15
Ich wachte an diesem Morgen früher auf als sonst, der Streit mit Paps saß tief und ich fühlte mich furchtbar wegen der Dinge die wir gesagt hatten. Aber es änderte nichts an meinem Entschluss, ich war alt genug um die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Ich setzte mich vor meine Spiegelkommode und bürstete mein Haar ausgiebig, bis er mir seidig um die Schultern fiel. Ich steckte die zwei Strähnen die mir ins Gesicht fielen mit Bobbypins hinter meinen Ohren fest und sah mich unschlüssig an. Es war der Beginn einer neuen Ära und einer neuen Sophie. Ich schminkte mich eigentlich so gut wie nie, vor allem nicht für die Schule, aber heute hatte ich plötzlich Lust darauf.
Ich griff zur Mascara und tuschte meine Wimpern ausgiebig, das alleine war schon ein sehr ungewohnter Anblick. Da ich lange schwarze Wimpern hatte, wie Maja und meine Mutter, wirkten meine Augen durch das bisschen Wimperntusche riesig. Doch ich hatte auch irgendwo noch die Box Lipgloss, die mir Kai zum Geburtstag geschenkt hatte. Als ich sie hervorkramte begutachtete ich die 4 verschiedenen Farben eingehend und entschied mich für das natürliche, matte Nude-Rosa.
Ich hörte meinen Vater im Badezimmer, als ich in die Küche eilte um mir ein Frühstück für später einzupacken. Ich wollte ihm so nicht begegnen, ihm würde das bisschen Make-up sofort auffallen und er würde sofort Verdacht schöpfen.
Wes wartete bereits auf mich und ich schlüpfte eilig auf den Beifahrersitz und zog die Tür zu.
„Morgen.", hauchte ich und lächelte ihn an, doch mein Lächeln gefror sofort, als ich seinen Blick sah. Er starrte mich mit hochgezogenen Brauen an. Ich hätte das mit dem Make-up nicht tun sollen. Ich sah anscheinend nicht gut aus, sondern sicher komplett lächerlich. Ich wurde nervös und kramte mit der Hand in meiner Jackentasche nach einem Taschentuch um mir das Lipgloss abzuwischen, als er endlich seine Stimme wieder fand: „Du siehst toll aus!", raunte er mit rauer Stimme und nickte bedächtig, während er ins Gas stieg. Sofort ließ ich die Hand in der Tasche ruhen und atmete erleichtert aus.
„Was ist?", lachte er und warf mir einen schiefen Blick zu.
„Ich hab' schon gedacht, ich...", ich sprach leise und blickte auf meine Knie.
„Was?", hakte er nach und hielt an der großen Kreuzung. Er streckte seine Hand nach meinem Gesicht aus und zog mein Kinn sanft nach oben, sodass ich ihn anblicken musste, „Was hast du gedacht?", fragte er nochmal.
„Das ich blöd aussehe.", murmelte ich verlegen. Mir war der Moment so unangenehm, dass ich am liebsten losgeheult hätte.
Er schnaubte und ließ mein Gesicht los. Er saß stumm da und fuhr los, als die Ampel auf Grün schaltete.
Ich sah ihn verstohlen aus den Augenwinkeln an und versuchte seine Stimmung richtig zu deuten, er wirkte irgendwie sauer.
„Glaubst du, dass du hübsch bist?", fragte er plötzlich und ich lief noch dunkler an, als zuvor.
„Ich sehe normal aus.", antwortete ich verlegen.
„Normal also.", er lachte ungläubig, „Wieso glaubst du das?".
Ich zuckte mit den Schultern.
„Weil du nicht mit 3 Kilo Farbe im Gesicht herumläufst?", hakte er nach, „Oder weil du keine Designerhandtaschen in der Schule mithast, in die eigentlich gar keine Schulsachen passen? Weil du keine hautengen Miniröcke trägst, obwohl es gerade mal 4 Grad draußen hat? Weil du deine Haare nicht jeden Tag eine Stunde lang mit Haarspray bearbeitest?".
