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Kapitel 8


Gegen Abend wurde die Luft schwul und drückend.

Zwar war herrschten nach wie vor angenehm laue Temperaturen, beinah etwas zu warm sogar, zumindest für seinen persönlichen Geschmack dennoch zog es sich ekelhaft stechend von seinem Hinterkopf entlang seines Schläfenbeins, bis vorne hin zur Stirn.

Nietzsche schnaubte, wurde dann langsamer, bis er schließlich ganz zum Stillstand kam.

Ziellos ließ er den Blick über die weitreichende Parkanlage schweifen, ehe er behutsam den Kopf in den Nacken legte, um gen Firmament zu schauen.

Dicke, dunkle Ambosswolken konnte er am Horizont stehend erblicken, was bei der hohen Luftfeuchtigkeit wohl nicht weiter verwunderlich war.

Gedehnt seufzend vergrub Nietzsche die Hände in den Taschen seines Mantels.

Inzwischen musste es mindestens 8 Uhr sein und er merkte, dass ihn langsam doch seine Kräfte im Stich ließen.

Er war erschöpft, hatte den gesamten Tag damit zugebracht durch den „Tiergarten" - so nannte sich dieses gigantische Monstrum von Park scheinbar, in welchem er sich justament aufhielt, zumindest war er vermehrt auf diese Bezeichnung gestoßen, während er die Schilder am Wegesrand inspiziert hatte - zu irren und doch war er im Großen und Ganzen keinen Deut schlauer geworden.

Zumindest was eine Lösungsstrategie bezüglich dieser bizarren Situation betraf.

Die Stadt an sich hatte er gemieden, der beißende Gestank, die Hektik, der Lärm und diese seltsamen Menschen im Inneren und außerhalb ihrer todbringenden Hippomobile.

Alleine bei dem Gedanken daran schien der Schmerz in seinem Schädelinneren bereits anzuschwellen und er konnte spüren, wie sich in seiner etwas Magengegend kontraktierte.

Wie um alles in der Welt sollte er sich jemals durch diesen Großstadt-Dschungel vortasten können und das ganz ohne Anleitung?

Wenn das hier wirklich das Jahre 2019 war (und davon war er inzwischen sonderlicher Weise sogar überzeugt) so waren es genau 130 Jahre die ihn von seinen letzten bewussten Erinnerungen trennten.

Er konnte sich diesen Umstand nicht erklären.

Selbst wenn, wie Platon einst hatte seinen Gefolgsmännern weiß machen wollen, die Seele etwas Unzerstörbares war, welchem die Kraft zur Wiedererinnerung immanent war, so war dies lediglich auf die Tugenden als Solches zu beziehen, nicht aber auf Inhalte seines episodischen Gedächtnisses.

Dazu der nicht erklärbare Umstand, dass er sich nach wie vor in der ihm vertrauten fleischlichen Hülle befand.

Es wäre schon ein sehr eigenartiger Zufall, dass sich die Atome in genau dieser Konstellation wieder zusammen fanden und das nach einem (in Relation zur Ewigkeit der Zeit gesetzten) doch recht kurzen Intervall von nur 130 Jahren.

Aber hatte man so etwas denn schon gehört?

Dass die Atome bis dahin losgelöst in der Welt umherschwirrten, bis sie sich alle plötzlich an einem Ort versammeln und genau zu dem Lebewesen wieder vereinen, zu welchem sie sich vor 130 Jahren bereits schon einmal zusammengeschlossen hatten?

Als wären sie selbst es, die ein Gedächtnis besäßen, welches dieses beinah instinkthafte Verhalten erklären könnte.

Stumm seufzten setzte er sich schließlich erneut in Bewegung, immerhin versprach das Bild am Horizont baldigen Niederguss und bis dahin sollte er sich zumindest um einen Unterschlupf mit Überdachung bemüht haben.

Vielleicht würde er klarere Gedanken fassen können, sobald er sich ein wenig Ruhe gönnen konnte.

Während des Laufens verfiel er in erneutes Grübeln, wie es üblicherweise Wanderbewegungen mit sich zu bringen pflegten.

Gemäß der Annahme seine atomare Verbindung hätte sich aufgelöst und in Hinblick auf seine neue Welt-Conception, unter der Prämisse der unendlichen Zeit und der endlichen Materie und der daraus resultierenden Conclusio alles was ist, was war und was sein wird, kehre ewig wieder und ist bereits ewig wiederkehrt, so war es notgedrungen erforderlich, dass auch er bereits unendliche Male geboren und gestorben war.

