| FIVE |
ℒ𝒾𝒶
Mitch ging mir unheimlich auf die Nerven. Diese ganze Fragerei und dieses seltsame Getue ... Ich fragte mich wirklich, was er damit bezwecken wollte.
Schon als Kind war der Kerl mir weder sympathisch, noch geheuer. Als er dann nach Australien gezogen war, hatte ich nichts mehr von ihm gehört. Ich fragte mich ohnehin, wieso Nick ausgerechnet ihn als Trauzeugen ausgewählt hatte und nicht Adele oder Jonah. Vermutlich, weil sie genug mit Max zu tun hatten.
Es war seltsam, dass Nick bisher kein Sterbenswörtchen über ihn verloren hatte. Aber das sah ihm ähnlich. Seitdem ich für mein Studium nach Kapstadt gezogen war, konnte ich deutlich spüren, wie die Distanz zu meinem Bruder und mir immer größer wurde. Selbst von seinem Antrag hatte ich als eine der letzten erfahren. Natürlich ließ ich mir nicht anmerken, dass es mich gekränkt hatte. Dennoch dachte ich oft darüber nach, ob es vielleicht doch an mir lag, dass sich unser Verhältnis zueinander verändert hatte.
Nachdem wir ausgestiegen waren und Nicks Wohnung betreten hatten, stand eine kreischende Ally in der Tür, die uns bereits zu erwarten schien.
»Lia! Endlich bist du hier!« Sie fiel mir direkt in die Arme, woraufhin ich mein Surfbrett fallen ließ. »Oh, entschuldige bitte! Hast du dir wehgetan?«
»Nein, nein!« Ich schmunzelte. »Alles in bester Ordnung! Ich freue mich auch sehr, dich zu sehen.«
Allys Art war einfach einmalig. Ich freute mich sehr für meinen Bruder, dass sie an seiner Seite war. Und es war nicht zu übersehen, wie sehr er sie liebte.
»Mach mal langsam, mein kleiner Wirbelwind!« Er umfasste ihre Taille und zog sie Ruckartig an sich heran, um ihr einen sanften Kuss auf die Stirn zu hauchen. »Lass Lia erstmal ankommen. Du überfällst sie ja regelrecht.«
»Oh nein, das tut mir so leid, Lia! Ich wollte dich nicht überfallen!« Sie zog eine Schnute. »Aber ich ich freue mich so sehr, dass ich gar nicht weiß, wohin mit meinen Emotionen! Als Nick mir gesagt hat, dass du schon früher kommst, habe ich mich ans Fenster gestellt und auf euch gewartet!«
»Äh, ... ich habe dir vor über einer Stunde gesagt, dass wir kommen«, merkte Nick an.
»Ich weiß«, Ally klatschte in die Hände, »Und ich habe seit deinem Anruf an diesem Fenster hier gestanden und auf euch gewartet. Zugegeben, zwischendrinnen war es ziemlich hart, weil ich ganz dringend auf die Toilette musste.«
»Okay ... und ... warst du jetzt auf der Toilette?«
»Ja, aber ich habe mich so beeilt, dass ich mir den kleinen Zehn am Türrahmen gestoßen habe. Und jetzt vermute ich, dass er gebrochen ist.«
»Ally ...«, raunte Nick. »Was machst du denn für Sachen?«
»Nicht so schlimm! Ich wollte ohnehin silberne Glitzerchucks zur Hochzeit tragen!«
Das wird Mom ganz und gar nicht gefallen, dachte ich mir. Aber immerhin war Ally die Braut. Es war ihre Hochzeit und sie musste sich wohlfühlen. Deshalb lag es an mir, meine Mom davon abzuhalten, mit ihrer toxischen Art schlechte Stimmung zu verbreiten.
»Chucks finde ich cool! Ich denke, dass ich auch welche tragen werde. Aber vermutlich weiße oder pinke, um der Braut nicht die Show zu stehlen.«
»Oh ja, das wäre so toll!« Ally löste sich aus Nicks Umarmung und stolperte zurück in den Hausgang. »Ich werde gleich mal Adele anrufen und sie fragen, ob sie auch Chucks anziehen würde!«
»Das ist eine großartige Idee!«, bestärkte ich sie. »Ich denke, Adele wird das gefallen.«
»Und Simone darf ich auch nicht vergessen! Im übrigen kommt sie auch mit, um mein Brautkleid auszusuchen ... Meine Mom schafft es leider nicht, weil Dad und sie noch in New York bei Tante Kisha sind.« Für einen kurzen Augenblick lang sah Ally traurig aus. Das verflog aber wieder, als sie in den nächsten Redefluss überging. »Aber das macht ja nichts! Schließlich habe ich jetzt noch eine zusätzliche Mom und eine Schwester!«
Ach, Ally ...
Sie war ein absoluter Sonnenschein. Ich glaube, es gab nichts, was sie jemals erschüttern könnte. Jedenfalls hoffte ich das. Ich selbst hatte Mom das letzte Mal an Weihnachten gesehen und da wusste sie sich immerhin noch zu benehmen. Für gewöhnlich wurde sie nämlich ganz biestig, wenn sie zu tief in die Eierpunsch-Schale schaute.
