Schlange, Wolf & Tatze II
Harry stand neben Bill in der großen Halle von Gringotts und beobachtete fasziniert, wie die Kobolde geschäftig hin und her eilten, Dokumente austauschten und dabei leise, aber energisch miteinander sprachen. Die Atmosphäre in der Zaubererbank war geschäftig, doch auch in einer merkwürdigen Weise ruhig und geordnet, als würde jeder Schritt und jede Bewegung genauestens geplant sein. Bill führte Harry durch die verschiedenen Bereiche der Bank und erklärte ihm, was ein Fluchbrecher alles zu tun hatte.
»Es ist eigentlich ein ziemlich aufregender Job«, sagte er und zeigte auf eine große Karte, die an der Wand hing und verschiedene magische Orte in der Welt markierte. »Wir reisen an die verschiedensten Orte, um verborgene Schätze zu finden und die Flüche zu brechen, die sie schützen. Es kann gefährlich sein, aber das macht es auch spannend.« Harry nickte beeindruckt.
»Klingt wirklich spannend. Ist sicher nie langweilig.« Bill lachte leise und zuckte mit den Schultern.
»Doch, manchmal ist es auch das. Nicht jeder Tag ist ein Abenteuer. Wenn wir nicht gerade auf einer Mission sind, kümmern wir uns um alltägliche Dinge hier in der Bank – Konten verwalten, Kunden betreuen, solche Sachen. Es ist ein bisschen wie bei jeder anderen Arbeit auch. Es gibt aufregende Tage und dann gibt es die Tage, an denen du einfach nur Dokumente durchsehen musst.« Harry sah sich um und konnte sich nicht vorstellen, dass es hier jemals langweilig sein könnte. Während sie weitergingen und Bill ihm weitere Details erklärte, bemerkte er jedoch, dass der Jungen neben ihm stiller wurde und irgendwie in sich gekehrt wirkte. Bill, der ein gutes Gespür für Menschen hatte, oder eben auch ein sehr gutes, was Harry an ging, drehte sich zu diesem.
»Was ist los, Kleiner? Du siehst aus, als würde dich etwas beschäftigen.« Harry zögerte einen Moment, bevor er den Blick hob und Bill unsicher ansah.
»Es ist nur ... der Streit vorhin. Es tut mir leid, dass ich so wütend war. Ich habe Angst, dass sie mich jetzt nicht mehr liebhaben.« Bill lächelte sanft und legte eine Hand auf Harrys Schulter.
»Das brauchst du nicht. Jeder streitet sich mal, vor allem in einer Familie. Glaub mir bei uns fliegen oft die Fetzen. Das bedeutet nicht, dass sie dich weniger lieben. Im Gegenteil, Streit ist manchmal sogar ein Zeichen dafür, dass man sich genug vertraut, um ehrlich seine Meinung zu sagen.« Harry sah zu Boden und zog die Schultern hoch.
»Ich weiß nicht. Es hat sich einfach so schlimm angefühlt. Ich wollte nur dabei sein, um Sirius zu unterstützen.« Bill nickte verstehend.
»Und das ist vollkommen nachvollziehbar. Aber weißt du was? Remus und Severus wollten dich nur beschützen, weil sie dich lieben. Sie wollten nicht, dass du etwas hörst, was dich verletzen könnte. Das zeigt doch nur, wie sehr sie sich um dich sorgen.« Harry sah langsam auf und nickte, auch wenn er immer noch ein bisschen unsicher war.
»Aber was, wenn sie jetzt enttäuscht von mir sind?« Bill schüttelte den Kopf und lächelte aufmunternd.
»Vertrau mir, sie sind nicht enttäuscht von dir. Du bist ein Teil ihrer Familie, und nichts wird das ändern. Jeder in einer Familie streitet sich mal. Was wichtig ist, ist, dass man danach darüber spricht und alles wieder in Ordnung bringt.« Harry konnte nicht anders, als ein wenig zu lächeln.