Aber natürlich, das brachte diese Betrachtung nun einmal mit sich und sollte man nicht in die Verlegenheit kommen wollen, von einem Schöpfer-Gott Gebrauch zu machen, so wie namentlich Isaac Newton zum Beispiel, so ergab die Herleitung notwendigerweise eine kreisförmige Zeit unter der sich die atomaren Verbindungen teilten und wieder zusammenfügten.

Aber wie verhielt es sich nun mit dem Phänomen, dass sich die Atome innerhalb der Zeitspanne zweimal trennen und dann zum Selbigen erneut zusammen finden?

Es war gewiss sonderlich, allerdings schloss es die Betrachtung auch nicht aus.

Sein altes Ich war zerstört worden, 130 Jahre der Nichtexistenz trennten ihn von seiner jetzigen Lage, bis sich schließlich die Atome wieder fanden und Verbindung eingingen, wie sie es zwangsläufig tun mussten, denn das hieß Ewige Wiederkehr des Gleichen schließlich.

Aber wie häufig hörte man von Leuten denen zwei bewusste Leben vergönnt wurden, freilich ja, man munkelte es gäbe sie, Menschen die von sich meinen, sich an frühere Leben erinnern zu können, doch bis zu diesem Augenblick hatte Nietzsche sie stets als Schwindler oder schlicht verrückt abgetan.

Das Bewusstsein wurde mit dem Tod zerstört, so wussten bereits die Epikurer und ihr Kopf Epikur, Begründer des Atomismus.

Doch konnte sich das Bewusstsein ebenso rekonstruieren wie die Materie?

Unwillkürlich zuckte Nietzsche zusammen, als er plötzlich kalte, dicke Tropfen auf seinem Gesicht spürte, warf dann einen flüchtigen Blick empor gen Äther.

Das Unwetter hatte ihn eingeholt und in der Ferne konnte er bereits verärgerten Donner brummen hören.

Bei seinem Pech würden sich der Cumulonimbus genau über ihn für einen Platzregen entscheiden.

Nietzsche schnaubte, beschloss schließlich zielloses Grübeln über die klassische Leib-Seele-Problematik auf später zu verschieben, wenn die Außenbedingungen dafür etwas angemessener schiene.

Im Moment galt es vor allem irgendwo unterzukommen, Sommergewitter gingen nicht selten mit rapiden Temperaturabfällen einher und plötzliche Schwankungen waren seiner ohnehin bereits vorbelasteten Körperlichkeit nur wenig zuträglich.

Doch auf stabiles, angenehmes Klima konnte man im Norden Deutschlands lange warten.

Gedehnt seufzend verschärfte Nietzsche seinen Schritt, inzwischen begegnete ihm keine Menschenseele mehr.

Sicher, es wurde langsam dunkel, nicht mehr lange und die Nacht würde über ihn hinein brechen, außerdem erwarteten sie Regen.

„Und wohin mit dir, altes Geschöpf?" , knurrte er missmutig, ließ den Blick unstet von rechts nach links und wieder zurück gleiten, bis er in der Ferne verschwommene Umrisse ausmachen konnte, die vielversprechend wirkten.

Tatsächlich handelte es sich um eine beeindruckende Architektur, wie er beim Nähertreten erkannte.

Ein metallenes Gerüst, mit Fenstern besetzt wölbte sich in mindestens 10 Meter Höhe über eine wuchtig-massive Statue welche ihrerseits aus weißem Mamor gefertigt worden war und eine stattliche Größe von circa 5-6 Meter besaß.

Gerade noch rechtzeitig schaffte es Nietzsche unter den Schutz des Gewölbes, denn bereits wenige Sekunden später demonstrierte ihm Zeus auf Heftigste seine Macht.

„Glück gehabt" , murmelte er, fuhr sich einmal testend durch die Haare, musste jedoch feststellen, dass er tatsächlich kaum nass geworden war.

Unterdessen ging der am Anfang noch seicht gewesene Regen in einen starken Niederguss über, begleitet von Hagelkörnern und immer wieder erhellte es für Bruchteile von Sekunden den düsteren Himmel, gefolgt von dumpfer Götterschimpfe.

Nietzsche seufzte, wandte sich dann dem pompösen Denkmal zu.

