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Kapitel 10


Auch wenn er bereits Jahren unter seiner Insomnie litt, so hatte er an diesem Abend keine Probleme einzuschlafen.

Tatsächlich glitt er, sobald sein Kopf das Kissen berührte in tiefen, wenn auch unruhigen Schlaf, träumte wirres Zeug, welches er sich am nächsten Morgen kaum noch in Erinnerungen rufen konnte.

Die verzerrten Schatten von Lou, seiner Schwester, seiner Mutter und auch Wagners hetzten ihn durch die einzelnen Schlafstadien, so, dass er sich am nächsten Tag noch nachträglich betäubt fühlte, als er schließlich die Augen aufschlug.

Es war bereits hell.

Schwach stöhnend schob er den Arm über sein Gesicht, trug schon Sorge die gefährlichen Lichtstrahlen mochten womöglich einen weiteren Anfall hervorrufen, doch tatsächlich blieb der Dämon diesmal friedlich.

Nietzsche setzte sich, ein Gähnen unterdrückend, auf und ließ den Blick durch das fremde Zimmer schweifen.

Es war totenstill.

Nur der dumpfe, durch die geschlossene Fenster zu ihm hineindringende, Straßenlärm wies darauf hin, dass er sich nach wie vor in Utopia befand.

Also kein böser Traum.

Er war immer noch hier.

Beinah lautlos schob Nietzsche die Füße unter der Decke hervor und auf den Boden, stand dann auf und warf einen kritischen Blick an sich hinunter.

So durfte ihn keiner sehen, aber die Leute hier schienen ja alle diese sonderbare Kleidung zu tragen.

Obwohl ihm der Pullover samt Kapuze nicht einmal so sehr missfiel.

Und der griechischen Mythologie konnte er ja auch einiges abgewinnen.

Er lächelte über den Gedanken, dass er als ehemals fleißiger Schopenhauerleser sich in solch einer aussichtslosen Situation zum Optimismus bekannte - Obgleich das seiner Natur ja auch nur gerecht wurde.

Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass sie bereits nach elf hatten.

So lang schlief er für gewöhnlich nicht, aber aktuell entsprach ja ohnehin absolut gar nichts seinem Verständnis von gewöhnlich.

Nun doch neugierig geworden, tappte Nietzsche etwas unschlüssig gen Fenster, öffnete dieses dann und spähte nach unten.

Beinah sofort stach ihm der beißende Gestank von brennenden Gasen und dreckiger Luft in die Nase, dazu dies fürchterlich-penetrante Hintergrundbeschallung.

Warum auch immer der moderne Mensch unentwegt das Nebelhorn tönen lassen musste, über kurz oder lang würde es nur zu weiterem Kopfleiden bei Nietzsche selbst führen.

Er seufzte, betrachtete sich dann die Menschen unten auf der Straße, wie sie, wie die Ameisen, auf dem Bordstein auf und ab gingen, immer dann und wann die Straße überquerten, wenn die „Autos" (diesen plumpen Begriff hatte das Mädchen ihm beigebracht) für sie stoppten.

Das Mädchen.

Das Fräulein Yamamoto.

Schließlich riss Nietzsche sich vom Anblick dieser beinah perfekten Emergenz los und schloss das Fenster wieder, wodurch er sich direkt etwas wohler fühlte.

Nietzsche schaute sich um, ehe er ein paar unsichere Schritte gen Flur machte, daraufhin den Kopf aus der Tür steckte, doch auch dort entdeckte er niemanden.

War sonst keiner da?

Kurz überlegte er, ehe ihm einfiel, wie das Fräulein ihm gestern abend, doch da war er schon im Halbschlaf gewesen, hatte mitgeteilt, sie würde bis mittags an der Universität studieren.

Nietzsche seufzte, kehrte dann schließlich zu seinem Couch-Bett zurück und ließ sich, mit hängenden Schultern, zurück auf die Matratze sinken.

Wie nun am besten vorgehen?

Warten?

Weise wäre es und es war ja auch das, wozu das Fräulein Yamamoto ihm geraten hatte.

Und bis dahin?

