Welpe, Schlange & Vollmond II
»Sirius Black«, begann Severus, seine Stimme mit einer Schwere gefüllt, die Harry sofort bemerkte, »war ... ist eine komplizierte Person. Jemand, der tief in meiner Vergangenheit verankert ist, und nicht auf die angenehmste Weise«, Harry wartete geduldig, doch es war klar, dass Severus mit den Erinnerungen kämpfte. Schließlich schüttelte Severus den Kopf und sah Harry mit einem Blick an, der sowohl Entschlossenheit als auch Sorge zeigte. »Ich werde dir alles erzählen. Aber nicht heute Abend. Das ist etwas, das auch Remus betrifft, und es wäre nur fair, wenn wir es gemeinsam besprechen. Es gibt Dinge, die du wissen musst, aber nicht jetzt. Nicht, bevor Remus und ich es dir zusammen erklären können«, Harry sah Severus an und nickte langsam. Er spürte, dass dies kein einfacher Moment für Severus war, und er wollte ihn nicht weiter drängen.
»Okay«, sagte er schließlich. »Ich verstehe«, Severus nickte dankbar.
»Es ist spät, und wir beide sollten schlafen gehen«, sagte er, seine Stimme wieder ruhig und kontrolliert. »Morgen ist ein neuer Tag, und du brauchst deine Ruhe«, Harry stand auf, doch bevor er gehen konnte, zögerte er. Etwas in ihm drängte ihn, eine Geste zu machen, die er nie gedacht hätte, dass er sie jemals tun würde. Langsam trat er auf Severus zu und, ohne wirklich darüber nachzudenken, legte er seine Arme um den Mann, von dem er einst glaubte, er würde ihn hassen. Es war eine zögerliche Umarmung, fast unsicher, aber voller Bedeutung. Severus erstarrte für einen Moment, völlig überrascht von der plötzlichen Geste. Es war, als hätte ihn der Boden unter den Füßen weggezogen. Niemand, nicht einmal Remus, hatte ihn je so unvorbereitet getroffen. Diese einfache, unschuldige Umarmung von Harry, dem Jungen, den er einst als Feind betrachtet hatte, berührte ihn auf eine Weise, die er nicht erwartet hatte. Langsam lösten sich seine steifen Muskeln, und er hob vorsichtig seine Arme, um Harrys Umarmung zu erwidern. Es war eine ungewohnt zärtliche Geste für ihn, aber in diesem Moment war sie alles, was er tun konnte. Er spürte, wie sich etwas tief in ihm veränderte, etwas, das über Jahre hinweg von Bitterkeit und Misstrauen verdeckt worden war. Diese kleine Geste von Harry löste eine Welle von Emotionen aus, die Severus kaum unterdrücken konnte. Nach einigen Sekunden löste Harry sich vorsichtig von ihm und trat einen Schritt zurück.
»Gute Nacht, Severus«, sagte er leise, seine Augen suchten den Blick des Mannes, der ihm gerade mehr über sich offenbart hatte, als er jemals erwartet hätte.
»Gute Nacht, Harry«, antwortete Severus, seine Stimme leicht brüchig, aber voller Wärme, die vorher nicht da gewesen war. Er beobachtete, wie Harry ins Wohnzimmer ging und sich auf die Couch legte, bevor er selbst in sein Schlafzimmer ging. In der Stille der Nacht lag Severus im Bett und dachte über die Umarmung nach, die ihm so viel mehr bedeutete, als er zugeben wollte. Etwas in ihm hatte sich gelöst, und er wusste, dass dies der Beginn von etwas Neuem war – einer Verbindung, die vielleicht nie möglich gewesen wäre, wenn sie sich nicht gegenseitig ein Stück ihrer Seelen gezeigt hätten.