»Glaubst du wirklich, dass alles wieder gut wird?«
»Natürlich«, sagte Bill entschieden. »Sie lieben dich, und das wird sich durch einen Streit nicht ändern. Das ist das Wichtigste, was du dir merken solltest.« Harry atmete tief durch und nickte, fühlte sich ein bisschen besser.
»Danke, Bill.«
»Gern geschehen«, antwortete dieser mit einem freundlichen Lächeln. »Und jetzt, wie wäre es, wenn wir uns noch ein paar der magischen Artefakte hier ansehen? Vielleicht können wir sogar ein paar alte Flüche zusammen entschlüsseln.« Harrys Augen leuchteten auf, und er folgte Bill bereitwillig durch die Gänge von Gringotts, seine Sorgen zumindest für den Moment beiseitegeschoben.
Gegen Mittag saßen Harry und Bill an einem der kleinen, runden Tische vor einem belebten Café in der Winkelgasse. Die Sonne schien warm auf die gepflasterte Straße, und überall um sie herum herrschte geschäftiges Treiben. Hexen und Zauberer eilten von Geschäft zu Geschäft, und die Luft war erfüllt von den verschiedensten Düften – frisches Brot, süße Leckereien und die unverwechselbare Mischung aus Zaubertränken, die aus dem nahegelegenen Geschäft herüberwehte. Trotz der lebhaften Atmosphäre war Harry wieder ungewöhnlich still, nachdem er den restlichen Vormittag mit großer Freude Bill bei der Arbeit begleitet hatte. Er starrte auf sein Sandwich, das er kaum angerührt hatte, und schien in Gedanken versunken. Bill, der gerade in sein eigenes Essen gebissen hatte, bemerkte die abwesende Miene des Jungen und legte sein Sandwich zur Seite.
»Du siehst aus, als würde dich immer noch etwas beschäftigen«, sagte er ruhig. Harry sah auf und zögerte einen Moment, bevor er schließlich sprach.
»Bill, glaubst du ... glaubst du, dass sich jetzt alles ändern wird, wenn Sirius wirklich freikommt?« Der junge Mann runzelte leicht die Stirn und lehnte sich zurück, um Harry besser ansehen zu können.
»Wie meinst du das, dass sich alles ändern wird?« Harry atmete tief durch und sah sich kurz um, als wolle er sicherstellen, dass niemand in der Nähe war, der zuhören könnte.
»Ich meine... Remus und Severus haben mir erzählt, dass Sirius und Severus in ihrer Schulzeit nicht besonders gut miteinander auskamen. Eigentlich haben sie sich gehasst. Sirius hat sogar... er hat mal versucht, Severus zu Remus zu locken, als Remus sich gerade in einen Werwolf verwandelt hatte. Severus hätte sterben können.« Bill nickte langsam, seine Augen voller Verständnis.
»Ja, ich erinnere mich daran, dass das mal erzählt wurde. Es war eine wirklich schreckliche Sache, die Sirius da gemacht hat. Aber, Harry, das war vor langer Zeit. Die Dinge waren damals anders.« Harry sah auf seine Hände, die auf dem Tisch ruhten, und sein Gesichtsausdruck war unsicher.
»Aber was ist, wenn sie sich wieder streiten? Was, wenn sich jetzt alles ändert u-und sie mich dann vielleicht nicht mehr wollen?« Bill beugte sich vor und legte eine Hand auf Harrys Arm.
»Hey, jetzt hör mir mal genau zu. Remus, Severus und Sirius – sie alle sind erwachsen geworden. Die Dinge, die in der Schulzeit passiert sind, waren schlimm, ja, aber die Menschen verändern sich. Sie lernen aus ihren Fehlern, und sie sehen die Welt anders, wenn sie älter werden. Du hast damit nichts zu tun!« Harry sah Bill an, seine Augen verrieten, wie sehr ihn die ganze Situation belastete.
»Aber was, wenn es trotzdem nicht funktioniert? Was, wenn sie sich immer noch hassen?« Bill lächelte sanft.