Nachdenklich zupfte sich Nietzsche die graue, dicke Kapuze zurecht, ließ den Blick über die schmale Küchenzeile wandern.

Zumindest hier schien sich nicht all zu viel verändert zu haben, bis auf ein paar Gerätschaften deren Sinn und Zweck ihm völlig fremd war.

Er kannte ja nicht einmal die dazugehörige Bezeichnung.

Nietzsche seufzte, zuckte dann inständig zusammen, als ihn ein dumpfes Grummeln plötzlich aus den Gedanken riss.

Hunger.

Die Maschine machte sich bemerkbar und verlangte nach Treibstoff.

Wann hatte er zuletzt gegessen?

Er konnte es nicht sagen.

Erneut ließ sein Magen ein lautes Knurren vernehmen, doch was blieb ihm übrig, außer zu warten? - Er konnte in einer ihm fremden Wohnung wohl kaum die Schränke durchforsten, auf der Suche nach Nahrung.

Er hatte das arme Fräulein wahrlich schon genug in Anspruch genommen.

Die Zeit die ihm noch blieb, bis das Mädchen zurückkehren würde, konnte er stattdessen nutzen um die Eindrücke der vergangenen 24 Stunden zu ordnen.

Schwer seufzend legte Nietzsche die Unterarme auf den den Knien ab und betrachtete sich mit eigenartiger Sorgfalt seine Handflächen.

Er war entweder verrückt geworden und das ganze war bizarrer Wahnsinns-Chloral-Traum, welchem er einer heftigen Überdosis zu verdanken hatte...

Das war die erste Möglichkeit und vermutlich gar nicht mal die Unwahrscheinlichste, aber was hatte er schon mit der Mathematik zu schaffen?

Deduktive „Wissenschaften" waren doch ad hoc - Daraus unbrauchbar.

Die zweite Möglichkeit, die im übrigen einen, in ihrer Konsequenz, nicht weniger unangenehmen Eindruck machte, lautete wie folgt: Das hier passierte wirklich.

Er befand sich im Jahre 2019.

Und das wiederum bedeutete, ... ja, was bedeute das?

Ungeduldig begann Nietzsche an seiner Unterlippe zu nagen, doch er kam mit sich auf keinen grünen Zweig: Was sollte er tun?

Einen Weg zurück finden?

In seine Zeit?

Wie?

Solche Zeitsprünge schienen auch in einer futuristischen Welt offenkundig nicht zur Alltäglichkeit zu zählen und somit sah er sich außerstande eine Möglichkeit überhaupt nur zu denken, die ihn zurück bringen könnte.

Das alles blieb unfertig formuliert im Konjunktiv stecken.

Doch dann kam ihm plötzlich ein weiterer Gedanke.

Einer, welcher mit Sicherheit bereits gestern Abend erste Anwandlungsversuche unternommen hatte, allerdings war es Nietzsche da noch möglich gewesen diese erfolgreich abzuwehren.

Doch nun, wo die Migräne einem leichten Kopfbrummen und die Übelkeit dem Hunger gewichen waren, da hatte er keine Entschuldigungen mehr.

Die Frage die er sich stellen musste, war vielleicht gar nicht so sehr das „Wie" sondern viel mehr das „Warum"?

Warum sollte er zurück kehren wollen?

Damit niemand seine Bücher las?

Damit ihm der Anblick zu Teil wurde, wie seine Schwester sich an der Seite des Antisemiten Försters in ihr Verderben warf?

Damit er sich von einem Tag in den nächsten schleppte und schließlich - und das mit Sicherheit - entweder an seiner Einsamkeit, oder aber an seiner Krankheit jämmerlich zu Grunde gegen würde?

All die Jahre hatte er sich danach gesehnt zu Seelen zu sprechen, die seiner glichen.

Den Blick hoffnungsvoll auf die Zukunft gerichtet, auf die kommenden Geschlechter, jene, die den Namen „Nietzsche" mit samt seiner neuen Welt-Conception, einer Umwertung der Werte, einem neuen kulturellen Verständnis in Verbindung denken würden.