Harry lag auf der Couch und starrte an die Decke, seine Gedanken wanderten unaufhörlich zu Remus. Der fast vollständige Vollmond schien hell durch das Fenster, und das sanfte Licht warf lange Schatten in den Raum. Jedes Mal, wenn er die Augen schloss, sah er das Bild von Remus vor sich, wie er sich auf die bevorstehende Verwandlung vorbereitete. Er wusste, dass Remus stark war und dies schon viele Male durchgestanden hatte, aber die Sorge ließ ihn nicht los. Seufzend drehte er sich auf die Seite und versuchte, sich in die Decke zu kuscheln, doch der Schlaf wollte einfach nicht kommen. Er war fast zwölf Jahre alt, sagte er sich immer wieder, er sollte in der Lage sein, alleine damit fertig zu werden. Doch die Unruhe in ihm wuchs mit jeder Minute, die verstrich. Nach einer Weile, die ihm wie eine Ewigkeit vorkam, seufzte er erneut und setzte sich auf. Er überlegte kurz, zu Severus zu gehen, um einfach jemanden in seiner Nähe zu haben, aber dann schüttelte er den Kopf. Das kam ihm albern vor. Er wollte Severus nicht stören, und er war doch alt genug, um alleine zurechtzukommen, oder? Dennoch fand er keine Ruhe. Schließlich entschied er sich, in die Küche zu gehen und sich einen Tee zu machen. Vielleicht würde das helfen ihn zu beruhigen, und endlich einzuschlafen. Leise schlich er aus dem Wohnzimmer und in die kleine, dunkle Küche. Er stellte Wasser auf den Herd und suchte in den Schränken nach Tee. Es war alles etwas ungewohnt in dieser fremden Umgebung, und seine Hände zitterten leicht vor Nervosität. Als das Wasser kochte, goss er es hastig über den Teebeutel, doch in seiner Unachtsamkeit verschüttete er etwas davon über seine Hand. Ein scharfer Schmerz durchzuckte ihn, und er zog die Hand schnell zurück, biss die Zähne zusammen, um nicht laut aufzuschreien. Die heiße Flüssigkeit hinterließ eine brennende Spur auf seiner Haut, und er wusste sofort, dass es mehr war, als er alleine bewältigen konnte. Er stand einige Momente lang unschlüssig in der Küche, die Hand zitternd in der Luft haltend. Er wusste, dass er Hilfe brauchte, aber er zögerte immer noch, zu Severus zu gehen. Schließlich war es doch nur eine kleine Verbrennung, oder? Doch als der Schmerz nicht nachließ und sich sogar noch zu verstärken schien, gab er sich schließlich geschlagen. Er verließ die Küche, stieg in den ersten Stock und ging zögernd den dunklen Flur entlang, bis er vor Severus' Schlafzimmer stand. Für einen Moment verharrte er unsicher vor der Tür, aber der Schmerz in seiner Hand drängte ihn weiter. Mit einem tiefen Atemzug hob er die Hand und klopfte leise an die Tür. Es dauerte nur einen Moment, bis Severus antwortete, seine Stimme war verschlafen, aber aufmerksam.
»Ja?«, Harry öffnete vorsichtig die Tür und trat ein, den Kopf leicht gesenkt, als er sah, wie Severus im Bett aufrecht saß und ihn mit einem besorgten Blick ansah.
»Es tut mir leid, dich zu stören«, murmelte Harry. »Aber ich ... ich habe mich verbrüht«, sofort war alle Müdigkeit aus Severus' Gesicht verschwunden. Er stand auf und trat schnell zu Harry.
»Lass mich sehen«, sagte er sanft, und Harry streckte ihm die Hand entgegen. Severus nahm sie vorsichtig in seine, und sein Blick wurde noch ernster, als er die gerötete Haut sah.
»Du hast dich ziemlich verbrüht. Warum hast du mich nicht sofort gerufen?«
»Ich wollte dich nicht stören«, murmelte Harry verlegen, aber Severus schüttelte nur den Kopf.
»Du störst nicht. Solche Dinge solltest du mir sofort sagen«, sagte Severus mit einem Hauch von Strenge in der Stimme, aber auch mit viel Wärme. »Komm, wir kümmern uns um das«, er führte Harry ins Badezimmer, wo er die Verbrennung sanft mit kaltem Wasser abspülte und dann eine Heilsalbe auftrug. Die Berührung war ruhig und sicher, und Harry spürte, wie sich der Schmerz langsam linderte. Es war eine beruhigende Routine, und das Wissen, dass Severus sich um ihn kümmerte, brachte ihm mehr Trost, als er erwartet hatte.
»So«, sagte der Lehrer schließlich, als er die Hand vorsichtig verband. »Das sollte helfen. Es wird morgen schon viel besser sein«, Harry sah zu ihm auf, dankbar und etwas schüchtern.