Ich zuckte wieder mit den Schultern, ich wollte dieses Gespräch nicht führen.
„Oder...", sagte er ernst, „Weil du niemanden hast, der dir zeigt wie hübsch du bist?".
Ich schluckte schwer, die Autofahrt schien heute ewig zu dauern. Gegen die Tränen ankämpfend holte ich tief Luft: „Wes.", hauchte ich matt, „Ich bin einfach nur normal, das ist für mich das schönste Gefühl, dass es gibt. Wenn ich das Gefühl habe, so zu sein, wie alle anderen auch. Ich will gar nicht herausstechen und das Gesprächsthema von allen sein. Ich bin zufrieden.".
Endlich kam das Schulgebäude in Sicht.
Er schüttelte wieder seinen Kopf, so als wollte er meine Erklärung gar nicht erst in seinen Kopf lassen. „Du siehst toll aus Sophie, wirklich. Egal ob mit oder ohne Schminke.".
Er sah mich an und lächelte, ich zuckte kurz mit den Mundwinkeln nach oben, um ihm zu zeigen, dass alles okay war.
In Wirklichkeit klopfte mein Herz plötzlich wie wild in meiner Brust. Meinte er das wirklich so? Oder war er bloß nett?
„Sag mal...", begann er, als er auf den Parkplatz fuhr, „gibt es eigentlich irgendeine Chance, dass du mit mir am Freitag zu Tristans Halloweenparty kommst?".
Ich hustete erschreckt und riss die Augen auf. Damit hatte ich nicht gerechnet.
Er klopfte mir hastig auf den Rücken und ich holte keuchend Luft. „Ich habe vor hinzugehen.", antwortete ich hastig.
„Wirklich?", er wirkte aufgeregter als er sollte, „Wann soll ich dich abholen? Weißt du schon welche Verkleidung du anziehst?".
Ich wiegte meinen Kopf langsam hin und her: „Wes.", sagte ich ruhig, „Tristan hat mich gefragt ob ich als sein Date komme.".
Schlagartig wurde es still im Wagen.
„Er hat was?", er klang nicht besonders erfreut.
„Ich hab' ja gesagt. Ich dachte du hast bestimmt auch ein Date und dass es doch irgendwie komisch wäre wenn wir gemeinsam da hin gehen.".
Wieder war es still im Wagen. Er zog bedächtig den Schlüssel ab und betrachtete ihn eingehend.
„Komisch also...".
„Wenn es dich stört dass ich mit deinem Freund ein Date habe, dann sage ich natürlich ab. Ich hätte dich zuerst fragen sollen!", er war sauer. Es wirkte natürlich so, als würde ich mich an seine Freunde heranmachen, nachdem ich mit ihm gemeinsam nie mit ihnen reden wollte.
Doch zu meiner Überraschung schüttelte er den Kopf: „Nein, natürlich musst du mich nicht fragen mit wem du auf Dates gehst Sophie! Ich hatte nur nicht damit gerechnet. Vor allem nicht mit Tristan.", er lachte trocken, „Wie kommst du hin?".
Ich zuckte mit den Schultern: „Mit dem Rad?", antwortete ich zaghaft.
Jetzt lachte er lauter: „Tristan wohnt am großen Hügel, da strampelst du dich zu Tode.".
Entgeistert sah ich ihn an.
„Ich hol dich um acht ab.", sagte er schlicht.
„Aber die Party beginnt um sieben.", erwiderte ich.
Wieder lachte er mich aus. „Deswegen hol ich dich um acht ab. Vertrau mir.".
Und das tat ich. „Danke.", ich lächelte zaghaft und er erwiderte es zu meiner Erleichterung.
„Bist du nervös?", fragte er mich am Weg zum Schulgebäude.
„Und wie!", stieß ich hervor, „Ich habe keine Ahnung was ich anziehen soll, wie ich mich verhalten soll und wie ich das alles machen soll, ohne das mein Vater etwas davon mitbekommt.".
Er legte die Stirn in Falten: „Ich helfe dir. Dafür hat man Freunde.".
