Teil 40
Thalia
Kaum hat die Dämmerung eingesetzt, kriecht das ganze Gesindel aus ihren Löchern.
Die schmierigen Typen, die Mädchen blöd anmachen, wenn sie an ihnen vorbei laufen.
Die Drogendealer und Junkies.
Die Jugendlichen, die nicht wissen, wo sie sonst hin sollen.
Mein Gehirn ist im totalen "Leck mich am Arsch- Modus" angelangt und es kümmert mich eigentlich nicht, was um mich herum passiert.
Ich atme, trinke und hoffe, das ich bald einschlafen werde.
Als ich kurz vor dem Sprung ins Traumland bin, erweckt eine kratzige Stimme meine Aufmerksamkeit:
"Irgendwo muss sie doch sein! Viele Möglichkeiten gibt es doch gar nicht mehr!"
"Hallo? Wir sind in Köln und nicht in einem Kuhkaff mit hundert Einwohnern", blafft eine andere, etwas tiefere Stimme zurück.
Irgendetwas in mir drängt mich zur Flucht, doch ich verstehe noch nicht, warum.
Direkt neben mir laufen drei Gestalten vorbei, denen ich die zwei bekannten Stimmen zuordne.
Während ein weiterer Schluck des Seelentrösters meine Kehle hinab wandert, schießt mir in den Kopf, dass das diese drei Jungs sein müssen und verschlucke mich natürlich sofort an meinem Gesöff.
Mein nicht ganz so unauffälliger Husten lenkt natürlich die volle ungewollte Aufmerksamkeit auf mich.
"Na, sieh mal einer an. Wen haben wir denn da?", einer der Kerle leuchtet mir mit dem Licht seines Handys ins Gesicht und lässt mich für einen kurzen Augenblick erblinden.
Noch während ich lauter komische Flecken in meinem Sichtfeld versuche wegzublinzeln, werde ich auch schon am Kragen gepackt und grob auf die Beine gezogen.
"Ich hatte schon Sorge, dass du vor uns abgehauen bist. Weißt du, wir haben immer noch totale Sehnsucht nach unserem Marc und keiner kann uns sagen, wo er abgeblieben ist. Spuck es endlich aus! WO VERSTECKT ER SICH?", die feuchte Aussprache ekelt mich so sehr an, dass ich mir gleich eine große Menge des Alkohol in das Gesicht spritze.
Ich will mir schließlich nichts einfangen und desinfiziere somit mein Gesicht.
"Was soll der Scheiß? Sag uns endlich, wo er ist!"
Vielleicht geben sie endlich auf, wenn sie wissen das Marc...
"Er lebt nicht mehr!", flüstere ich fast vor mich hin und richte meinen Blick auf den Boden.
"Bitte was? Ich kann dich nicht hören! In der Gasse konntest du doch auch lauthals herumschreien, also nuschel gefälligst nicht so?", giftet mich der Größte der drei an und stellt sich dicht vor mich.
"Wie? In welcher Gasse?", mein vernebeltes Gehirn kann die Puzzleteile nicht richtig zusammensetzen, was den Typ vor mir zu nerven scheint:
"Weißt du denn nichts mehr? Mensch, hat dir das Zeug so sehr die Birne verballert? Hahaha".
Und wie aus dem Nichts, als sich der Kerl dichter an mich drängt und eine Hand auf meinen Hintern legt, kommen mir bruchstückige Erinnerungen der besagten Nacht in den Sinn.
......"Thalia, du wartest hier!", Marc drückt mir einen Kuss auf die Stirn und erhebt sich von dem Matratzenlager.
"Wo willst du denn hin? Wir haben nicht mehr so lange Zeit! Ich muss bald zurück", völlig überrumpelt werfe ich ihm einen fragenden Blick zu, den er nur mit einem charmanten Lächeln zur Kenntnis nimmt:
"Zehn Minuten, okay? Dafür ist unser morgiger Abend gesichert. Dann lade ich dich sogar auf eine leckere Pizza ein, wenn du willst!"
"Das muss doch nicht sein. Bleib lieber hier!", bei solchen illegalen Geschäften, denen Marc ab und zu nachkommt, habe ich immer ein schlechtes Gefühl.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass er irgendwann an die falschen Leute geraten und ein anscheinend harmloser Deal ein grausames Ende nehmen könnte.
