Nachher
»Sam! Das musst du dir ansehen!« Panisch kam der Astronaut in die Küche der Raumstation geschwebt. Er deutete aufgeregt in Richtung Fenster.
Sam hob zweifelnd eine Augenbraue. Sein Kollege war für gewöhnlich mehr als nur leicht zu beeindrucken und deshalb glaubte er kaum, dass es sich um etwas wirklich wichtiges handelte. Vermutlich es wieder nur das Wrack eines Satelliten, das in sicherem Abstand an der ISS vorbei schwebte. Kein Grund zur Panik. Und erst Recht kein Grund, um sein Mittagessen abzubrechen, fand Sam.
»Was ist denn?«, fragte er desinteressiert, während er eine Packung Flüssignahrung öffnete.
»Die Erde ... du wirst nicht glauben, was geschehen ist. Wir können nicht mehr zurück!« Erst jetzt bemerkte der Astronaut die Tränen in den Augen seines Kollegen. Es schien ihm wirklich ernst zu sein.
Langsam ließ er das Päckchen Püree sinken. "Was soll das heißen, wir können nicht mehr zurück?"
"Das glaubst du mir sowieso nicht, wenn du es nicht mit eigenen Augen gesehen hast."
Stirnrunzelnd folgte Sam dem aufgelösten Astronaut zum nächsten Fenster.
Der Anblick, der sich ihm bot, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Die Kälte breitete sich in seinem gesamten Körper aus und lähmte ihn, bis er das Gefühl hatte, nicht einmal mehr atmen zu können.
Das, was er einmal seinen Heimatplaneten genannt hatte, war nun nichts weiter als ein Trümmerhaufen, der langsam auseinander und durch die Schwärze des Weltraums trieb. Einzelne Gesteinsbrocken hatten sich bereits der Raumstation genähert.
Erst nach einigen Minuten fand Sam seine Sprache wieder. »Wie ... das ... das kann nicht sein. Wie konnte das passieren? Meine Frau ist doch dort unten! Und meine kleine Tochter!«
Der Blick seines Kollegen wurde mitleidig. »Nein. Nicht mehr.«
"Was? Ich verstehe das nicht. Konnten sie sich retten? Hat jemand ein Raumschiff gebaut? Sind sie geflüchtet? Wo sind sie?"
»Sam ...«, setzte der Astronaut an. »Sam, sie sind nicht mehr da. Nirgends. Es wurde niemand gerettet. Sie sind alle tot. Wir sind die einzigen Überlebenden.«
Die Tür öffnete sich und die dritte und letzte an Bord schwebte in den Raum. Anastasia kehrte gerade von einem Außeneinsatz zurück. Sie hielt ein schwarzes Buch in den Händen, das Sam nicht im geringsten bekannt vorkam.
»Habt ihr das gesehen?« Die Angst stand ihr auf die Stirn geschrieben, und wie immer, wenn sie besonders aufgebracht war, verstärkte sich ihr russischer Akzent, sodass es für die meisten Außenstehenden beinahe unmöglich war, die Sprache als Englisch zu identifizieren, geschweige denn zu verstehen.
Es bedurfte nur eines Blickes in die Gesichter der zwei Männer und Anastasia kannte die Antwort. Wissend nickte sie. Im Gegenteil zu den beiden schien sie sich über die Auswirkungen dieser Katastrophe noch nicht bewusst zu sein oder wollte diese nicht wahrhaben, denn ungeachtet der betroffenen Stimmung im Raum, hielt sie das Buch in die Höhe.
»Unglaublich! Das habe ich bei den Reparaturen entdeckt, es schwebte direkt neben mir.«
Sie drückte Sam das Buch in die Hand. Er konnte die Schrift kaum lesen; Tränen verschleierten seinen Blick. Während er es dennoch geistesabwesend aufschlug, plapperte die Russin ungerührt weiter. »Das ist unmöglich! Die ganze Erde wurde zerstört, aber dieses eine Buch hat überlebt. Es ist kaum beschädigt, dabei kann das überhaupt nicht sein!«
Sam hörte der Frau nur noch mit halbem Ohr zu, denn die Worte, die jemand mit krakeliger Schrift in dem Buch niedergeschrieben hatte, erregten seine Aufmerksamkeit. Er wischte sich mit dem Handrücken über die feuchten Augen; blätterte ein paar Seiten weiter, überflog einige Passagen, bis er verstand, um was es hierbei ging. Nachdem er den letzten Satz gelesen hatte, hielt er inne.
Der Astronaut drehte das Buch ungläubig in den Händen und blickte dann mit aschfahlem Gesicht zu der Stelle, an der sich einmal sein Heimatplanet befunden hatte.
»Wenn es jetzt doch bloß noch jemandem helfen könnte...«, flüsterte er mit erstickter Stimme.
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