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(18/9) Verknüpfungen

Benommen von dem Schlag gegen seinen Hinterkopf wehrte Valerio sich nur schwach, als man die Eisen um Hand- und Fußgelenke schloss. Dann war er allein... bis sich aus dem Dunkel jenseits des Feuerscheins Schritte näherten und Vincenzo vor ihm im Licht der Fackeln erschien. Der Inquisitor hatte in den Schatten gewartet, bis der Medicus und die Wachen den Kerker verlassen hatten. Sein lauernder Blick verwandelte sich in Neugierde, einen Moment lang flackerte etwas wie Faszination im hellen Grau der Iris auf.

"Das... ist er also. Valerio Alesso. Das Löwenherz. Verführter... und Verführer."

Er hatte so leise gesprochen, dass Valerio seinen Atem beruhigen musste, um keines seiner Worte zu versäumen. Er musste erfahren, was der Kirchenmann in Wahrheit von ihm wollte. Aber Vincenzo sagte nichts weiter. Er starrte ihn nur an, sein Blick schweifte über sein Gesicht, über das knielange Leinenhemd und wieder zu seinen Augen zurück. Interessiert, fasziniert... als sah er ihn hier und heute zum ersten Mal. Er trat näher. Als er die Hand ausstreckte, ließ er ihn nicht aus den Augen. Einen Moment lang zögerte er, als müsse er sich Mut zusprechen, doch dann griff er ihm ans Kinn, drehte sein Gesicht zum Feuer hinüber. Valerio ließ es geschehen. Er war auf der Hut. Aber gegen weitere plötzliche Angriffe dieses wahnsinnigen Mannes konnte er doch nichts tun. Er musste sie in Kauf nehmen, gehörten sie doch zum Prozess einer stetigen Offenbarung, die sich hier mit jeder ihrer Begegnungen aus dem Nebel heraus arbeitete. Der Kardinal befasste sich auf sehr persönliche Weise mit ihm und enthüllte dabei Schritt für Schritt seine wahre Motivation. Er musste es erdulden, ihn vielleicht sogar geschickt provozieren, wenn er erfahren wollte, was ihn antrieb.

Bevor Vincenzo ihn los ließ, strich er mit dem Daumen zögernd über Valerios Wange; beim Wegziehen der Hand streiften seine Finger wie zufällig die Lippen. Er wandte sich ab. Als hätte er alle Zeit der Welt, schlenderte er jetzt zu den Körben hinüber, die Crispino da gelassen hatte. Er nahm dort etwas vom Boden hoch, ein schleifendes Geräusch entstand dabei, dann kam er zurück. Es war der Krug, den er in der Hand hielt, dazu Crispinos Becher.

"Hier. Du wirst durstig sein." Ein erheitertes Lachen schüttelte plötzlich die Brust des Kardinals und versetzte das Edelstein besetzte Kreuz vor seinem Bauch in Schwingung. "Trink.... aus meiner Hand. Das wurde noch keinem Gefangenen zuteil." Er stellte sich breitbeinig vor ihm auf, goß den Becher voll, roch daran, während er ihn über den Becherrand hinweg fixierte. Der herbe, erdige Duft drang verlockend in Valerios Nase.

"Es ist der gute Wein aus der Abtei", säuselte Vincenzo. "Aber es ist nur Wein, nicht das Blut Christi, mein Sohn. Nicht, dass wir uns falsch verstehen. Bilde dir nicht ein, dir würde hier nun eine Art Absolution erteilt, nur weil die Hand des Kardinals dir den Becher reicht. Auch glaube ich dir deine Frömmigkeit nicht, sie beißt sich mit dem, was du ansonsten bist, und dabei bleibe ich. Aber gut... wir alle haben unsere geheimen... Widersprüchlichkeiten, nicht wahr. Wie könnte jemand wie ich jemandem wie dir diese verwehren." Er hob den Becher, als wollte er ihm zuprosten. "Aber wie ich dir vor Tagen schon sagte: Die Sakramente erhalten meine Gefangenen, wenn sie gestanden haben. Vor ihrer Hinrichtung. Dies hier ist ein gewöhnlicher Trunk. Sicher... nicht für einen Gefangenen, wenn man es genau nimmt, aber immerhin. Ich gönne ihn dir." Er sah ihm tief in die Augen. "Aus Respekt vor deiner Hartnäckigkeit und Courage. Und weil du mir... gefällst. Wenn du nicht den falschen Pakt geschlossen hättest, ich hätte... Verwendung... für jemanden wie dich." Sein Blick wanderte zu seinem Hals hinab und wieder in Valerios Augen hinauf, die sich misstrauisch verengten. "Als... Stallbursche vielleicht. Oder Ähnliches."

Noch immer hielt er den Becher; Valerio bemühte sich vergeblich nicht auf die Hand zu starren, die ihm den Wein jetzt geben oder verweigern konnte... Der Ring. An seinem Zeigefinger. Mit der mächtigen goldenen Fassung, die so weit hervor stand. Und dem bauchigen giftgrünen Chrysopras darüber. Es hatte einen Moment gedauert, bis er mit Krug und Becher ins Licht der Fackeln zurück gekehrt war... Manche Ringe enthielten geheime Kammern. Groß genug, um eine wirksame Menge Gift zu fassen.

Valerio suchte im Blick des Kardinals, er durfte nicht an den Becher denken. An den Wein darin. Nicht, bis er einigermaßen sicher war. Er durfte jetzt nichts Unüberlegtes tun, jeder weitere Fehler wäre fatal, er musste sicher gehen. Aber Vincenzo hatte Bedarf daran, dass er lebte und bei klarem Verstand und Bewusstsein war, er hatte wichtige Fragen, zu denen er offenbar kommen wollte... wenn man sich auf Prior Geronimos Bericht verlassen durfte. Und in dem Becher, den Vincenzo ihm nun an die Lippen hielt, war Wein. Wein, den Crispino abgefüllt hatte. Unverfälschter guter Wein, der ihn über die graue Zone hinaus bringen würde. Und was womöglich außerdem darin sein mochte - vielleicht brachte dieser Wein ihm nun bereits so viel Kraft und Stabilität zurück, dass er ihn gegen die Wirkung pflanzlicher Gifte immun machte.

Beinahe liebevoll war der Blick aus den grauen Augen, die auf ihm ruhten, während er erduldete, dass der Kardinal ihm den Becher hielt. Welche Macht und Befriedigung musste es diesem Mann verschaffen, ihn so an die Wand gefesselt zu sehen, so abhängig und unterworfen, und ihm guten Wein zu trinken zu geben, allein weil er es so wollte. Sollte er es ruhig genießen. Im Innern wandte Valerio sich angewidert ab, aber er trank alles restlos aus. Er brauchte jeden einzelnen Schluck. Jetzt kamen die Dinge ins Lot, es ging voran.

"Du siehst... ich sorge mich um dich, mein Sohn." Vincenzo nahm das leere Trinkgefäß von Valerios Lippen, trat zwei Schritte zurück und betrachtete ihn nachdenklich. Mit der Hand, die den Becher hielt, wies er auf die niedrige Tür an der Seite. Dahinter verbarg sich der Gang zur Folterkammer. "Wir... müssen nicht zwingend wieder dort hinein, wenn wir uns nun besser verstehen. Ich denke, du bist soweit. Du hast gesehen, dass ich nicht vor der Anwendung harter Mittel zurück schrecke, um zu hören, was ich hören will."

"Du hast harte Mittel angewendet. Aber ohne Erfolg. Soweit du es Erfolg nennst zu hören, was du hören willst. Und nicht... die Wahrheit."

Vincenzo legte den Kopf schräg und sah Valerio an, als wollte er in seine Seele dringen. Er ignorierte den demonstrativen Widerstand, der ihn ganz sicher ärgerte, seine Stimme schnurrte sanft, aber Valerio ließ sich nicht mehr täuschen. Buchstäblich alles, was der Kardinal sagte und tat, diente einer bestimmten Absicht, das hatte er längst verstanden.

"Es könnte hier und heute für dich vorbei sein. Ohne weitere Qual. Dein Ende würde eines sein, das du... nicht fürchten musst." Seine Augen weiteten sich, sie glänzten plötzlich wässrig im Schein der Fackeln, als sähe er alles lebhaft vor sich. "Schnell...", hauchte er, "... und ohne Schmerzen... Es liegt bei dir."

Valerio konnte dem Kardinal kaum folgen. Er spürte, wie das Blut durch seine Venen rauschte, wie seine Gedanken klarer und weiter wurden. Wärme durchflutete ihn jetzt wie eine Welle, strömte seinen Rücken hinauf, pulsierte hart in seiner rechten Hand und brachte Leben hinein. Langsam spreizte er die Finger, schloss sie wieder. Vincenzos Blick zuckte unruhig zur verletzten Hand hinauf. Er schien die verbotene Faszination, die ihn überkam, kaum verbergen zu können, aber es lag auch Angst darin, wie er die Hand in dem Eisenring musterte.

"Was willst du von mir", fragte Valerio und sah dem Inquisitor fest in das bleiche Gesicht.

Die Antwort kam leise, beinahe unsicher. "Dein Geständnis."

"Ich kann nicht gestehen, was ich nicht getan habe."

Im Gang hörte man schleppende Schritte; das Raunen von Stimmen wurde lauter, eine auftrumpfende Lanze auf dem steinernen Boden bei der Tür, dann war es wieder still.

Vincenzos Brauen hoben sich. "Dann... habe ich bisher vielleicht nicht die richtigen Fragen gestellt", sagte er und wich Valerios Blick aus. Er strich eine Falte aus seinem weiten Ärmel. "Ich will dir andere Fragen geben. Neue. Vielleicht sagen sie dir mehr zu." Er hob erklärend die Hände. "Dies ist nun deine letzte Gelegenheit, ein Geständnis abzulegen und dein Schicksal zu mildern. Auch ich habe ein Herz, wie du inzwischen erfahren haben dürftest. Vielleicht bemerkst du es nicht, aber... ich versuche hier einen Kompromiss zu finden zwischen... menschlicher Güte und... der harten und konsequenten Hand des pflichtbewussten Inquisitors, der ich außerdem bin."

Das zynische Lächeln, das Valerio sich bei Vincenzos Worten nicht verkneifen konnte, entfaltete sofortige Wirkung. Der Kampf des Kardinals um Sammlung und Konzentration war sichtbar. Er schien Mühe zu haben, sich nicht ablenken zu lassen, wich dem spöttischen Blick seines Gefangenen aus. "Ja, ich habe ein Herz, mein Sohn." In seinen Worten schwang nun ein verärgerter Ton mit. "Du... würdest es mir brechen, wenn du mich zwingst, nun noch weitere inquisitorische Mittel anzuwenden. Mein gebrochenes Herz und dein unbeugsamer Stolz träfen aufeinander - und das würde dazu führen, dass ich dich töte. Denn wir beide, du und ich... wir sind einander ähnlich."

"Da sollten wir dein Pferd fragen. Es würde sagen, ich sei ihm ähnlicher als dir. Für beide, deinen Gefangenen und dein Pferd, scheinst du kein gutes Händchen zu haben. Sie folgen dir nicht."

Der Schlag, der Valerio ins Gesicht fuhr, war scharf wie ein Peitschenknall. Blut spritzte auf den weißen Kragen des Kardinals. Mit Augen, kalt wie Eis, und farblosen Lippen presste Vincenzo zwischen aufeinander gebissenen Zähnen hervor: "Du und ich, wir sind Männer, die zur Maßlosigkeit neigen, wenn man sie ausreichend provoziert. Das wird fatal für dich enden, glaube mir. Denn ich... bin der Mächtigere von uns beiden."

