Specialkapitel
Der Himmel erstrahlte in einem hellen Blauton und ließ auf einen angenehmen Tag verhoffen. Weiße, buschige Wolken wurden vom Wind über den Himmel getrieben und einige Blätter verfingen sich in ihnen. Dann plötzlich hörte das laue Lüftchen auf über die Wiesen, die Wälder und all die Kostbarkeiten der Natur zu streifen, als würde er die Wolken an einem bestimmten Punkt absetzen. Sie hatten genau über dem Dorf halt gemacht, in dem noch vor wenigen Tagen ein Werwolfsrudel gewütet und jegliche menschliche Bewohner aus ihren Häusern vertrieben hatte. Jetzt schien alles friedlich, doch dann passierte etwas seltsames. Eine weitere Wolke schwebte am Himmel, direkt auf die erste zu. Sie war dunkler und schimmerte grau, als würde gleich ein Gewitter losbrechen. Sie hielt inne, bevor die Dunklere gegen die Wolke stoßen konnte.
Auf der helleren Wolke hatten zehn Personen Platz genommen, weshalb sie auch größer war, als die andere. Die Gestalt der Menschen schien undurchsichtig und verschwommen, als würden sie nicht hier her gehören. Ihre Haut und ihr Fleisch wirkte zu hell und ungreifbar für Lebende. Und auch auf der dunkleren Wolke saß eine Gestalt, ebenso verschwommen wie durchsichtig. An einigen Stellen spross Fell aus ihrer Hülle und einige Narben durchzogen ihre sonst so schöne Figur. Dann stand das Mädchen auf und streckte sich, wobei ein zufriedenes Lächeln auf ihren Lippen spielte. Ihre blonden Haare spielten im Wind, wobei sie Ähnlichkeiten mit einem wunderschönen Engel aufwies. Doch jeder wusste, dass ihr wahres Inneres ganz und gar nicht dem ihres Äußerem entsprach.
„Sophia", knurrte eine Stimme auf der Seite der hellen Wolke. Eine Frau erhob sich und fixierte die glücklich Scheinende mit ihren blauen Augen.
„Kira! Wie schön, dich endlich wieder zu sehen", lächelte Sophia und nickte der Rothaarigen zu. „Ich glaube, ich habe dich sogar ein wenig vermisst." Der ironische Unterton war in ihrer Stimme nicht zu überhören.
Eine andere Frau erhob sich und stellte sich dicht neben Kira. Dann sprach sie drohend: „Was willst du hier, Sophia?"
Aber das Mädchen schien keineswegs beunruhigt, viel eher schien es sie zu vergnügen, dass sich Cathlair und Kira so aufspielten. „Och", lachte sie, „Ich wollte nur sehen, wie es euch geht."
Cathlair verengte ihre Augen zu Schlitzen und trat einen Schritt in Richtung ihrer Feindin. Bevor sie aber auf die andere Wolke springen konnte, hielt sie ein anderes Mädchen zurück.
„Beruhige dich, Cathlair. Sie will dich nur provozieren", meinte sie sanft und legte eine Hand auf die Schulter Cathlairs. Diese seufzte tief und verdrehte die Augen.
„Wenn du meinst", schnaufte sie verärgert und setzte sich wieder auf die Wolke, die kurz schwankte, als sie sich niederließ.
„Uns geht es gut, Sophia", richtete Sophie nun ihre Worte an den Werwolf. Sophie wusste, dass sie diesen Wettstreit nur gewinnen konnte, wenn sie nun ruhig blieb. Schließlich hatte sie schon einmal diesem Mädchen den Tod beschert.
„Ich gratuliere euch für euren Sieg", meinte sie und richtete ihren Blick auf das Dorf. „Obwohl ich wusste, dass Neon ein Werwolf war."
Sophie verdrehte die Augen. Na klar, das hätte jetzt jeder sagen können! Sie hielt sich aber zurück, um ihre Worte nicht auszusprechen. Es würden noch tausende von Gelegenheiten kommen, den Verlierern ihren Sieg vorzuhalten.
„Ist es nicht ein dummes Gefühl hier oben zu sitzen, während dein Rudel da unten feiern kann?", meldete sich nun eine Frau von gerade einmal 22 Jahren zu Wort. Auf ihren Lippen war deutlich ein aufgezwungenes Lächeln zu sehen, als würde sie ihre Worte selbst nicht glauben.
Doch Sophia konterte: „Oh nein, Leo. Ich feiere hier oben genauso, weißt du? Hier gibt es genauso viel Spannendes, wie da unten!" Das falsche Lachen auf Leos Seite erstarb, doch bevor sie ihr eine Beleidigung an den Kopf werfen konnte, mischte sich eine neue Person ein. Diesmal aber handelte es sich um einen Jungen, der ziemlich bleich in das Gesicht des Werwolfs starrte.