Er hatte nie daran gezweifelt einen Keim gepflanzt zu haben, in schon fruchtbare Erde, die es dennoch zu düngen galt.

Und stand er womöglich jetzt endlich vor der groß gewachsenen Pflanze und durfte von ihren Früchten kosten?

Solch eigentümliche Geschehnisse konnten wohl kaum per Zufall erklärt werden.

Vielleicht war es Bestimmung, vielleicht aber Schicksal.

Weil er sein Schicksal war.

Weil er ein Schicksal war.

In genau diesem Moment konnte er hören, wie im Schloss der Wohnungstür ein Schlüssel herumgedreht wurde.

Darauf folgten ein paar dumpfe Schritte, ein schwaches Seufzen und ruhig wartete Nietzsche, bis schließlich das Fräulein Yamamoto um die Ecke lugte.

„Sie sind also nicht geflohen", stellte sie fest, lächelte dann.

„Wohin könnte ich?"

„Das ist eine berechtigte Frage", gestand das Mädchen, ging dann in Richtung der Küchenzeile und öffnete den deckenhohen Schrank, in dessen Innerem, wie durch Magie, plötzlich ein Licht aufleuchtete.

Interessiert beugte sich Nietzsche etwas nach vorne, um einen genaueren Blick auf diese sonderliche Gerätschaft zu erhaschen, doch im nächsten Moment ließ das Fräulein die Tür bereits wieder zu fallen, hatte offenbar gefunden, wonach sie gesucht hatte, denn in ihrer Hand hielt sie eine durchsichtige Schachtel.

Fräulein Yamamoto blinzelte ihm verschwörerisch zu, machte dann auf dem Absatz kehrt, hatte in windeseile den Inhalt der Schachtel in eine Schüssel umgefüllt und stellte diese nun in eine rechteckige Maschinerie, deren Nutzen sich Nietzsche bereits in wenigen Sekunden offenbaren sollte.

Das Fräulein drückte ein paar Knöpfe, schloss dann die Tür der rechteckigen Maschine, welche nun ein grummiges Brummen von sich gab und machte sich unterdessen an der Spüle zu schaffen.

Nun doch neugierig geworden, erhob Nietzsche sich und musterte die grummelnde Maschine aus nächster Nähe.

Was passierte da, hinter dieser dicken, schwarzen Scheibe?

Offenbar war auch diese Gerätschaft mit einer Innenbeleuchtung ausgestattet, doch wozu?

„Es ist eine Mikrowelle", erklärte das Mädchen, welches plötzlich neben ihm stand und ihn dadurch leicht zusammen zucken ließ, „Sie wärmt Essen auf, sehen Sie?"

Und im nächsten Moment bereits, drückte Fräulein Yamamoto einen Knopf, die dicke Tür der „Mikrowelle" sprang auf und die Schüssel mit Essen kam wieder zum Vorschein.

„Hier."

Noch bevor Nietzsche etwas erwidern konnte, wurden ihm ein Löffel und eine Gabel in die Hand gedrückt und das Mädchen zog, mit Hilfe eines Handtuches, welches sie um das Keramik legte, die dampfende Schüssel aus dem kleinen, rechteckigen Mikrowellen-Kasten.

„Probieren Sie ruhig, aber warten sie vielleicht etwas, bis es abgekühlt ist. Ich hoffe Sie mögen japanische Küche"

Etwas überrumpelt und nicht ganz sicher, was darauf eine passende Antwort wäre, ließ Nietzsche sich von dem übermütigen Jungspund an den Tisch dirigieren und die bis zum Rand gefüllte Schüssel vor die Nase setzten.

Nietzsche warf einen leicht unsicheren Blick gen des Fräuleins, welches nun für sich selbst auftischte, versuchte sich sein Misstrauen bezüglich der Mahlzeit (was war es... Gulasch mit Reis...?) nicht weiter anmerken zu lassen, doch ganz geheuer war es ihm nicht.

„Es sind die Wasser-Moleküle, die durch die elektromagnetische Strahlung in Bewegung versetzt werden. Dadurch erwärmt sich das Essen", erklärte das Mädchen, welches seinen kritischen Blick wohl bemerkt zu haben schien, „Probieren Sie ruhig, Sie können es wirklich essen."

