Teil 13
Ich renne unaufhörlich einen finsteren dunklen Weg entlang. Nichts ist erkennbar, bis auf ein schwaches Leuchten ganz weit vorn in der Dunkelheit.
Mein Atem ist keuchend, bekomme kaum noch Luft, aber ich muss durchhalten....ich muss sehen was dort ist.
Je näher ich diesem Licht komme, desto deutlicher kann ich eine Stimme vernehmen..
"Du bist schuld" höre ich es plötzlich neben mir.
Ich bleibe stehen und sehe mich um, kann jedoch niemanden erkennen. Ich renne weiter.
"Wie konntest du ihm das antun?" kommt mir die nächste Frage um die Ohren geflogen.
Wieder stoppe ich und versuche zu erkennen woher genau diese Stimme kommt.
Nichts.... als ich gerade wieder losrennen möchte, knallt mir die Stimme aus allen Richtungen entgegen:
"Wie konntest du nur?"....."du hast ihn im Stich gelassen!"... "wegen dir wird er sterben!".... "du denkst nur an dich".... die Stimme, anfangs ein flüstern, baut sich immer weiter in Gebrüll aus...... "du bist allein und hast es nicht anders verdient!" .... ich drücke mir meine Hände auf die Ohren und schließe die Augen, um diese Stimme nicht länger hören zu müssen... Langsam verstummt alles um mich herum und es ist totenstill.
Ich springe auf und möchte losrennen, falle jedoch genau in diesem Moment vorne über und lande auf etwas weichen, knisternden.
Ich taste die meine Umgebung vorsichtig ab und erkenne Müllsäcke, auf denen ich schoneinmal lag.
"Schau ihn dir an, wie er da liegt und stirbt" flüsterte die Stimme mir, abermals aus dem Nichts, zu.
Plötzlich sehe ich vor mir einen Körper liegen.
Schwarze Haare, blaues Shirt und verwaschene Jeans....
"Marc!" schreie ich und krabbel so schnell ich kann zu ihm hin.
Er regt sich nicht und ist leichenblass.
Die ersten Tränen Rollen mir über mein Gesicht und ich versuche ihn wachzurütteln.
Es passiert absolut gar nichts. Meine Finger streichen über sein wunderschönes Gesicht und als ich an seinem Hals angekommen bin, schießt mir ungehindert sein Oberkörper entgegen und mit aufgerissenen Augen werde ich angeschrieen:
"DU BIST SCHULD!"
Vor lauter Schock schreie ich um mein Leben.
"Thalia, jetzt wach endlich auf" reißt mich eine Stimme aus meinen Träumen und ich öffne atemlos die Augen.
"Wo ist er?" schreie ich die Person vor mir an.
Ratlos kommt mir ein "Wer denn?" entgegen.
Mein Tränenschleier vernebelt mir vollkommen die Sicht und ich kann nicht zuordnen wo ich bin und wer da über mir hängt.
"Thalia, ich bins Tabea! Du hast nur geträumt!" eine Hand streicht mir sanft über die Schulter.
"Scheiße Tab, Marc ist vielleicht tot!" flüstere ich vor mich hin.
Tabea weitet erschrocken die Augen:
"Hast du das jetzt nur geträumt oder ist das wirklich wahr?"
"Ich.....ich....ich weiß nicht.... er lag da und... ich bin einfach gegangen....weil der Rettungswagen kam...ich hab ihn da einfach liegen lassen....." stottere ich in ihre Richtung.
"Jetzt hole ich dir erst mal ein Schluck Wasser und du trinkst was. Danach erzählst du alles der Reihe nach, wie und was überhaupt passiert ist!" Tabea läuft ins Bad und füllt ein Glas mit Leitungswasser, das sie mir auffordernd vor die Nase hält, als sie wieder vor mir steht.
Ich kippe das Glas in einem Zug in mich rein und atme tief durch.
Sie lässt sich neben mich aufs Bett nieder und wartet auf meine Erzählung.
"Ich weiß nicht was passiert ist...."
"Tai, du siehst am ganzen Körper aus als wenn man dich gefoltert hätte und du sagt mir, das du nicht weißt was passiert ist?" irritierte Blicke treffen mich.
"Ja, aber so ist es nunmal....." nachdenklich knibbel ich an der Bettdecke herum...
"Wir hatten uns gestern verabredet. Also Marc und ich. Wir sind um die Häuser gezogen und haben was getrunken. Danach kann ich mich an nichts mehr erinnern."
"Ja und dann, wieso sagst du das Marc tot sein soll?" fordert sie mich auf weiterzusprechen.
"Ich bin in irgendeiner Gasse aufgewacht. Marc lag neben mir und war voller Blut. Seine ganzen Klamotten waren zerrissen und ich glaube sein Bein war gebrochen.... er ist mir fast erstickt, aber zum Glück konnte ich sein Spray rechtzeitig finden... er hat kaum noch geredet" die Schluchzer machen es schwer weiter zu reden "da war dann so ein Mann, der hat den Rettungsdienst gerufen... und... und... ich bin weggelaufen und hab ihn einfach dort liegen lassen" meine Stimme ist nicht mehr in der Lage irgendetwas von sich zu geben, da sich der Sturm von Panik und Tränen über mich legt.