»Das ist eine berechtigte Sorge, aber ich denke, dass Remus, Severus und Sirius alle genug durchgemacht haben, um zu wissen, dass sie sich nicht an alten Feindseligkeiten festhalten sollten. Remus und Severus haben jetzt eine Familie mit dir, und ich bin sicher, dass sie alles tun werden, um sicherzustellen, dass sich daran nichts ändert. Und wenn Sirius wirklich freikommt, dann wird auch er erkennen, wie wichtig es ist, nach vorn zu schauen und nicht in der Vergangenheit stecken zu bleiben.« Harry nickte langsam, aber die Unsicherheit war immer noch in seinen Augen zu sehen.
»Ich hoffe, dass du recht hast. Ich will nur nicht, dass alles, was wir haben, kaputt geht.«
»Das wird es nicht«, versicherte Bill. »Und selbst wenn es am Anfang schwer ist, wirst du sehen, dass sie alle drei stark genug sind, um das durchzustehen. Sie wissen, wie viel dir das bedeutet, und sie werden es nicht aufs Spiel setzen.« Harry ließ Bills Worte auf sich wirken, und allmählich begann ein Gefühl von Erleichterung durch die Unsicherheit zu sickern.
»Okay, danke.«
»Klar«, sagte Bill und lächelte ihn aufmunternd an. »Und vergiss nicht, dass du nicht allein bist.« Harry erwiderte Bills Lächeln schwach und nahm endlich einen Bissen von seinem Sandwich. Auch wenn die Unsicherheit nicht ganz verschwunden war, fühlte er sich doch etwas besser. Bill hatte recht – die Menschen veränderten sich, und es gab Hoffnung, dass sie alle gemeinsam eine Zukunft ohne die Schatten der Vergangenheit aufbauen könnten.
Sirius saß erschöpft auf der Couch im Wohnzimmer von Remus' Cottage, das Licht des späten Nachmittags fiel durch die Fenster und tauchte den Raum in ein sanftes, goldenes Leuchten. Die letzten Stunden hatten ihn vollkommen ausgelaugt, sowohl körperlich als auch emotional. Es fühlte sich surreal an, hier zu sein, in einem echten Haus, weit entfernt von den kalten, feuchten Wänden von Askaban. Remus stand unsicher in der Nähe und beobachtete ihn aufmerksam, während Severus in einen angrenzenden Raum gegangen war, um einige Tränke und frische Kleidung zu holen.
»Weißt du, Moony«, sagte er mit brüchiger Stimme, »ich habe dein Haus schon immer gemocht. Es hat etwas Beruhigendes, etwas, das mich an die guten alten Zeiten erinnert.« Remus, der bei Sirius' Worten den Kopf gesenkt hatte, sah nun auf und versuchte zu lächeln. Doch er war offensichtlich überfordert, nicht sicher, wie er auf diese Nostalgie reagieren sollte. Die Freude über Sirius' Freilassung mischte sich mit der Unsicherheit darüber, wie sich alles jetzt verändern würde.
»Danke«, murmelte Remus schließlich und trat näher an die Couch heran. »Ich bin froh, dass du hier bist... aber es ist schwer, all das zu begreifen.« Sirius nickte langsam und schloss für einen Moment die Augen, bevor er sie wieder öffnete und Remus direkt ansah.
»W-wie ist es passiert? Wie habt ihr Peter geschnappt?« Remus seufzte tief, suchte nach den richtigen Worten, als Severus gerade wieder den Raum betrat. Er trug ein Tablett mit verschiedenen Tränken und stellte es vorsichtig auf den kleinen Tisch vor der Couch ab. Der Moment der Spannung war spürbar, als Sirius' Blick auf Severus fiel, und für einen Moment erinnerte sich Sirius an ihre alte Feindschaft. Doch er sagte nichts, stattdessen wandte er sich wieder Remus zu, erwartete eine Erklärung.
