Elfter Teil
Während wir bei dem kleinen Italiener auf der bestuhlten Terrasse sitzen und auf unsere Bestellungen warten, reden alle wirr durcheinander, da sie sich anscheinend eine Menge zu erzählen haben.
Ich selbst, versuche die Gedanken an das Gespräch mit Luke zu verdrängen.
Es ärgert mich das er soetwas von meiner Mutter denkt.
Sie mag vielleicht nicht die fürsorglichste Person sein, aber sie würde mich niemals nur wegen des Geldes ausnutzen, zu soetwas wäre sie nicht fähig.
Sie darf gar nicht so sein, weil ich ihr Sohn bin!
"Wie hat dir der Ausflug gefallen Janek?" Phil's Stimme reißt mich aus meinen Gedanken und ich schaue ihn fragend ins Gesicht.
"Luke hat gerade von dem Schwimmbadausflug letzte Woche erzählt. Hast du die neue Freifall-Rutsche auch ausprobiert?"
"Nein. Ich war nicht dabei!" ich schüttel leicht meinen Kopf und greife nach meinem Glas Wasser, um einen Schluck zu trinken.
"Warum denn nicht?" will jetzt mein Vater wieder wissen, was mich innerlich aufstöhnen lässt.
"Ich hatte Bauchschmerzen und war zuhause!"
"Oh, das ist ja schade...." mein DNA-Spender forscht wenigstens hier einmal nicht nach und lässt meinen Satz so im Raum stehen.
Ja, sehr schade.
Ich wäre gerne mit, aber Mama kam drei Tage lang nicht nach Hause...
Deswegen hatte ich kein Geld und konnte nicht mit.
Die Bauchschmerzen hatte ich auch nur, weil ich solchen Hunger hatte.
"Wohin geht denn die Abschlussfahrt nächstes Jahr? Habt ihr darüber schon gesprochen?" Phil will es heute echt wissen und man könnte meinen, das er zuhause mit seinem Sohn gar keinen Ton spricht.
"Wahrscheinlich nach Dänemark. Aber es steht noch nicht genau fest. Nach den Sommerferien wird das noch bei einem Elternabend besprochen! Vielleicht kann da ja Stephan mit dir hingehen, weil Ines doch immer so viel arbeitet und bestimmt keine Zeit hat!" Luke wirft mir einen versöhnlichen Blick zu, denn er weiß ganz genau, das ich an der Abschlussfahrt sonst nicht teilnehmen würde.
"Ja, Stephan wie sieht's aus? Dann wäre es wirklich mal erträglicher zwischen den ganzen keifenden Zicken hahaha" Herr Funke klopft meinem Vater auf den Rücken, worauf dieser lachend nickt:
"Okay, genehmigt!"
Luke zwinkert mir unauffällig zu, was mir ein kleines Grinsen entlockt.
Leider locken wir auch immer wieder Tom und Marc's Blicke auf uns, was mich langsam wirklich nervös macht.
"So, hier bitteschön! Einmal die Pizza Funghi, dann die Lasagne und noch die Pizza Diavolo. Der Rest kommt sofort!" der Kellner stellt die Gerichte vor die richtigen Leute und verschwindet wieder im Inneren des Restaurant.
Als auch der Rest die Teller vor der Nase stehen hat, starten wir mit der Vernichtung unseres Essen.
Nach der halben Pizza muss ich aufgeben, da ich es gar nicht mehr gewohnt bin, so viel und oft zu essen.
"Janek, du schwächelst! Was ist los? Du hast deine Pizzen doch sonst immer fast schon inhaliert, hahhaa!" Marc wuschelt mir durch die Haare, worauf ich meinen Kopf schnell wegziehe und ihm einen bösen Blick schenke:
"Bin halt noch vom Frühstück satt!"
"Von den bisschen Cornflakes?" Tom schüttelt nur den Kopf, während mein Vater mich wieder ganz genau mustert.
"Ich hab doch gesagt, das ich nicht mehr so viel esse, da ich abnehmen will!" auf meine Worte hin, schnaubt Luke nur verächtlich, hält aber zum Glück seinen Mund.
"Ja, aber du isst wirklich sehr wenig Junge. Gleich das lieber mit Sport aus und nicht mit Nahrungsentzug, okay?" Ich nicke meinem Namensgeber nur zu und lehne mich in meinem Stuhl zurück.
