Scarlett ~ Shawarma
Stille breitete sich aus.
Sie hatten T'Chada und mich allein zurückgelassen, um sich abzureagieren – und das, obwohl sie uns sonst nicht aus den Augen ließen, aus Angst, wir würden uns gegenseitig umbringen. Jetzt schien sich das ins Gegenteil gekehrt zu haben, und es gefiel mir nicht...
T'Chada auf der Couch neben mir zitterte, und sein Mund hatte sich merkwürdig verzogen – als würde er sich von innen auf die Lippe beißen. „Hast du dir selbst zuzuschreiben", kommentierte ich nicht ganz so kalt, wie beabsichtigt. Und auf eine Regung wartete ich auch vergeblich, abgesehen von einem kurzen Knurren. Nicht einmal an seinen Augen konnte ich ablesen, ob er auf Provokationen eingehen würde...
„Jetzt nimm diese dämliche Brille ab", fauchte ich ihn ungehalten an, wusste einfach nicht, was ich sonst sagen sollte. Und weil dieses Geaffe einfach unnötig war. Mein Cousin blieb kurz wie erstarrt, und ich spürte schon die übliche heiße Wut in mir hochwallen, da riss er sich plötzlich die Sonnenbrille vom Gesicht. „Zufrieden?", schnauzte er grob, und mein Blick heftete sich auf seine ungewöhnlich matten Augen, die vor zurückgehaltenen Tränen schwammen.
Ich brauchte einen Moment, mich zu fangen, und die Überraschung war auf meinem Gesicht sicher klar zu lesen. Aber T'Chada wartete nur schwer atmend auf meine Reaktion, weshalb ich nun selbst schnaubend meine Arme verschränkte. „Nee. Weil du zu dir selbst stehen solltest, du dämlicher Idiot, und nicht hier im Selbstmitleid versinken." „War ja klar, dass du niemals mit mir zufrieden bist, du dumme Gans", schoss er zurück, öffnete seinen Mund schon, um noch etwas anzuhängen – und ließ sich dann scheinbar kraftlos wieder in die sichere Umarmung der Lehne zurückfallen.
Deutlich für ihn sichtbar verdrehte ich die Augen, ignorierte die Tränen, die jetzt über seine Wangen liefen. Ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte, dass er sich verletzlich zeigte, gerade vor mir. Ich strich meine schwitzenden Handflächen am Leder des Sofas ab, das leider die Feuchtigkeit nicht sonderlich gut aufsog, und senkte meinen Blick kurz auf den Boden ab. Ich hatte allerdings nicht erwartet, da auch jemanden zu sehen...
Seymour hatte sich wie immer lautlos genähert, doch als er sich jetzt an das metallene Bein des niedrigen Tisches schmiegte, maunzte er leise. Sein seidiges Fell lag glatt an, als er sich kurz sammelte und dann auf die Couch neben T'Chada sprang. Sein Schwanz peitschte zum Ausgleichen der Kräfte, aber er legte ihn sich sofort wieder um die Pfoten, als er sich auf dem Schoß meines Cousins niederließ. Erleichtert registrierte ich, wie T'Chada sofort ruhiger zu werden schien und seine Finger abwesend über das Köpfchen des Katers wandern ließ, der sanft schnurrte.
„Wir schwarzen Katzen müssen eben zusammenhalten", murmelte er etwas erstickt, und obwohl seine Stimme noch zitterte, zuckte mein Mundwinkel ein wenig hoch. „Ihr bringt Unglück", musste ich natürlich dennoch gegenhalten, doch mein Cousin schien sich nicht daran zu stören. Er blieb stumm, und auch ich fand nichts, was ich noch hätte ansprechen können. Bis auf Seymours Schnurren wurde es still zwischen uns, aber das Schweigen war von der unangenehmen Art, und mir war wärmer, als es guttat.
Doch zu meinem Glück musste ich nicht weiter reagieren, denn im Flur erklangen Fußschritte – und diese Stimmen würde ich auf einen Kilometer Entfernung erkennen.
„Spidey, du machst mir fast Konkurrenz mit badass Zitaten."
„Hallo, was ist mit mir? Achtzehn geschossen, achtzehn getroffen. Ehhh – sorry, neunzehn. Das nenne ich badass!"
„Ach, die alte Nummer. Habt ihr gesehen, wie die geguckt haben, als Tony und Cap mit Mjömjom kamen? Das hat meiner Ameise die Show gestohlen."