Er begleitete mich nicht hinein zu Kai und Linda, sondern verabschiedete sich vor der Tür von mir.
„Ich muss noch etwas erledigen.", murmelte er zum Abschied, „Bis später.".
Ich hatte kein gutes Gefühl dabei, sagte aber nichts und öffnete dir schwere Eingangstür.
Die beiden Geschwister waren außer sich, als ich ihnen alles erzählte und Kai zeigte mir den ganzen Vormittag Last-Minute Halloween Kostüme auf Pinterest, die ich ausprobieren sollte.
Als ich nach der vierten Stunde an Tristan im Gang vorbeiging, grinste er mich breit an und zwinkerte, worauf Linda neben mir quietschte und mich knallrot anlaufen ließ. Wes, der hinter Tristan ging ließ die Hand sinken, die er während er sich mit Thomas unterhalten hatte erhoben hatte und sah mich ausdruckslos an.
„Das ist alles so aufregend!", flüsterte Linda hibbelig, als ich ihr angedroht hatte, nie wieder mit ihr zu reden, wenn sie das noch einmal machen würde, „Und hast du gesehen wie Wes reagiert hat?".
Ich verdrehte die Augen.
„Sie hat Recht!", bestärkte Kai die Wahnsinnige zu meinem Entsetzen, „Du wirst schon sehen, spätestens bei der Party kann sich unser Goldlöckchen nicht mehr zurückhalten. Am Ende des Abends bleibt unsere liebe Sophie sicher nicht ungeküsst.".
Ich erstickte beinahe an dem Schluck Wasser, den ich gerade im Mund hatte und spuckte mir die Hälfte auf mein Shirt.
Die restliche Woche ging wie im Flug vorbei, Paps und ich hatten noch kein Wort miteinander gesprochen, seit unserem Streit, aber er war auch immer sehr spät nach Hause gekommen. Ich überlegte kurz, ob ich Tante Maja in meinen Plan einweihen sollte, wollte sie aber, falls es dazu kam, nicht in meine Lügenkonstrukte mithineinziehen und sie notfalls zum Lügen zwingen. Sie hätte es ohne Frage getan, aber wenn mein Vater das herausfinden würde, wären die Konsequenzen unvorstellbar. Ich traute ihm in seiner derzeitigen Laune zu, dass er mir verbieten würde zu ihr ins Café zu fahren. Wenn er dahinterkommen sollte, müsste ich ganz alleine dafür grade stehen, das war mir klar.
Als er am Freitag um fünf seine Dienstjacke anzog, saß ich gerade im Wohnzimmer. Ich war den ganzen Tag wie auf heißen Kohlen unterwegs, unkonzentriert, hibbelig und unfähig einen Bissen zu essen. Die Sache mit dem Kuss hatte mich nicht mehr losgelassen. Was, wenn Tristan mich wirklich küssen wollte? Immerhin war ich ja sein offizielles Date, da war der Gedanke nicht so abwegig.
„Sophie!", sagte mein Vater plötzlich hinter mir und ließ mich zusammenzucken. Ich blickte auf und sah, dass er gelassen wirkte.
„Was ist?", fragte ich tonlos, beinahe hoffend, dass er seine Meinung ändern würde und mir erlaubte auf die Feier zu gehen.
„Eines Tages..", meine Hoffnung löste sich sofort in Luft auf, „wirst du verstehen, dass es nur zu deinem Besten ist, wenn ich dir Dinge verbiete, die andere Teenager in deinem Alter machen. Du musst nicht sein wie alle anderen. Das macht dich härter und bereitet dich besser vor für die reale Welt.".
Er wirkte selbstgefällig und so, als würde er denken mir gerade etwas Nettes und Aufbauendes gesagt zu haben. Doch ich spürte die Hitze in mein Gesicht steigen, als ich meine Hände zu Fäusten ballte. Er wollte mich härter und besser machen, so so.
„Also soll ich so enden wie du?", fauchte ich, „Verbittert und einsam?".
Er zuckte zurück und ich merkte, dass ich einen Volltreffer gelandet hatte.
