
Neunundzwanzigster Teil
Als mein Handy klingelt, nehme ich den Anruf an und deute Tom und Phil, leise zu sein:
Ich: "Sindera?"
Ines: "Stephan! Ich bin es, Ines!"
Ich: "Hallo Ines. Was kann ich für dich tun?"
Ines: "Hast du eine Ahnung wo Janek steckt?"
Ich: "Warum?"
Ines: "Weil er nicht zuhause ist und wir schon Spätabends haben. Normalerweise ist er um diese Uhrzeit immer zuhause!"
Ich: "War er die letzten Tage immer so lange weg?"
Ines: "Ähm... Nein... Ich habe meistens schon früh geschlafen, da ich immer so fertig von der Arbeit bin und da war er in seinem Zimmer!"
Ich: "Hmmmm. Schon komisch oder?"
Ines: "Sag mal, interessierst du dich denn nicht für deinen Sohn? Also, Stephan, das enttäuscht mich schon ein wenig. Weist du, ich kümmere mich hier um alles und schaue das der Junge versorgt ist und seinen Pflichten nachkommt. Und du? Dich interessiert es nicht einmal, wenn er nicht aufzufinden ist!"
Ich: "Soso... Du kümmerst dich und hältst alles am laufen?"
Ines: "Natürlich, wer denn sonst?"
Ich: "Wann warst du denn das letzte mal zuhause?"
Ines: "Ich bin jeden Tag zuhause!"
Ich: "Oh, interessant. Dann wundert es mich, das dir gar nicht aufgefallen ist, das Janek schon seit Sonntag nicht mehr bei euch daheim ist!"
Ines: "Wie? Seit Sonntag? Stephan? Hältst du ihn vor mir versteckt?"
Ich: "Ines! Unser Sohn liegt seit Sonntag im Krankenhaus. Er ist am Freitag von der Schule heimgeschickt worden, da es ihm absolut nicht gut ging! Am Sonntag habe ich ihn in seinem Zimmer gefunden... Von Schmerzen gequält. Er hatte EINEN BLINDDARMDURCHBRUCH! WEIST DU EIGENTLICH WAS DAS BEDEUTET?"
Ines: "Mir hat man als Kind auch den Blinddarm entfernt, das stecken die gut weg!"
Ich: "Er hatte nicht nur eine Entzündung, ihm ist der Blinddarm geplatzt! Er hätte sterben können, wenn er nicht gefunden worden wäre!"
Ines: "Jetzt dramatisierst du aber!"
Ich: "WO WARST DU? JANEK GEHT ES SEHR SCHLECHT UND LIEGT AUF DER INTENSIVSTATION UND DU LÄSST ERST JETZT VON DIR HÖREN!"
Ines: "Hättest du früher angerufen und mich informiert, wäre ich auch früher gekommen!"
Ich platze fast vor Wut und beende einfach das Gespräch, bevor ich mich noch mehr in meinem Ton vergreife.
Mir platzen fast die Adern an meinem Hals, während die anderes Gäste der Cafeteria mich erschrocken mustern.
"Das... Da weiß man gar nicht, was man darauf sagen soll!" anscheinend haben die zwei Männer auch Ines' Aussage gehört, denn die wirken ziemlich schockiert.
"Stephan, die interessiert sich nicht einmal ansatzweise für ihren Sohn! Sie hat nicht einmal gefragt, wie es Janek geht!" Phil schüttelt verachtend seinen Kopf und verschränkt die Arme vor seiner Brust.
Wir alle haben nicht vermutet, das hinter meiner Ex so ein Monster steckt und sie solch ein unmensch gegenüber Janek ist.
Mir stellt sich immer wieder die Frage, wann genau sie sich so verändert hat.