Nietzsche war dem Fräulein einen letzten fragenden Blick zu, ehe er schließlich zögernd ein wenig Reis mit Soße probierte.

Zu seiner Überraschung musste er feststellen, dass die Kleine Recht behalten sollte.

Das Essen war warm und obendrein noch sehr bekömmlich, obgleich er bei der ausgehungerten Erscheinung, die er momentan abgab, vermutlich alles genommen hätte, was man ihm vorsetzten würde.

„Haben Sie Curry schon einmal gegessen?", wollte Fräulein Yamamoto dann wissen, während es sich zu Tisch niederließ.

Nietzsche schüttelte den Kopf, ehe er einen weiteren Löffel nahm.

Erst jetzt merkte er, wie hungrig er gewesen war.

Sicher, immerhin ist es 130 Jahre her, dass du zuletzt gegessen hast, altes Geschöpf, schoss es ihm kurz durch den Kopf, doch er verwarf den Gedanken sogleich, denn so ganz behagte es ihm noch immer nicht, darüber nachzudenken.

„Ich stehe auf ewig in Ihrer Schuld und bedanke mich aufrichtig für die Gastfreundschaft", fasste sich Nietzsche schließlich ein Herz und schenkte dem Mädchen ein unsicheres Lächeln, welches ihm zur Antwort vertraut entgegen blinzelte.

„Nichts zu danken, tut mir leid, dass ich im Tiergarten son unfreundlich war."

Doch Nietzsche schüttelte den Kopf: „Vielmehr muss ich mich entschuldigen, dass ich Sie so einfach mit meiner Misere überrumpelt habe, umso dankbarer bin ich dennoch, dass Sie meinen Worten Glauben schenken."

Und ein bisschen wunderte es ihn auch, denn er konnte sich nicht vorstellen selbst jemanden als geistig gesund zu nehmen, der ihm eine solche Geschichte auftischen täte.

Doch sollte das hier sein Schicksal sein, so war das Fräulein Yamamoto womöglich ein Teil dessen?

Durfte er davon ausgehen?

Oder verrannte er sich womöglich nur erneut darin, all seine Hoffnung auf die schmalen Schultern eines dazu womöglich noch zu jungen Menschen zu legen?

„Naja, im Zweifel für den Angeklagten, oder so...", brummte das Mädchen schließlich schulterzuckend und musterte Nietzsche dann kurz eingehend, „Was haben Sie jetzt vor?"

Nietzsche hielt inne und auch das Fräulein Yamamoto ließ ihre Essstäbchen sinken.

Vor dieser Frage hatte er sich gefürchtet.

Denn darauf kannte er keine Antwort.

Er war viel zu beschäftigt damit gewesen, sich seinem neuen Schicksal anzunehmen und sich für die Umstände offen und bereit zu erklären.

Eine ganze Weile schwiegen sie, bis die Stille schließlich drückend und unangenehm wurde.

„Ich verstehe...", seufzte Fräulein Yamamoto und lächelte dann mitfühlend, „Sie haben keinen Schimmer."

Nietzsche nickte, den nachdenklichen Blick ehrfürchtig auf die komplizierte Fingerkonstellation gerichtet, die es möglich machte mit zwei dünnen Stöckchen Reis zu essen.

Ob das Mädchen für das Klavierspiel zu begeistern war?

Lou hatte der Musik kaum Aufmerksamkeit geschenkt, wohingegen...

„Wissen Sie, als ich Sie im Park getroffen habe, das erste Mal, da dachte ich - klar, dass sie verrückt sind...", begann das Fräulein schließlich, was Nietzsche aufschauen ließ, „Also ich meine es gibt ja so Leute, nh? Die dann von sich glauben die Reinkarnation von Micheal Jackson oder sowas zu sein, was weiß ich. Leben nach dem Tod, frühere Leben oder auch so ein Zeitsprunggedöns... super spannenden Themenfelder, auch in philosophischer Hinsicht, aber unsere moderne Welt ist zu materialistisch geprägt, um diesen Geschichten weiterhin Gehör zu schenken."