»Es war Harry«, begann Remus schließlich, und Sirius' Augen weiteten sich vor Überraschung. »Er hat etwas bemerkt, das uns allen entgangen war. Ron Weasleys Ratte, Krätze... sie war in Wirklichkeit Peter. Harry hat es erkannt und uns gewarnt. Ohne ihn wäre Peter wahrscheinlich noch immer auf freiem Fuß.« Sirius starrte Remus ungläubig an, als er die Worte auf sich wirken ließ.
»Harry? Aber... wie konnte er...?« Severus, der die ganze Zeit über still geblieben war, trat nun näher und sprach ruhig.
»Harry ist ein außergewöhnlicher Junge. Er hat ein Gespür für Dinge, die anderen entgehen.« Sirius sah zwischen Remus und Severus hin und her, als versuchte er, die Bedeutung dessen, was er gerade gehört hatte, zu erfassen.
»Aber ... warum war Harry überhaupt bei dir, Remus? Und Snape? Warum hilfst du offenbar?« Die Spannung im Raum wuchs spürbar, und Remus schien einen Moment lang unsicher, wie er antworten sollte. Doch dann entschied er sich für die Wahrheit.
»Harry lebt bei mir, Sirius. Bei mir und ... bei Severus. Wir haben ihn adoptiert.« Sirius' Augen weiteten sich vor Schock, und für einen Moment war er sprachlos.
»Ihr ... habt ihn adoptiert?« Seine Stimme war ein Flüstern. »Aber... wie... warum?« Remus atmete tief durch und setzte sich auf die Armlehne der Couch.
»Es ist eine lange Geschichte. Aber kurz gesagt, Harry brauchte ein Zuhause. Die Dursleys haben ihn schrecklich behandelt, und als ich ihn fand, konnte ich ihn nicht einfach zurücklassen. Und ... Severus war es, den ich um Hofe bat. Er kam und half und ... er blieb.« Sirius sah zu Severus, und in seinen Augen lag eine Mischung aus Verwirrung und dem alten Misstrauen, das sie immer begleitet hatte.
»Aber ... du und Severus?« Severus trat vor, sein Gesichtsausdruck blieb ruhig und kontrolliert.
»Ja, Sirius. Remus und ich sind ein Paar. Wir haben Harry zusammen adoptiert, um ihm ein sicheres Zuhause zu geben. Es mag überraschend sein, aber die Dinge ändern sich.« Sirius schloss für einen Moment die Augen, um alles zu verarbeiten. Die letzten Jahre in Askaban hatten ihn aus der Welt herausgerissen, und jetzt schien alles anders zu sein. Doch tief in seinem Inneren spürte er, dass er keine andere Wahl hatte, als diese neue Realität zu akzeptieren.
»Ich hätte nie gedacht ...«, murmelte er, bevor er tief durchatmete und langsam nickte. »Tja, dann okay und was jetzt?«, wollte er dann wissen. Severus reichte ihm zwei Tränke.
»Trink das, dann geht es dir gleich besser und keine Angst, es ist kein Gift«, sagte er spitzer als beabsichtigt. Aber Sirius nahm die Tränke kommentarlos und spürte, dass er langsam wieder zu Kräften kam. Er richtete sich etwas auf der Couch auf und sah zwischen Remus und Severus hin und her. Ein Ausdruck, der sowohl Neugierde als auch eine gewisse Herausforderung zeigte, trat auf sein Gesicht.
»Also«, begann er, seine Stimme klang nun etwas fester, »wie genau ist das zwischen euch beiden passiert?« Remus, der noch immer neben ihm saß, warf Severus einen kurzen, besorgten Blick zu.
»Es ist ... kompliziert, Sirius. Aber es hat nicht erst jetzt angefangen. Severus und ich waren schon in Hogwarts zusammen.« Sirius' Augenbrauen schossen in die Höhe, und ein Ausdruck reiner Überraschung durchzog sein Gesicht.
»In Hogwarts?«, fragte er ungläubig. Er schien die Information verarbeiten zu müssen, bevor sein Blick plötzlich wütender wurde und er Severus anfunkelte.
