Im Wald
Der Himmel ist wolkenlos und die Sonne wirft die langen Schatten der vereinzelten Bäume auf die Wiese. Eigentlich sollten sie hier nicht mehr wachsen, aber ich habe dafür gesorgt, dass sie es tun. Es herrscht eine friedvolle Stille, die ab und an von dem Gesang eines Vogels unterbrochen wird. Ein leichter, lauer Wind streicht über meine Haut.
Ich fühle mich friedlich. Innerlich wie äußerlich. Ich habe keine Ahnung, wann ich mich das letzte Mal so vollkommen gefühlt habe. Ob ich mich je so gefühlt habe.
Mein Atem fließt ein und aus, fast so, als würde ich mit dem Wind atmen.
Die Welt steht still.
Und ich erinnere mich an den Anfang.
***
Um mich herum sind noch andere Menschen, ich erkenne sie jedoch nur schemenhaft. Die Luft ist rein und klar.
Als sie sich in Bewegung setzen, merke ich, dass ich getragen werde. Ich liege geborgen in den Armen eines anderen Menschen und empfinde eine unglaubliche Geborgenheit. Ich fühle mich sicher und genieße die Umgebung um mich herum. Auch, wenn ich dem Ganzen noch keinen wahren Sinn geben kann.
Ich bin eingehüllt in eine allumfassende Liebe, die jeden Zentimeter meines Körpers ausfüllt.
Einige Zeit geht das so. Ich werde getragen und muss mir keine Sorgen machen. Doch irgendwann kommt die Zeit, in der jeder laufen lernen muss. So auch ich.
Von Neugier erfüllt setze ich meinen Fuß auf den Weg. Ein erster kleiner Schritt folgt, ich verliere das Gleichgewicht und falle hin. Meine Knie schmerzen, vorbei ist es mit der Geborgenheit von früher. Ich muss, aber vor allem möchte ich, laufen lernen. Einige Male falle ich hin, laufe wackelig und will aufgeben.
Doch schon bald setze ich meinen Weg zielstrebig fort. Wenn auch noch an einer Hand, die mich mit Liebe leitet. Aber nun erkenne ich die Umgebung.
Der Weg windet sich einen Berg hinauf. Was mag mich dort oben erwarten? Die Erfüllung meiner Träume, obwohl ich zu diesem Zeitpunkt nichtmal weiß, wie sie aussehen. Vielleicht. Oder etwas ganz anderes. Vielleicht ein Monster oder ein Engel.
Noch umgibt uns ein dichter Wald, der Schutz vor der prallen Sonne, aber auch vor dem Regen bietet. In einiger Entfernung weicht dieses schützende Haus flachem Buschwerk und schließlich Gras, bis auch dieses dem grauen Geröll weicht. Bis dahin liegt noch ein weiter Weg vor mir.
Und dann kommt der Moment, in dem ich die Hand loslasse. Noch eng bei den anderen, doch bald mit mehr Abstand, sodass unsere Verbindung zwar noch im Geiste besteht, mehr aber auch nicht.
Ich folge ich ihnen. Einen Fuß vor den anderen setzend, bewegen wir uns weiter dem Gipfel entgegen. Ich fange an, in dem weichen Sand meine eigenen Fußspuren zu hinterlassen. Noch sehen die Fußspuren von uns, die wir erst seit Kurzem laufen, alle Recht gleich aus.
Unbeschwert und glücklich fange ich an, mit anderen, die auch erst seit Kurzem selbst laufen, zu singen. Tagein, tagaus. Und auch die Dunkelheit der Nacht vertreiben wir auf diese Weise, halten sie weit von uns entfernt mit unseren Fackeln, die schlussendlich nur in unserer Vorstellungskraft existieren. Aber sie helfen.
An anderen Tagen kreuzen Tiere unseren Weg. Ein Reh hier, ein Hase dort. Oft sitzen Vögel fröhlich pfeifend in den Ästen. Pfützen bilden sich durch den Regen und der Wind bringt die Blätter zum Rauschen. Wir, die erst seit Kurzem selbst laufen, denken uns Geschichten über all das aus. Woher sie wohl kommen mögen und was sie vorhaben. So vergehen die Tage in Unbeschwertheit.
Der Weg wird langsam aber sicher steiler und wir lassen den Wald hinter uns.
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