Unwetter & Weasley
Harry suchte leise seine Sachen zusammen. Die Neugekauften ließ er liegen, stattdessen schlüpfte er wieder in seine alten Abgetragenen, die er bisher noch nicht weggeschmissen hatte. Schnell schrieb er einen kurzen Brief an Remus und lauschte. Noch immer schienen die Männer unten zu reden. Harry öffnete leise das Fenster. An den breiten, unregelmäßigen Feldsteinen konnte er ohne Probleme in den Garten klettern. Er sah sich noch mal um, dann kletterte er über den Zaun und rannte hinaus in das kleine Wäldchen.
»Wir sollten ihn langsam mal wecken. Es ist bereits Nachmittag und er muss dringend essen«, sagte Severus irgendwann, nachdem sie eine lange Zeit geschwiegen und ihren eigenen Gedanken nachgehangen hatten. Severus wollte schon nach Hause, hatte sich dann aber umentschieden. Remus nickte.
»Ich geh schon«, sagte er und stand auf. Auf der Treppe atmete er kurz durch. Das Gespräch mit Severus hatte ihn viel Kraft gekostet. Auch wenn er es sich nur schwer eingestehen konnte, er hatte noch immer Gefühle für den anderen und auch wenn dieser ihn wegschob, so konnte sich Remus nicht dagegen wehren. Er betrat Harrys Zimmer und stockte. Das Bett war leer. Auf dem Stuhl lagen feinsäuberlich gestapelt die neuen Sachen. Verwirrt trat Remus wieder auf den Flur und ging ins Bad, aber auch das war leer. Er lief zurück und entdeckte auf dem Bett, den Brief. Er nahm ihn hoch und las: »Lieber Remus, es tut mir furchtbar leid, dass ich gehe, ohne mich zu verabschieden, aber es geht nicht anders. Du und Professor Snape könnt nicht miteinander und müsst es, weil ich da bin. Das kann ich dir und auch ihm nicht antun. Ich hoffe, wir sehen uns mal wieder. Bitte frag Professor Snape, ob er meine Sachen mit nach Hogwarts nimmt und ob er mir vielleicht die neuen Schulsachen besorgt. Ich habe nur etwas Geld und meinen Zauberstab dabei, auch wenn ich ihn nicht nutzen kann. Ich komme irgendwo unter, mach dir keine Sorgen. Dein Harry«, für einen Moment war Remus wie erstarrt. Dann schloss er die Faust um das Stück Papier und rannte nach unten.
»Er ist weg!«, sagte er außer Atem, als er wieder im Wohnzimmer stand. Severus sah ihn irritiert an.
»Was?«
»Harry, er ist weg«, sagte Remus bebend und hielt Severus den Brief hin. Dieser griff danach und las.
»Idiotischer Bengel«, sagte er und ließ das Blatt sinken.
»Ist das alles, was dir dazu einfällt?«, fragte Remus wütend.
»Nein, aber ... bei Salazar, was erwartest du von mir?«
»Nichts ... gar nichts«, sagte Remus, wandte sich um und ging zur Haustür.
»Was machst du?«, Severus eilte ihm nach und packte ihn am Arm.
»Was schon, ich werde ihn suchen.«
»Sei kein Idiot Remus, ein Unwetter zieht auf. Er ist vielleicht seit Stunden unterwegs. Wo willst du anfangen?«, sagte Severus. Der Werwolf sah ihn an und dann nach draußen, wo sich schwere graue Wolken auftürmten. Der Wind hatte zugenommen und ein Grollen war zu hören.
»Er ist ganz alleine da draußen und hat keine Ahnung, wo er genau ist, und du willst, dass ich hier sitze und abwarte?«, presste er hervor.
»Es ist ihm nicht geholfen, wenn dir etwas passiert«, sagte Severus und klang fast nach einem Flehen. Remus riss sich von ihm los, warf die Tür ins Schloss und setzte sich auf die Treppe, das Gesicht in den Händen vergraben. Nur Augenblicke später fing es an, wie aus Eimern zu schütten.