Wir sitzen noch eine weitere Stunde im Tony's, da die Männer sich über die Urlaubspläne des immer nähernden Sommers unterhalten.
"Gehst du mit?" werde ich von Marc in die Seite gestoßen, weil ich wieder total in Gedanken versunken war.
"Wohin?"
"Deine Aufmerksamkeitsspanne ist gerade wirklich nicht sehr hoch! Wir gehen alle zusammen nach Italien. Franco besitzt dort ein riesiges Ferienhaus und er hat uns und noch ein paar andere eingeladen, mitzukommen. Gehst du auch mit? Dann könnte ich dich endlich mal so richtig ins Wasser werfen!"
Ich zucke mit den Schultern und spiele am Saum meines Tshirt herum:
"Muss erst Mom fragen!"
"Janek, ich möchte dich wirklich gerne dabei haben und wenn du mitgehen möchtest, dann kläre ich das mit deiner Mutter!" ich weiß, das mein Vater sich für mich einsetzten wird, aber ich weiß auch, das es wieder tagelang Streit gibt, weil meine Mutter wieder irgendwelche Gründe findet, wesshalb ich bei ihr bleiben sollte.
"Es wäre einfacher wenn ich einfach nicht mitgehe Papa. Das erspart dir eine Menge Streit! Du weist selbst wie das wieder endet!" meine Antwort scheint jedem hier unangenehm aufzustoßen und bevor noch irgendjemand in den Wunden herumstochern kann, gehe ich auf Toilette, um einen kurzen Augenblick für mich zu haben.
"Janek?" Luke ist mir anscheinend gefolgt und ich hoffe, das wir jetzt nicht wieder die nächste Diskussion starten müssen.
"Was denn?"
"Komm, lass uns noch ein bisschen durch die Stadt laufen. Anschließend gehen wir dann zum Skatepark und lassen die Sau raus".
"Nur, wenn wir dieses eine Thema dann für heute auch mal gut sein lassen!"
"Versprochen!" auf sein Versprechen hin, öffne ich die Türe der Toilettenkabine und folge ihm nach draußen.
"Wir gehen noch ein bisschen durch die Stadt und anschließend in den Skatepark!" gibt Luke unseren Vätern preis und wartet auf das ok.
"Hey, Luke! Oooh, Janek, welche Transformation hast du durchlebt?" Samuel, einer unserer Klassenkameraden, Mika und Simon bleiben an unserem Tisch stehen und starren mich an, als wenn ich urplötzlich ein neuer Mensch wäre.
"Halt die Klappe. Was macht ihr?" ich hoffe, das die drei nicht weiter darauf rumreiten und eher auf meine Frage eingehen.
"Sind aufm Weg zum Skatepark. Jules und die anderen sind schon dort. Kommt ihr mit?" Mika scheint es eilig zu haben, denn der läuft schon in kleinen Schritten voraus.
"Ja, wir kommen mit!" Luke legt seinem Arm um meine Schulter und zieht mich einfach mit sich.
Ich werfe noch ein schnelles "Ciao" in die Männerrunde hinter uns und reihe mich mit Luke zu den drei Jungs dazu.
"Janek! Das du mal wieder dabei bist... Geile Sache! Darauf stoßen wir erst mal an!" Jules schlägt mit mir ein und drückt mir sofort eine Flasche Bier in die Hand.
Zuerst bin ich mir nicht sicher, ob ich wirklich Alkohol trinken sollte, da ich bisher noch keinen Tropfen angerührt habe.
Doch als ich sehe, das Luke auch ganz selbstverständlich sein Bier öffnet und seine Flasche in die Mitte hält, füge ich mich einfach der Gruppe und tue es ihnen gleich.
Wir wechseln uns mit dem skaten ab, denn Jules und seine Kumpels teilen sich freundschaftlich ihre Rollbretter mit uns.
Irgendwann hatte ich auch mal ein eigenes Skateboard besessen, jedoch muss es aber bei einem der letzten drei Umzüge verloren gegangen sein.
Während Jules, Simon und Luke sicher auf den Brettern ihre Moves ausführen, küssen Mike und ich öfters den Boden und kassieren somit einige Schrammen.
Dank dem Bier sind die Sorgen für den kompletten Abend vergessen und ich fühle mich so gut und dazugehörig, wie schon lange nicht mehr.