„Oder als Bucky den alten Hydra-Typen begrüßt hat. Schön, Sie wiederzusehen, hat ihm den linken Arm gereicht – zumindest für mich. Und prompt war seine Hand zerquetscht und er lag winselnd am Boden!"
„Kommt schon, will niemand meinen Aufritt erwähnen? I'm a bird, motherfucker, I'm a bird, und dann bin ich dem einfach davongeflogen – Redwing hat ihn natürlich von hinten erledigt."
Mit leicht erhobenen Augenbrauen beobachtete ich, wie die Avengers in ihre Basis einzogen, Steve mit Thor und Gramps schmunzelnd vorneweg. Mom ließ sich von Dad führen, hatte sich nach hinten gewandt und scherzte mit Peter, dem Bucky einen Arm um die Schultern gelegt hatte. Clint, Scott und Sam gestikulierten wild mit funkelnden Augen, während Natasha und Wanda mit Bruce und Vision an ihren Seiten angeregt über irgendwelche Unwichtigkeiten redeten. Stephen bildete das Schlusslicht, mit wehendem Umhang, und schloss unnötigerweise die automatische Tür mit einem funkensprühenden Handwinken.
Ihr Auftreten war so anders als unseres, so viel fröhlicher, sorglos – so glücklich.
Während wir uns Sorgen gemacht hatten um die Geschehnisse, den mutwilligen Mord in Gedanken immer und immer wieder durchwälzt hatten, verhielt sich die ältere Generation, als würden sie gerade von einer gemeinsamen Feier kommen. Und sie hatten so viel mehr Menschen getötet als wir... Aber das war ihr Job. Sie waren die Superhelden, die Opfer brachten für die, die sie schützten.
Ein Großteil der Truppe grinste uns nur kurz zu und machte sich gleich weiter in die Küche, wohl doch hungrig vom Kampf. Mir wurde schon bei dem Gedanken an Essen übel, ich musste erst einmal die Geschehnisse verarbeiten...
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie T'Chada sich eilig mit den Enden seiner Hoodieärmel über das Gesicht wischte und ein leichtes Grinsen aufsetzte. Sonderlich viel brachte das natürlich nicht, weil das altbekannte Funkeln in seinen Augen fehlte, aber mein Cousin war auch nicht für seine Schauspielkünste bekannt.
Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als Gramps vor dem Glastisch zum Stehen kam, die Hände voll mit zwei gefüllten Teigtaschen. Ich verzog schon beim Geruch mein Gesicht, und auch T'Chada murmelte irgendetwas von „keinen Appetit", aber mein Großvater schenkte uns nur einen auffordernden Blick. „Die haben sogar ihren Laden nach mir benannt. Ist also definitiv ein Must-Eat."
Seufzend ließ ich mir das Shawarma reichen, knabberte aber nur ein wenig am äußeren Teig, der unangenehm warm in meinen Fingern lag. Das intensive Aroma des Fleischs stieg deutlich in meine Nase, und ich legte das Fladenbrot so unauffällig wie möglich wieder auf dem Glastisch ab.
„Na kommt schon, Kiddos, so kann man doch keinen Sieg auskosten", seufzte Gramps, während er sich auf dem freien Sofa niederließ. T'Chada schenkte ihm nur einen skeptischen Blick, und ausnahmsweise musste ich ihm zustimmen: „Es fühlt sich irgendwie nicht an wie ein Sieg."
Obwohl Gramps seine Lippen zu einem Grinsen verzog, funkelten seine dunklen Augen mitfühlend, und wieder einmal konnte ich meinen Blick nicht von ihm losreißen. „Was wollen wir mehr? Wir haben vereint gestanden, und wir haben gewonnen. Ohne Verluste." Seine Stimme war kräftig und stabil, aber sein Ton schien mich förmlich aufzufordern, Widerworte zu geben. „Es gab Verluste. Nicht auf unserer Seite, aber es gab sie. Und wir sind daran schuld. Warum wollt ihr das?"
Jetzt wurde Gramps' Lächeln tiefer, und er beugte sich vor, um mit seinen starken Fingern meine Faust zu bedecken, die neben mir in das Leder der Couch gepresst war. Die faltige Haut seiner Handfläche strich sanft über meinen Handrücken, und ohne, dass ich den Befehl dazu gegeben hatte, entspannten sich meine Finger. „Weil ihr es wert seid", sagte er leicht rau, von unten erst zu mir aufsehend, dann seinen Blick auf T'Chada legend. „Und wenn ihr das Kämpfen den Avengers überlassen wollt, dann ist das okay. Ihr müsst nicht kämpfen. