Einundzwanzigster Teil
Stephan's Sicht
Als ich gegen zwei Uhr morgens endlich Dienstende habe und mit meinem Auto Richtung Heimat fahre, tobt immer noch die Wut in mir.
Ich verstehe einfach nicht warum Janek mich anlügt und in solch einer Kneipe Geld verdienen will.
Die Tatsache, das er kein sterbenswörtchen hat verlauten lassen und immer mehr vor mir verschweigt, macht mich in anderer Hinsicht auch sehr traurig.
Als ich mein Auto in der Garage geparkt habe, atme ich noch ein paar mal tief durch, ehe ich mich in mein Haus begebe.
Tom sitzt halb schlafend auf dem Sofa und lässt sich von dem Fernsehprogramm berieseln.
"Hey!" ich werfe ihm ein flüchtiges Lächeln zu, bevor ich meine Schuhe von den Füßen abstreife und die dünne Jacke ausziehe.
"War noch viel los?" mein Kumpel zieht sich aus der halb liegenden Position, in eine aufrechte Sitzhaltung.
"Ne. Fast tote Hose!" ich laufe auf das Sofa zu und schmeiße mich regelrecht neben Tom.
Trotz das die letzten Stunden kaum körperlichen Einsatz gefordert haben, bin ich total erledigt.
Ich drehe meinen Kopf meinem Nebenmann zu und schaue ihm direkt in die Augen:
"Hat Janek noch irgendetwas verlauten lassen? Schläft er?"
"Er schläft schon eine Weile... Janek ist vorhin komplett ausgerastet!" Tom atmet schwer auf und fährt sich mit einer Hand durch die Haare.
"Wie, er ist ausgerastet?" ich hätte damit gerechnet, das er sich total zurückzieht und seinen Tränen zum Opfer fällt, aber ausrasten ist normalerweise nicht Janek's Art.
"Ja, so richtig. Mit schreien, um sich schlagen, treten... Das volle Programm eben! Ich bin selbst etwas vor seiner Reaktion erschrocken. So habe ich ihn noch nie erlebt!" nach einer kurzen Verschnaufpause erzählt er mir den genaueren Ablauf und wirkt wirklich selbst etwas schockiert.
"Was ist nur mit ihm los? Ich kann ihn einfach kaum noch verstehen. Meinst du Ines weiß etwas davon, das er in der Kneipe gearbeitet hat?"
"Ehrlich gesagt, weiß ich in letzter Zeit, in Bezug auf deinen Sohn, nicht wirklich irgendetwas. Die Gefühlsausbrüche sind untypisch und vor allem in diesem Ausmaß. Nimm ihn nicht zu hart ran, böse Absichten hatte er keinesfalls. Interessant wäre es zu wissen, warum er arbeiten will und keinem irgendetwas erzählt. Gut, wahrscheinlich hat er damit gerechnet, das du das Arbeiten in dieser Kneipe nich befürworten wirst. Aber.... Ach Stephan, ich weiß doch auch nicht genau. Zumindest musst du mit deinem Anwalt bewirken, das Janek öfter zu dir darf!"
Ich nicke kräftig vor mich hin, denn jede neue Wesensveränderung bestärkt mich in meinem Vorhaben, Janek regelmäßig zu mir zu holen, immer mehr.
"Ich habe das Gefühl, das er heute wieder nichts gegessen hat. Er hat zwar nichts gesagt, aber sein Magenknurren war absolut nicht zu überhören!"
"Tom, was soll ich nur mit dem Jungen machen? Ich möchte ihm so gerne helfen, aber er lässt mich nicht. Warum?" ich fühle mich wirklich hilflos und befürchte, das Janek entweder irgendwann total durchdreht oder er irgendeinen schrecklichen Blödsinn anstellen wird.
Beide Optionen sind nicht die Aussichten, die ich gerne im Bezug auf meinen Sohn in die engere Auswahl ziehen möchte.
"Gerade kannst du nicht mehr tun, als für ihn da zu sein, ihm zuzuhören und dich mit deinem Anwalt für ein geregeltes Besuchsrecht einzusetzen" Tom scheint emotional auch einen kleinen Durchhänger zu haben, denn ihm setzen die Umstände genauso zu, wie mir.
Janek ist nunmal, seit seiner Geburt, auch ein gewisser Bestandteil in Tom's Leben.
"Ich gehe mal nach ihm schauen!" ich ziehe mich schwerfällig auf die Beine und mache mich auf den Weg in das Zimmer meines Sohnes.
Nachdem ich die Türe geöffnet habe, versuche ich lautlos zu seinem Bett zu gelangen.