»Danke«, sagte er leise. Severus nickte, eine sanfte, fast väterliche Geste. Dann sah er Harry an, erkannte die Erschöpfung und die Unsicherheit in seinen Augen, und entschied sich, etwas zu tun, was er sonst wohl nicht vorgeschlagen hätte.
»Harry«, begann er vorsichtig, »wenn du möchtest, kannst du bei mir im Bett schlafen. Es ist keine Schande, sich in einer neuen Umgebung unwohl zu fühlen, besonders nach allem, was du durchgemacht hast«, Harry sah ihn überrascht an, unsicher, wie er reagieren sollte. Doch die Wärme in Severus' Stimme und die aufrichtige Sorge in seinen Augen ließen Harry sich sicherer fühlen. Nach einem kurzen Moment des Zögerns nickte er langsam.
»Ja, d-das wäre nett«, gab er zu, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern. Severus lächelte leicht und führte Harry zurück ins Schlafzimmer. Er hob die Decke an, und Harry kroch dankbar ins Bett. Es war warm und gemütlich, und die Nähe zu Severus beruhigte ihn sofort. Severus legte sich neben ihn und zog die Decke über sie beide.
»Alles in Ordnung?«, fragte er sanft, als er sich neben Harry niederließ.
»Ja«, antwortete Harry, seine Stimme nun viel ruhiger. »Danke«, Severus nickte und legte eine Hand beruhigend auf Harrys Schulter.
»Schlaf gut. Ich bin hier, wenn du mich brauchst«, Harry spürte eine tiefe Ruhe in sich aufsteigen, eine, die er lange nicht mehr gefühlt hatte. Die Sicherheit und Wärme, die Severus ihm bot, ließen ihn endlich loslassen. Mit einem leisen Seufzen schloss er die Augen und fühlte sich, als wäre er genau dort, wo er sein sollte. Innerhalb weniger Minuten fiel er in einen tiefen, friedlichen Schlaf.
Am nächsten Morgen erwachte Harry langsam, das fahles Licht des Tages durchdrang die Vorhänge. Sobald er die Augen öffnete, spürte er sofort ein Gefühl der Verlegenheit. Er lag noch immer in Severus' Bett, und der Gedanke daran, hier die Nacht verbracht zu haben, ließ ihn sich unwohl fühlen. Severus war nicht im Zimmer, doch Harry hörte Geräusche aus der Küche – leises Klappern und das Rascheln von Papier. Er setzte sich auf und bemerkte zu seiner Erleichterung, dass seine Hand nicht mehr schmerzte. Schnell stand er auf, zog sich hastig seine Sachen an und ging nach unten, immer noch von einem leichten Unbehagen begleitet. Als er die Küche betrat, sah Severus von der Zeitung auf, die er gerade las. Ein Teller mit Toast und ein Glas Saft standen auf dem Tisch, und ein Topf mit dampfendem Tee ruhte auf dem Herd.
»Guten Morgen«, sagte Severus ruhig, seine Augen suchten sofort Harrys Blick.
»Guten Morgen«, murmelte Harry zurück, wobei er versuchte, seine Verlegenheit zu verbergen. Er setzte sich zögernd an den Tisch, unsicher, was er sagen sollte. Severus bemerkte sofort die Unsicherheit in Harrys Haltung.
»Es gibt keinen Grund für Scham«, sagte er sanft, seine Stimme fest, aber mit einer beruhigenden Wärme darin. »Es ist völlig in Ordnung, sich ab und zu Unterstützung zu holen. Niemand erwartet, dass du alles alleine durchstehst«, Harry sah auf seine Hände und nickte leicht.
»Danke«, flüsterte er, immer noch ein wenig verlegen, aber Severus' Worte hatten etwas von der Spannung gelöst.
»Wie geht es deiner Hand?«, fragte Severus, während er sich von seinem Platz erhob und sich zu Harry setzte. Er nahm dessen Hand vorsichtig in seine, löste den Verband und sah sich die Stelle an, die am Abend zuvor verbrannt war.
»Es tut nicht mehr weh«, antwortete Harry, überrascht, wie gut seine Hand sich über Nacht erholt hatte. Severus nickte zufrieden.
»Das ist gut. Die Salbe hat ihre Arbeit getan«, er ließ Harrys Hand los und lehnte sich zurück, bevor er eine Frage stellte, die Harry vollkommen überraschte.