»Dann warst du es also, der ihm das Herz gebrochen hat?« Severus hielt Sirius' herausforderndem Blick stand, auch wenn eine Spur von Schuld in seinen Augen aufflammte. Er wusste, dass dieser Moment kommen würde, und er war vorbereitet, sich den Konsequenzen seiner Vergangenheit zu stellen.
»Ja«, sagte er ruhig und ehrlich. »Das war ich. Ich habe Remus das Herz gebrochen. Und ich bereue es zutiefst. Aber es war nicht aus Bosheit. Es war ... aus Angst.« Sirius, der seine Wut nur schwer unter Kontrolle hielt, sah Severus skeptisch an.
»Angst? Wovor?« Severus seufzte und setzte sich auf einen der Sessel, um Sirius direkt in die Augen zu sehen.
»Angst vor der Reaktion der anderen. Angst davor, was die anderen Schüler – was seine Freunde – sagen oder tun würden, wenn sie es herausfinden. Ich hatte Angst, dass ich alles verlieren würde, wenn jemand davon erfährt. Ich war jung und dumm, und ich habe einen Fehler gemacht, den ich nicht mehr rückgängig machen kann.« Remus sah zwischen den beiden Männern hin und her, und seine Augen verrieten, dass er die Spannung spürte, die im Raum hing. Er legte eine Hand auf Sirius' Schulter, als wollte er ihn beruhigen.
»Es war schwer. Für uns beide. Aber das ist lange her, und wir haben darüber gesprochen, wir haben es aufgearbeitet.« Sirius' Blick blieb hart, doch das Feuer in seinen Augen loderte weniger heiß.
»Und du hast ihm verziehen?« Remus nickte langsam.
»Ja, das habe ich. Weil ich inzwischen verstehe, warum er es getan hat. Es war eine andere Zeit, und wir waren jung. Aber wir haben daraus gelernt, und wir sind jetzt stärker als je zuvor.« Severus nickte zustimmend, seine Stimme war ruhig, aber bestimmt.
»Remus und ich haben viel durchgemacht, und es hat uns hierher gebracht. Ich weiß, dass du mich immer gehasst hast, Black. Aber ich werde alles tun, um sicherzustellen, dass Remus und Harry sicher und glücklich sind. Das ist alles, was für mich zählt.« Sirius sah für einen langen Moment zwischen den beiden hin und her, als versuchte er, die Worte zu wägen und zu entscheiden, ob er ihnen glauben sollte. Schließlich seufzte er schwer und ließ die Spannung aus seinen Schultern fallen.
»Ich kann nicht sagen, dass ich glücklich darüber bin, wie das damals lief, aber ... ich sehe, dass es dir ernst ist, Snape. Und ich sehe, dass Remus glücklich ist. V-Vielleicht, ist das, das Wichtigste.« Remus lächelte leicht und drückte Sirius' Schulter.
»Es ist das Wichtigste, Sirius. Wir sind alle erwachsen geworden. Und jetzt müssen wir nach vorne schauen.« Severus nickte, sichtlich erleichtert, dass die Konfrontation glimpflicher verlaufen war, als er befürchtet hatte. Sirius erhob sich langsam und schwerfällig von der Couch, seine Bewegungen waren immer noch von der langen Gefangenschaft in Askaban geprägt.
»Ich denke, ich werde dann mal gehen«, murmelte er und vermied es, sowohl Remus als auch Severus direkt anzusehen. »Grimmauld Place ist ja wohl das Einzige, was mir noch bleibt. Ich werde mich da einrichten und ... na ja, vielleicht kann ich Harry irgendwann wiedersehen.« Die Resignation in seiner Stimme war nicht zu überhören, und es schien, als hätte er sich schon damit abgefunden, wieder in die Einsamkeit zurückzukehren, die ihn so lange gefangen gehalten hatte. Doch bevor er die Möglichkeit hatte, zur Tür zu gehen, trat Severus einen Schritt vor und hielt ihn auf.