Nun war es Nietzsche, der sein Besteck sinken ließ und dabei kritisch die Stirn in Falten legte.

„Ich hatte ja jetzt auch kein präzises Bild von ihnen vor Augen, ich meine ja, als Geisteswissenschaftlerin vielleicht etwas peinlich... naja, auf jeden Fall als ich zurück zur Uni gegangen bin, da habe ich direkt mal gegoogelt und habe mich schon etwas erschrocken, als ich dann online alte Fotografien von Ihnen gefunden habe, ... auf jeden Fall...", das Mädchen seufzte leise, ehe es mit etwas verträumter Miene fortfuhr: „Sie kennen ja doch die alten Griechen, oder?"

Nietzsche hätte beinah gelacht, doch er verbot es sch und nickte stattdessen: „Da ich von Hause aus Altphilologe bin, darf ich das wohl zumindest von mir behaupten - Ja."

„Ich verstehe nicht viel von Physik", erklärte Fräulein Yamamoto dann weiter, „Aber ich erinnere mich an ein Fragment von Epikur, in dem er von der den Erinnerungen an frühere Leben spricht und auch von der damit einhergehenden Tatsache, dass wir uns an frühere Leben nicht erinnern. Der Tod geht uns nichts an und so - Sie wissen schon. Fakt ist aber doch, dass es durchaus Leute gibt, die von sich behaupten genau das zu tun, sich an frühere Leben zu erinnern."

Erneut nickte Nietzsche, auch wenn es ihm bislang noch fern lag, was das ganze nun mit seiner Situation zu tun haben sollte.

„Mit Verlaub, diese Menschen halte ich für ähnliche seriös wie Kurfuscher und all jene, die Ihnen die Zukunft auf Steinen meinen lesen zu können."

Das Mädchen nickte: „Ja, nein, ich sage ja auch nicht, dass nicht der ein oder andere da womöglich etwas Schwachsinn redet, andererseits ist es doch nur evident, dass unsere Wahrnehmung weit entfernt von absolut ist und lediglich auf unsere menschliche Bedürfniswelt zugeschnitten. Also, wenn wir anerkennen, dass es Phänomene gibt, die sich dem wahrnehmbaren Bereich entziehen, so dürfen wir doch auch glauben, dass sich jetzt gerade, in diesem Moment um uns herum Phänomene bewegen, die mit uns, auf Grund fehlender Rezeptoren, nicht in Verbindung treten können. Und was sagt Epikur? Selbst wenn sie die Atome, die einst meinen Körper bildeten im Fortschreiten der Zeit wieder zusammenfänden, so trüge man keine Erinnerung an vorangegangenen Leben in sich. Doch so einfach ist das nicht, die modernen Neurowissenschaften haben den Dualismus verabschiedet, soviel weiß selbst ich, wenn sich also die exakt selbe Kombination wieder zusammen fände, so würde das auch mit sich bringen, dass sich Erinnerungen rekonstruieren ließen, auf Grund identischer Gehirnstruktur."

Nietzsche blinzelte überrascht, während das Fräulein ihn mit vor Aufregung leuchtenden Augen abwartend musterte.

Hatte es sich das seit ihrer beider Zusammentreffen so zusammengelegt und gedanklich auseinander klamüsert.

Er war nicht wenig beeindruckt.

„Ich kann Ihren Gedanken ganz wunderbar folgen, denn es waren auch bereits die Meinigen", begann er dann langsam, ehe er nachdenklich in seinem Essen herum zu stochern begann, „Um so bezeichnender scheint es mir, dass Sie, gleich mir, ebenfalls auf Epikur verweisen, nur auf die Bewusstseinsfrage hatte ich bislang keine Antwort finden können."

„Na, es ist ja auch weniger eine Antwort, als eher eine Theorie, aber es ist schlüssig."

Nietzsche nickte kaum merklich: „Aber hörte man von solchen Fällen bereits? Folgten wir der Theorie, dann zweifle ich, dass ich der einzige Mensch sein soll, dem dergleichen jemals widerfahren ist."