»Sag, würdest du gern sehen, wo deine Mutter gelebt hat, als sie ein Kind war?«, Harrys Augen weiteten sich vor Überraschung.
»Was?«, stammelte er, völlig überrumpelt. »Meine Mutter?« Severus sah ihn einen Moment lang an, seine Miene nachdenklich und doch von einer gewissen Sanftheit durchzogen.
»Ja, Lily war ... eine sehr besondere Person für mich«, sagte er leise. »Sie hat in Cokeworth gelebt, nicht weit von hier. Ich dachte, es könnte für dich interessant sein, zu sehen, wo sie aufgewachsen ist«, Harry konnte kaum glauben, was er da hörte. Er wusste nicht viel über die Kindheit seiner Eltern, und diese neue Information war unerwartet.
»Du kanntest meine Mutter?«, fragte er ungläubig, immer noch versuchend, das Gehörte zu verarbeiten. Severus nickte langsam.
»Ja, ich kannte sie sehr gut. Aber das ist eine Geschichte, die Zeit braucht, um richtig erzählt zu werden. Wenn du möchtest, kann ich dir heute zeigen, wo sie gelebt hat«, Harry war überwältigt von Gefühlen – Überraschung, Neugier und ein tiefes Verlangen, mehr über seine Mutter zu erfahren. Er nickte eifrig.
»Ja, ich möchte das sehr gern sehen«, Severus lächelte leicht und stand auf, um den Tee zu holen.
»Dann werden wir nach dem Frühstück einen Spaziergang machen«, sagte er, während Harry eingoss.
»Es gibt einiges, das ich dir erzählen möchte.«
Nach dem Frühstück zogen Harry und Severus ihre Mäntel an und machten sich auf den Weg nach draußen. Die Hitze der letzten Wochen war endgültig verschwunden, und der Tag präsentierte sich grau und kühl. Ein leichter Wind wehte durch die Straßen von Cokeworth, während sie sich langsam durch die enge Gasse bewegten, die gesäumt war von alten, teils verfallenen Häusern. Severus ging neben Harry her und sprach leise über die Stadt.
»Cokeworth ist eine alte Arbeiterstadt«, erklärte er. »Früher gab es hier viele Fabriken, aber die meisten sind inzwischen geschlossen. Die Gegend hat sich seit meiner Kindheit kaum verändert«, Harry hörte aufmerksam zu, seine Augen glitten über die Gebäude, die ihm sowohl fremd als auch vertraut vorkamen. Es war schwer vorstellbar, dass seine Mutter hier aufgewachsen war, an einem Ort, der so weit entfernt schien von der magischen Welt, die er kannte. Nach einigen Minuten bogen sie in eine Seitenstraße ein und kamen schließlich zu einem verlassenen Haus. Das Dach war an mehreren Stellen eingestürzt, und die Fenster waren entweder zerbrochen oder mit Brettern vernagelt. Der Garten davor war verwildert und überwuchert, die einstigen Pfade kaum noch zu erkennen. Severus führte Harry durch das alte, rostige Tor auf das Grundstück.
»Das war das Haus von Lilys Familie«, sagte er leise, seine Stimme von einer tiefen Traurigkeit durchzogen. Er blieb stehen und betrachtete das Gebäude für einen Moment, bevor er sich zu Harry wandte.
»Weißt du gar nichts über deine Mutter?«, fragte er, seine Augen forschend auf Harry gerichtet. Dieser spürte, wie sich ein Kloß in seiner Kehle bildete, und er schüttelte stumm den Kopf. Tränen stiegen ihm in die Augen, als er den Verfall des Hauses betrachtete, das einst das Zuhause seiner Mutter gewesen war. Es schmerzte ihn, dass er so wenig über sie wusste, dass er sich ihr in diesem Moment so fern fühlte. Severus seufzte leise, als er Harrys Reaktion sah.
»Komm«, sagte er sanft und legte eine Hand auf Harrys Schulter, um ihn weiterzuführen. Sie gingen durch den verwilderten Garten, in dem sich das hohe Gras um ihre Beine schlängelte, und kamen schließlich zu einem alten Holztor. Dahinter führte ein schmaler Pfad zu einem Fluss, der ruhig dahinfloss. Severus führte Harry weiter am Ufer entlang, bis sie zu einer großen Eiche kamen, deren ausladende Äste sich über das Wasser erstreckten. Der Baum war alt, und seine knorrigen Wurzeln ragten teilweise aus dem Boden, als würden sie die Erde selbst umklammern. Hier blieb Severus stehen und blickte hinauf zu den Blättern, die im Wind leise raschelten.