Bevor ich mich weiter in meine Gedanken hineinsteigern kann, schneidet Phil das Thema Geburtstag an, da dieser in eineinhalb Wochen vor der Türe steht:
"Hast du schon was geplant? Eine fette Party wird ihm noch zuviel sein. Auch wenn sich sein Zustand bis dahin bessert, wird er immer noch nicht ganz fit und schmerzfrei sein!"
"Das dachte ich mir auch schon, deswegen hätte ich nur den engsten Kreis eingeladen. Wenn Janek wieder vollkommen gesund ist, können wir immer noch eine fette Party steigen lassen!" am liebsten hätte ich alle eingeladen die wir kennen, nur um Janek zu zeigen, wievielen Menschen er etwas bedeutet.
Denn dieses Gefühl der Dazugehörigkeit und das Vertrauen in sein Umfeld braucht er jetzt mehr denn je.
Als Tom und ich uns Janek's Zimmer nähern, hören wir schon eine lautstark schimpfende Stimme.
Wir stoppen kurz vor der Türe und lauschen dem Gespräch.
"Und was genau hast du dir dabei gedacht Janek?"
"Mama, ich..."
"Was habe ich dir das letzte Mal gesagt? Benehme dich nicht immer wie ein Kleinkind!"
"Ja, Ines. Entschuldigung!"
Ich wende mich, mit entsetztem Gesichtsausdruck zu Tom, dem gerade auch alle Gesichtszüge entglitten sind.
"Ach... Wegen dir habe ich jetzt deinen Vater an der Backe.... Kann man dich denn nicht mal ein paar Tage alleine lassen, ohne das du irgendeinen Mist baust?"
Janek zieht lautstark die Nase hoch, was mich vermuten lässt, das er weint.
Seine Stimme wird darauf ganz zittrig und leise:
"Das habe ich nicht mit Absicht gemacht. Ich wollte es schaffen, die Schmerzen auszuhalten, ehrlich! Aber es ging nicht!"
Ich falle gerade fast vom Glauben ab und will schon in das Zimmer stürmen, doch Tom hält mich mit einem Arm an meiner Brust zurück und schüttelt den Kopf.
"Was stelle ich nur mit dir an? Kind, du wirst sechzehn Jahre alt und schaffst es nicht einmal ein paar Tage alleine zu bleiben. Nur das du es weißt, ich kann mir keinen Urlaub nehmen, wenn du nach Hause kommst. Aber das wirst du doch schaffen, oder? Irgendjemand muss doch das Geld verdienen!"
Für eine Zeit lang ist es still.
Ich vermute das Janek als Antwort nur genickt hat, da er vor lauter Schluchzen kein Wort herausbekommt.
Als ich schon damit rechne, das kein weiterer Dialog mehr folgt, fängt Janek wieder an zu reden:
"Wo arbeitest du denn jetzt? Ich war in dem einen Supermarkt und die Frau an der Info hat gesagt, das du nicht mehr dort beschäftigt bist!"
"Schnüffelst du mir etwa hinterher?" Ines brüllt schon fast das ganze Krankenhaus zusammen, was ich überhaupt nicht nachvollziehen kann.
Das war schließlich eine ganz normale Frage.
"Nein.... Ich...Ich wollte schauen wie es dir geht...Wegen Karsten!" ich erinnere mich noch an unser Gespräch und das Janek sich deswegen ziemliche Sorgen um seine Mutter gemacht hat, doch diese tritt ihren eigenen Sohn nun sprichwörtlich mit den Füßen:
"Wegen diesem Schwachkopf? Ich bitte dich!"
"Warum... warum wussten die im Supermarkt nicht, das es mich gibt?"
"Warum denn auch? Ist doch nicht Notwendig überall herum zu posaunen, das man ein Kind hat, oder?" im Gegensatz zu Ines frage ich mich ja, was dagegen spricht, jedem zu erzählen das man ein Kind hat.
Ein weiterer kleiner Schluchzer von Seiten Janek ist zu hören.
"Deswegen heulst du? Mensch..." Ines ist total genervt, während es mir fast mein Herz zerreißt.
Ich verstehe nicht wie man zu seinem eigen Fleisch und Blut so kalt und abweisend sein kann.
Was musste der Junge bei seiner Mutter denn alles aushalten?
Ist er ihr gar nichts mehr wert?
"Bei Papa auf der Arbeit wissen auch alle das..."
"Ach, du und dein Vater! Janek ich warne dich! Wenn du mir in den Rücken fällst.." noch bevor meine Ex-Frau weiterreden kann, stürme ich in das Zimmer und unterbreche sie:
"Ines jetzt ist aber Schluss! Janek muss sich noch erholen! Was fällt dir überhaupt ein, hierher zu kommen und ihn dermaßen fertig zu machen? Du solltest für ihn da sein und dich um ihn kümmern... Aber nein, du verschwindest ja lieber Tagelang! Eins sage ich dir: Ich werde Janek zu mir holen, ob dir das passt oder nicht! Ich lasse nicht zu, das du ihn weiterhin kaputt machst!"
Ines zieht die Augenbrauen nach oben und wendet sich unserem Sohn zu:
"Ist es das was du willst? Deine Mutter im Stich lassen? All die Jahre habe ich für dich gesorgt und hart gearbeitet und das ist der Dank dafür? Du enttäuscht mich! Ich... Du weißt, was das bedeutet!" völlig unerwartet zieht Ines ein langes Gesicht, richtet ihren Blick auf den Boden und macht sich auf den Weg aus dem Zimmer.
"Mama? Nein! Nicht!" Janek gerät sofort in Panik und wird kreidebleich.
"Das ist deine Schuld, Janek!" mit diesen Worten läuft sie durch die Türe und verschwindet aus unserem Blickfeld.
"Neeeeeein!" mein Sohn schlägt die Bettdecke zur Seite und schiebt im Eiltempo seine Füße aus dem Bett.
Eine Flutwelle an Tränen rinnt ihm über sein Gesicht, während er sich wackelig auf die Beine stellt und seiner Mutter folgen möchte.
Da er noch viel zu schwach ist, halte ich ihn sofort auf und drücke ihn zurück in sein Bett:
"Nicht Janek! Das packst du noch nicht!"
"T-TU ES ....BITTE...NICHT!" dieser Schrei meines Sohnes zieht mir durch Mark und Bein.
"Janek was ist hier los?" ich verstehe die Situation nicht richtig und werfe Tom, der in der Nähe der Türe steht, einen fragenden Blick zu.
Der scheint allerdings auch keinen Durchblick zu haben, was sein komplett verdutzter Gesichtsausdruck verrät.
Janek versucht mich währenddessen von sich zu schieben, um seiner Mutter doch noch irgendwie folgen zu können.
Als ich ihn darauf in eine Umarmung ziehe, versucht er sich mit seinen Händen von mir weg zu stoßen und scheint immer mehr in Panik zu geraten.
"Sag mir doch bitte was los ist, dann kann ich dir vielleicht helfen!" mein verzweifelter Versuch, eine Antwort zu bekommen, scheitert zuerst kläglich.
Erst als meinem Jungen die Kraft ausgeht und das Schluchzen immer mehr zunimmt und er fast keine Luft mehr bekommt, lässt er die Bombe platzen:
"S-Sie w-wird.... sich um... umbringen und.. i-ich bin...Schuld!"
"Sie....Was? Tom!" noch bevor ich Tom's Namen ausgesprochen habe, ist dieser auch schon losgerannt, um Ines einzuholen.
Janek verliert sich immer mehr in seiner Trauer und Verzweiflung.
Sein ganzer Körper zittert, sein Schluchzen geht nur noch unkontrolliert von statten.
"Das wird sie nicht tun! Beruhig dich! Psssscht!" ich wiederhole immer wieder diesen Satz, doch er scheint keinerlei Wirkung zu haben.
Im Gegenteil.