„Ich wünschte Mama wäre hier und würde sehen, wie du dich benimmst!", setzte ich nach und spürte die Tränen hochkommen. Es war die Wahrheit, ich wünschte mir sie wäre hier. Mit ihr wäre das alles kein Thema gewesen, mit ihr wäre ich nicht diese verkorkste kleine Person ohne Boden unter den Füßen, dieses ängstliche Häufchen Unsicherheit, das beim leichtesten Windhauch in sich zusammenfiel. Ich war so wütend. Auf sie, auf Paps der mein Elend schürte und bestärkte, der sich daran zu ergötzen schien, dass er die Macht hatte zumindest über mich zu bestimmen.
Ich blinzelte die Tränen weg und richtete mich auf um Paps ins Gesicht zu sehen, doch in diesem Moment knallte es und die Haustür fiel ins Schloss. Er war gegangen, ohne ein Wort zu erwidern. Auch gut.
Ich ließ mich frustriert nach hinten in die Kissen sinken und schnaufte laut, als es an der Tür klingelte. Ich erwartete meinen Vater, der seinen Schlüssel vergessen hatte. Und öffnete schnell die Tür ohne hinzublicken. Ich wollte mich eilig aus dem Staub machen, als ich bemerkte dass es gar nicht er war, sondern Tante Maja. Sie hatte einen Koffer und eine große Reisetasche in beiden Händen und grinste breit.
Verstört sah ich sie an: „Was machst du denn hier?".
„Das ist aber eine herzliche Begrüßung meine liebe Nichte.", lachte sie und trat an mir vorbei in den Vorraum. Ich stand wie erstarrt neben der Tür und starrte ihr hinterher.
„Na komm schon!", rief sie und kickte ihre Schuhe neben der Garderobe zur Seite, „ich glaube wir haben ein bisschen Arbeit vor uns.". Sie marschierte vollbepackt, ohne mich eines Blickes zu würdigen, in den ersten Stock und ich folgte ihr, noch immer stumm und ratlos.
Als ich ihr in mein Zimmer folgte, ließ sie ihre Taschen auf mein Bett fallen. „Du gehst heute auf eine Party habe ich gehört.", zwitscherte sie breit grinsend und hopste auf mich zu. Tante Maja war Anfang dreißig und selbst noch sehr jugendlich. Doch das vergaß ich oft, denn in ihrem Café wirkte sie viel erwachsener und älter als sie war.
„Maja, ich ähm.. woher.. nein.. ich.. also..", stotterte ich und sie lachte glockenhell.
„In meinem Café bekomme ich mehr mit, als meinen Gästen lieb und bewusst ist.", erklärte sie geheimnisvoll, „Ich habe gehört, dass du etwas Hilfe benötigen könntest, bei deinem waghalsigen Unterfangen heute Abend.", sie zwinkerte bei dem Wort waghalsig und kam auf mich zu.
„Hast du schon eine Idee für dein Kostüm?".
Ich schüttelte perplex den Kopf. Wer hatte ihr verraten dass ich ohne Erlaubnis wegging? Und woher wusste sie von meinem Kostüm Dilemma? Ich tippte stark darauf, dass Kai bei ihr im Café gewesen war, wahrscheinlich mit Linda. Die beiden Idioten hatten sich sicher lautstark darüber unterhalten.
Als Tante Maja die Reisetasche öffnete staunte ich. Sie zog vier verschiedene Kostüme heraus, die wundervoll waren. Ein Tutu mit schwarzen Glitzersteinen und passender schwarzer Strumpfhose mit kleinen Totenköpfen darauf, ein sehr aufreizendes Krankenschwestern Outfit, ein kurzes schwarzes Kleid mit passenden Katzenohren und Schwanz und eine simple Cheerleader Garnitur, in schwarz und rot. Das Cheerleader Outfit sog mich in seinen Bann, ich ging direkt darauf zu und bemerkte dass am Saum des Rockes in einer der Falten mit Glitzersteinen S.S. stand. Fragend sah ich Maja an, die mir ein weiches Lächeln schenkte. „Ich wusste es war eine gute Idee es aufzubewahren.".
