19
Kapitel 19
Sein Zelt lag relativ weit außen, dafür jedoch nahe an meinem ehemaligen Gefängnis. Ich bewegte mich kaum als er mich trug, doch immer wenn ich hin und her schaukelte, zuckte der Schmerz durch meinen Brustkorb. Mein Gesicht schien ich gar nicht mehr zu spüren, so taub war es. Ich wischte mir schnell des Blut weg, bevor es von meinem Kinn tropfen konnte.
Irgendwann kamen wir dann bei dem wahrscheinlich größten Zelt auf der Lichtung an und anstatt mich abzusetzen, öffnete er den Eingang und trug mich herein. Ich erstarrte, als wir eintraten.
Eine hübsche Brünette lag in seinem Bett, nackt wohlgemerkt, und schien ihn zu erwarten. Der Anblick, der sich ihr erbot, verwirrte sie eindeutig. Ich riss schnell den Kopf weg und starrt stattdessen Bellamy Brust an. Ich wollte es vermeiden mehr als das zu sehen, was ich bereits registriert hatte.
Bellamy stoppte und ich sah seinen Gesichtsausdruck nicht, zumindest klang seine Stimme nicht sonderlich erfreut und das gab mir das plötzliche Gefühl von Genugtuung.
"Verschwinde, Pam", murmelte er und ich hörte ein empörtes Schnauben von ihr. Darauf raschelten Klamotten und irgendwann stürmte sie eindeutig wütend an uns vorbei und raus aus dem Zelt.
Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen, denn diese Situation war so absurd und peinlich, dass es nicht besser hätte laufen können. Zumindest für mich, Bellamy schien sich eindeutig unwohl zu fühlen.
"Deine Freundin?", fragte ich gehässig, als er mich zum Bett trug und dann überraschend vorsichtig absetzte. Nachdem ich auf dem gemütlichen Bett lag, drehte er sich sofort um und zeigte mir nicht sein Gesicht, während er zwischen ein paar Sachen herum wühlte. Ich streckte mich auf dem Bett aus und richtete meinen Blick gen Decke.
"Das würde ihr so passen", antwortete er und ich lachte leise, während der Schmerz erneut durch meine Seite knisterte.
"Wieso hast du mir nicht vorher geholfen? Du warst da", sagte ich und blickte ihn nicht an, obwohl ich eindeutig registrierte, dass er sich zu mir umdrehte.
"Es sah nicht so aus, als ob du Hilfe gebraucht hättest."
"Ich glaube ich habe eine gebrochene Rippe."
"Murphy hat eindeutig mehr als eine Rippe gebrochen."
Hörte ich da etwa Schadenfreude heraus? Ich war mir nicht ganz sicher und als ich zu ihm schaute, hatte er mir bereits wieder den Rücken zugedreht.
"Willst du mir mittlerweile eigentlich deinen Namen verraten?"
Das Lächeln, dass sich auf meine Lippen geschlichen hatte, verschwand wieder und ich schaute wieder nach oben. Ich tastete vorsichtig mit meinen Fingern auf der schmerzenden Rippenpartie herum und zuckte jedesmal zusammen, wenn ich einen schmerzenden Punkt berührte.
"Das habe ich mir fast gedacht", murmelte er auf mein Schweigen hin.
Schließlich kam er zurück zum Bett und setzte sich auf die Kante, in den Händen hielt er frische Kleidung und einen Krug Wasser. Ich nahm den Becher und schüttete das Wasser herunter, was gleich meine noch immer anhaltenden Kopfschmerzen verblassen ließ. Daraufhin nahm ich die Kleidung an mich, die eigentlich nur aus einem dunklen T-Shirt und Socken bestand.
"Bist du dir sicher, dass ich das anziehen soll?", fragte ich ihn, worauf er grinste.
"Wieso? Ziehst du es vor in Unterwäsche herum zu laufen? Macht man das bei euch Indianern so?"
"Indianer?", prustete ich und sofort trat Ernst und Neugier in sein Gesicht.
"Wie nennt ihr euch denn sonst?"
"Grounder", antwortete ich, bevor ich richtig darüber nachdachte. Ich biss mir auf die Lippe, doch Bellamy schien mehr als erfreut.
"Das ist das erste Mal, dass du eine meiner Fragen beantwortest, Grounder-Mädchen...", flüsterte er verschwörerisch und grinste dabei.
"Ja und es war das letzte Mal. Zurück zu den Sachen: Ich bin voller Blut."
"Dann waschen wir dich halt erst, bevor du es anziehst."
Ich runzelte die Stirn bei seinen Worten und hob fragend eine Augenbraue.
"Wir?"
"Ich helfe dir."
"Wenn du mich anfasst, breche ich dir die Nase", antwortete ich todernst und er erhob sich lachend und verließ das Zelt. Er schien mich nicht ernst zu nehmen und das störte mich auf einmal. Ich hatte einen seiner Krieger, wenn man Murphy denn so nennen konnte, völlig zusammengeschlagen und er behandelte mich, als wäre ich noch nicht einmal im Alter eines Novizen und dabei war ich Sekundant! Andererseits wusste er dies nicht. Generell wusste er nichts von mir und das war auch gut so. Für meinen Geschmack hatte ich bereits zu viel verraten, besonders wo ich ebenso rein gar nichts über die Himmelsmenschen oder ihren Anführer wusste.
Bellamy kehrte zurück mit einer Schale mit Wasser und einem noch sauberen Tuch. Er ließ sich neben mir nieder, tauchte das Tuch ins Wasser und wollte mir damit das Gesicht säubern, als ich seine Hand abfing.
"Ich kann das auch selber machen."