Harry hatte das Haus schnell hinter sich gelassen und den kleinen Wald durchgequert. Hinter diesem lagen weite Felder und wenige Bäume waren zu sehen. Bald erreichte er einen staubigen Pfad. Harry beschloss, diesen entlang zu gehen, in der Hoffnung bald auf eine größere Straße zu stoßen. Er hatte keine Ahnung, wo er war oder wie er nach London kommen könnte, und irgendwie hatte er das Gefühl, seit Stunden im Kreis zu laufen. Aber hatte einfach gehen müssen. Er hatte Remus schon genug Umstände gemacht und dieser sollte nicht seinetwegen noch mehr leiden. Inzwischen war er schon seit einigen Stunden unterwegs. Er hatte furchtbaren Durst. Naiverweise hatte er geglaubt, irgendwo einen Bach zu finden, aber bei der Hitze der letzten Wochen, wären die hier sicher ausgetrocknet. Immerhin wehte inzwischen ein kühler Wind und Harry rieb sich die Arme. Donner grollte in der Ferne. Er sah sich um. Hier gab es keinen Unterstand. Harry wusste, dass es dumm wäre, unter einem Baum Schutz zu suchen. Er hatte dies kaum zu Ende gedacht, da blitzte es auch schon. Der Junge zuckte zusammen, als nur sekundenspäter der Donner laut über ihn hinwegzog. Er wusste, dass er von dem Weg runter musste. Er schlug sich nach rechts in das Feld auf dem hoher Weizen stand und duckte sich dann eng an den Boden. Schon bald begann es zu regnen und schnell war Harry bis auf die Knochen durchnässt. Nach einer halben Stunde, in der es stürmte und helle Blitze ohne Unterlass über den Himmel zuckten, fror er erbärmlich. Der Wind nahm immer mehr zu und zerrte an dem schmalen Körper. Harry wimmerte und krallte sich in den Boden, während der Regen immer stärker wurde.
Remus stand am Fenster von Harrys Zimmer und sah nach draußen. Es schüttete seit zwei Stunden. Es war nachtschwarz und Blitze und Donner wechselten sich in steter Folge ab.
»Ich hoffe, du bist in Sicherheit«, sagte der Werwolf und lehnte seine Stirn gegen das kühle Glas.
»Ich habe Tee gemacht«, Remus drehte sich um. Severus stand in der Tür und hielt einen Becher in der Hand. Er kam zögernd näher und reichte ihn an den anderen.
»Danke, ich dachte, du seist längst gefloht«, sagte Remus und nippte an dem Tee.
»Warum sollte ich?«
»Er ist dir egal und ich auch, also warum bist du noch da?«, fragte der Werwolf und stellte die Tasse ab. Severus Augen blitzten vor Zorn kurz auf, aber schnell verschwand dies und er sah traurig auf Remus.
»Ich sagte dir bereits, dass das nicht stimmt. Weder du bist mir egal, noch er. Glaubst du nicht, dass ich nicht längst da draußen wäre, wenn ich wüsste, dass wir ihn sofort finden würden? Bei Merlin Remus, ich ... ich war noch nie gut in so was und ja du hast mich damals verletzt und ich weiß, dass ich es auch tat, aber lange Zeit empfand ich nur Wut. Wut auf dich, auf die Rumtreiber, auf mich, weil ich dich gehen ließ. Als mich Dumbledore vor einigen Monaten bat, dich mit dem Trank zu versorgen, da brach alles wieder auf. All die Verletzung und ... und die Trauer. Als ich sah, wie sehr du dich um Harry kümmerst, wie sehr er dir von Anfang an vertraute, da wusste ich wieder, warum ich mich damals in dich verliebte und warum ich ...«, Severus stockte und Remus trat einige Schritte näher.
»Warum ich, was?«, fragte er leise. Severus streckte die Hand aus und legte sie sanft auf Remus' Wange.
»Warum ich nie damit aufgehört habe, dich zu lieben«, sagte er und senkte seine Lippen auf die von Remus. Fast schon erwartete er, dass der andere ihn wegstoßen würde, aber das Gegenteil war der Fall. Remus zog ihn näher, intensivierte den Kuss. Sie hielten einander fest, das erste Mal nach so langer Zeit. Dem Werwolf liefen Tränen über die Wange. Erschrocken zog sich Severus zurück.
»E-Es tut mir leid, ich wollte dich nicht überrumpeln«, sagte er.
»Hast du nicht, ich will und wollte das, nur ... ich mach mir einfach solche Sorgen um ihn. Sev, ich kann ihn nicht verlieren, nicht auch noch ihn«, schluchzte Remus. Severus zog ihn an sich und strich ihm über den Rücken.
»Ich weiß und ich verspreche dir, wir finden ihn. Das Unwetter wird bald nachlassen und dann suchen wir ihn«, sagte er.
Harry zitterte am ganzen Körper. Das Gewitter hatte nachgelassen, aber es regnete noch immer, aber weniger als noch zuvor. Stöhnend richtete er sich auf. Er musste dringend einen trockenen Platz finden, schleppte sich wieder auf den Weg und sah sich um. Es dämmerte inzwischen und schon bald würde es ganz dunkel sein. Harry lief einige Zeit und kam irgendwann an einer großen Eiche vorbei. Unter dem Baum war es fast trocken und er wusste, dass es für diese Nacht der beste Platz war. Er kauerte sich zwischen die alten Wurzeln, lehnte sich an das trockene Holz und schon bald war er eingeschlafen.