Gegen 22 Uhr hängen wir eigentlich nur noch auf der Halfpipe rum und kippen uns ein Bier nach dem anderen in den Rachen.
"Hiii!" den verschwommenen Umrissen zufolge, kommen gerade drei Mädchen auf uns zugelaufen und schlagen mit den restlichen Jungs ein.
Zu guterletzt bleiben die drei vor mir stehen und Strecken mir jeweils ihre Hände entgegen.
Es stellt sich heraus, das die drei eine Stufe unter uns sind und Tabea, Rahel und Svenja heißen.
Rahel drückt sich nach der Begrüßung sofort in Jules Arme und zu meiner größten Überraschung sitzt Tabea nach ein paar Minuten auf Luke's Schoß.
Svenja scheint nur ein Mitläufer zu sein, genauso wie ich.
Als Luke und Tabea irgendwann knutschend über sich herfallen, frage ich mich wie ich es nur schaffen konnte, unsere Freundschaft so zu zerstören.
Früher haben wir uns alles erzählt und eigentlich war ich bis vor ein paar Stunden der Meinung, das wir das immer noch tun würden.
Das ich mich dabei gewaltig geirrt habe, wird mir immer mehr bewusst.
Wer würde sich denn auch mit einem Kumpel austauschen wollen, der andauernd nur müde und schmuddelig ist und dessen Großteil des Lebens darin besteht, sich abzuschotten und zurückzuziehen.
Da sich die Jungs mit den Mädels beschäftigen oder in hitzigen Diskussionen untereinander verstrickt sind, lasse ich mich die Halfpipe hinunter rutschen und entferne mich von dem Haufen, von dem jeder Einzelne sein Leben im Griff hat.
Ich fühle mich eigentlich nur noch mehr als Anhängsel, das eben einfach nur existiert und seine Daseinsberechtigung hat, da es früher eben schon so war.
Meine Selbstzweifel steigen immer mehr an und quälen mich immens, weswegen ich mich entscheide, einfach wegzugehen.
Ohne Ziel und ohne einen Gedanken an irgendetwas besonderes, irre ich durch die Straßen Kölns, die neuerdings ganz schön wackelig sind.
Nachdem meine Füße einfach keine Lust mehr haben zu laufen, setze ich mich an eine Mauer und trinke die restliche Flasche Bier leer, die mir eigentlich gar nicht schmeckt.
Meinem Gefühl nach wird die schwammige Umgebung immer Unschärfer, je mehr frische Luft ich einatme.
Das einzige was hilft, ist ein Auge zuzukneifen und so wenig wie möglich zu atmen.
Meiner Meinung nach hätte auch mal einer erwähnen können, das Bier so müde macht.
Nachdem ich den letzten Tropfen aus meiner Flasche getrunken habe, lehne ich meinen Hinterkopf gegen die kalten Steine hinter mir und schließe die Augen.
Die langsam einsetzende Übelkeit zwingt mich dazu, meine Augen wieder zu öffnen und gegen den aufkommenden Brechreiz ankämpfen.
Zu meiner großen Überforderung klingelt jetzt auch noch mein Handy, wobei ich auf dem Display gar nicht mehr erkennen kann, wer da überhaupt anruft.
Ich: "Hmmm?"
Papa: "Janek, wo bist du?"
Ich: "Mauer"
Papa: "An welcher Mauer?"
Ich: "An Straße"
Papa: "Bist du betrunken?"
Ich: "Hmmm"
Papa: "Sag mir bitte wo du bist!"
Ich: "Mauer... irgendwo, weiß nich!"
Mir ist mittlerweile so schlecht, das ich kein Wort mehr reden möchte.
Ich lege das Handy auf meinem Schoß ab und versuche meine Übelkeit irgendwie wegzuatmen.
Die Stimme meines Vaters dringt immer wieder aus dem Handy an mein Ohr, aber ich bin einfach nicht mehr in der Lage mit ihm zu telefonieren.
Nach einiger Zeit lässt das Karussell ein bisschen nach und ich schaffe es endlich meine Augen geschlossen zu halten, ohne das mir die Kotze sofort im Hals steht.
"Janek, hey Janek!" irgendjemand reißt mich aus meinem Dämmerzustand, was sofort wieder für eine penetrante Übelkeit sorgt.
"Janek? Hörst du mich?"
"Hmmm."
"Ich bin's Alex, kennst du mich noch?" ich merke wie Alex nach meinem Handgelenk greift und seine Finger dort einige Zeit verweilen lässt.