"Tai! Kein Streß jetzt! Bleib hier sitzen und warte auf mich. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Bis gleich!", ohne auf eine Antwort zu warten, verschwindet er aus unserem Versteck und lässt mich alleine zurück......
.... "DU DRECKIGES STÜCK SCHEIßE! DAS WIRST DU BEREUEN!", hallt es durch die Gasse und kurz darauf fliegen schon die Fäuste.
Marc hat kaum eine Chance gegen die drei Typen, da sie ihn in ihrer Mitte eingekesselt haben und alle gleichzeitig auf ihn einschlagen.
"Hey! Lasst ihn in Ruhe!", zuerst bin ich verwundert und frage mich, woher diese Stimme kommt.
Als die fremden Kerle ihre Blicke auf mich richten, wird mir bewusst, dass das meine Stimme war....
....Während Marc von einem der Typen festgehalten wird, ziehen mich die anderen beiden aus meinem Versteck raus.
Sie drücken mich mit aller Gewalt, mit meiner Frontseite gegen eine Mauer.
Marc schreit ununterbrochen meinen Namen und fordert die Kerle immer wieder auf, mich in Ruhe zu lassen.
Mein Herzschlag dröhnt durch meinen Körper und das Blut rauscht laut in meinen Ohren, so dass ich kaum ein Wort meiner Angreifer verstehen kann.
Das Einzige, was ich richtig realisiere, sind die fremden Hände unter meinem Oberteil, wie sie gierig und grob über meine nackte Haut streifen.
An meinen Fußknöcheln wird die Jeanshose etwas nach hinten gezogen und mit ruckartigen Bewegungen, vermutlich mit einem Messer, langsam nach oben hin aufgeschnitten.
"Verpisst euch von mir!", ich versuche mich so gut wie möglich zu wehren, doch das gefällt meinen Angreifern gar nicht.
Sie lassen kurz darauf von mir ab und drehen mich um, sodass ich nun mit meinem Rücken an der Wand stehe.
"Dann wollen wir doch mal schauen, wie das gepanschte Zeug wirkt, mh?", ich verstehe gar nicht genau, was hier passiert, doch als plötzlich ein Finger gewaltsam in meinen Mund eindringt und mir ein paar Mal über mein Zahnfleisch rubbelt, bekomme ich riesengroße Panik.....
.... "Thalia, renn! Bitte! Lauf so schnell du kannst!", Marc möchte mich in Sicherheit wissen und scheucht mich ohne Pause durch die dunklen Gassen.
Richtig konzentrieren kann ich mich auf meinen Weg nicht.
Mir ist schwindelig, die Welt dreht sich...
Der zusätzliche Alkohol, den einer der Typen mir eingeflößt hat, zeigt viel zu schnell Wirkung.
Ich muss mich hinsetzen, ausruhen, schlafen....
Als ich um die nächste Ecke biege, laufe ich gegen eine Wand.
Die Wand kann ziemlich laut lachen, aber mir ist nicht zum Lachen zumute, denn prompt verspüre ich einen Schlag direkt auf mein Auge.
"LASST SIE GEHEN!", höre ich Marc brüllen, während die Konturen meiner Umgebung immer mehr ineinander verschwimmen....
Als mir bewusst wird, dass das die Übeltäter sind, die Marc und mich so schwer verletzt haben, versuche ich mich von den Kerlen zu distanzieren.
Leider hat sich einer der Jungs schon längst hinter mich gestellt, da die den Braten wohl schon gerochen haben.
"Hör mal zu... Wenn unser Marc das Zeitliche gesegnet hat, dann musst du eben für ihn einspringen! Schließlich hast du zu ihm gehört. Entweder gibst du uns die Ware oder bezahlst in Naturalien. Du hast die freie Wahl!"
"Gar nichts bekommt ihr von mir! Ihr seid schuld, dass er Tod ist! Ihr blöden...", weiter komme ich gar nicht mit meiner Ansage, da der Typ vor mir seine Hand auf meinen Mund drückt.
Mein Hintermann schnappt sich blitzschnell meine Arme und hält diese schmerzhaft hinter meinem Rücken fest.
