1. Ich war dein Engel
Ich war dein Engel (TW: Suizid)
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Ich stand vor meinem Spiegel. Starr sah ich in die grünen Augen meiner selbst.
In der Hand hielt ich ein Messer.
Vor ein paar Tagen hatte ich noch gezögert, doch jetzt war ich mir sicher. Mich hielt hier nichts mehr.
Niemand mochte mich, alle hatten mich verlassen.
„Du bist ein Loser! Du wirst es nie zu etwas bringen!", flüsterte ich wütend zu mir selbst, meinen Blick immer noch auf die Person im Spiegel gerichtet.
Jahrelang wurde ich ausgelacht, immer wurde mit dem Finger auf mich gezeigt, immer war ich das Opfer.
Irgendwann hatte ich es dann verinnerlicht. Ich hatte mir selbst vor Augen geführt, dass ich ein Niemand war.
Ein Niemand ohne Freunde.
Ein Niemand ohne Familie.
Ein Niemand ohne Job.
Nichts hatte ich.
Überhaupt nichts.
Früher, da hatte ich noch alles.
Familie, Freunde, Job.
Ich hatte das alles als selbstverständlich hingenommen, hatte niemandem gedankt.
Als sich dann alles verändert hatte, war ich in ein tiefes, schwarzes Loch gefallen. Um mich herum nichts als Dunkelheit.
Alle waren von meiner Seite gewichen und ich war das erste Mal völlig allein gewesen.
War es ab dann für immer.
Zumindest hatte ich das gedacht.
Doch eine Person blieb immer bei mir, steckte sich selbst in Brand um mir ein Licht zu sein und den Ausgang zu zeigen.
Doch blind wie ich war, war ich an dieser einzigen Lichtquelle vorbeigelaufen. Ließ sie verbrennen, bis ich wieder im Dunkeln stand.
Und dieses Mal wirklich allein war.
Ich könnte mich noch immer ohrfeigen für diese Dummheit!
Diese Person...
Sie war immer für mich da gewesen, wenn ich sie gebraucht hatte. Hatte immer zu mir gehalten, egal, wie scheiße ich mich auch benommen hatte. War der einzige Funken Licht am Ende des Tunnels gewesen, schon immer.
Sie war alles für mich und ich hatte sie einfach ins Messer laufen lassen.
Sie war vor mir verblutet.
Ich war der einzige Mensch, der ihr hätte helfen können.
Damit hätte ich mich endlich für alles revangieren können, was sie jemals für mich getan hatte.
Doch ich ließ sie – die einzige Person, die immer zur Stelle war, wenn ich sie brauchte und mich vor allen Dummheiten der Welt beschützt hatte – einfach liegen.
Ich hatte mich umgedreht und war weggerannt. Weg von ihr, weg von meinen Problemen, weg von allem.
Ich war nicht für sie da gewesen. Und deshalb hatte ich keine Berechtigung mehr zu leben.
Mit ausdruckslosem Gesicht hob ich das Messer. Es glänzte in dem Licht, das durch das Fenster fiel.
Ich hörte tausende von Stimmen flüstern.
„Tu es!"
„Tu es!"
„Tu es!"
Ich dachte an sie und wurde wütend. Wütend auf mich selbst.
„Ich habe es nicht besser verdient!", schrie ich und rammte mir das Messer in die Brust.
Mich erfüllte ein unbeschreiblicher Schmerz, doch ich lächelte.
Nun waren alle glücklich, die mich schon immer hatten loswerden wollten.
Die mich schon immer gehasst hatten.
Die mich schon immer ausgelacht hatten.
Ich sah nur noch verschwommen und wusste, bald war das alles nur noch bittere Vergangenheit.
Da sah ich diese Person vor mir. Diesen vertrauten Menschen, mit diesen vertrauten Augen, die mich zutiefst erschüttert anguckten, während ich an der Wand herunterrutschte.
„Das hätte nie passieren dürfen", flüsterte sie wütend und traurig zugleich, „Ich habe nicht gut genug auf dich aufgepasst!"
„Wer... bist du?", fragte ich vollkommen benebelt.
Sie sah mich mitleidig an, nahm mein blutiges Messer und drehte sich zum Spiegel.
Dann rammte sie sich das Messer ohne auch nur eine Sekunde zu zögern in den Bauch.
Mir wurde schwarz vor Augen, doch ich hörte noch ihre letzten Worte.
„Ich war dein Engel"
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Diesen Oneshot habe ich im Februar 2016 geschrieben, er ist also wirklich schon uralt, aber weil er gemeinsam mit dem Oneshot im zweiten Kapitel eines meiner ersten Werke hier auf Wattpad war (wenn nicht sogar wirklich das allererste) muss er hier sein, auch, wenn er definitiv ausbaufähig ist xD
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