„Bist du nicht einsam?", fragte er sie, bevor seine Stimme brach und Sophia den Kopf schüttelte.
„Lüg uns nicht an!", meldete sich ein Mann, der sich am Ende der weißen Wolke eingebettet hatte. Er schien es sehr gemütlich zu haben, auch wenn seine Haare, die er zu einem Zopf gebunden hatte, nicht gerade eine optionale Position einnahmen. Kaum hatte er seine drei Wörtchen zu Ende gesprochen, fing er schon wieder an: „Man sieht dir doch an, dass du dich alleine fühlst! Was machst du denn den ganzen Tag auf deiner Wolke? Schaust du Neon und Louise beim Feiern zu? Oder versuchst du auf dich aufmerksam zu machen? Das wirst du nicht hinbekommen, Sophia. Du bist tot!" Dann drehte er sich auf die andere Seite, sodass er die Gesichter der Anwesenden nicht mehr sehen musste. Er hatte seinen Teil zu dem lustigen Streit beigetragen und damit hatte er nun seine Ruhe.
Doch in Sophie kochte es. Wie konnte dieser tote Narr sie anzweifeln. Sie, die zwar gestorben war, jedoch bereits einige Menschenopfer gefordert hatte. Sie, die würdevoll im Feuer verstorben war, bevor ihr Fell die Hitze in sich aufsog.
„Wartet nur ab, ihr verlogene Dörfler!", schrie sie, „Ihr seid genauso tot wie ich! Aber ihr seid in Angst gestorben. Die Angst, die man euch nie wieder nehmen kann und die Furcht, die euch immer noch in die Tiefe zieht!" Jetzt sprangen auch die restlichen Toten auf, die sich bisher kaum an der Diskussion beteiligt hatten. Für die Dorfbewohner ging solch ein Gespött zu weit.
„Und du? Wirst du im Feuer der Hölle gebraten, so wie wir dich entzündet haben?", rief Kira ihr entgegen und Nathaniel setzte noch einen drauf: „Du Brathähnchen!"
Sophie, die vor Zorn fast explodierte, mobilisierte alle Schimpfwörter, die sie beherrschte und spuckte sie den anscheinend Heiligen entgegen: „Du hast hier gar nichts zu melden, Kira. Du bist am ersten Tag schon gestorben und das war auch gut so. Nathaniel, du Trantüte, starbst durch eine harmlose Tüte! Wie peinlich. Sophie wurde von einem Baum erschlagen und weißt du, wem du deinen Tod zu verdanken hast? Mir! Ich habe ihn auf dich niederstürzen lassen!" Auch wenn nicht alles, was sie sagte der Wahrheit entsprach, würde niemand ihre Taten oder eben Nichtaten aufdecken. „Auch Valerie hat ihren Tod durch ihren eigenen Bogen herbeigeführt. Der Amor starb durch seinen eigenen Pfeil! Wen haben wir denn noch? Charles, der sein Schwert nicht zur Hand hatte, als wir ihn angriffen. Lilli, die Leo erhängt hat. Sie waren Freimaurer und töten sich gegenseitig? Perfekt für mich. Ach, und der liebe Miley. Musste ins Krankenhaus eingeliefert werden, weil wir ihn zu sehr verletzt hatten. Wäre er gleich gestorben, hätte er kein Leid ertragen müssen. Aber jeder auf seine Art, oder? Und Ginny, sowie Cathlair? Zu diesen mickrigen Kakerlaken brauche ich gar nichts zu sagen", knurrte sie und funkelte ihre Gegner an. Jeder von ihnen war auf eine Art gestorben, der Sophie einen Peinlichkeitsgrad von höchster Qualität vergeben konnte. Zufrieden grinste das Mädchen in die Runde und starrte in erschrockene sowie empörte Gesichter.
Der erste, der sich zu Wort meldete, war Charles: „Du hattest ja viel Zeit hier oben, dir deine Antworten auszudenken!"
Sophia wollte dem Mann antworten, doch ein kräftiger Windstoß wehte ihre Wolke zur Seite, sodass sie in die weißen Schwaden viel. Dann setzte sich der Nebel in Bewegung und wurde weit fort getrieben.
„Ich komme wieder! Verlasst euch darauf!", schrie das Mädchen den Lachenden noch zurück, bevor die Welt um sie herum die Toten verblassen ließ.
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Ist jetzt nicht ganz so geworden, wie ich es mir vorgestellt habe, aber ja.... Ich habe Kopfschmerzen, deshalb schiebe ich es einfach mal auf diese xD
Ich werde jetzt den zweiten Teil des Buches veröffentliche. Schaut gerne mal rein xD Ihr könnt eure Charaktere erneut anmelden, aber haben diese dann keine Erinnerungen oder ähnliches an das Geschehen hier im Dorf. Und lest euch, wenn ihr Interesse habt, bitte alles durch, da ich einige Sachen geändert haben ^^
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