»Das hier«, begann er, »ist ein Ort, an dem ich viel Zeit mit deiner Mutter verbracht habe, als wir Kinder waren«, Harry sah ihn an, seine Verwirrung und Neugierde nahmen zu.
»Du hast viel Zeit mit ihr verbracht?«, fragte er leise. Severus nickte.
»Ja«, antwortete er, seine Stimme voller Erinnerung. »Lily und ich waren Nachbarn. Wir lernten uns kennen, als wir noch sehr jung waren auf einem Spielplatz ganz in der Nähe. Damals wusste ich schon, dass ich anders war, dass ich magische Fähigkeiten besaß. Als ich herausfand, dass Lily ebenfalls eine Hexe war, wurde sie meine beste Freundin«, er setzte sich auf eine der herausragenden Wurzeln der Eiche und deutete Harry an, es ihm gleichzutun.
»Wir haben oft hier gesessen und über alles Mögliche gesprochen. Über Magie, über Hogwarts, über die Zukunft ... dieser Ort war für uns ein Zufluchtsort«, Harry setzte sich neben Severus, die Augen immer noch auf den Baum gerichtet, der so viele Erinnerungen in sich zu tragen schien.
»W-wie war sie?«, fragte er schließlich, seine Stimme zitterte leicht. Severus lächelte schwach, als er zurückdachte.
»Lily war ... außergewöhnlich«, begann er. »Sie war freundlich, mutig und loyal. Sie hatte eine unerschütterliche moralische Integrität und war bereit, für die Menschen, die sie liebte, alles zu tun. Sie hatte eine natürliche Begabung für Zauberei und war immer die Erste, die anderen half, wenn sie Schwierigkeiten hatten«, er hielt einen Moment inne, bevor er fortfuhr. »Doch als wir älter wurden, wurde es schwieriger. Unsere Wege begannen sich zu trennen, besonders als wir nach Hogwarts kamen. Ich landete in Slytherin, und sie in Gryffindor. Die Unterschiede zwischen uns wurden größer, und ... ich machte Fehler. Fehler, die ich nicht mehr rückgängig machen konnte«, Harry sah Severus an, seine Augen immer noch glänzend von den unausgesprochenen Gefühlen.
»Was für Fehler?«, fragte er vorsichtig. Severus atmete tief durch.
»Ich war zu stolz, zu stur, um zuzugeben, dass ich Hilfe brauchte. Ich ließ mich von den falschen Leuten beeinflussen, von Idealen, die ich heute zutiefst verachte. Und schließlich kam der Punkt, an dem Lily und ich uns endgültig entfremdeten. Sie wollte mich retten, aber ich war zu blind, um es zu erkennen«, er schwieg einen Moment, bevor er weitersprach. »Sie war die beste Freundin, die ich je hatte. Und ich habe sie verloren, weil ich zu stolz und zu dumm war, meine Fehler einzugestehen«, Harry spürte den Schmerz in Severus' Worten, und es war, als könnte er einen Teil des Verlustes, den Severus erlitten hatte, selbst fühlen.
»Du hast sie geliebt, oder?«, fragte er leise, obwohl er die Antwort bereits kannte.
»Ja«, antwortete Severus, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern. »Aber nicht auf die Weise, die du vielleicht denkst. Sie war wie eine Schwester für mich, und ich habe sie verloren. Doch das Schlimmste war, dass ich wusste, dass es meine eigene Schuld war«, sie saßen noch eine Weile schweigend unter der Eiche, beide in Gedanken versunken. Harry spürte, wie sich ein Teil der Lücke, die das Wissen über seine Mutter hinterlassen hatte, langsam füllte. Er wusste, dass es noch viel mehr zu erfahren gab, aber für den Moment war er dankbar für das, was Severus mit ihm geteilt hatte.