Es hatte also meiner Mutter gehört. S.S. stand für Sarah Sadik. Ehrfürchtig strich ich über den Stoff und unterdrückte den Drang mein Gesicht darin zu vergraben. Maja hatte die Sachen schon lange, darin befand sich kein Duft mehr, der nicht zu ihr gehörte.
„Das kann ich doch nicht auf eine Party anziehen.", sagte ich langsam ohne Mamas alte Cheerleader Sachen aus den Augen zu lassen. Ich fuhr die langen Ärmel entlang und zupfte an den frechen Falten im Rock.
„Natürlich kannst du das!", widersprach meine Tante mir, „Ich habe es auch schon getragen! Mehrere Male! Deswegen hat sie es mir damals geschenkt.".
Ich musterte Maja eingehend: „Du?", fragte ich lachend und stellte sie mir auf Unipartys vor in dem kurzen Röckchen mit Zöpfchen und Pompons
„Ja! ICH!", sagte sie und verengte ihre Augen, „Ich bin noch nicht so alt du freche Göre! Außerdem habe ich es aufgepeppt. Sie zog ein paar rote Fäden und ein Ungetüm aus schwarzen Wuscheln aus der Tasche. „Ein Tasche aus Pompons, sowie eine freche Schleife für die perfekte Cheerleader Frisur.", verkündete sie stolz und schob die anderen Kostüme zur Seite.
Für uns beide war klar, dass ich die Sachen von Mama anziehen würde.
Ich war erleichtert, als ich bemerkte dass der Rock ein eingenähtes blickdichtes Unterteil hatte, denn da er über meinem Bauchnabel begann, war er eine recht kurze Angelegenheit. Das Oberteil saß perfekt und war Gott sei Dank hochgeschlossen, es war von Maja etwas gekürzt worden, weswegen ein kleines von meinem Bauch zu sehen war, aber dieses kleine bisschen konnte ich gerade noch ertragen, ohne das Bedürfnis zu haben ihn die ganze Zeit mit meiner Hand zu verstecken. Ich war kein großer Fan von zu viel nacktem Bauch und Ausschnitt. Trotz Protesten von Maja zog ich zusätzlich noch schwarze Overknees Strümpfe an, um auch nicht zu viel Bein zu zeigen als mir lieb war. Sie zwang mich, mich so hinzusetzen, dass ich mein Spiegelbild nicht sah und arbeitete fast eine ganze Stunde an meinen Haaren und meinem Make-up bis sie zufrieden war. Ich war so nervös und unsicher, dass ich die ganze Zeit nervös an meinem Top zupfte, bis sie mir auf die Finger klopfte.
„Sophie! Vertraust du mir etwa nicht?", fragte sie belustigt, „Sehe ich etwa immer schrecklich aus?", sie lachte laut und warf ihr Haar über die Schulter.
Ich schüttelte sofort den Kopf, Maja sah immer atemberaubend aus. Sie trug gerne knallige Lippenstifte und bunte Outfits, aber damit passte sie perfekt in ihr fröhliches Café. Heute sah sie aus wie eine Frühlingsblume mit braunen Wuschelhaaren.
Ich hielt die restliche Zeit brav still und hatte einfach innerliche Panikattacken.
„Der Junge mit dem du hingehst, kommt dich abholen, schätze ich?", fragte sie während sie mir Lidschatten auftrug.
„Nein.", antwortete ich schlicht.
„Was? Wieso denn nicht?", sie klang entrüstet.
„Er ist der Gastgeber.", erklärte ich achselzuckend.
„Wie kommst du dann hin? Sag bitte nicht mit dem Rad!".
„Ein anderer Junge, ein Freund von mir, nimmt mich mit.", antwortete ich und spürte wie meine Wangen heiß wurden.
„Zwei Jungs also.", ich hatte es gewusst, sie würde das nicht unkommentiert lassen, „Und welcher der beiden ist der, der dich letztens auf dein Frühstück einladen wollte?".