"Das sehe ich anders. Marc wollte uns gepanschten Stoff verkaufen und hat einfach das Geld eingepackt. Dich hat er uns auch nicht zur Verfügung gestellt, obwohl du uns eindeutig scharf gemacht hast. Heute ist dein Sunnyboy nicht da, um dich zu retten!", der Kerl beugt sich zu mir vor und es macht den Anschein, als wenn er mich abschlabbern wollen würde, deshalb kneife ich meine Augen zusammen und verpasse ihm eine ordentliche Kopfnuss.
Auf ein paar Schmerzen mehr oder weniger kommt es bei mir auch nicht mehr drauf an.
Das laute Zischen und das anschließende Fluchen sind wie Musik in meinen Ohren.
Noch bevor ich eine Retourkutsche kassieren kann, tritt ein Fremder an uns heran:
"Lasst das Mädchen los! Was seid ihr nur für hormongesteuerte Affen, das ihr euch zu dritt an ihr vergreift!"
Um meinen Retter zu mustern, fehlt mir die Zeit, denn er zieht den Typ vor meiner Nase gewaltsam zur Seite.
Ich nutze die Gunst der Stunde und trete mit meinem Fuß so fest wie möglich nach hinten aus.
Wenn mich nicht alles täuscht, habe ich das Schienbein getroffen und das scheint dem Kerl hinter mir keine große Freude zu bereiten.
Kaum lockert er seinen Griff, befreie ich mich mit einer schnellen Drehung und renne einfach los.
Welche Richtung ich genau einschlage, weiß ich nicht, denn jetzt zählt nur, dass ich die Typen irgendwie loswerden kann.
Da zumindest der eine aus dem Verkehr gezogen wurde, verfolgen mich nur noch zwei der drei Jungs.
Auch wenn mir mein ganzer Körper schmerzt und die ein oder andere Träne sich deshalb auf mein Gesicht verirrt, beiße ich die Zähne fest zusammen und renne um mein Leben.
"BLEIB STEHEN!", hallt es hinter mir durch die Dämmerung, doch dieser Aufforderung werde ich keinesfalls nachkommen.
Aufgrund des Alkohol und der Verletzungen bin ich leider nicht so schnell wie sonst und schon nach einer kurzen Strecke aus der Puste.
Zum Glück führt mich mein Weg in eine Wohngegend, in der ich vielleicht in einer unauffälligen Ecke einen Unterschlupf finden kann.
Die beiden Jungs brüllen während meiner Verfolgung nonstop vor sich hin und wollen einfach nicht aufgeben.
Nach einem Blick nach hinten stelle ich fest, dass die zwei langsamer werden und nicht wie befürchtet aufholen.
Genau dann, als ich meinen Blick wieder nach vorne richte, renne ich gegen irgendetwas dagegen, stolpere somit und falle ungebremst auf den Boden.
Neben meinem schmerzvollen Aufstöhnen ist noch ein anderes zu hören.
"Um Gottes Willen. Ist alles in Ordnung? Alex?"
"Jaja", keucht neben mir ein Mann schwer auf und scheint sich wieder auf die Füße stellen zu wollen.
Ich selbst kann mich keinen Millimeter bewegen, da mein Körper nonstop von Schmerzen durchflutet wird.
"Hey! Hörst du mich? Hast du dich verletzt?", direkt neben meinem Körper lässt sich ein weiterer Mann nieder, der mir meine Haare aus dem Gesicht streicht.
Durch das schummrige Licht der Straßenlaterne dürfte er sehen, dass ich die Augen geöffnet habe und somit wissen, dass ich zumindest lebe.
"Alex? Geht's?"
"So muss es sich in etwas anfühlen, wenn man sich vor einen Zug schmeißt!", brummt mein Nebenmann vor sich hin und in diesem Moment kommt mir der Name und auch die Stimme mehr als bekannt vor.
"Hallo? Kannst du mir sagen, ob dir irgendwas weh tut?"
"Alles!", nuschele ich ihm entgegen, denn meine Lunge brennt noch dermaßen, dass ich mir nicht sicher bin, ob sie sich gerade von alleine auflöst.
"Erschrick nicht, ich werde dich kurz abtasten, um nach Verletzungen zu suchen!"