»Wollt ihr reinkommen? Ich habe gekocht und ...« Im nächsten Augenblick schlug Ally sich die Hand vor den Mund. »Scheiße! Ich habe gekocht und vergessen, den Herd auszuschalten!«
Bei Nick klingelten alle Alarmglocken. Er rannte hinein, um den Schaden zu begrenzen, gab aber schlussendlich Entwarnung. »Alles gut! Der Käse ist an den Seiten etwas angebrannt, aber das kann man auf jeden Fall noch essen.«
»Puh, ein Glück!« Ally ließ sich erleichtert auf einen der Küchenstühle fallen. »Nicht auszudenken, was alles hätte passieren können. Vielleicht sollten wir einen Ofen kaufen, der sich nach einer Stunde automatisch abschaltet.«
»Guter Plan!«, fügte Mitch hinzu, während er das Fenster öffnete, um zu lüften.
»Tja, was für ein Glück, dass an unsere Hochzeit ein Catering-Service für das Essen zuständig ist.« Abermals drückte Nick seiner tollpatschigen Verlobten einen Kuss auf den Scheitel. »Geh doch schon mal mit Lia hoch und leg ihr ein paar deiner Klamotten raus. Ihr habt bestimmt viel zu besprechen. Mitch und ich kümmern uns währenddessen um das Essen.«
»Tun wir?«, hakte er mit hochgezogener Augenbraue nach. Verstummte aber gleich wieder, als Nick ihm einen vielsagenden Blick zuwarf.
***
»Es geht doch nichts über eine erfrischende Dusche!«, sagte Ally, während sie ihren halben Kleiderschrank auf dem Bett ausleerte. »Willst du lieber ein Kleid anziehen, oder einen Rock?«
»Hast du auch eine kurze Hose und ein einfaches Top?«
Ally legte eine Hand an ihr Kinn und überlegte für einen Kurzen Moment lang. »Ja, jetzt wo du es sagst ... Ich habe da tasächlich was.«
Sie verschwand mit ihrem Oberkörper im Kleiderschrank und wühlte sich durch ihre Klamotten, bis sie eine weiße Hotpants gefunden hatte.
»Wie findest du die?«
Ich nahm das Kleidungsstück entgegen und betrachtete es für einen Augenblick lang. Ally war sehr zierlich, aber bei meinen Rundungen würde das Teil gerade so meine Pobacken bedecken.
»Vielleicht nehme ich doch lieber eines der Kleider ... Ich glaube nicht, dass ich die über meinen Po bekomme.«
»Warum denn nicht?!« Ally legte den Kopf schief. »Komm, ich ziehe hinten und du vorne!«
Ihr zuliebe versuchte ich es. Aber leider sollte ich recht behalten, denn die Hose ging zwar über meinen Hintern, aber leider nicht zu.
»Sowas Dummes aber auch!«, schnaubte sie. »Ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass dieser Kleiderschrank verhext ist!«
»Ver...hext?« Ich sah sie ungläubig an.
»Ja, verhext! Nachts um Mitternacht schweben kleine Geister durch den Schrank und machen die Klamotten zwei Nummern kleiner!« Sie zwinkerte mir zu. »Nick meinte zwar, das wäre albern, aber ich bin nach wie vor der festen Überzeugung, dass es an den Geistern liegt, dass mir über die Hälfte meiner Klamotten nicht mehr passt, und nicht an der Lasagne, die ich jeden zweiten Tag verdrücke.«
Ich prustete lauthals los. »Ach, Ally ... Du bist einfach einmalig!«
»Das nehme ich als Kompliment!« Dann reichte sie mir ein hellblaues Kleid. »Nimm das hier! Es ist zwar kurz, hat aber eine integrierte Baumwollhose. Sollte es also hochrutschen, wird niemand deinen Hintern sehen.«
Das klang schon mal besser, als die kurze Hose, die sie mir zuerst andrehen wollte. »Ich schenke dir das Kleid! Ich habe es ohnehin noch in einer anderen Farbe. Abgesehen davon hast du bestimmt keine frische Unterwäsche dabei und das Teil kann man auch ohne anziehen.«
Mir schoss die Röte in die Wangen, weil ich bereits vergessen hatte, dass Ally ihr Herz auf der Zunge trug. Sie sprach immer alles aus, was sie dachte. Und genau das mochte ich so an ihr.
»Danke, das ist total lieb!«
»Gern geschehen.«
»Dann ... werde ich mich wohl mal umziehen.«
»Oh, richtig! Ich sollte dir deine Privatsphäre lassen und zu den Jungs runtergehen.« Ally sprang auf und sprintete zur Tür. »Autsch, mein Zeh!«
»Ich glaube, du solltest langsam machen. Nicht, dass es schlimmer wird ...«
»Vermutlich lasse ich mich vor dem Abendessen doch nochmal zum Arzt fahren. Sicher ist sicher ... nicht, dass mein Zeh irgendwie Schief zusammenwächst.«
»Ja, das wäre blöd!«
»Gut, dann ... sehen wir uns später!« Und weg war sie.
Ich schlüpfte in das Kleid und freute mich sehr darüber, dass es im Brustbereich integrierte Einlagen hatte, sodass ich keinen BH mehr tragen musste. Es gab nichts, das ich mehr hasste, als einen durchscheinenden Brustansatz.
»Ach, Mist! Ich brauche noch eine Haarbürste!«, dachte ich mir und stürmte zurück ins Badezimmer. Doch als ich die Tür öffnete, erlebte ich eine böse Überraschung ...
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