Immerhin wollte er wissen wessen Abendruhe er gestört hatte, auf der Flucht vor Zeus seinem Zorn, doch sowie er erkannte wem das Memorial galt machte sich auch schon ein allgemeiner Unmut in ihm breit.

„Sie wird man ja schwerlichst los, mein verehrter Freund", brummte er zu der Marmorfigur Richard Wagners hinauf, die mit arrogantem Blick auf ihrem Sockel thronte.

Nietzsche trat näher, betrachtete sich die Bildhauerei aus weißem Marmorstein genauer, der inzwischen doch teilweise ziemlich vergilbt schien und musste zugeben, dass hier zumindest kein Stümper am Werk gewesen war.

Zumindest von dem was er seiner verschwommen Vision entnehmen konnte.

Oben auf dem Sockel posierte der Meister selbst, zu seinen Füßen, auf Augenhöhe Nietzsches, fanden sich Darstellungen der verschiedenen Stücke.

Direkt vor ihm von Eschenbach aus dem Tannhäuser-Stück und weiter rechts Tannhäuser selbst, auf der anderen Seite links.... nun, das mochten vermutlich Brünhild und Siegfried sein.

Eine ganze Weile stand Nietzsche einfach da, den Kopf in den Nacken gelegt und diesen Giganten von geschlagenem Mamor begutachtend, ehe er sich letztlich seufzend auf die oberste Stufe sinken ließ und sich erschöpft an den Sockel lehnte.

Erleichtert atmete er aus.

Endlich sitzen.

Erst jetzt wo er es auch zuließ registrierte er das unbändige Maß an Erschöpfung, das seine peripheren Glieder schwer werden ließ und wie es unter seiner Schläfenhaut brannte.

Dass er auf Anhieb direkt der steinernen Version seines ehemaligen Freundes und Meisters in die Arme lief... konnte so etwas denn Zufall sein.

Und kurz fragte er sich, ob sie ihm wohl auch ein Memorial gewidmet hatten, immerhin schien inzwischen die ganze Welt seinen Namen zu kennen.

Unter seinem Schnauzer kräuselten sich seine Lippen zu einem Lächeln.

Er hatte es gewusst.

Er hatte gewusst, dass seine Zeit kommen würde und - siehe da - er hatte Recht behalten.

Vielleicht war es seine Bestimmung wiederzukehren, als der, der er schon gewesen war, um dabei zu sein in dem Moment, in dem das Geschenk seiner Lehren angenommen wurde.

Auferstanden wie Jesu', auch wenn es ihm bei Gedanken an solche Allegorien heißkalt den Rücken runterlief.

Hatte er nun seiner vom Schicksal vorausbestimmten Aufgabe gerecht zu werden?
Doch das implizierte wiederum höhere Mächte und die Flucht in die Metaphysik mochte er an dieser nicht Stelle tun.

Auch wenn seine These der sich wieder findenden Atome mit Sicherheit in ihrer Erklärung große Lücken aufwies, so half es doch aktuell nichts sich weiter darüber den Kopf zu zerbrechen.

„Ich bin jetzt nunmal hier", bestätigte er sich, nickte dann, ehe er gedehnt ausatmend die Unterarme über die Knie legt und dann seinen Kopf darauf bettet, mit leerem Blick auf den gräulichen Regenschleier schauend.

Womöglich war es ratsam das Ganze von einer pragmatischeren Seite aus zu betrachten, denn das brachte konkrete Handlungsschritte mit sich.

In dieser Welt galt er als tot, das hatte er dem Gespräch mit dem Fräuchen am Nachmittag entnehmen können.

Nietzsche überlegte.

Tatsächlich wurde er bei näherer Auseinandersetzung der jüngsten Geschehnisse etwas nachsichtiger was die fluchtartige Reaktion des Weibchens betraf.

Wie hätte er nur reagiert, wenn sich ihm jemand als Kant oder Locke vorgestellt hätte?

Vermutlich wäre er sich ähnlich veralbert vorgekommen und hätte sich gleichfalls zum Gehen gewandt.

Ja, die Reaktion war nachvollziehbar für ihn, vermutlich hatte die Dame ihn für einen Irrenhäusler gehalten und es schließlich doch mit der Angst zu tun bekommen.

Es war als Warnung zu verstehen, dass er sich den Leuten nicht einfach als Friedrich Nietzsche vorstellen durfte, denn das würde nur unschöne Aufmerksamkeit erregen und auf lange Sicht würde er so wahrscheinlich auch nur in einer Zwangsjacke enden.