Der einundzwanzigjährige Bill Weasley hatte die Hände in seiner Manteltasche vergraben. Es war seltsam, wieder einen Mantel zu tragen, nach Wochen der Hitze. Doch das Unwetter hatte die Temperaturen rapide fallen lassen. Bill war auf dem Weg zu Remus Lupin, der Mann wohnte ganz in der Nähe seines Elternhauses und wann immer Bill zu Hause war, besuchte er diesen. Seine Mutter war der Meinung, dass der Werwolf sehr einsam war und auch wenn dieser es nicht zugab, war auch Bill dieser Meinung. Seine Schritte auf dem nassen Kies verursachte ein seltsames Geräusch. Bill sog die kühle Luft ein. Er hätte auch apparieren können, aber er genoss den kleinen Spaziergang. Seit er in der Ausbildung war, lebte er in der Stadt und er vermisste das Landleben doch und auch den Trubel im Hause Weasley. Es wurde langsam dunkel und er wollte sich beeilen, als sein Blick etwas streifte. Zwischen den Wurzeln einer alten Eiche lag etwas. War das ein Tier? Zögernd ging Bill näher, er machte sich nicht so viel aus Tieren, höchstens aus Drachen, aber da war sein jüngerer Bruder Charlie eher der Experte. Als er nur noch wenige Meter entfernt war, erkannte er, dass es mitnichten ein Tier war, was dort lag, sondern ein Mensch. Ein kleiner Junge, so wie es aussah. Bill hockte sich vor das Kind und strich diesem über die nassen Haare. Sofort sah er die Narbe.
»Harry Potter?«, flüsterte er ungläubig. Sanft rüttelte er der Schulter des Kindes, aber dieses stöhnte nur und kauerte sich enger an den Baum. Harry war eiskalt und zitterte. Bill wusste, dass er ihn dringend wegbringen musste. Er hob ihn hoch und disapparierte nach Hause.
»Ma!«, rief er, als er mit Harry auf dem Arm in die Wohnküche kam.
»Bill, bist du schon ... w-was ist passiert? Wer ist das?«, Molly Weasley kam näher und sah auf das Bündel in den Armen ihres Ältesten.
»Das ist Harry Potter«, sagte er und jetzt sah es auch Molly.
»Ich hab ihn draußen auf dem Weg gefunden, keine zwei Kilometer von hier«, sagte Bill.
»Komm, wir legen ihn hier auf die Couch«, sagte Molly schnell.
»Mum, was ist denn los«, Ron kam mit Ginny, den Zwillingen und Percy in die Küche.
»Wir haben dich rufen hören«, sagte dieser und sah zu seinem Bruder, der gerade Harry auf die Couch legte.
»Harry«, keuchte Ron.
»Was ist denn passiert?«, wollte Fred wissen.
»Er muss draußen im Unwetter gewesen sein«, sagte Bill und legte eine Decke über den Jungen.
»A-Aber wie kommt er denn hierher?«, wollte Ron wissen.
»Das werden wir noch früh genug erfahren. Wir müssen ihn jetzt erst mal aufwärmen«, sagte Molly Weasley und ließ weitere Decken erscheinen.
Im Laufe des Abends verschlechterte sich Harrys Zustand. Er bekam hohes Fieber und sein Puls raste. Besorgt sah Molly zu ihrem Mann, welcher inzwischen von der Arbeit nach Hause gekommen war. Ron, Ginny und die anderen schliefen bereits, nur Bill saß noch bei seinen Eltern.
»Wenn es schlimmer wird, dann müssen wir ihn ins St. Mungo's bringen«, sagte Arthur besorgt.
»Sollten wir vielleicht Dumbledore kontaktieren?«, fragte Molly.
»Lass uns noch warten«, sagte ihr Mann.
»Ich habe eine Idee. Ich appariere zu Remus, er hat viele Heiltränke da, vielleicht kann er Harry erst mal helfen«, sagte Bill.
»Gut, dann mach das. Es ist zwar sehr spät, aber vielleicht ist er ja noch wach«, sagte Arthur dann. Bill nickte und stand auf, ein letztes Mal sah er zu Harry, dann disapparierte er.
Severus und Remus hatten die Gegend, bis es dunkel wurde abgesucht. Sie hatten keinerlei Spuren gefunden, es schien, als sei Harry wie vom Erdboden verschluckt zu sein. Sie waren zurück in Remus' Haus, in der Hoffnung, dass der Junge vielleicht den Weg zurückfinden würde.