»Sirius, warte«, sagte er, seine Stimme ruhig, aber mit einem Hauch von Entschlossenheit, der nicht zu überhören war. »Du solltest nicht in den Grimmauld Place zurückkehren. Du bist krank und geschwächt, und das Letzte, was du jetzt brauchst, ist, allein in diesem düsteren Haus zu sein. Bleib hier bei uns.« Sirius blinzelte überrascht, seine Augen verengten sich leicht, als er versuchte, Severus' Angebot zu verstehen.
»Ich will euch nicht stören«, erwiderte er mit einer Mischung aus Trotz und Unsicherheit. »Ich weiß, dass ich... dass wir...«
»Du störst nicht«, unterbrach ihn Severus ruhig, seine Augen fest auf Sirius gerichtet. »Wir haben alle genug durchgemacht, um zu wissen, dass es Zeit ist, die Befindlichkeiten aus unserer Schulzeit hinter uns zu lassen. Was damals war, ist vorbei. Was jetzt zählt, ist, wie wir nach vorne schauen.« Remus, der bisher still zugehört hatte, trat nun ebenfalls näher und legte Sirius eine Hand auf den Arm.
»Sev hat recht. Die Zeiten haben sich geändert, und wir sind keine Kinder mehr. Du brauchst jetzt Ruhe und Unterstützung, und wir sind hier, um dir das zu geben.« Sirius sah beide Männer einen langen Moment an, und in seinen Augen war ein innerer Kampf zu erkennen. Die alten Wunden und der Stolz stritten sich mit der neuen Realität, die sich vor ihm auftat. Schließlich atmete er tief durch und ließ die Spannung aus seinen Schultern fallen.
»Vielleicht habt ihr recht«, sagte er leise, ein Hauch von Erschöpfung in seiner Stimme. »Die Zeiten sind andere, und ... ich bin es müde, gegen Geister aus der Vergangenheit zu kämpfen.« Remus lächelte erleichtert und drückte Sirius' Arm sanft.
»Es ist gut, dass du das einsiehst. Also, was sagst du? Würde dir das Wohnzimmer als Schlafplatz reichen?« Sirius nickte langsam, ein schwaches Lächeln zog über seine Lippen.
»Ja, das würde es. Danke, Moony. Danke, Sna- ... Severus.« Dieser nickte nur leicht und trat zur Seite, um Sirius den Weg freizugeben. Der Black ließ sich wieder auf die Couch sinken, seine Erschöpfung war deutlich sichtbar. Doch diesmal war da ein Funke von Hoffnung in seinen Augen, als er sich in dem Raum umsah, der ihm jetzt für eine Weile ein Zuhause bieten sollte. Remus ging zu einem Schrank und holte Decken und Kissen hervor, die er auf der Couch verteilte.
»Mach es dir bequem. Du wirst sehen, dass alles besser wird.« Sirius nahm die Decken entgegen und legte sich auf die Couch, die weiche Polsterung war eine Wohltat im Vergleich zu den harten, kalten Böden von Askaban.
»Danke, Moony.« Remus und Severus sahen sich einen Moment lang an, eine stille Übereinkunft zwischen ihnen. Sie würden alles tun, um sicherzustellen, dass diese neue, fragile Realität nicht zerbrach. Die Vergangenheit lag hinter ihnen, und gemeinsam würden sie eine neue Zukunft aufbauen – für Harry, für sich selbst und jetzt auch für Sirius. Dessen Atem wurde nun langsam gleichmäßiger. Die lange Gefangenschaft, die Anstrengungen des Tages und die ungewohnte Sicherheit, die er nun fühlte, überwältigten ihn, und es dauerte nicht lange, bis er völlig in den Schlaf versank. Severus und Remus standen noch einen Moment im Wohnzimmer und beobachteten den schlafenden Mann, bevor sie sich leise hinaus in den Garten zurückzogen. Die Nachmittagsluft war warm und die Geräusche des Gartens – das Rascheln der Blätter, das entfernte Zwitschern der Vögel – schufen eine beruhigende Atmosphäre. Remus blieb neben dem kleinen Gartentisch stehen und drehte sich zu Severus um, seine Augen zeigten eine Mischung aus Erleichterung und Dankbarkeit.