"Flo, bringst du mir bitte eine Decke und rufst dann schnell Stephan an!"
Mein Kopf wird schwerer und der Drang zu schlafen übermannt mich immer wieder, was Alex aber zu meinem Bedauern ständig unterbricht.
"Janek!"
Langsam bin ich genervt, da andauernd mein Name zu hören ist.
In meinem Gesicht fuchteln wieder Finger umher, die ich irgendwie mit einer unkoordinierten Bewegung zu verdrängen versuche.
"Janek, ich bins! Geht's dir gut? Sag mal, wieviel hast du getrunken?"
"Papa?"
"Ja. Komm, wir bringen dich nach Hause!"
"Kann nicht!"
"Wir helfen dir! Zuerst stellen wir dich auf die Füße!"
Jeweils von links und von rechts greifen Hände um meine Oberarme und ziehen mich nach oben.
"Gehts bei dir?"
Das einzige was ich noch zustande bringe, ist ein gequältes stöhnen, da ich mit dem Tornado in meinem Kopf überhaupt nicht mehr klar komme.
Ich kippe leicht nach vorne und bremse mit meinem Gesicht direkt an einer Brust.
Irgendjemand zieht mir einen Pullover über, was ich einfach nur über mich ergehen lasse.
"Oh, Kind... Jetzt musst du nochmal die Zähne zusammenbeißen. Ich weis das dir nicht gut ist, aber wir müssen noch Heim fahren!"
"Nein...will nicht!"
"Wir müssen aber. Du schaffst das schon!"
"Mir is schlecht!"
"Jetzt atmest du nochmal tief durch und dann gehen wir zackig zum Auto!" Papa packt mich wieder fest am Arm, genauso wie die andere Person und schon werde ich wanken zum Auto gezerrt und auf die Rückbank verfrachtet.
Nachdem die Türe geschlossen wurde, setzt sich mein Vater kurz darauf neben mich und legt mir den Sicherheitsgurt um.
"Wer fährt?" ich bin leicht verwirrt, da ich keine andere Stimme ausser die meines Vaters, Alex und Flo wahrgenommen habe.
"Tom. Der hat sich auch Sorgen gemacht und mir bei der Suche geholfen. Lehn dich an mich und sag bescheid, wenn wir anhalten müssen!"
Ich lehne mich an den Körper neben mich und versuche mich ein bisschen zu entspannen.
Anscheinend muss ich eingeschlafen sein, denn es wird wieder an mir gerüttelt.
Ohne große Worte wird die Türe neben mir geöffnet, worauf mich jemand aus dem Auto zieht und auf seine Arme aufläd.
"Mmmmmm... Mir is so schlecht..." das Geschauckel trägt nicht wesentlich zu meinem Wohlbefinden bei, was meinem menschliches Taxi wohl auch bewusst wird:
"Ich bring dich schnell ins Bad!"
Während ich wie ein Matschfleck über dem Klo hänge und alles an Flüssigkeiten ausgekotzt habe, was mein Magen zu bieten hatte, befreit mein Vater meine Füße von meinen Schuhen.
Anschließend reicht er mir ein Glas Wasser, mit dem ich mir meinen Mund ausspüle.
"Schaffst du es, deine Klamotten auszuziehen?"
"Morgen" gesprächig werde ich heute definitiv nicht mehr.
"Nein! Du bist mit den Klamotten auf dem dem Boden gelegen, die werden ausgezogen!"
Da ich keinerlei Anstalten mache, der Bitte folge zu leisten, macht mein Vater kurzen Prozess.
Er zieht mir den Pullover und mein Tshirt über den Kopf, worauf Tom ins Badezimmer gelaufen kommt und mir ein frisches Tshirt über meinen Oberkörper stülpt.
"Herr Sindera, darf ich bitten?" Tom reicht mir seine Hände, damit er mir beim aufstehen behilflich sein kann und mein Vater mir die dreckige Hose entfernen kann.
"Seid ihr sauer?" auch wenn ich neben der Spur bin, merke ich das die zwei Männer vor meiner Nase kaum irgendwas reden und das ist mehr als untypisch.
Für beide!
"Darüber reden wir morgen. Jetzt schläfst du erst mal deinen Rausch aus!" der doppelte Begleitschutz buxiert mich nach oben in mein Bett, in dem ich sofort einschlafe.
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