Das Fräulein zuckte unschlüssig mit den Schultern: „Wahrscheinlich hörten wir von, aber das ist das, was ich zu Beginn meinte, wir schenken denen eben kein Gehör. Sie selbst meinten doch schon, dass Sie für solcherlei Geschichten nichts übrig haben, glauben Sie, das Paranormales und Okkultes im heutigen Europa keinen Platz mehr hat. In einschlägigen Internetforen berichten immer wieder Leute von sowas, oder eben in so Serien, die sie dann um ein Uhr morgens ausstrahlen, aber glauben tut ihnen ohnehin niemand. Wir halten sie eben für verrückt, genau so wie ich Sie zuerst, obwohl wir es so gesehen nicht ausschließen können. Es passt halt nur nicht ins gemeine Weltbild."

„Und dort ruht das Problem, der gemeine Mensch möchte nur das hören, was er bereits denkt" , folgerte Nietzsche, worauf das Fräulein Yamamoto wohlwollend nickte: „Überzeugungen sind gefährlichere Feinde der Wahrheit, als Lügen."

Nietzsche lächelte: „Sie machen mich schwach, Fräulein Yamamoto."

Das Mädchen lachte: „Nicht doch, nicht doch..."

Noch einen Augenblick kicherte sie vor sich hin, ehe sie sich schließlich beruhigte: „Wie auch immer der Umstand zu erklären ist, rein pragmatisch wird es uns nicht weiter helfen."

Nietzsche nickte, schnaubte dann erschöpft.

Womit sie wieder am Ausgang angelangt wären, circulus vitiosus, aber das Fräulein hatte Recht.

Weiter kamen sie, ... weiter kam er dadurch nicht.

Erneut breitete sich drückendes Schweigen aus, ehe das Mädchen einen weiteren Versuch startete:"Haben Sie, ich weiß nicht.... Geld dabei, oder sowas?"

Nietzsche schaute sich hilfesuchend um, ehe sein Blick auf seinen Gehrock fiel, welcher nicht von ihm, gemeinsam mit seinen restlichen Sachen, über der Lehne eines Stuhles hing.

„Meine Einkünfte lasse ich von einem befreundeten Dritten verwalten, welches mir praktischer ist, angesichts meines Nomaden-Lebens. Aber... ich führe von je her ein kleines Vermögen mit mir. Doch damit komme ich, bei sparsamer Lebensweise, vielleicht einen Monat hin."

Das Fräulein Yamamoto nickte, schien in ihre eigenen Gedanken vertieft, als sie plötzlich mit einem Ruck aufstand: „Darf ich mir das Geld mal ansehen?"

Nietzsche, nicht minder irritiert über diese sondergare Forderung, machte eine zustimmende Handbewegung und deute dann mit dem Kinn gen seines Mantels.

„Vordere Brusttasche."

Dich etwas irritiert beobachtete er, wie sich das Fräulein an seinem Gehrock zu schaffen machte und schließlich seine Brieftasche zum Vorschein kam.

Das Mädchen warf ihm einen um Erlaubnis fragenden Blick zu, worauf er ihm aufmunternd zunickte und so zog das Fräulein schließlich ein paar zerknitterte Banknoten, sowie rund drei Dutzend Münzen aus den Fächern.

Zügig wurden die Scheine auseinander gefaltet und gründlich begutachtet, bis das Fräulein Nietzsches Bares schließlich sinken ließ, zu ihm hinüber schaute, mit einem triumphierenden Lächeln auf den Lippen.

„Zumindest das Geldproblem sollte damit vorerst gelöst sein", eröffnete sie ihm dann erfreut.

„Mehr oder minder, vielleicht einen Monat werde ich so leben können."

„Ja, ein Monat, wenn Sie vorhaben mit Ihrem neuen Lamborghini die Stadt unsicher zu machen, doch wenn Sie bescheiden leben, dann brauchen Sie sich um die nächsten paar Jahre zumindest keine Gedanken zu machen."

Nietzsche verstand nich, schüttelte schließlich irritiert den Kopf, ehe sein Blick an den traurigen Münzen hingen blieb.