»Und ... was ist mit Petunia?«, fragte Harry dann leise, fast widerstrebend, als hätte er Angst vor der Antwort. Petunia war immer ein Teil seines Lebens gewesen, aber nie auf eine positive Weise. Dennoch wusste er, dass sie Lilys Schwester war, und er fragte sich, ob es mehr über sie zu wissen gab, als er bisher erfahren hatte. Severus sah Harry einen Moment lang an, und sein Gesichtsausdruck veränderte sich kaum merklich. Petunia war ein heikles Thema, das wusste er. Doch er spürte, dass Harry ein Recht darauf hatte, die Wahrheit zu erfahren, auch wenn diese Wahrheit schmerzhaft sein könnte.
»Petunia«, begann Severus langsam, »war Lilys ältere Schwester. Sie war ... anders als Lily. Während Lily immer offen und neugierig auf die Welt war, hatte Petunia eine tiefsitzende Abneigung gegen alles, was sie nicht verstand. Das schloss die Magie mit ein«, Severus seufzte und fuhr fort. »Petunia war eifersüchtig auf Lily, schon seit wir Kinder waren. Sie konnte nicht verstehen, warum Lily diese besonderen Fähigkeiten hatte und sie selbst nicht. Das führte dazu, dass sie sich immer mehr von Lily entfernte, anstatt eine Brücke zu schlagen«, Harry nickte langsam, auch wenn diese Worte ihm schmerzten.
»War sie ... war sie immer so?«, fragte er, seine Stimme brüchig. Severus sah Harry in die Augen und konnte den Schmerz und die Enttäuschung darin sehen.
»Ja«, antwortete er schließlich ehrlich. »Petunia hatte schon immer Schwierigkeiten, ihre Gefühle zu akzeptieren, besonders ihre Eifersucht und Unsicherheit. Sie hat ihre eigene Schwester dafür gehasst, dass sie anders war, dass sie Dinge konnte, die Petunia nicht konnte. Und dieser Hass wurde im Laufe der Jahre nur stärker«, Harry spürte einen Kloß in seiner Kehle, als er an seine eigene Kindheit bei den Dursleys dachte, an die Kälte und Abweisung, die er von Petunia erfahren hatte.
»Hat sie ... hat sie meine Mutter jemals geliebt?«, fragte er schließlich, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern. Severus schwieg eine Weile, bevor er antwortete.
»Ich glaube, tief in ihrem Inneren hat Petunia Lily auf ihre Weise geliebt. Aber ihre Eifersucht und der Groll, den sie hegte, überwogen diese Gefühle. Es war einfacher für sie, Lily zu hassen, als sich mit ihren eigenen Unsicherheiten auseinanderzusetzen. Und das führte schließlich dazu, dass sie sich vollständig von Lily distanzierte«, Harry sah auf den Boden, kämpfte mit den Tränen, die ihm in die Augen stiegen. Er hatte sich immer gewünscht, dass Petunia ihn lieben könnte, dass sie ihn als Teil der Familie akzeptieren würde. Doch nun verstand er, dass es eine Kluft gab, die nie hätte überwunden werden können. Severus legte eine Hand auf Harrys Schulter und drückte sie sanft.
»Es tut mir leid, Harry«, sagte er leise. »Petunia war gefangen in ihren eigenen Ängsten und Unsicherheiten. Es ist nicht deine Schuld, dass sie so war«, Harry nickte langsam, auch wenn es schwer war, diese Worte zu akzeptieren. »Danke«, murmelte er schließlich, seine Stimme schwach, aber dankbar.
»Danke, dass du mir das gesagt hast«, nach einer Weile der Stille, in der nur das leise Rascheln der Blätter zu hören war, stand Severus schließlich auf und hielt Harry eine Hand hin.
»Komm«, sagte er sanft. »Lass uns zurückgehen«, Harry ergriff seine Hand und ließ sich auf die Beine ziehen. Als sie sich langsam auf den Rückweg machten, ließ ein weiterer Gedanke ihn nicht los, und schließlich hob er den Kopf, um Severus eine weitere Frage zu stellen.
»Und... was ist mit meinen Großeltern? Weißt du, was mit ihnen passiert ist?«, fragte er vorsichtig. Severus blieb kurz stehen, seine Augen wurden trüb vor Traurigkeit. Das Thema von Lilys Eltern war eines, das immer noch tief in ihm schmerzte.
