Kapitel 5
Heute ist mein zweiter Tag bei den Jungs auf der Lichtung, mein erster richtiger Tag und ich werde endlich ein bisschen Klarheit bekommen, was hier alles vor sich geht. Gestern, als Gally mir meinen Schlafplatz zugewiesen hat, hat er mich freundlich darauf hingewiesen, dass ich lieber schnell einschlafen soll, da ich heute wohl ziemlich früh aufstehen müsse, da ich von Newt einen Rundgang bekommen würde. Gally war bisher eigentlich ziemlich nett zu mir gewesen, ich bin sehr froh darüber, dass er mir bisher geholfen hat, mich hier ein wenig besser zurechtzufinden. Mich ein wenig abzulenken, denn das mit der Stimme in meinem Kopf nimmt mich schon ziemlich mit. Ich habe bisher immer noch nicht mehr herausgefunden, die Stimme hat bis jetzt geschwiegen, sie schläft wohl und ich habe mich auch noch nicht bemüht, Kontakt mit ihr aufzunehmen, denn das ist eines der entferntesten Dinge, an die ich gerade denken kann. Ich weiß immer noch nicht, wo mir überhaupt der Kopf steht und meine einzige Hoffnung momentan ist, dass durch Newts Führung alles besser wird. Ich muss mich wohl oder übel daran gewöhnen, die nächste Zeit hier bei den Jungs verbringen zu müssen, im Hinterkopf würde ich natürlich immer die Flucht behalten. Ich habe das Gefühl, nur für ein paar Sekunden die Augen geschlossen zu haben, als mir jemand seinen Ellbogen in die Rippen bohrt und ich auf Grund dieses Schreckes beinahe aus meiner Hängematte kippe. Ich kann eine Balance gerade noch wiederfinden. Vor mir steht Newt, seine braunen Augen blitzen belustigt und um seinen Mund bilden sich Grübchen. „Guten Morgen, Frischling", lächelt er und streckt mir seine Hand hin, um mir aufzuhelfen. „Heute wird ein ein toller Tag. Hoffentlich klonkst du dir nicht vor Angst in die Hose, wenn du das alles hier zu sehen bekommst." Gally hatte mir gestern Abend noch einmal den Grundwortschatz des sogenannten 'Glader-Slangs' beigebracht, deswegen tue ich mich heute nicht mehr so schwer, zu verstehen, wovon die Lichter sprachen. „Lass uns loslegen", sage ich und stehe auf. „Strunk", füge ich noch hinzu, als ich durch meine Haare fahre, sie sind dunkelblond, wie ich gerade feststelle. Newt lächelt mich an und läuft ein paar Meter nach vorne. „Folge mir, wir fangen mit dem Wald an, den kennst du ja schon." Ich folge ihm zu den dichten Bäumen und bis zu einer Stelle, an der braune Holzgräber zu sehen sind. Bei dem Gedanken, dass hier auch schon Jungs gestorben sind, zucke ich zusammen und mir läuft eine Gänsehaut über den Rücken. Was ist ihnen nur passiert? Was gibt es hier so Bedrohliches, dass es so viel Tote gibt? "Ich werde es dir nacher erzählen, hab keine Sorge, May. Du wirst es verstehen." Er legt mir seine Hand auf die Schulter. Ich zucke kurz zusammen, da ich nicht mit dieser Geste gerechnet habe, doch dann entscheide ich mich dagegen, seine Hand abzuschütteln. „Warum nennst du mich May?" Newts Wangen färben sich leicht rötlich, als hätte ich ihn bei einer unangemessenen Tat ertappt. „Ich weiß es nicht, mir ist einfach dieser Spitzname eingefallen. Und es ist doch auch besser als Frischling oder Strunk, nicht?", fragt er. Wo er recht hat, hat er recht. Er führt mich weiter zur Küche, wo wir Bratpfanne, dem Koch, begegnen. „Na, Maria, denkst du, dass