»Danke, Sev«, sagte er leise, seine Stimme voller Ernsthaftigkeit. »Danke, dass du Sirius hilfst, trotz allem, was zwischen euch war.« Severus, der gerade einen tiefen Atemzug der frischen Luft genommen hatte, wandte sich Remus zu und zog ihn sanft in seine Arme.
»Remy«, begann er, seine Stimme war ruhig und fest, »ich tue das nicht nur für dich. Ich tue es auch für Harry.« Remus legte den Kopf gegen Severus' Brust, hörte das ruhige Pochen seines Herzens und fühlte die Sicherheit, die diese Umarmung ihm gab.
»Ich weiß«, flüsterte er, während er Severus' Hemd leicht in den Händen hielt. »Aber es bedeutet mir trotzdem viel. Sirius ist ... war immer wie ein Bruder für mich.« Severus nickte, seine Hände strichen sanft über Remus' Rücken, beruhigend und schützend zugleich.
»Ich verstehe das«, sagte er leise. »Und ich weiß, dass es für dich nicht einfach ist. Aber wir sind alle durch viel gegangen, und Harry braucht jetzt alle, die ihm wichtig sind. Wenn das bedeutet, dass ich mit Sirius Frieden schließen muss, dann werde ich das tun.« Remus hob den Kopf und sah Severus an, seine Augen waren voller Zuneigung und Dankbarkeit.
»Du bist unglaublich, weißt du das?« Der andere schmunzelte leicht, ein Ausdruck, der in seinem sonst so ernsten Gesicht selten zu sehen war.
»Ich tue, was nötig ist. Für dich, für uns, und für Harry.« Remus lehnte sich wieder gegen ihn, genoss die Wärme und die Nähe, die er in diesen Momenten so dringend brauchte.
»Ich wünschte, die Dinge wären einfacher. Aber es ist gut zu wissen, dass wir das gemeinsam durchstehen können.«
»Wir werden das schaffen«, versicherte Severus ihm. »Wir haben schon so viel hinter uns, und jetzt, wo wir hier sind, werden wir alles tun, um das Beste daraus zu machen. Zusammen.« Remus schloss die Augen und atmete tief ein, ließ die Ruhe des Gartens und die Sicherheit von Severus' Umarmung auf sich wirken. In diesem Moment wusste er, dass sie, egal was die Zukunft bringen mochte, gemeinsam stark genug sein würden, um alles zu überwinden.
Harry stand vor dem Haus und konnte spüren, wie sein Herz schneller schlug. Die Neuigkeiten, dass Sirius Black freigekommen war, hatten sich wie ein Lauffeuer in der Zaubererwelt verbreitet, und obwohl Harry erleichtert war, hatte er jetzt, als er vor der Tür seines Zuhauses stand, doch Angst vor dem, was auf ihn zukommen würde. Der Streit vom Morgen war noch frisch in seinem Gedächtnis, und die Unsicherheit, wie Remus und Severus darauf reagieren würden, machte ihm zusätzlich zu schaffen. Bill, der an seiner Seite stand, bemerkte Harrys Anspannung und legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter.
»Alles wird gut, Kleiner«, sagte er mit seiner gewohnt warmen Stimme. »Und denk daran, wenn es dir zu viel wird, kannst du jederzeit ein paar Tage im Fuchsbau bleiben. Du hast noch Zeit, dich an alles zu gewöhnen. Die Schule beginnt erst in zwei Wochen, und du musst nicht alles sofort verarbeiten.« Harry nickte, fühlte sich ein wenig besser durch Bills Worte, auch wenn die Nervosität noch immer in ihm nagte. Gemeinsam gingen sie zur Tür und klopften. Es dauerte nicht lange, bis die Tür geöffnet wurde, und Remus stand da, sein Gesicht zeigte sofort Besorgnis, als er Harrys Ausdruck sah. Ohne zu zögern, zog er Harry in eine feste Umarmung.