Praktisch wäre es natürlich, täte er jemanden finden der ihm seine Geschichte glauben täte und ihn als eine Art Dolmetscher in diese verworrene neue Welt einführen könnte, doch darauf durfte er nicht hoffen.

Die Frage war also, wo er sich sonst hinwenden konnte.

Nach Hause gehen? In die Heimat?

Und dann?

Mehr als 130 Jahre trennten ihn von seinem letzten Besuch in Naumburg, was würde er also vorfinden sollte er dort ankommen?

Vermutlich nichts und wieder nichts und schon gar niemanden, den er einst mal zu kennen gepflegt hatte.

Ob es Nachkommen seiner Sippe gab?

Von seiner Seite aus wohl kaum, zumindest konnte er sich das nur schwer ausmalen und wenn es stimmte, was das Mädchen ihm erzählt hatte, so schien er die letzten seiner Lebensjahre in geistiger Umnachtung verbracht zu haben.

Wohl kaum hatte er sich während dieser Episode eine Frau Professor angelacht, aber womöglich hatte Lisbeth gemeinsam mit ihrem fürchterlichen Antisemiten-Gatten reichlich verspätet, neues Leben in die Welt gesetzt und somit das Fortbestehen der Blutlinie der Nietzsches gesichert.

Doch auch das waren nur Mutmaßungen und selbst wen dem so wäre, wie sollte es ihm möglich sein diese Menschen ausfindig zu machen, immerhin könnten sie sich überall aufhalten, da war Paraguay noch wahrscheinlicher als die Provinz an der Saale.

Und überhaupt, was hätte er davon?

Er hätte keinerlei Bezug zu diesen Personen, ob es nun seine Ur-Ur-Ur-Ur-Nichten und - Neffen seien oder nicht, wieso sollten sie seinen Erzählungen Glauben schenken?

Vielleicht war es am Ende doch ganz zweckdienlich, dass das Schicksal ihn in Berlin erneut hochgewürgt hatte, in Naumburg wäre er vermutlich dagegen bloß Opfer seiner Melancholie geworden.

Und wenn er zurück kehrte in den Süden?

Das könnte funktionieren... erstmal wieder zu Kräften kommen und dann weitersehen.

In vertrauter Umgebung droben auf luftigen Höhen in den Schweizer-Alpen fasste man ohnehin die klarsten und herrlichsten Gedanken und mit der Materie sah er sich immerhin vertraut.

Außerdem führte er die Auszahlungen seiner Pension meist bar mit sich, was seine Schwester, als auch seine Mutter stets als leichtfertig betrachteten, doch ihm war es lieber seine ohnehin schon mageren Ersparnisse am Körper bei sich zu führen.

Tatsächlich hatte er im Winter in Italien recht bescheiden logiert und die letzte Auszahlung lag noch nicht all zu lange zurück und so kam er beim Inspizieren seines Geldbeutels auf insgesamt 1805 Franken und 98 Rappen, die seine Gesamtersparnisse ausmachten.

Damit würde er vorerst haushalten müssen, immerhin konnte er nicht mit Sicherheit sagen wie schnell, oder ob er überhaupt jemals an neues Geld kommen würde.

Doch unabhängig davon, wie es um den aktuellen Kurs stand würde er davon wohl die ersten Wochen zumindest sein Überleben sichern können.

Das war das wichtigste.

Vielleicht verfügten die Menschen des Jahres 2019 ja auch über ein schnellwirkendes Kopfschmerzmittel, welches lokal wirkte und einen nicht den halben Tag außer Gefecht setzte.

Erneut ließ Nietzsche einen gedehnten Seufzer hören, zuckte nicht einmal zusammen, als plötzlich der Himmel direkt über ihm grell-weiß aufleuchtete und nur Sekunden später ein ohrenbetäubender Donner zu vernehmen war.

Das Schall klingelte noch Minuten später in seinen Ohren und erschöpft ließ er die Stirn gegen seine Knie sinken.

Was sollte er jetzt tun?

Warten bis der Regen aufhörte und sich um ein Zimmer für die bereits über ihn hereingebrochene Nacht bemühen?

Das schien zumindest weise.

Er konnte nicht genau sagen wie lange genau er da zusammengesunken an Wagners Seite gekauert verbracht hatte, es hätten Minuten, oder aber Stunden sein können.

Zu Beginn hatte er gefroren und unnachgiebig gezittert, denn trotz seines trockenen Unterschlupfes war er kaum windgeschützt.