»Deine Großeltern, Harry ... sie waren wundervolle Menschen«, begann er mit leiser Stimme. »Ihre Namen waren Rose und Peter Evans. Sie waren keine Zauberer, aber sie haben Lily und ihre Fähigkeiten mit Liebe und Verständnis angenommen«, er machte eine Pause, als die Erinnerungen an die Evans in ihm hochkamen. »Sie haben auch mir oft geholfen, mehr als ich es je verdient hatte. Sie haben mich in ihr Zuhause eingeladen, mich mit Wärme und Freundlichkeit behandelt, obwohl sie wussten, dass meine eigene Familie ... nun ja, schwierig war. Rose und Peter haben mir das Gefühl gegeben, dass ich irgendwo hingehöre, wenn ich bei ihnen war. Sie haben mich so akzeptiert, wie ich war«, Severus seufzte tief, als er an die Zeit zurückdachte, die er mit Lilys Familie verbracht hatte. »Leider sind sie gestorben, als Lily und ich in unserem letzten Jahr in Hogwarts waren. Ein Autounfall wurde uns gesagt. Es war ein schwerer Schlag für Lily, und ... auch für mich. Ich habe sie beide sehr geschätzt«, Harry spürte, wie seine Brust sich bei den Worten zusammenzog. Er hatte nie die Gelegenheit gehabt, seine Großeltern kennenzulernen und zu wissen, dass sie solche Menschen waren, machte den Verlust nur noch schmerzlicher.
»Das tut mir leid«, sagte Harry leise, seine Stimme voller Bedauern. Severus nickte stumm und legte erneut eine Hand auf Harrys Schulter, diesmal um ihm Trost zu spenden.
»Sie hätten dich geliebt«, sagte er schließlich. »Sie wären stolz auf dich gewesen«, sie gingen weiter in Richtung des Hauses, und Harry konnte die Traurigkeit in der Atmosphäre spüren, die von den Erinnerungen an die Menschen, die sie beide verloren hatten, herrührte. Doch er hatte noch eine weitere Frage auf dem Herzen, eine, die ihm ebenfalls schwer auf der Seele lag.
»Und... was ist mit deiner Kindheit?«, fragte er zögernd, unsicher, ob er damit ein sensibles Thema ansprach. »Ich meine, du hast gesagt, dass es schwierig war...«, Severus blieb kurz stehen, seine Augen wanderten über die Häuser und die Straßen von Cokeworth, die Erinnerungen an seine eigene Kindheit in dieser Stadt weckten. Es war nicht einfach für ihn, darüber zu sprechen, und er wusste, dass Harry gerade eine Menge schwere Informationen verarbeitet hatte.
»Harry«, begann Severus langsam, »das ist ... eine lange und komplizierte Geschichte. Und ich denke, dass wir für einen Vormittag bereits genug besprochen haben«, Harry sah ihn an, seine Augen suchten nach Antworten, aber er nickte verständnisvoll.
»Ich verstehe«, sagte er leise, auch wenn er spürte, dass es noch viele Dinge gab, die er gern erfahren hätte. Severus legte ihm erneut eine Hand auf die Schulter und drückte sie sanft.
»Ich verspreche dir«, sagte er mit Nachdruck, »dass ich dir alles erzählen werde. Aber nicht jetzt. Es gibt Dinge, die schwer sind, über die zu sprechen, und ich möchte sicherstellen, dass du bereit bist, sie zu hören«, Harry sah in Severus' Augen und erkannte die Ernsthaftigkeit seiner Worte.
»Okay«, sagte er schließlich. »Ich kann warten«, Severus nickte und führte Harry weiter den Weg hinauf. »Manchmal«, sagte er nach einer Weile, »ist es besser, die Dinge Stück für Stück zu verarbeiten. Und wir haben Zeit, Harry. Es gibt noch viel, das du erfahren wirst, aber alles zu seiner Zeit«, sie erreichten schließlich das Haus, und als sie hineingingen, spürte Harry eine seltsame Mischung aus Erleichterung und Schwere in sich. Auch wenn der Vormittag emotional herausfordernd gewesen war, fühlte sich Harry zum ersten Mal seit langem nicht mehr so allein mit seinen Fragen und seinem Schmerz. Severus hatte ihm einen Einblick in die Vergangenheit gegeben, und Harry wusste, dass dies erst der Anfang war.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro