Auf einer Bank sehe ich ein Mädchen sitzen, während sie ein dickes Buch liest. Ich gehe zu ihr rüber und wiederhole meine übliche Frage. Sie antwortet nichts, sie sieht nicht mal hoch. „Hallo?" Ich stupse sie an, dann guckt sie erschrocken hoch.

Lesen war schon immer Christines Leidenschaft. Dabei vergisst sie die Welt um sich und versinkt häufig so tief im Buch, dass sie gar nichts mehr mit bekommt. „Wie können Sie denn bei dem Lärm lesen?" Von den Fahrgeschäften ertönt laute Musik, die zusammengemischt nur noch einen Brei ergibt. „Ich weiß es auch nicht," lacht sie. „Es reichen die ersten drei Wörter, dann bin ich völlig weg. Und ich lese am liebsten im Freien."

Als Kind hätte sie ein Baumhaus gehabt, in dem sie im Sommer bis spät in den Abend gesessen und gelesen hatte. Ich frage sie, ob sie einen Freund oder Kinder hat. „Nein. Ich glaube, die Männer stehen nicht so auf Frauen, die nie wirklich anwesend sind und sich nur hinter Büchern verstecken." Aber um einen Partner zu finden, wolle sie sich nicht verstellen. „Er nimmt mich mit den Büchern oder gar nicht."

„Möchten Sie auch mal selbst ein Buch schreiben?" Christine schüttelt den Kopf. „Nein, ich kann das nicht. Meine Ideen sind immer viel zu durcheinander. Ich bleibe beim Lesen. Das geht auch viel schneller." Und als würde man es nicht ahnen, arbeitet sie in einer Buchhandlung am Marktplatz. Für ihre Arbeit müsse sie immer viele neue Bücher lesen, um Bescheid zu wissen. „Aber alle Bücher kann man leider nicht lesen. So gerne ich es auch würde."

Für die Zukunft wünscht sie sich, dass wieder mehr Leute lesen. „Ich halte nicht viel von E-books, aber selbst das würde mich freuen. Heutzutage sind alle nur am Handy oder gucken Netflix. Bücher können viel spannender sein und neue Welten erschaffen. Und das wichtigste dabei: man bildet die Welt selbst." Ich kann mir vorstellen, dass alle, die das hier gerade lesen, genauso denken wie Christine.