»Wo kann er nur sein?«, fragte Remus erschöpft und ließ sich in einen Sessel sinken.
»Ich weiß es nicht«, sagte Severus ebenso matt und strich Remus kurz über die Wange.
»Es ist meine Schuld«, sagte er dann und setzte sich auf die Couch. Remus schüttelte den Kopf.
»Nein, wir beide haben schuld. Das ist jetzt nicht mehr wichtig«, sagte der Werwolf, setzte sich zu Severus und nahm dessen Hand.
»Morgen finden wir ihn«, sagte dieser und küsste Remus' Schläfe, als es an der Tür klopfte. Sofort sprang Remus auf und rannte in den Flur. Er riss die Tür auf und stockte.
»Bill?«
»Guten Abend Remus, es tut mir leid, dass ich jetzt noch störe, aber ich habe Licht gesehen und ...«, in diesem Moment sah er Severus, der ebenfalls in den Flur trat.
»Oh Professor, guten Abend«, sagte er.
»Guten Abend, Mr. Weasley«, sagte Severus.
»Also Bill, es ist gerade schlecht wir ...«
»Harry Potter ist bei uns zu Hause«, unterbrach Bill nun Remus.
»Was? Er ist bei euch?«
»Ja ... ähm ... er kam also von hier?«
»Ja, er war hier ... e-er ist weggelaufen, weil ... wir suchen ihn schon seit Stunden«, sagte Remus drängend.
»Ich habe ihn draußen gefunden. Er muss im Unwetter gewesen sein. Er war vollkommen ausgekühlt und nun fiebert er sehr hoch und atmete nicht richtig, wir wollten ihn schon ins Mungo's bringen, aber ich dachte, du hättest Tränke und ...«
»Wir gehen, sofort«, kam es nun von Severus, der bereits nach seinem Umhang griff.
»O-Okay, dann los«, sagte Bill und alle drei disapparierten.
Als sie in die Wohnküche des kleinen Hauses kamen, kam Molly ihnen schon entgegen.
»Bill, da bist du ja, Harry er ... oh Remus hallo und ... Severus, wie ...«
»Jetzt nicht Molly, was ist mit Harry?«, wollte Remus wissen.
»Oh, also es geht ihm nicht gut«, sagte die Frau und führte sie zu der Couch. Harry stöhnte und hustete im Schlaf. Severus kniete sich vor ihn und ließ seinen Zauberstab über den Jungen wandern.
»Er hat eine Lungenentzündung«, sagte er knapp, griff in seine Tasche und holte eine Phiole heraus.
»Bill«, sagte er knapp und der junge Mann verstand. Er hob Harrys Kopf an und drückte auf den Kiefer, während Severus den Trank in den Mund des Jungen laufen ließ.
»Wir müssen ihn die Nacht überwachen«, sagte Severus dann und stand auf.
»Also, wie kam Harry zu dir?«, wollte Bill dann an Remus gewandt wissen.
»Er war bei dir?«, fragte Arthur überrascht.
»Ja, das ist eine längere Geschichte«, sagte Remus.
»Ich koche Tee«, sagte Molly lächelnd und sie setzten sich an den Küchentisch, während Bill bei Harry am Sofa sitzen blieb.
»Das ist ja furchtbar«, sagte Molly stockend, nachdem Remus fertig erzählt hatte.
»Ja, das ist es«, sagte Severus schließlich.
»Und was wird nun aus ihm?«, wollte Arthur wissen.
»Erstmal bleibt er bei mir ... bei uns«, sagte Remus und griff über den Tisch nach Severus' Hand, der sanft lächelte. Die Anwesenden sahen sich überrascht an, sagten aber nichts, nur Bill konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen.
»Dumbledore will eine andere Lösung für nächsten Sommer finden«, erklärte Severus.
»Eine andere Lösung, wie soll die aussehen?«, fragte Arthur.
»Das wissen wir nicht, aber Harry hat Angst, dass er zurück zu seinen Verwandten muss«, erklärte Remus.
»D-Das wird er doch nicht machen?«, fragte Molly zitternd.
»Ich denke nicht, aber ich werde ihn überzeugen, dass Harry bei Remus am besten aufgehoben wäre. Auch wenn da die Sache mit dem Werwolf ist, so wird er einsehen, dass er dort ein Zuhause finden kann.«
»Das würdest du tun?«, fragte Remus überrascht. Severus sah ihn an und lächelte.
»Ja, denn es ist das Richtige. Er braucht dich, denn er hat bereits alles verloren, das ist mir jetzt klar geworden«, sagte Severus und Remus nickte. Besorgt sah Bill hinunter zu Harry und strich ihm sanft über die glühende Wange.
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