Dunkle Bilder
Mehrere Tage waren vergangen seitdem Wednesday in ihrer Vision, ihrem toten Körper begegnete. Sie verhielt sich ruhig im verborgenen. Anstatt nach der Schule etwas mit ihren Freunden zu unternehmen verblieb sie in ihrem Zimmer und schrieb an ihrer Schreibmaschine. Ihre Stunde hatte sie verlängert und ein neues Projekt angefangen. Dieses Projekt hatte noch keinen Namen aber es handelte sich um eine Art Tagebuch. Wenn sie im sterben legen würde, sollte den verbliebenen etwas von ihr hinterlassen werden. In diesem schrieb sie ihren Tagesablauf mit den Ermittlungen auf, der mit seinen Höhen und Tiefen jetzt schon über genug Einträge verfügte. Letzteres, die Tiefen standen Momentan im Mittelpunkt, da ihr seit dem Tage ihrer Vision Abbadon nicht mehr begegnet war. Er erschien nicht mehr zum Unterricht oder zum Essen, er wirkte spurlos verschwunden.
Auch kam sie nicht gerade mit ihrer to-do Liste voran. Auf ihr stand die Auffindung von Tyler und nun auch Abbadon, um beide direkt einsperren zu lassen was bei Abbadon aber noch schwer wäre, ohne diskrete Beweise. Gefolgt vom allgemeinen Stalker der theoretisch auch jemand anderes sein könnte und ihrem zukünftigen Tod, diesen sie immer weiter zum Ende der Liste verschob. Der Grund dafür war das sie diese Vision verdrängen wollte. Sie wollte den Geruch ihres frischen Blutes einfach nur noch ignorieren. Die Liste ging mit ihrem kleinen Blackout weiter, dieser ihr ziemlich verdächtig erschien. Vielleicht wurde ihr etwas untergejubelt oder eine Sirene hatte ihre Flossen im Spiel, was es auch war es blieb ihr nicht verborgen.
Zuletzt waren ihre Familienverhältnisse auf dem Programm, diese sie entspannen müsste. Die letzten Unterrichtstunden mit ihrer Mutter waren kein Zuckerschlecken. Ihr verletzter Stolz erschwerte Wednesday ihre Noten. Bei jeder für sie ungewissen Frage kam sie dran. Ihrer Mutter war es bewusst, für welche Fragen sie nicht das genügte Wissen verfügte. Zwar besaß Wednesday ein ziemlich großes Allgemeinwissen aber nicht für alles und jeden, wer konnte dies wohl besser wissen als die eigene Mutter. Doch bereute Wednesday keineswegs ihre Wortwahl mit dem gewählten Tonfall, sie hatte ihrer Familie die Wahrheit erläutert und für diese wurde sie bestraft. Deswegen müsste Wednesday mit irgendeiner Methode die Anspannung zwischen ihr und ihrer Mutter lösen. Auf ihrem Zwischenzeugnis durfte keine zwei erscheinen, auch nicht in beliebigen Fächern, dass wäre ein Grund zur Sorge. Noch größere Sorgen würden erscheinen wen sie diese Liste nicht abhacken könnte, sie müsste es sogar, es war ihre Pflicht!
In ihren Gedanken versunken starrte Wednesday die Ziffern ihrer Schreibmaschine entgegen, sie rührte sich kaum und ließ ihre Arbeit fallen. Gerade war es für sie unmöglich die passenden Worte zur Beendung des Satzes zu finden. Sie hatte keine passenden Gedanken zur Verfügung diese ihrer Arbeit Motivation brachten, sondern trug sie nur die Bilder im Kopf die sie seit Tagen einholten. Es handelten sich um die dunklen Bilder ihrer letzten Vision, ihr Schicksal als Rabe wurde mit diesen besiegelt und sie konnte nichts dagegen machen, als sich ihre Todesscene immer wieder vor Augen zu setzen. Darin war ihre dunkle Seele gut.
Im Nachhinein murmelte Wednesday an ihrer Schreibmaschine vor sich hin das ihre Noten und die Beziehungen im kommenden Nichts vergänglich wären. Das gemurmel entstand aber mehr aus Verzweiflung. An einem Himmel und einer Hölle glaubte sie nicht, man würde nach seinen letzten Atemzügen in keiner Weise mehr das Licht erblicken, man war fort. Fort für immer ein reiner Zwiespalt. Doch hatte Wednesday nicht vor den Rest ihrer Zeit geschwächt voller Kummer zu verbringen, sie müsste weiter nachforschen damit ihre restliche Zeit auf Erden nicht vergänglich wäre.
Die Vibration ihres Handys das griffbereit auf ihrem Schreibtisch lag, erweckte sie aus ihren Gedanken. Mit einem unerwarteten Blick begutachtete Wednesday die Vibration diese sich mehrmals wiederholte. Soweit sie wusste war es ein Zeichen neuer Benachrichtigungen doch war ihr diese Funktion weitaus uninteressant. Nachrichten über diese neuartigen Handys zu verschicken waren nicht gerade ihre größte Leidenschaft und würden es auch nicht werden. Tatsächlich war es jedes Mal ein purer Kampf diese moderne Technik im Gebrauch zu nehmen und doch entschied sie sich ihr Handy in die Hand zu nehmen.
