7. Fliegen und fallen
Fliegen und fallen (TW: Keine)
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Fliegen. Die Arme ausstrecken und einfach davonschweben. Die warme Sonne auf der Haut spüren, auf die Welt hinabblicken, frei sein. Glücklich sein, weil man ins Licht blinzelt und über sich nichts als Blau sieht. So unendlich viele Möglichkeiten in den Wolken erkennen kann.
Das wünscht sich wohl jeder, davon träumt wohl jeder. So auch du.
Manchmal, wenn du die Augen schließt und fest genug daran glaubst, dann schaffst du es sogar abzuheben. Nur für einen Augenblick; einen Moment, in dem du alles vergisst. In dem du einfach nur du selbst bist, frei von allen Erwartungen, frei von allen Sorgen. Und am Ende landest du zurück in der Realität und fühlst dich wieder lebendig. Wieder stark genug um weiterzumachen und dafür zu kämpfen, dass man irgendwann nicht mehr träumen muss, um sich so zu fühlen.
Aber manchmal kommt auch ein Sturm auf, wenn du so am Himmel fliegst. Und dann wird die Hoffnung aufs frei sein mit nur einem einzigen Wimpernschlag in all ihre winzig kleinen Einzelteile zerschmettert. Und es blitzt und es donnert, und du zitterst und bangst. Bis es dich trifft, gnadenlos. Und dann fällst du, taumelst in der Luft, ringst nach Atem. Der Traum vom Fliegen zerplatzt wie eine Seifenblase im Wind, alles wird zu Staub und Rauch. Und du fällst und fällst und fällst - bis du es irgendwann nicht mehr tust. Denn jeder Sturz hat ein Ende. Es gibt immer einen Boden, auf dem man aufschlägt.
Und dann liegst du dort; betäubt, zerstört, desillusioniert, hoffnungslos. Und du weißt nicht, wie du je wieder fliegen kannst. Du breitest die Arme aus, doch du hebst nicht mehr ab, deine Füße sind plötzlich fest am Boden verankert - so, als hätte sie jemand mit Eisenketten fixiert. Und du blutest und es schmerzt, in den Armen und den Beinen, aber besonders im Kopf und im Herzen. Und es hört nicht mehr auf, es stoppt einfach nicht - egal, wie laut du auch schreist und wie verzweifelt du auch flehst.
Und schließlich hörst du auf zu glauben. Hörst auf, Vertrauen in dich und den Himmel zu haben. Und die Erinnerungen an das Gefühl der Freiheit verblassen - lösen sich auf wie flüchtiger Nebel, bevor du auch nur den Hauch einer Chance hast sie festzuhalten. Bevor du noch irgendetwas retten kannst, bevor du dich retten kannst.
Und dann bist du endgültig allein. Weil du dich selbst verloren hast.
Doch selbst, wenn du dann auf den kalten Steinen kauerst; denkst, du hast nichts mehr, für das es sich zu Kämpfen lohnt - selbst dann gibt es etwas, das niemals aufhört zu glauben: Der Himmel.
Und eine Schneeflocke tanzt durch die Luft. Weht erst hierhin und dann dorthin, bis sie schließlich ihren vorherbestimmten Platz findet - auf deinem Handrücken. Und du starrst es an, dieses kleine Wunder. Ein zweiter Eiskristall landet auf deinem Finger, ein dritter und ein vierter folgen unmittelbar. Und dann schneit es richtig, schon bald ist nur noch weißer Glitzer zu sehen, so weit das Auge reicht. Und du lächelst wieder und rappelst dich auf, denn diese Millionen kleinen, einzigartigen Wunder haben dich wachgerüttelt.
Du stehst auf, breitest die Arme aus - spürst, wie du den Boden unter den Füßen verlierst, dieses nur allzu vertraute Kribbeln in den Fingerspitzen. Und dann fliegst du hoch hinaus, in die Wolken hinein, in den ersten Schnee hinein.
Und du fragst dich, wie du je die Hoffnung aufgeben konntest.
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