du ein Koch sein wirst? Ich freue mich schon, wenn du einen Tag bei mir verbringen wirst. Es heißt doch immer, Frauen sind geschickt, wenn es um Essen geht. Ich bin echt gespannt." Es klingt wirklich nett von ihm, doch obwohl ich es noch nicht ausprobiert habe, bezweifle ich, dass ich darin wirklich geschickt bin. Newt quittiert meine Gedanken mit einem hämischen Lächeln. Ja, ja, soll er sich nur lustig machen! Langsam bricht der Morgen an und alle stehen auf, um sich auf dem Weg zu ihrem Beruf zu machen. Ich sehe, wie Gally auf das Gebäude, das sie alle das Gehöft nennen, zuläuft, hinter ihm ein paar andere Jungs, die ich vorher noch nie gesehen habe. Sie haben Schrauben und ein paar Hämmer in der Hand und während ich sie ansehe, muss ich irgendwie an den Titel 'Bob, der Baumeister' denken, obwohl ich nicht weiß, was das sein soll. Gally winkt mir lächelnd zu, was mir ebenfalls ein Lächeln auf die Lippen zaubert. Ich habe bisher von allen Lichtern zu ihm den besten Draht, was wohl daran liegt, dass er sich auf mich einlässt und auch bei mir war und mich nicht gleich, als ich jemanden brauchte, alleine gelassen. Newt ist ebenfalls sehr nett und ich hoffe, dass es alle anderen auch nur annähernd sind. Von Alby habe ich gehört, dass er teilweise sehr mürrisch sein kann und seine eigenen Ansichten hat, was ich sehr schade finde. Ich glaube nämlich, dass es sicherlich nicht schadet, wenn man sich mit dem Anführer gut versteht. Newt ist aber auch der zweite Anführer und mit ihm verstehe ich mich recht gut. Newt führt mich nun auf große Steinmauern zu, die die ganze Graslichtung umgeben. Diese Steinmauern müssen das gewesen sein, was gestern Abend so gequietscht hat und das, was uns wohl vor diesen Griewern beschützt. Was dort draußen liegt, weiß ich nicht, doch ich habe das Gefühl, dass ich es jetzt wohl gleich wissen werde. Vor den Mauern stehen ein paar Jungs, die sich dehnen. Sie haben sehr merkwürdige Kleidung an, Arten von Rucksäcken oder Taschen um die Brust geschnallt, die wohl mit irgendwelchem Inhalt gefüllt sein müssen. Was ihr Job ist und warum sie hier Dehnübungen machen, weiß ich nicht. „Das sind die Läufer. Ihre Aufgabe ist es, jeden Tag dort raus ins ...", Newt stockt. Was ist denn los? Was wird mir denn jetzt schon wieder verschwiegen? Ich habe es langsam echt satt. „ ... ins Labyrinth. Alby und ich haben uns besprochen und haben beschlossen, dass du alles wissen musst. Wir sind alle von einem riesigen Labyrinth umgeben und diese Läufer, Minho ist der Hüter von ihnen, versuchen, einen Ausweg zu finden. Sie wissen, was sie tun, also komm ihnen nicht lieber nicht in die Quere. Da draußen ist es nicht ungefährlich, deswegen auch unsere Regel, dass du niemals die Lichtung verlassen darfst! Kann ich dir vertrauen?" Wieder so viele Informationen, wie soll ich das alles denn so schnell verdauen? Was birgt die Lichtung denn noch für Geheimnisse? Ich schlucke und nicke. Ich werde da garantiert nicht freiwillig rausgehen, wenn diese 'Läufer' solche Lust verspüren, sich zu verlaufen, ist das deren Sache. Wieder ein Job, der für mich nicht in Frage kommt. Mein größtes Problem ist es momentan sowieso, herauszufinden, wer diese mysteriöse Stimme ist.
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