Sein Kopf pulsierte.

Es war so unerträglich, ein beständiger Druck auf Schädel und Augen und seine Beine und Hände fühlten sich ganz taub an, womöglich der Kälte wegen, obgleich er lähmungsartige Erscheinungen bereits von früheren Anfällen kannte.

Vorsichtig hob er den Kopf, ließ das Kinn dann etwas kreisen um die steif gewordenen Nackenwirbel zu mobilisieren, ehe er sich mit seltsamer Genauigkeit seine Finger betrachtete, sie dann schwach bewegte.

Ihm war etwas schwindlig.



„Ehm ... Professor?"

Heftig zuckte Nietzsche zusammen, schreckte dann hoch und hätte sich um ein Haar den Hinterkopf an dem Sockel des Memorials angeschlagen.

Mit wild klopfendem Herzen blickte er sich um, kam dabei nicht umhin festzustellen dass mit dem heftigen Wetterumschwung auch seine Sehkraft vorübergehend offenbar weiter abgenommen hatte.

„Professor... Nietzsche?"

Erst jetzt erkannte Nietzsche das Frauchen vom Spätnachmittag, wie sie unter einem großen, roten Schirm hervorlugte, diesen schließlich sinken ließ und zu ihm unter die Überdachung trat.

Er schwieg, musterte sie bloß eindringlich, ehe er seufzte: „Sie..."

Die Dame nickte, schaute sich dann unsicher um, ehe sie ein paar vorsichtige Schritte in seine Richtung tätigte, dann kurz in ihrer Handtasche kramte und ein schmales, zusammen gelegtes Blatt Papier hinaus zog.

Irritiert zog Nietzsche die Brauen zusammen, sowie das Mädchen ihm eben jenes entgegen hielt, erkannte das Fremdobjekt dann allerdings als seinen Pass wieder.

Kurz warf er einen misstrauischen Blick auf das nervös wirkende Weibchen, welches wirkte als ginge es davon aus, es bestände die Möglichkeit er könne es anfallen wie ein wildgewordenes Tier.

Schließlich nahm er das Papier brummend entgegen und in der Innenseite seines Mantels verschwinden ließ.

„Danke", murrte er, hoffte es hätte sich damit erledigt, immerhin wurde sein Kopfschmerz von Minute zu Minute drückender.

Stille machte sich breit und bis auf das heftige Gießen des Regens und dem grummelnden Donner, des langsam vorüberziehenden Gewitters, war eine ganze Weile nichts zu hören.

Kein Vogelgezwitscher, selbst die lärmenden Stadt schien zwischenzeitlich stumm gestaltet, doch dann setzte das Weibchen erneut zum Sprechen an: „Ich ... habe es meinem Professor gezeigt, als ich merkte, dass ich es noch bei mir trug. Er konnte damit zuerst nicht wirklich etwas anfangen, meinte aber, dass wenn es eine Fälschung ist, es eine ziemlich Gute wäre. Er hat nur gelacht und gesagt, wenn ich es genau wissen wollte, dann sollte ich zu den Buchbindern gehen und mit etwas Glück könnten die aus der Papierforschung oder Restaurierung mir weiterhelfen. Ich glaube es war eher scherzhaft gemeint, auf jeden Fall hatte ich Glück und als ich nach der Vorlesung im Gebäude der Fakultät ankam habe ich direkt jemanden angetroffen der sogar bereit war mir zu helfen. Ich hab draußen gewartet und als er damit wiederkam meinte er, dass es ausgeschlossen wäre, dass es sich um eine Fälschung handelt, allerdings wunderte es ihn, dass das Papier kaum verwittert ist und generell hat er immer wieder betont wie eigenartig das Ganze wäre und wollte unbedingt wissen, wie ich an ein Exemplar gekommen bin. Ich glaube sogar, er hat vielleicht gedacht ich hätte es gestohlen... naja, wie auch immer"

Sie seufzte leise, warf ihm dann einen unschlüssigen Blick zu, doch Nietzsche zuckte lediglich mit den Schultern.

„Ich pflege mit meinen ohnehin gezählten Besitztümern ordentlich umzugehen", erklärte er schließlich, worauf das Mädchen bloß nickte, offensichtlich war das keine Antwort gewesen, mit welcher es gerechnet hatte.

Nietzsche stöhnte leise, legte dann die Fingerkuppen an seine Schläfen und begann diese leicht zu massieren.

