
28. Nackt
Nackt (TW: Keine)
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Hier stehe ich, vor dir,
Nackt.
Es ist keine Szene wie im Film,
Keine Rosenblätter, die auf dem Bett liegen,
Und auch keine Kerzen in Herzform
Auf den weißen Laken.
Da sind keine Küsse und Liebkosungen,
Nicht Haut auf Haut, Lippen auf Lippen.
Niemand von uns schnappt nach Luft
Und niemand hält den anderen im Arm.
Nein, es ist nicht schön anzusehen,
Wie ich hier stehe
Und das Gegenteil von lieblich, perfekt bin.
Da sind Narben und Blessuren,
Nicht sichtbar, und doch unübersehbar,
All das Schlechte, nie Gezeigte,
Das Verdrängte, das Bedenkenswerte,
Das ein Mensch niemandem preisgibt
Und das er an sich selbst hasst.
Ich zumindest hasse es mit jeder
Faser meines Seins.
Die Scham ist überwältigend, und doch
Stehe ich hier und warte auf dein Urteil,
Die Meinung des Engels, der du
Immer für mich warst,
Ganz egal, wie sehr du den Kopf schütteltest,
Und über die Bezeichnung lachtest.
Nun ist von diesem Lachen nichts zu hören.
Deine Augen zeigen, dass du alles bemerkst,
Was auch ich an mir bemerke, tritt der
Seltene Moment ein und ich sehe in den
Spiegel, statt den Blick zu senken.
Ich beobachte dich dabei, wie du
Jedes Detail in dich aufnimmst,
Sozusagen darauf herumkaust, wie auf
Einem Kaugummi,
Von dessen Geschmack du dich
Erst noch überzeugen musst.
Du musterst mich mit diesem Blick und
Ich will mich verstecken, im Schrank
Oder unter dem großen Bett;
Stattdessen zwinge ich mich dazu,
Zu bleiben.
Sei mutig. Renn nicht. Hab Vertrauen.
Glaube.
Doch du wendest dich ab.
Ein Schnauben, ich meine den Ekel zu hören.
Abneigung und Enttäuschung,
Wo eben noch Ermutigung, Liebe war.
Deine Schultern beben;
Ich weiß, dass du weinst,
Doch rühre mich nicht,
Stehe nur da, wie eine griechische Statue,
Die Art, die keinen Kopf hat
Und keine Arme, um sich zu bedecken.
Ich bin wie Stein
Und sehe dir zu, als du dich
Entschuldigst, die Stimme nur ein Schluchzen.
Du hast gesagt, es würde nicht geschehen,
Und doch ist es unmöglich zu leugnen;
Wo eben noch Liebe war, ist nun nicht mehr
Als Abscheu und die Schuld deswegen.
Ich stehe hier, nackt,
Und es war zu viel für dich.
Kein Vorwurf regt sich in mir,
Denn wenn ich könnte, würde ich es dir gleichtun,
Mich stehenlassen,
Mit all dem Unschönen,
Den unverheilten Narben und Blessuren,
Den Fehlern und all dem,
Das man nur hassen kann.
Ich würde wie du die Tür hinter mir schließen
Und niemals zurücksehen.
Als deine Schritte auf der Treppe verklingen,
Bin ich noch immer hier, reglos,
Die Füße kalt auf dem unbeheizten Boden,
Allein, nackt, ohne Arme,
Muss mich zwingen zu atmen.
Ich meide den Spiegel, als ich beschließe,
Nie mehr werde ich mich so zeigen,
So vertrauen. So lieben.
Nie mehr werde ich mich öffnen,
Und so naiv sein, zu denken,
Mit dem kopflosen Körper,
Mit dem verdammten steinernen Herzen
Aus dem alten Griechenland,
Dass ich nackt noch immer Wert sein könnte
Geliebt zu werden.
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