"Du bist völlig zugerichtet und siehst echt scheiße aus-"
"Danke fürs erneute daraufhin weisen!", knurrte ich.
"-jedenfalls will ich dir nur helfen."
Und ich war mir nicht ganz klar, wieso ich dies tat, doch ich senkte meine Hand und ließ ihn gewähren. Vorsichtig fuhr er mit dem Tuch über meiner Haut und befreite sie vom Dreck der letzten Tage, der Erde und vom Blut. Ich schloss die Augen und atmete tief durch.
"Wie lange bin ich hier?", flüsterte ich.
"Was hältst du davon? Wir spielen ein Spiel: Du stellst mir eine Frage und ich antworte ehrlich und dann darf ich dir eine Frage stellen und du antwortest ehrlich?"
"Ich mag keine Spiele."
"Magst du eigentlich irgendwas?"
Seine Stimme klang belustigt und sofort huschte ein Lächeln auf meine Lippen, doch schnell ließ ich es wieder verschwinden.
"Ist das schon deine erste Frage?", fragte ich und nun hörte ich ihn Lächeln.
Eine Stille kehrte ein, doch es war nicht bedrückend sonder seltsam beruhigend. Seine Anwesenheit machte mir nichts mir aus, ich genoss es fast. Wahrscheinlich, weil ich mich die letzte Zeit so einsam wie nie zuvor gefühlt hatte und das nicht nur hier in der Gefangenschaft. Auch bereits zu Hause.
"Du bist seit sechs Tagen hier. Die ersten drei warst du bewusstlos, am vierten bist du kollabiert weil die Idioten das Wasser vergessen hatten."
Er hatte meine rechte Wange fertig gesäubert und begann nun mit der anderen Seite. Dabei berührte seine Hand kurz meine Haut und überrascht zuckte ich zurück. Ich öffnete die Augen und sah seinen zögernden Gesichtsausdruck.
"Ich werde dir nicht weh tuen", meinte er langsam.
"Ich weiß, ich bin es nur nicht gewöhnt", antwortete ich leise und lehnte mich wieder zurück, während er seine Arbeit fortsetzte. Dabei stolperte ich in Gedanken über meine eigene Aussage. Wusste ich wirklich, ob er mir nicht weh tuen wollte? Ich hatte bereits zwei Kämpfe mit Murphy und ich hatte wirklich Glück, dass sie beide für mich gut ausgegangen waren. Und er hatte einmal eine Waffe auf mich gerichtet. Ich konnte ihn nicht einschätzen, ich kannte ihn nicht. Wieso traute ich ihm dann? Denn es war wahr, ich fürchtete mich in diesem Moment nicht vor ihm.
"Ich bin dran. Wie heißt du?"
"Können wir die Frage weiter nach hinten setzen?"
"Na gut... Wieso warst du bei unserem Lager?"
Ich seufzte, da ich auch diese Frage nicht beantworten wollte. Aber es wäre unfair, wenn ich mich weigern würde, denn er schien dieses Spiel tatsächlich spielen zu wollen. Und wenn ich richtig antwortete, würde ich vielleicht auch nicht zu viel über meinen Stamm verraten.
"Ich finde euch interessant."
"Wieso?"
"Das ist schon die nächste Frage, ich bin dran!"
Ich hörte ihn schmunzeln, während er weiterhin mein Gesicht säuberte und ich bereits wieder die Augen schloss.
"Woher kommt ihr?"
Diesmal schien er zu zögern und ich war mir sicher, ein interessantes Thema angestoßen zu haben. Ich öffnete eins meiner Augen und sah, wie er mit sich selber einen Wettstreit hatte, während ich neugierig auf seine Antwort wartete.
"Vom Himmel", antwortete er schließlich und hatte mir damit mit meiner eigenen Taktik eins ausgewischt. Ich machte einen Schmollmund.
"Das ist gemein", entgegnete ich und er zuckte unschuldig mit den Schultern.
"Ich bin wieder dran! Und woher kommst du?"
"Ich denke es würde dich nicht zufrieden machen, wenn ich 'aus dem Wald' antworte?"
"Nein, ganz und gar nicht."
Er säuberte den Lappen im Wasser und ich beobachtete, wie sich die vorher noch klare Flüssigkeit plötzlich schwarz rot färbte. Ich wollte nicht wissen, wie ich bis eben noch ausgesehen hatte. Er schien jedenfalls fertig zu sein, denn er erhob sich und stellte die Sachen auf eine Truhe.
"Ich komm später wieder und hole dir was zu Essen. Wenn was ist, warte einfach bis ich noch mal vorbei schaue, okay? Und geh nicht raus."
"Was soll ich denn machen? Mich langweilen?"
"Ich bin mir sicher, du könntest etwas Schlaf vertragen."
Erst jetzt bemerkte ich, wie müde ich tatsächlich war.
"Gut", antwortete ich und er verließ das Zelt.
"Warte!"
Er stoppte bereits halb draußen und drehte sich noch einmal zu mir um. Und ich tat etwas unglaublich dummes:
"Kezia. Ich heiße Kezia."
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Hey ihr Kartoffeln :)
Hier ist das zweite Jubiläumskapitel, das ich bereits in dem davor angekündigt habe <3
Wir sind bald da! Bald haben wir schon ganze zwanzig Kapitel. Ich muss wirklich immer wieder sagen, wie glücklich ihr mich mit euren Votes und Kommentaren macht! Danke für soviel Unterstützung und Freude, die ihr mir beschert.
Bald ist ja schon Weihnachten, ich kann es noch gar nicht fassen, wie schnell die Zeit vergeht.
Habt ihr eine Lieblingsszene in der bisherigen Geschichte?
Habt noch einen schönen Tag,
-I
[Das Bild zeigt das Camp]
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