„Fräulein Yamamoto, wenn ich es überschlage, dann rechne ich mit 120 Mark, vielleicht 20 Lira und 1200 Franken und schließlich ein paar Rappen, selbst wenn ich meine minimalistische Lebensweise beibehalten täte und glauben Sie mir bitte, nichts läge mir näher, dann mag ich damit, wenn überhaupt, zwei Monate bewältigen."

Doch das Fräulein schüttelte erneut den Kopf, sprang dann auf und ließ sich auf den Stuhl, neben ihn sinken, ehe es ihm schließlich das Geld unter die Nase hielt.

„Die sind mehr als 100 Jahre alt. Ich habe einen Freund, der kennt sich mit solchen Dingen aus, Sammlernatur, kenne ich aus dem Geschichtsstudium. Ich selber bin da jetzt nicht ganz so im Bilde, aber ich schätze mit allem bekommen sie bestimmt 100.000 Euro raus, wenn nicht sogar mehr."
„100.000?!", Nietzsche meinte beinah, er hätte sich verhört, „Soviel bekomme ich in knapp drei Jahren an Pension."

Das Fräulein Yamamoto nickte aufgeregt: „Ewig werden Sie damit sicher nicht hinkommen, aber erstmal reicht das ja. Dann sehen wir weiter. Also wenn Sie erlauben... dann ähm... schreibe ich meinem Kommilitonen und da wird er dann sicher was machen können, er ist echt lieb. Gegen eine kleine Gegenleistung versteht sich, ich weiß nicht wieviel er nimmt, aber wird nicht viel sein."

Nietzsche nickte, noch immer etwas verblüfft, schaute dann zu, wie das Mädchen aufstand und das Geld zurück in seiner Brieftasche verstaute.

„Am besten nichts mehr drankommen lassen, das senkt den Wert."

Fräulein Yamamoto lächelte, als sie sich schließlich wieder gegenüber seiner am Tisch niederließ.

„Wie geht es Ihrem Kopf?", wollte das Fräulein dann wissen.

„Ein Anfall dieser Intensität, der nach wenigen Stunden kaum noch nachwirkt, das habe ich kaum erlebt", berichtete Nietzsche aufgeregt, „Ihnen zu Dank."

Fräulein Yamamoto schüttelte den Kopf: „Alles gut, ich hatte gehofft die Triptane würden Wirkung zeigen, hatten wir wohl nochmal Glück, aber sie haben das öfter, oder?"

Nietzsche nickt, seufzte dann gedehnt.

Seine Krankengeschichte war ein leidiges, ein lästiges Thema und oft vergas er beinah schon, dass es Leute gab die lebten außerhalb eine Zustandes dauerhaften Martyriums.

Doch andererseits... so wird der Einäugige ein stärkeres Auge haben.

Und war es nicht stets so gewesen, dass das Moment seines physiologischen Tiefstandes gleichkam mit dem geistiger Höhenflüge?

„Ja,...", begann Nietzsche schließlich nachdenklich, richtete den Blick gedankenverloren auf die grob gemasterte Tischplatte, „Ja, seit ich denken kann. Bereits zu Kindertagen, doch da hielt der Dämon meist noch still, so waren mir zumindest angenehme Spielstunden mit Freunden noch vergönnt, doch mit fortschreitendem Alter..."

Nietzsche seufzte schwer.

Auch Fräulein Yamamoto schien nachzudenken, bis das Mädchen ihm schließlich einen mitfühlenden Blick zuwarf: „Darf ich Sie fragen, wie genau sie hierher gekommen sind? Können Sie sich daran erinnern?"

Erneut schüttelte Nietzsche den Kopf, erzählte dann jedoch von seinem Erwachen im Krankenhaus, von Doktor Asbeck, dem hysterischen Blondchen und seinem erfolgreichen Fluchtversuch, erzählte von dem Kutscher in Turin und von dem gepeinigtem Gaul, das letzte woran er sich erinnern konnte.

Fräulein Yamamoto hörte schweigend zu, stellte nur selten Zwischenfragen und schwieg auch noch eine ganze Zeit, nachdem er mit seinen Erklärungen schließlich abgeschlossen hatte.

„Und Sie können sich an die Tage in Turin auch kaum erinnern sagen Sie?"

Und wieder schüttelte Nietzsche den Kopf.

„Nein", hauchte er dann schwach, zupfte sich überlegend an einer etwas längeren Haarsträhne herum, die sich seit je her stets weigerte nach hinten gekämmt liegen zu bleiben.

Nein, er konnte sich kaum erinnern.

Noch immer schienen seine Erinnerungen nur Fragmente zu sein und auch bleiben zu wollen.

„Ich erinnere mich, dass ich aus dem Endagin weiter nach Turin gereist bin, das war im September und auch die Wintermonate habe ich in Italien verbracht... und es ist mir gut gegangen. Ziemlich gut sogar."

Nietzsche schaute auf, direkt in dir verwunderten Augen des Fräulein Yamamotos.

„Was wunderlich ist", fügte er dann hastig hinzu, „Da ich in der Regel während den kalten Jahreszeiten nicht so weit nördlich logiere, das bekommt mir nicht. Aber Turin bekam mir gut... soweit ich mich entsinnen kann."

Er überlegte.

„Wissen Sie noch, was Sie in Turin gemacht haben?", wollte das Mädchen dann wissen.

„Namentlich die Oper Carmen geistert mir bei dieser Frage durch den Kopf - Aber ob ich sie tatsächlich besuchte vermag ich nicht zu rekonstruieren, folglich... ich habe viel geschrieben, ja, daran erinnere ich mich gut. Ich habe unzählige Briefe verfasst, doch fragen Sie mich nicht an wen, schätzungsweise die üblichen Verdächtigen, doch keine Erinnerung an das, was Inhalt dieser Mitteilungen war. Außerdem habe ich neue Pläne geschmiedet, für weitere Werke, neue Bücher, aber..." Nietzsche verstummte plötzlich, richtete den erschöpften Blick dann wieder zu Boden und betrachtete sich eine Weile sein Hände, ehe er deprimiert fortfuhr: „Doch bei aller Güte, kann ich nicht sagen woran ich gearbeitet habe."

Fräulein Yamamoto nickte verstehend, holte dann tief Luft und es schien Nietzsche beinah, als kosteten die nächsten Worte seiner Gastgeberin einiges an Überwindung: „Professor, ... erinnern Sie sich daran, dass sie in Jena gewesen sind? Können Sie sich an irgendetwas erinnern, was nach dem Zwischenfall mit dem Pferd passiert ist?"

Nietzsche wusste nicht wieso, doch bei dem besorgten Blick in den Augen des Mädchens machte sich mit einem Mal ein Gefühl allgemeinen Unwohlseins in ihm breit.

„Bedaure", wiederholte er sich dann und als Fräulein Yamamoto sich unglücklich auf die Unterlippe biss, da wurde Nietzsche plötzlich klar, dass das Mädchen etwas wusste, was er nicht wusste.

„Wertes Fräulein, sollten Sie etwas über ..."

„Professor", unterbrach ihn das Mädchen nervös, stand dann auf, ging hinüber zum Schreibtisch und winkte Nietzsche dann zu sich, während es sich an einer weiteren, ihm unbekannten Gerätschaft, zu schaffen machte.

Es wirkte auf Nietzsche, auf den ersten Blick zumindest, wie ein Buch, welches jedoch nur aus seinem Einband bestand, doch anstelle von Seiten beherbergte sein Inneres etwas, was an die Tasten einer Schreibmaschine erinnerte.

Misstrauisch beobachtete Nietzsche, wie die nach oben geklappte und aufrecht stehende „Einbandseite" mit einem Mal aufleuchtete und die Silhouette eines angebissenen Apfels zu erkennen war.

Kritisch zog er die Brauen zusammen, unterdessen Fräulein Yamamoto mit den Fingerkuppen ungeduldig auf die Tischplatte trommelte.

„Professor, ...", begann das Mädchen schließlich heiser und ohne ihn dabei anzusehen, „Ich glaube da ist etwas, was Sie wissen sollten..."

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