"Wer mächtiger ist, lässt sich besser feststellen, wenn man beiden dieselben Bedingungen gewährt. Ich bin an eine Wand gekettet."

Vincenzo schrie jetzt beinahe. "Weil ich aufgrund meiner Macht in der Lage war, es so zu befehlen!"

"Weil du anders nicht mit mir fertig wirst."

Einen Augenblick lang rechnete Valerio mit einem weiteren Schlag; aber Vincenzo schien zu erkennen, wie unmöglich es nach einer solchen Anmerkung gewesen wäre, den gefesselten Zustand seines Gegners auszunutzen und ihn erneut anzugreifen. Vincenzo schnaufte verächtlich - und tat, was ihm in diesem Moment blieb. Er stützte sich an der Wand neben Valerios Kopf ab. Er war jetzt so nahe, dass Valerio trotz der blutenden Nase den getrockneten Essigfleck an seinem Kragen riechen konnte. Vincenzo fuhr ihm mit dem Zeigefinger über die Oberlippe, betrachtete das Blut an seinem Finger. Valerio wandte sich von ihm ab, dennoch spürte er deutlich die Wärme seines bleichen Halses, den trockenen, gleichmäßigen Puls darin.

Wehre dich endlich, Engel. Töte ihn.

Die leisen Worte des Kardinals raunten an seinem Ohr. "Dein Witz... ist amüsant. Mir wäre aber lieber, du würdest dich ein wenig mehr öffnen. Also... nimmst du mein Angebot an? Mein Versprechen, dich keiner weiteren Folter zu unterziehen... gegen dein Geständnis? Deine Unterwerfung?"

Valerio schloss die Augen. "Ich kann nicht gestehen, wenn ich nicht weiß, was mir vorgeworfen wird."

"Nun, dann lass mich deutlicher werden." Vincenzo stieß sich von der Wand ab, trat zwei Schritte zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Er fixierte Valerio mit starrem Blick, er wirkte jetzt hellwach, während er ihn aufmerksam beobachtete. "Was sagt dir der Name... Caterina Appiani?"

Wenn seine Hände und Füße nicht durch die eisernen Ringe an der Wand befestigt gewesen wären, er wäre haltlos in die Knie gegangen. Der Name fiel so überraschend, dass er mehr als einen ewigen Augenblick lang glaubte, er müsse sich verhört haben. Das Blut wich ihm spürbar aus Gesicht und Händen, ihm wurde schwarz vor Augen. Als er schließlich wieder atmete, hoffte er, er würde alles nur träumen.... ihr Name echote jedoch weiter in seinen Ohren, ausgesprochen durch Vincenzo, er hatte sich nicht verhört. Er konnte keinen einzigen klaren Gedanken mehr fassen.

Es würde verdächtig wirken, wenn er jetzt nicht antwortete. Schwer wie Bleitropfen fielen die Sekunden in den See aus Angst, der sich in ihm auftat. "Nichts", hörte Valerio sich endlich sagen und seine Stimme klang erschreckend neutral. "Der Name sagt mir nichts." Er hatte sie verleugnet. Der Schmerz brachte ihn beinahe um. Was wurde hier gespielt? Was hatte Caterina mit alldem zu tun?

Das scharfe Geräusch, als Vincenzo die Luft zwischen den Zähnen einsog, brachte ihn wieder zu sich. "Nichts also...? Sei nicht dumm. Ich hatte dir gesagt, ich mache dir ein Angebot. Du sagst die Wahrheit, oder du lernst sämtliche meiner Möglichkeiten kennen, sie aus dir heraus zu bekommen. Eine nach der anderen. Ich frage dich also noch einmal: Kennst du Caterina Appinani?"

"Nein. Ich kenne niemanden mit diesem Namen."

Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Caterina... Sie war seit dem letzten Jahr tot! Man konnte ihm doch nicht ernsthaft aus dem damaligen Kontakt mit einer heute längst Verstorbenen einen Strick drehen? Oder war es möglich, dass sie noch lebte? Bestand die geringste Möglichkeit, dass sie im Jahr fünfzehnhunderteinundzwanzig doch nicht...?

Man hatte ihm vieles erzählt. Von verschiedenen Seiten. Dies und das, bis er nicht mehr gewusst hatte, was er glauben sollte. Bis er nicht mehr hinhörte, nicht mehr fragte, aus seiner Heimatstadt flüchtete, um nie mehr zurück zu kehren, weil er es nicht mehr ertrug. Aber niemals hatte er einen Augenzeugen gesprochen, ihre Leiche gesehen, ein Grab gefunden oder... Was, wenn sie zu dem Zeitpunkt doch noch gelebt hatte? Was, wenn sie zu retten gewesen wäre, als er längst glaubte, sie seien füreinander verloren in dieser Welt? Er würde ihr nicht begegnen dürfen, nicht hier, nicht als Wanderer. Er gehörte nicht mehr in diese Zeit. Sie war seit Jahrhunderten tot, wie alle hier, Crispino, Mauro, der Kardinal - und er, Valerio, war weiter gegangen durch die Zeit... Aber er musste heraus finden, was mit ihr geschehen war, nachdem man ihm gesagt hatte, sie hätte sich den Pilgern angeschlossen, um ihre Strafe abzugelten. Vincenzo Grassi kannte sie also, er musste zumindest von ihr gehört haben. Aber woher - und bezüglich welcher Umstände? Konnte ihm irgend etwas davon gefährlich werden? Er hatte verneint sie zu kennen. Vorsichtshalber. Es erschien ihm klug.

Aber Vincenzo wusste auch sonst über seine Identität Bescheid, woher auch immer. Seine Beziehung zu Caterina mochte sich nach seinem Verschwinden herum gesprochen haben; soweit sie bekannt war, denn was wusste man schon wirklich darüber. Aber hier ging es um einen inquisitorischen Prozess, der mit seiner Hinrichtung enden sollte. Dass der Kardinal nun seine Liebe ins Spiel brachte, konnte ein plumper Versuch sein ihn aufzuweichen, ihn zu irritieren, zu ködern. Er quälte die Menschen gerne, das hatte er mehrfach bewiesen. Er spielte mit allen Mitteln. Aber was, wenn es eine gefährliche Falle war? Er musste sehr vorsichtig sein mit seinen Antworten.

Er musste den Versuch wagen. Es war ein Jahr nach ihrem Verschwinden; bei allem, was man damals geredet hatte, konnte er sich nicht vorstellen, dass sie noch lebte - in diesem Augenblick, während der Inquisitor von Terni ihn in der Zange hatte. Vielmehr erhoffte er sich Informationen über ihr wahres Schicksal. Er würde nach all den Jahren seine Suche aufgeben und seinen Frieden finden können.

"Ca ... terina Appiani ... wer soll das denn sein", fragte er und hoffte, dass man ihm seine Ahnungslosigkeit abnahm.

Die Augenbrauen schnellten in die Höhe. Der Tonfall ließ keinen Zweifel darüber, dass er wusste, es war gelogen. "Oh... du kennst sie nicht? Wie schade. Könntest du sie sehen, du wüsstest warum." Er lächelte versonnen. "Sie dürfte dir gefallen."

Ihm war übel. Der ungewohnte Wein lag ihm auf einmal schwer im Magen. Vincenzo sprach von ihr, als lebte sie in diesem Augenblick... Die Ungewissheit schmerzte ihn in der Seele. Vielleicht wusste der Kardinal aber auch gar nichts von ihrem Tod im letzten Jahr...

"Ich will dir von ihr erzählen, mein Sohn. Vielleicht hilft das deiner Erinnerung. Sie stammt aus Assisi. Eine Nonne. Zumindest dem Anschein nach, denn in Wahrheit... war sie die Geliebte eines armen Tölpels." Erschrocken bemerkte Valerio den schnellen Blick, den Vincenzo ihm zuwarf. "Du... erinnerst dich also nicht an die Geschichte? Erst im letzten Jahr fand sie ihr Ende, man redet noch davon, als wäre es gestern gewesen... Du bist doch ebenfalls aus Assisi?"

Es wurde brisant. Er durfte keinen Fehler begehen. "Ich ... bin in Assisi geboren, ja", wagte er sich hervor. "Aber das sind viele. Müsste ich diese Nonne deshalb kennen? Ich wette, ich kenne sehr viele nicht, die in Assisi leben. Mich kennen die meisten ebenfalls nicht, schließlich habe ich keinen nennenswerten Rang, ich bin nur igendjemand. Und ich interessiere mich nicht für die Geschichten, die die Leute erzählen."

"Du hast im Kloster studiert. In dem Kloster, in dem die Nonne lebte, die... ich meine."

Er schluckte betroffen. Worauf wollte er hinaus? Er wagte einen Blick ins Gesicht des Kardinals, fieberhaft suchte er darin - als könnten diese kleinen kalten Augen ihm verraten, ob sie jemals einen Blick auf Caterina geworfen hatten oder sie nur vom Hörensagen kannten. Wie um alles in der Welt sollte es eine Verbindung zwischen einer jungen Nonne aus einer kleinen Abtei in Assisi und dem Kardinalinquisitor von Terni geben? Und wenn er nur von ihr gehört hatte, warum scherte er sich um sie? Wahrscheinlich interessierte sie ihn tatsächlich nicht persönlich, sondern sie war für ihn nur ein Mittel mehr, seine Abwehr aufzubrechen, ihn weich zu kochen...

Soweit er wusste, war sie niemals in dieser Provinz gewesen. Orazia und die Äbtissin fielen ihm ein. Es hatte Ärger für Caterina gegeben, mehrfach, und auch zuletzt. Aber das ergab noch keinen Sinn! Warum sollte die Äbtissin in ihrem Fall ausgerechnet mit dem Inquisitor von Terni Kontakt aufgenommen haben? Seine Zuständigkeit reichte nicht bis Assisi. Er musste etwas sagen, jedes Zögern machte ihn verdächtiger.

"Ja, ich habe im Kloster studiert. Aber muss ich deshalb die Nonnen der Abtei gekannt haben?"

 "Sie haben dich aber doch unterrichtet, denke ich?"

Der lockere Ton wirkte wie eine Unterhaltung, aber er ließ sich nicht täuschen. Vincenzo spannte seinen Pfeil auf einer unsichtbaren Armbrust; er war sicher, sie war bereits auf sein Herz gerichtet. Es war eine Frage der Zeit, wann er den Bolzen löste. Bei dem, was er hier nun mit ihm anstellte, wäre ihm Folter lieber gewesen.

"Schwester Camilla und Schwester Anna haben mich unterrichtet, ja." Er gab sich keine große Mühe, seine Ungeduld und Irritation aus seinem Ton heraus zu halten. "Aber keine Caterina. Ich habe mich auf mein Studium konzentriert. Ich kannte überhaupt nur wenige der Nonnen mit Namen. Es ,ag sein, dass es da auch eine Caterina gab, es ist ja kein seltener Name. Aber ich erinnere mich an keine, die so hieß."

Vincenzo strich sich das Kinn. In gewohnter Manier begann er vor ihm auf und ab zu promenieren. "Aber... du hast dir dort doch dein Schulgeld verdient. Du wirst auch in Kontakt mit anderen Nonnen gewesen sein, wenn du sie bei der anfallenden Arbeit unterstützt hast. Immerhin warst du einige Jahre im Kloster ... während Caterina Appiani dort zugleich ihr Noviziat verbrachte. Jede Novizin, jede Nonne hat irgendwelche Arbeiten zu tun, und diese wechseln auch einmal. Es erstaunt mich sehr, dass du sie nicht kennen willst."

