Ranken und verschiedenen Blättern unterbrochen wurden.
Hier ruht Lyra Blackthorn, die in den Händen ihrer Mutter endlich ihren Frieden finden kann.
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Ihr glaubt ja nicht, wie zufrieden ich mit diesem Kapitel bin xD Habt ihr trotzdem Tipps, wie ich meinen Schreibstil verbessern könnte?
Nein, ich konnte nicht warten, bis alle abgestimmt hatten... Ich war einfach in einem Schreibfluss und da kommen halt immer die besten Kapitel raus xD Ich werde natürlich noch ein Kapitel veröffentlichen, wenn sich widererwarten doch noch jemand traut, eine Verdächtigung auszusprechen xD
Ihr könnt mir jetzt schon, wenn ihr in der Nacht aktiv seid, eine Nachricht mit den Namen der Person PRIVAT schicken, die ihr ansehen/töten/beschützen wollt xD Aber dann werde ich wirklich warten, bis alle abgestimmt haben ^^''''''''
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