"Scheiße.... ich weiß nicht was ich in dieser Situation getan hätte, aber er lebt bestimmt noch!"
Tabea starrt mich einfach nur an, da sie weiß das ich keine Nähe ertragen kann, sonst hätte sie mich, ihren Blicken nach, fest in ihre Arme geschlossen.
Ich atme tief durch.
"Wie soll ich ihn denn finden? Ich kann doch nicht in jedes Krankenhaus spazieren und fragen ob sie einen Typ eingeliefert bekommen haben, den man schon fast von der Straße aufkratzen musste" verzweifelt schaue ich Tabea an.
"Puh.....ich muss nachdenken. Schlaf nochmal ne Runde und ich überlege mir was".
Sie steht auf und geht zu ihrem Bett hinüber um sich direkt hineinfallen zu lassen.
"Aber..." weiter komme ich nicht, da Tabea mir gleich ins Wort fällt "Nichts ABER.... du schläfst jetzt ne Runde, du brauchst das! Ich geh nicht weg, bin die ganze Zeit hier ok?"
Ich drehe mich mit meinem Körper zur Wand und schließe die Augen.
Alles ist so anstrengend und kräftezehrend, sodass ich nicht lange brauche um wieder einzuschlafen.
Als ich meine Augen irgendwann wieder zaghaft öffne, war es schon recht dunkel im Zimmer.
Ich drehe mich um und suche das Zimmer mit meinen Blicken ab.
Langsam setze ich mich auf und versuche einigermaßen klare Gedanken zu bekommen.
Hab ich alles nur geträumt?
Ist gestern Nacht überhaupt nichts passiert und ich hab mir alles nur eingebildet?
Die Badezimmertüre wird aufgerissen und Tabea kommt mit einem Handtuch um den Kopf gewickelt, ins Zimmer geschlichen.
"Hey, bist ja wieder wach. Wie geht's dir?" sie bleibt vor meinem Bett stehen.
Mich überkommt ein plötzliches Niesen, das mich schmerzhaft aufschreien lässt.
Meine Hand legt sich auf der Rippengegend ab, was keine gute Idee ist, da alles so berührungsempfindlich ist.
Okay, leider doch kein Traum.
Sorgenvoll blickt Tabea mich an.
"Pass auf! Ich hab nen Plan, aber der ist sehr gewagt und du musst dich beherrschen und zusammenreißen. Eine andere Option wirst du nicht haben!"
Ich ahne schreckliches...
"Also, morgen kommt dieser Herr Hetkamp ja wieder. Das ist der Notarzt der bei dir im Bad war, falls du dich nicht daran erinnerst. Den könnte ich doch unauffällig fragen, ob er was von "diesem Jungen" mitbekommen hat und weiß wo der liegt.
Ich sag einfach dass das mein Cousin ist und er nie einen Personalausweis dabei hat, deswegen würde der Name ja auch nichts bringen und das wir ihn bisher noch nicht gefunden haben...vielleicht weiß er wirklich wo Marc genau liegt.
Wenn er es weiß, dann wird es schwierig für dich" Sie verzieht eine Grimasse...
"Ich wills eigentlich gar nicht hören" ich schlage mir meine Hände ins Gesicht.
Aua, verdammt. Mein Auge.....
"DANN musst du denen morgen deine ganzen Verletzungen zeigen. Alle!"
"Nenenenene"
"Oh doch Thalia!"
"Ne, das mach ich nicht" voller Protest verschränke ich meine Arme vor meiner Brust.
"Doch! Erstens hätte dich der Hetkamp gestern eh fast schon eingepackt und ich finde eh auch dass das nötig wäre. Zweitens bist du dann ja schon IM Krankenhaus und kannst als Patient ungestörter nach Marc suchen. Wenn die sehen, wie du unter deinen Klamotten aussiehst, hast du dein Ticket ganz sicher!"
Ich fange an zu zittern.
Die Wut steigt langsam in mir auf und dicker schwarzer Nebel mischt sich in meine Gedanken. Meine Atmung wird kraftvoller und ich fange an zu schnauben.
"THALIA hör auf!
Fang jetzt nicht an durchzudrehen!!
Reg dich ab!" schreit mich Tabea an.
"ICH WERDE NIEMANDEN IRGENDETWAS ZEIGEN UND ICH WERDE GEWISS NICHT FREIWILLIG IN IRGENDEIN KRANKENHAUS GEHEN! " brülle ich mit voller Wut.
"Dann lässt du ihn wieder im Stich!" faucht sie mich an.
Diese Erkenntniss trifft mich wie eine Backpfeife.
Sie hat recht!
Sie hat verdammt nochmal Recht!
Ich muss das machen....für Marc!
Das werde ich mir sonst nie verzeihen!
"Thai, sorry, ich wollte nicht..."
"Ne, du hast Recht! Es tut mir leid, aber ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass diese Mitleidigen Blicke auf mich treffen und mich lauter Menschen anfassen und ich keine Chance haben werde es zu unterbinden, wenn ich nicht mehr möchte.... aber das bin ich ihm schuldig! Ich muss das tun, koste es was es wolle!"
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