Obwohl ihm war zum Weinen zumute war, versuchte er ein Lächeln. "Oh - ich sage nicht, dass ich sie nicht kennen möchte, sie scheint ja vielversprechend zu sein. Und Ihr, Hochwürden, scheint zu wissen, wo man schöne Frauen kennenlernen kann? Darüber sollten wir uns einmal bei einem Becher Wein unterhalten."

Der Kardinal sagte nichts mehr. Die Stille wurde unerträglich. Wie gut war er informiert, was sie beide betraf? Als ihm das Schweigen zu viel wurde, sah Valerio auf und bemerkte, dass Vincenzo ihn genau beobachtete, aber er reagierte mit keinem Wort auf seine Provokation, er ließ ihn zappeln. Dies war eine Treibjagd. Er versuchte ihn in die Ecke zu drängen, bis er sich nicht mehr bewegen konnte. Plötzlich kam ihm ein hilfreicher Gedanke; es war nicht mehr als ein Versuch, aber er konnte es sich nicht leisten, jetzt irgendetwas unversucht zu lassen. Er musste dem Kardinal ein anderes Bild von dem Valerio geben, den dieser so gut zu kennen glaubte.

Es... es ist vielleicht nicht gerade ruhmreich, aber ich war sehr jung, als ich mein Studium begann. Ich war gerade fünfzehn, ein naiver und ungelenker Junge. Die Nonnen nannten mich Mondkalb, weil ich lieber träumte, mich mit meiner Laute beschäftigte und in die Sterne sah, als die reale Welt um mich herum im Blick zu haben. Ich habe nicht viel mitbekommen damals, hatte Musik im Kopf, unrealistische Träumereien von der Zukunft. Ich wollte meine Ruhe haben."

Vincenzo lächelte mild, es wirkte, als sähe er den jungen Valerio im Geiste vor sich. "Aber du bist heran gewachsen. Wie man sieht."

"....und war mit zwanzig immer noch ein Mondkalb", ergänzte Valerio, um ihm keine Illusionen zu lassen. Als er ihn gerade heraus ansah, bemühte sich um den aufrichtigsten Blick, der ihm in seiner Lage gelingen mochte.

Bevor er auch nur blinzeln konnte, war der Kardinal bei ihm. Er packte ihn am Ausschnitt seines Hemdes, zog es ihm unter das Kinn. Das trockene Geräusch, als es einriss, registrierte er nur am Rande, die gedrehte Faust über dem Kehlkopf machte ihm das Atmen schwer. Er wurde gegen die Wand gepresst.

"Wie kann das sein", zischte Vincenzo, "erkläre es mir! Wie kann es sein, dass deine Zeit in Assisi nur ein Jahr her ist und du hier nun aber vor mir stehst in auffälliger Kraft und Schönheit und mich schlau wie hundert Füchse an der Nase herum führst... und vor dreihundert Tagen aber ein nichts wissendes, nichts sehendes und vertrotteltes Mondkalb gewesen sein willst, an dem eine Caterina Appiani vorbei geht!"

"Ich... war in der Fremde seit dem letzten Jahr. Bin weit herum gekommen. Da wird man erwachsen."

Vincenzo Grassi legte den Kopf in den Nacken, sein misstrauischer Blick verengte sich unter halb geöffneten Lidern. Er ließ ihn nicht los, fixierte ihn. Die Nasenlöcher blähten sich wie die eines Pferdes, das ein Wolfsrudel witterte. Sein Blick wurde zum Starren. Dann plötzlich, als sickerte eine schwerwiegende Erkenntnis in sein Bewusstsein, nickte er langsam. Als er seine Stimme erhob, ließ er ihn nicht aus den Augen.

"Wache! Lass sie herein."