Der hereinfallende Lichtkegel trifft genau auf Janek's Gesicht, das überhaupt kein bisschen entspannt aussieht.
Als ich mich zu ihm auf die Matratze setze und meine Hand durch seine Haare gleiten lasse, merke ich das er ziemlich schwitzen muss, da seine Stirn nass ist.
Ich ziehe die Bettdecke etwas von seinem Körper herunter und sehe, das er immer noch seine Hose und das Hemd trägt.
Nach einem kurzen Besuch an seinem Kleiderschrank, laufe ich mit einem Tshirt in der Hand zum Bett zurück und versuche meinen Jungen sanft zu wecken:
"Janek? Hey, mach mal die Augen auf!"
"Hmmm?" er scheint nicht richtig wach zu sein, doch ich möchte ihn ungern die weitere Nacht in diesen Klamotten liegen lasse.
"Janek, zieh deine Hose und dein Hemd aus, du bist schon ganz verschwitzt!"
"Hmmm" seine Finger gelangen im Zeitlupentempo an die Knöpfe seines Hemd, doch nach ein paar schwachen Versuchen diese zu öffnen, fallen seine Arme wieder schlaff zur Seite.
Nun übernehme ich das doch selbst und öffne die komplette Knopfleiste, worauf ich ihn umständlich aufrichte um den Stoff von seinem Oberkörper zu entfernen.
Glücklicherweise arbeitet er ein klein wenig mit, womit das Hemd dann doch schneller ausgezogen ist als gedacht.
Meine Hand stützt Janek etwas am Rücken, damit er nicht sofort wegkippt und ich bin der Meinung, das sein Körper viel zu warm ist, um nur von den Klamotten erhitzt worden zu sein.
Nachdem das Tshirt seinem Platz an dem Teenagerkörper gefunden hat, lege ich ihn vorsichtig auf der Matratze ab und fühle ebenfalls seine Stirn.
Hmmm.
Viel zu warm, aber nicht wirklich heiß.
Da Janek auch nach ein paar mal rütteln nicht mehr wach zu bekommen ist, ziehe ich ihm einfach selbst die Hose aus und Decke ihn anschließend zu.
Trotz der Wärme zittert sein kompletter Körper.
Ich bin mir absolut unsicher ob das die Nachwehen des Stress sind oder sich langsam eine Grippe anbahnt, so oder so mache ich mir einfach Sorgen um meinen Jungen.
Aufgrund meinem Gefühlschaos lege ich mich direkt seitlich neben meinen Sohn ins Bett und ziehe ihn mit meinem Arm fest an meine Brust.
Mein Gesicht vergräbt sich in seinen Haaren, während ich ihn stark an mich drücke und hoffe, das sich alles bald wieder dem Guten zuwenden wird und es nicht weiter bergab geht.
Wie sich das Wesen meines Sohnes in so kurzer Zeit so stark verändern konnte, will mein Verstand einfach nicht begreifen.
Ich grübele noch lange nach, ob es an Ines liegt, er an irgendwelche falsche Freunde geraten ist oder ich irgendetwas falsch gemacht habe.
Der Schlaf fällt still und heimlich über mich her, so das ich inmitten meiner Überlegungen völlig unbemerkt einschlafe.
Irgendwann werde ich ziemlich unsanft durch ein hektisches Gestrampel geweckt.
Erst nach einigen Sekunden wird mir klar, das ich in Janek's Bett liege und ihn immer noch in meinen Armen halte.
"Psssscht!" ich versuche ihn vorsichtig zu beruhigen, doch wie es scheint, ist er komplett einem Traum verfallen.
Ich rüttel ihn leicht und lasse eine meiner Hände durch seine Haare gleiten:
"Janek, ich bin's! Papa!"
Wie auf Knopfdruck hört das Gezappel auf und eine sehr leise flüsternde Stimme, dringt an mein Ohr:
"Papa? Bist du da?"
"Ja Janek! Ich bin da!" nach diesen Worten entspannt sich der komplette Bursche und scheint auf der Stelle wieder wegzudämmern.
Verdammt Stephan...
Er brauch dich so sehr!
Du musst dich jetzt dahinterklemmen und für deinen Sohn da sein.
Die restliche Nacht bekomme ich kaum ein Auge zu, denn entweder zittert der komplette Junge in meinen Armen oder er wird unnatürlich warm, was mir ebenfalls zu schaffen macht.
Doch ich denke keinen einzigen Augenblick daran, meinen Sohn jetzt alleine zu lassen.
Unter keinen Umständen!
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