Das Rouge konnte sie sich definitiv sparen, denn meine Wangen glühten.
„Das ist Wes.", hauchte ich und spürte es in meinem Bauch zu rumoren begann, „Der nimmt mich mit.".
„So so... und wieso ist dieser Wes nicht dein Date?", hakte sie nach.
„Weil wir nur Freunde sind.", sagte ich leise.
„Weiß er das auch?", sie klang nicht überzeugt. Ich öffnete die Augen, als sie den Pinsel sinken ließ und sah sie an.
„Er betont es dauernd. Also ganz sicher.", ich klang verbitterter als erwartet und war selbst erschrocken über meinen Ton, „Aber ich mag ihn auch nur... als Freund.", fügte ich hastig hinzu.
Majas Blick wurde wieder weich und sie strich mir übers Haar: „Unterschätz dich nicht immer Mäuschen, du bist bezaubernd!". Mit diesen Worten griff sie nach dem roten Band und befestigte es in meinen Haaren, die sie anfangs zu einem hohen Zopf gebunden hatte. „Überzeug dich selbst!".
Ich drehte mich langsam um und blickte in den Spiegel. Da war nicht ich zu sehen, sondern ein Mädchen, dessen Haut strahlte, mit großen verruchten Augen und kirschroten vollen Lippen. Das Haar war zum Teil hochgebunden und der Rest fiel mir in seidig weichen Locken über die Schultern. Das Outfit saß eng, aber wie maßgeschneidert und schmeichelte meiner Figur, durch den Rock wirkten meine Hüften voller und meine Beine länger. Die Kontaktlinsen, die mir Maja anfangs mit großen Schwierigkeiten in die Augen gedrückt hatte machten das ganze spooky, denn meine Augen waren nicht dunkel, wie sonst, sondern rot und gelb, mit einer länglichen Pupille, wie bei einer Schlange. Ich stand da und betrachtete das Mädchen, dass ich an diesem Abend war. „Du bist eine Künstlerin.", hauchte ich Maja entgegen.
„Ich weiß.", sagte sie stolz und zupfte einen Fussel von meinem Shirt, „Und du bist mein Meisterwerk.".
Ich lachte und deutete auf meine Augen: „Ich gehe heute also als falsche Schlange?".
Bevor sie antworten konnte, läutete es an der Tür. Ich sah auf die Uhr, es war tatsächlich schon nach halb acht. Das musste Wes sein.
Maja folgte mir neugierig bis an den Anfang der Treppe und blieb zu meiner Erleichterung oben stehen, gerade so, dass sie Wes sehen konnte, wenn er im Vorraum stand. Nervös öffnete ich die Tür und ließ ihn eintreten. Er kam wortlos herein und betrachtete mich eingehend. Langsam zog er sich die Jacke aus und ich starrte ihn ebenfalls wortlos an. Er war oben rum nackt. Er hatte kein Shirt an. Sein trainierter Schwimmerkörper war bemalt mit schwarzen Mustern, die über seine Schulter seinen Arm hinunterwanderten, seine Brust und ein Teil seiner Hüfte waren ebenso bemalt, so als hätte er zahlreiche Tattoos. Seine Hose war grün, eng und er trug einen passenden goldenen Gürtel, in der Hand hielt er einen kleinen Dreizack.
„Aquaman!", hauchte ich, während ich meinen Blick nicht von seiner muskulösen Brust reißen wollte.
Als ich hochblickte, wirkte er nicht so erfreut über meinen Anblick. Sofort war ich verunsichert.
„So ziehst du dich also an, wenn du mit Tristan ausgehst.", bemerkte er trocken und schüttelte leicht den Kopf.
„Gefällt es dir nicht?", fragte ich geknickt und ließ den Kopf hängen.
„So hab' ich dich noch nie gesehen und.. woah! Was ist denn mit deinen Augen?", er trat näher an mich heran und starrte mir ins Gesicht.
„Ich bin eine falsche Schlange!", verkündete ich stolz und hoffte, dass er das Kostüm damit besser fand. Er lachte legte seinen Kopf schief.