Wednesday wollte sichergehen das es keine Hilfeschreie per Handy waren die ihr von einer gewissen Enid Sinclair zugesendet wurden. Aber als Wednesday sich das moderne Zwangsgerät unter die Lupe nahm, sah sie von wem die Nachrichten stammten. Es waren nicht Enid oder Xavier die ihr aus Zeitverschwendung Nachrichten hinterließen, sondern war es die unbekannte Nummer ihres besessenen Stalkers die auf dem Startbildschirm auftauchte. Ohne zu zögern öffnete sie durch einem einfachen Doppelklick den Chat in dem sie neue Bilder zugesandt bekam. Es handelten sich um Bilder aus dem Wald, auf denen man mehrere Perspektiven auf Wednesday erhaschen konnte. Auf keinem war Abbadon zu sehen obwohl es die selbe Zeitspalte ihres Treffens war oder es schien jedenfalls so.
Auf dem letzten von fünf Bildern stand eine bekannte Sirene mit ihr mitten im Wald. Bianca stand aufrecht neben ihr mit einem geöffneten Mund, auf dem Bild müsste eine Unterhaltung stattgefunden haben aber an so einer konnte sich Wednesday nicht erinnern. Das ganze Scenario war neu vor ihren Augen. Von wann war dieses Bild bloß? Die Kleidung die Wednesday trug erinnerten sie an den Tag ihrer Ankunft der Nervermore Academy an diesem sie ebenfalls eine Gedächtnislücke erhielt. Sie begann das Bild noch einmal genauer zu betrachten und fand eine Methode mit der man an beliebigen Stellen im Bild zoomen konnte, welche sie sofort auskostete. Lange brauchte sie nicht bis sie den Fehler erkannte. Bianca trug keinen Schutz der ihre Kräfte blockierte. Wäre es möglich, könnte sie ihre Erinnerungen beraubt haben?
In ihrem Kopf wurde es still während er auf Hochtouren lief, sie müsste Bianca zur Rede stellen und das so schnell wie möglich. Alle Zellen in ihrem Körper drängten sie aufzustehen um die Sirene zu verhören, aber sie wusste ebenso das nicht Bianca ihr Problem war sondern die Person hinter diesem Chat. Die Person war es die sie überall unbemerkt verfolgte und fotografierte, um ihr im Nachhinein die Bilder zu schicken. Der Zweck für den ganzen Aufwand war Wednesday zweifellos unbekannt, was nur noch mehr Beunruhigung in die Situation brachte. Vielleicht wollte sie Wednesday verwirren oder die Bilder könnten ebenso eine Drohung darstellen, die Person war ihr zu gut auf den Fersen.
Langsam betrachtete Wednesday noch einmal aufs neue die anderen vier Bilder auf denen sie ihre Schuluniform trug. Sie mussten vom ersten Schultag sein und das letzte vom Tag davor, da war sie sich nun sicher. Dennoch verweilten ihre Blicke länger auf dem Chat um keine wichtigen Anhaltspunkte zu übersehen, bis plötzlich ein weiteres Bild auftauchte das zusätzlich kommentiert wurde. Sie sah wie angewurzelt zum neuen Bild das ihr eben gesendet wurde. Auf diesem war aber nicht sie mit ihrer schwarzen Haarpracht zu erkennen. Ihr jüngerer Bruder Pugsley war es wie er in der Cafeteria ein halbes Hänchen verdrückte.
Der Anblick wirkte schon schadhaft genug, wenn es die Worte nicht geben würden die in ihr eine Bombe zündeten: "Das kleine Schweinchen frisst sich durch aber wird nicht satt. Wann ist es wohl soweit von mir geschlachtet zu werden?",dass waren die Worte unter dem Bild gerichtet an sie. Es war definitiv eine Morddrohung an ihren jüngeren Bruder aber nur ihr war es erlaubt ihm bis zu seinem Lebensende zu quälen. Keine andere Seele durfte es wagen eine Hand an ihn zu setzten wen sie diese nicht verlieren wollte. Verkrampft mit gemischten Gefühlen beschloss Wednesday dieser Person zu antworten. Zwar mochte sie es nicht zu chatten, aber noch weniger Morddrohungen innerhalb ihrer Familie, die nicht von ihr ausgingen.
„Was willst du von meinem Bruder?", tippte sie in ihrem Handy und schickte die Nachricht fort. Der Empfänger ließ sie nicht mit einer Antwort warten. „Von Pugsley will ich nichts, er ist nur ein einfacher Bauer auf dem Schachbrett und leicht zu schlagen, du dagegen die Königin hast einen gewissen Reiz." Verstohlen las sie sich die Nachricht durch und erwiderte eine. „Was für einen Reiz?", fragte sie und wartete auf eine Antwort die sich diesmal etwas Zeit ließ. „Dein Reiz? Er besteht daraus zu sehen wie deine Welt zusammenbricht, wieder und wieder bis du der kaputten Welt folgst. Euer aller Tod wird mir ein Vergnügen sein aber deine Zerstörung wird meine Krönung bedeuten." Wednesday las sich diese Nachricht gleich zweimal durch bevor sie sich ruckartig vom Schreibtisch entfernte und reflexartig nach eiskaltes Händchen rief dieser aber nicht vor Ort war.
Er war mit Enid unterwegs in Jericho obwohl die Ausgangssperre noch nicht vorbei war, aber an dieser schien sich sowieso niemand zu halten. Eigentlich wollte sie ihm befehlen nach Pugsley zu sehen aber da er anderweitig beschäftigt war übernahm sie es selbst. Mit einem überdurchschnittlichen Schritttempo rannte Wednesday förmlich durch das Schulgebäude zu den Jungenzimmern, um vor Pugsleys derzeitigen Einzelzimmer stehen zu bleiben. Statt zu klopfen drückte sie gleich die Türklinke nach unten und trat in sein Zimmer. Alleine war er nicht.
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