"Nein. Alles ist gut!", vorsichtig bewege ich meine Arme und Beine und demonstriere, dass zumindest die Anhängsel meines Körpers keinen größeren Schaden genommen haben.
"Wir drehen dich jetzt vorsichtig auf den Rücken. Falls du Schmerzen hast, gibst du bitte Bescheid!"
BESCHEID
Meine Rippen freuen sich nicht sonderlich über diesen filmreifen Sturz, was ich auch lauthals zischend von mir gebe.
"Wir nehmen dich kurz mit zu uns rein. Keine Angst, wir sind Ärzte und tun dir nichts!", kaum hat der Herr zu meiner linken seinen Satz beendet, werde ich von der rechten Seite her vom Gehweg abgekratzt.
"Wow. Hast du einen Schnapsladen überfallen und wurdest deshalb verfolgt?", meine Duftnote scheint dem Transporteur nicht sonderlich zu gefallen, aber da muss er jetzt durch.
Schließlich habe ich nicht darum gebeten, getragen zu werden.
Als wir das Haus betreten und das Licht angeschaltet wurde, traue ich meinen Augen kaum.
Auch mein unabsichtliches Opfer scheint etwas überrascht zu sein:
"Thalia?"
Super...
Da rennst du durch halb Köln und wem fällst du in die Arme?
Alex setzt mich auf dem Sofa ab und wendet sich sofort dem anderen Mann zu, den ich auch schon im Krankenhaus gesehen habe:
"Sag mal... Wie kann es sein, dass Thalia hier ist, obwohl sie doch in der KaS liegen sollte?!"
"Puh... Also... Das...", stottert der Lockenkopf und erntet darauf einen bösen Blick von Alex:
"Durfte ich deswegen nicht zu ihr?"
"Alex, lass uns das nachher regeln, okay?"
Widerwillig wendet sich der verärgerte Arzt wieder meiner Wenigkeit zu:
"Was hast du denn gemacht? Woher kommst du und warum stinkst du dermaßen nach Alkohol und bist von Kopf bis Fuß verschmutzt?"
Da ich keine Lust auf lange Reden habe, zucke ich nur mit den Schultern und lasse mich gegen die Sofalehne fallen.
"Wie wäre es mit einer Dusche und frischen Klamotten?", schlägt der Lockenkopf vor, doch ich lehne dankend ab:
"Ich würde jetzt lieber wieder gehen. Sorry, dass ich dich umgerannt habe, Alex. War keine Absicht!"
"Nenene. Du gehst gar nirgends hin! Du bist verletzt. Morgen bringen wir dich wieder ins Krankenhaus oder ins Internat, je nachdem, wie die Beurteilung der behandelnden Ärzte ausfällt!", das der Notarzt nicht locker lassen wird, hätte mir eigentlich gleich klar sein sollen.
Der verhält sich schon seit unserem ersten Treffen wie eine Klette und scheint sein Verhalten auch nicht ändern zu wollen.
"Ich geh nicht zurück! Was soll ich denn da noch?", meinen eigentlichen Plan, einfach aufzustehen und aus der Türe zu stolzieren, lässt sich leider nicht durchführen wie geplant.
Mein Körper scheint am Ende zu sein und keinerlei Kraft für irgendwelche Bewegungen übrig zu haben.
Stattdessen durchflutet mich ein Prickeln, da meine kalten Glieder wieder aufgewärmt werden und der Anflug der aufkommenden Müdigkeit lässt sich auch nicht erfolgreich verdrängen.
"Ich schlage vor, darüber reden wir morgen. Phil bringt dich ins Badezimmer und dann kannst du dich dort duschen und frische Klamotten anziehen. Ich werde so lange mein Bett frisch beziehen und dir für heute Nacht zur Verfügung stellen!"
Der Gedanke, nicht wieder irgendwo auf dem Boden schlafen zu müssen, ist viel zu verlockend, als das ich mich jetzt dagegen wehren würde:
"Na gut!"
Mit Hilfe von Alex' dargebotener Hand, erhebe ich mich vom Sofa und werde von Phil in den besagten Raum geführt.
Die Klette bringt mir kurz darauf einen Hoodie und eine Jogginghose vorbei, schließt die Türe und überlässt mich wenigstens für ein paar Minuten mir selbst.
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