„Du bist so schräg.", murmelte er und sah sich um, „Zeigst du mir noch dein Zimmer?".
Ich schreckte zurück, Maja war doch oben, das würde einen schlechten Eindruck machen. Auf beide!
Ich schüttelte streng den Kopf: „Nein! Wir fahren jetzt!".
Er schob gespielt die Unterlippe vor, zog sich aber gleichzeitig wieder seine Jacke über. Als wir im Auto saßen sah ich noch einmal zurück zum Haus. Das war das rebellischste, das ich jemals getan hatte. Und es fühlte sich so gut an, mit Wes in seinem Fluchtfahrzeug auf zu einem Abenteuer, das für die meisten Kids in meinem Alter ein ganz normaler Freitagabend war.
„Ich hätte nicht damit gerechnet, dass du die sexy-Schiene fährst.", sagte Wes irgendwann und ich sah ihn erstaunt an. Sexy? Ein Wort mit dem ich mich nie im Leben beschrieben hätte.
„Ich hatte eher gehofft, dass du ein lustiges Kostüm trägst. Aber anscheinend fährst du für ihn alle Register. Ich habe ja geglaubt er nervt dich ein bisschen, aber anscheinend kommt ihr besser klar, als du mir erzählt hast.". Er wirkte ein bisschen sauer und ich richtete mich verwundert auf.
„Wes. Hast du ein Problem damit dass ich mit auf der Party bin?", fragte ich direkt. Das Outfit meiner Mutter gab mir einen unerwarteten Selbstbewusstseins-Boost.
Er schüttelte seinen Kopf: „Nein, ich dachte nur dass wir Freunde sind und uns Dinge erzählen.".
„Ich habe dir alles erzählt, was es zu erzählen gibt in dieser Hinsicht.", antwortete ich ehrlich.
Er lachte trocken, „Aber wieso gehst du dann mit ihm?".
„Mit wem hätte ich sonst gehen sollen? Mit dir habe ich nicht gerechnet!", erwiderte ich trotzig.
„Nur weil ich mich nicht so schleimig an dich ranmache wie er?", er reagierte aufbrausend und wurde lauter.
Erschrocken riss ich die Augen auf: „Was ist dein Problem? Ich dachte wir sind Freunde!".
„Das sind wir.", er starrte stur auf die Straße, „Wir sind Freunde.".
Frustriert seufzte ich und ließ mich nach in den Sitz fallen. Er war sauer, ich verstand nur wirklich nicht warum.
Als wir ankamen, stiegen wir schweigend aus dem Wagen aus und marschierten auf die Tür zu. Ich wurde zunehmend nervöser, da ich nicht wusste was mich drinnen erwartete. Sollte ich Tristan suchen? Wie würden wir uns begrüßen? Wie lief so ein Date auf einer Party überhaupt ab? Tausend Fragen schossen mir gleichzeitig durch den Kopf und ich hielt meine Wuschelhandtasche verkrampft fest. Wes bemerkte meinen Zustand sofort und seufzte laut: „Bleib locker Sophie. Bei deinem Aussehen musst du heute nicht mal wirklich reden, um ihn von dir zu überzeugen.".
Ich riss perplex den Mund auf, unfähig etwas auf diese freche Aussage zu erwidern und er öffnete einfach die Tür und betrat das Haus, aus dem uns bereits laute Musik entgegen hämmerte. Ohne sich nach mir umzudrehen marschierte er los um seine Kumpel zu begrüßen und ich blieb einen moment ratlos in der Tür stehen. Was sollte das wieder bedeuten? Wieso war er so gemein? Sah ich etwas billig aus? Aber Maja hätte das erkannt. Außerdem trug ich das Outfit meiner Mutter und sie hatte nie etwas anderes als Klasse und Eleganz ausgestrahlt. Ich holte tief Luft und stellte mich dem schlimmsten Moment der Party. Ich ging ganz allein durch die Menge auf der Suche nach Tristan.
Zumindest dachte ich zu diesem Zeitpunkt noch, dass es der schlimmste Moment der Party war.
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