Er musste schlafen.

Andernfalls würde das Ganze hier noch ein äußerst böses Ende nehmen und mit etwas Glück würde er in absehbarer Zeit wieder in einem Krankenhaus zu sich kommen.

Müde hob er den Blick, schaute dann dem Weibchen direkt in die Augen welches wiederum in nur schweigend musterte.

Was um alles in der Welt wollte sie denn noch?

„Ich ähm...", begann sie schließlich schüchtern, „Was ... machen Sie jetzt?"

Nietzsche zuckte mit den Schultern.

Wenn er das wüsste, dann hätte er wirklich weniger Probleme und wahrscheinlich auch kein so heftiges Kopfleiden.

„Das wird sich zeigen", brummte er, begann dann von neuem seine Schläfen zu massieren.

Es war unangenehm, mehr als das, unsagbar schmerzhaft, doch er hoffte den sich ankündigenden Anfall damit zumindest etwas abschwächen zu können, wenn er nur für ausreichende Durchblutung sorgte.

„Geht es Ihnen nicht gut?"

Nietzsche seufzte gedehnt, schloss dann die Augen, ohne seine Gesichtsmassage zu unterbrechen.

„Ich habe Kopfschmerzen" , murmelte er schließlich.

„Kopfschmerzen?"

Er nickte.

„Und haben Sie etwas dagegen...?"

„Außer einen starken Geist und die Neigung immer wieder aufs Hoffen reinzufallen nicht sonderlich viel"

„Nein, ich meine sowas wie Aspirin ..."

Nietzsche schaute auf, blinzelte dem Fräuchen dann aus tränenden Augen entgegen.

„Mit dieser Begrifflichkeit weiß ich nichts anzufangen, bedaure"

Unschlüssig presste das Mädchen die Lippen zusammen, schien kurz zu überlegen, ehe es schließlich meinte: „Ich hab noch was zu Hause und wohne nicht weit von ihr, also... falls sie möchten, ich weiß ja nicht."

Sie zuckte mit den Schultern, warf ihm dann einen beinah hilflosen Blick zu.

Nietzsche schnaubte: „Es ist leichtfertig von Ihnen einen Unbekannten einfach nach Hause einzuladen."

„Das weiß ich, es ist nur... naja, sie sehen etwas hilfebedürftig aus."

Nietzsche nickte schwach, wandte dann den Blick zur Seite und fixierte schließlich eine Weile einen unbestimmten Punkt auf dem regendurchtränkten Parkboden.

„Ich fürchte, das bin ich schließlich auch."

„Haben Sie den ganzen Tag hier im Tiergarten verbracht?"

„Blieb mir etwas Anderes?" Abwartend hob Nietzsche eine Braue, musterte das Weibchen dann belustigt, welches unter dem strengen Blick des ehemaligen Lehrers beinah in Rekordzeit einknickte.

„Schuldigung..."

„Für Entschuldigungen sehe ich keine Notwendigkeit."

Danach schwiegen sie erneut eine ganze Weile, ehe sich das Fräuchen schließlich doch ein Herz fasste: „Professor Nietzsche...?"

Nietzsche hob den Kopf.

„Wenn ich fragen darf... wie alt sind Sie?"

Über diese sonderbare Frage nicht wenig verwundert antwortete Gefragter: „Ich schätze 45."

Vielleicht aber auch 175, doch den Kommentar verbot er sich.

Das Fräuchen nickte: „Ich verstehe, ... also kurz bevor es ... ach so, ja."

„Wie bitte?"

Sie schüttelte den Kopf.

„Nichts, gar nichts, ich hab nur heute in der Uni ein paar Recherchen angestellt", gestand sie dann schließlich.

Nietzsche nickte.

„Und nun glauben Sie einem armen, irren Fremden aus dem Park, als er Ihnen erzählte er wandle auf verkehrtem Zeitstrahl."

„Sie machen es mir nicht einfach..."

Tatsächlich geriet Nietzsche darüber ins Schmunzeln, lugte dann über die dicken Gläser seiner Brille hinweg und zog eine geschwungene Braue hoch: „Das daher, weil wir Philosophen nichts mehr fürchten, als wirklich verstanden zu werden."

Das Weibchen lachte.

„Jenseits von Gut und Böse", wusste es dann.

„Sie haben Ihre Hausaufgaben gemacht."

Die Kleine begann ihm zu gefallen.

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