»Es tut mir so leid«, flüsterte Harry, seine Stimme brach, während Tränen in seine Augen traten. »Dad, ich wollte nicht so ... ich wollte nicht wütend sein.« Remus hielt ihn fest und strich ihm beruhigend über den Rücken.
»Es ist in Ordnung, Welpe. Es ist alles in Ordnung. Jeder macht Fehler, und wir verstehen, wie du dich gefühlt hast.« Severus, der kurz nach Remus zur Tür gekommen war, trat näher und legte eine Hand auf Harrys Kopf, fuhr sanft durch das schwarze Haar.
»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Wir verstehen, dass das alles viel für dich ist.« Harry nickte, seine Tränen trockneten langsam, und er sah zu Bill, der ihm ein aufmunterndes Lächeln schenkte.
»Danke, Bill«, sagte Severus ruhig. Bill lächelte zurück und nickte.
»Keine Ursache. Harry, denk daran, was ich gesagt habe. Und wenn du etwas brauchst, du weißt, wo du mich findest.« Harry nickte erneut, und Bill verabschiedete sich, ließ Harry in den Armen seiner Väter zurück. Remus und Severus führten ihn ins Haus.
»Wir sind froh, dass du wieder hier bist«, sagte Remus leise, als er Harry sanft über das Haar strich. »Du musst keine Angst haben. Wir sind eine Familie, und nichts, was passiert ist, wird das ändern.« Harry hob langsam den Kopf und sah seine Väter an. Ihre Worte beruhigten ihn, doch bevor er etwas sagen konnte, hörte er Schritte auf der Treppe. Als sie aufsahen, kam Sirius, gerade herunter. Er hatte offensichtlich geduscht, seine Haare waren kürzer und gepflegt, und die groben Spuren seiner Zeit in Askaban schienen fast verschwunden zu sein. Sirius hielt auf halber Treppe inne, als er Harry bemerkte. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, ein Lächeln, das so vertraut und gleichzeitig fremd wirkte.
»Harry«, sagte er, seine Stimme war sanft, fast vorsichtig, als wüsste er nicht genau, was er erwarten sollte. Harry starrte ihn an, fasziniert von dem Mann, der ihm auf eine seltsame Weise vertraut vorkam. Es war, als hätte er ihn schon einmal gekannt, obwohl er ihn noch nie zuvor wirklich getroffen hatte.
»Sirius«, flüsterte er, seine Stimme fast ehrfürchtig. Sirius trat den letzten Schritt die Treppe hinunter und blieb dann unsicher stehen, als wüsste er nicht genau, wie er sich verhalten sollte.
»Es ist gut, dich zu sehen«, sagte er schließlich, seine Augen durchdringend, aber warm. »Ich habe so viel von dir gehört ... und jetzt stehst du hier.« Harry konnte die Wärme in Sirius' Stimme spüren und die Zuneigung, die dieser Mann für ihn empfand, auch wenn sie sich kaum kannten.
»I-ich habe auch viel von dir gehört«, antwortete Harry schließlich, seine Stimme etwas gefasster. »Ich freue mich, dich kennenzulernen.« Sirius lächelte ein wenig breiter und trat näher, aber er hielt dennoch einen respektvollen Abstand ein, als ob er sicherstellen wollte, dass Harry sich nicht bedrängt fühlte.
»Ich freue mich auch.« Remus und Severus beobachteten die Szene mit einem leisen Lächeln. Remus spürte die Anspannung in Harry langsam nachlassen und war dankbar, dass sich die Situation so ruhig und natürlich entwickelte.
»Sirius wird eine Weile bei uns bleiben«, sagte Severus dann sacht, seine Hand noch immer auf Harrys Schulter ruhend. Dieser nickte langsam, sein Blick blieb auf Sirius gerichtet, und zum ersten Mal seit dem Morgen fühlte er, dass die Zukunft, die vor ihm lag, nicht nur voller Herausforderungen, sondern auch voller neuer Erfahrungen war.
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