Der Riegel kreischte, die Tür schwang quietschend auf - und er trat von ihm zurück und begrüßte den hochgewachsenen Mann, der hinter Erasmo unter dem Türrahmen erschien. Man brachte ein Schreibpult herein und stellte es neben der Tür auf. In seinem Schreck hatte er gedacht, mit "sie" sei Caterina gemeint, so lebendig hatte der Kardinal sie ihm in seiner Fantasie gemacht. Natürlich war sie nicht hier, wie konnte sie! Erleichterung durchströmte ihn, während er zugleich gespannt beobachtete, wie der Inquisitor den Jüngeren, der dem Schreiber gefolgt war, in eine großzügige Umarmung schloss. Dann bemerkte er, wie Erasmo ihn fragend ansah; der Diener starrte ihm ins Gesicht, er schien das Blut zu sehen. Vorsichtig lächelte Valerio, deutete ein Kopfschütteln an. Erasmo hatte bei seiner Folterung Protokoll geführt. Er sollte sich nicht schon wieder um ihn sorgen.

Schließlich wandte Vincenzo sich zu ihm um und legte dem Fremden, der die Kleidung eines Priesters trug, den Arm um die Schultern. "Ich möchte dir meinen Neffen vorstellen. Aber ... ich denke, ihr kennt einander bereits."

Der Mann hob ihm das Gesicht entgegen. Woher kannte er diese Augen, den Zug, den er um den Mund trug? Die Kleidung irritierte ihn, das Priestergewand brachte er mit keinem Mann in Verbindung, den er kennen müsste.

Der Priester allerdings schien sich an ihn zu erinnern. Der intensive, geradezu neugierige Blick und der Anflug eines unsicheren Lächelns verrieten es.

Plötzlich hatte er ein ganz anderes Bild vor Augen. Den schweren Gewitterhimmel, der sich über Assisi zusammen braute. An dem Tag, als die Novizenschule einstürzte und er zusammen mit Anna und der jungen Evelina auf die Mönche vom Franziskanerkloster wartete. Wie er den Karren gezogen hatte, zusammen mit diesem... Clemente. Dem Franziskaner - der sich so gar nicht benahm, wie man es von einem Mönch erwartete. Er sah den dunkeläugigen und verschlagen dreinblickenden Mann in seiner grob gewebten braunen Kutte vor sich, die dunklen Haare im rasierten Kranz ein wenig zu lang und zu wild wachsend... und wie er es auf Evelina abgesehen hatte, als sie allein am Karren stand.

"Dies ist mein Neffe Clemente. Von den Franziskanern in Assisi. Er ist nun seit dem Sommer Priester. Und in dieser Woche wurde er zum Prior ernannt. Prior Colombano kennst du sicher noch? Er ist unverhofft ... gestorben."

Vincenzo klopfte Clemente, der ihn begaffte wie ein exotisches Tier, anerkennend auf die Schulter. "Mein Neffe hier wird es weit bringen mit der Unterstützung seines Onkels. Nicht wahr, Clemente?" Er lächelte. "Bald stehen ihm die höchsten Ränge offen." Er führte den jungen Mann dicht an ihn heran. "Und du... Valerio Colleone, Mondkalb von Assisi... Verführer einer Nonne... Verführter einer Hexe... du wirst den Preis stellen, den sein Ruhm erfordert."

Vincenzos Miene erstarrte zu Eis, er sprach jetzt, ohne zu blinzeln. "Ein ganzes Jahr lang haben wir nach dir gesucht. Wie vom Erdboden verschluckt schienst du. Bis der Zufall dich direkt an meiner Festung vorbei führte und du unvorsichtig genug warst, die Magie zu zeigen, die die Hexe dich gelehrt hat. Und ein argloser Kaufmann uns auf dich aufmerksam gemacht hat."

Er wandte sich an Clemente. "Siehst du, lieber Neffe, wie der Herr letztlich alles zum Besten wendet - denen, die ihm treu dienen?"

Ende Teil 171

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