Mein Junge steigert sich immer weiter in sein verderben, bis seine Atmung unregelmäßig wird und ich letztendlich den Schwesternknopf drücke.
Schneller als erwartet kommt Oli durch die Türe geschossen.
Anscheinend hat er das Drama schon hören können.
Nach einem kurzen Blick, ordnet er der ebenfalls eintreffenden Schwester an, ein Beruhigungsmittel zu holen.
Ich halte den zitternden Körper soweit wie möglich an mich gedrückt, um Janek zu vermitteln, das ich für ihn da bin.
Kurze Zeit später drückt Oli ein weises Zeug in Janek's Zugang, das mit der Wirkung auch nicht lange auf sich warten lässt.
Mein Junge wird zunehmend ruhiger und fängt wieder an, kontrollierter zu atmen.
Sein Körper wird merklich entspannter, bis er letztendlich nur noch schlaff in meinen Armen hängt.
"Leg ihn hin! Er bekommt von mir eine Sauerstoffbrille. Janek wird jetzt auf jedenfall eine Zeit lang schlafen. Tut mir wirklich leid, aber er hätte sich nicht mehr selbst unter Kontrolle gebracht!"
"Schon in Ordnung..." wie von Oli befohlen, bette ich Janek's Körper auf der Matratze.
Im selben Augenblick kommt Tom zurück und schüttelt entschuldigend mit dem Kopf:
"Hab sie nicht mehr erwischt. Sie ist in einen noblen Schlitten eingestiegen und dieser ist in Windeseile davongefahren!"
"Das gibt es doch nicht..." ich weiß gerade gar nicht wohin mit meinen Gefühlen und starre Janek unentwegt in sein Gesicht.
Oli legt meinem Sohn, wie angepriesen, eine Sauerstoffbrille an und schnippt dann vor meinem Gesicht mit seinem Finger herum:
"Erzählst du mir, was passiert ist?"
Ich schüttel den Kopf und werfe Oli einen fast schon wütenden Blick zu, der aber nicht wirklich dem Arzt gilt:
"Ines hat Janek anscheinend gedroht, das sie sich umbringen wird, wenn er sich mir anvertraut!"
"Sie hat was?" Herr Dreier fallen fast die Augen aus dem Kopf.
Ich erzähle ihm das vorhergegangene Gespräch und kann meinen eigenen Worten selbst kaum glauben.
"Sie hat ganz genau gewusst, wie sie Janek für sich gewinnen kann! Das ist gar nicht gut... Wenn sie sich jetzt verschanzt, wird Janek Ines suchen gehen, da er von einem Suizid ausgeht. Wie schätzt du die Lage ein?"
"Ines wird sich keinesfalls etwas antun. Das ist nur ein Druckmittel, da sie weiß, das es wirkt. Wer weis wie lange er das schon eingetrichtert bekommen hat... vielleicht hätte er mich schon viel früher um Hilfe gebeten, wenn er nicht diese Angst im Hinterkopf gehabt hätte! Deswegen hat er bestimmt auch alle Gespräche abgeblockt. Ach scheiße!" vor lauter Überforderung und Fassungslosigkeit stütze ich meine Ellenbogen auf meinen Oberschenkeln ab und vergrabe mein Gesicht in den Händen.
"Stephan, du machst dir jetzt auf keinen Fall irgendwelche Vorwürfe! Verstanden?!" Tom klopft mir auf den Rücken und setzt sich neben mich.
"Jetzt ergibt zumindest alles einen Sinn. Die blöde Kuh bearbeitet Janek mit den Selbstmorddrohungen, damit er nichts erzählt und zu mir übersiedeln konnte. Würde ihr ja ein Haufen Geld durch die Lappen gehen. Dass das allerdings für meinen Sohn gedacht ist, ist ihr scheißegal. Die Finanziert sich damit IHR Leben und darum musste sie um jeden Preis verhindern das Janek redet und geht. Die nehm ich auseinander, das versprech ich euch!"
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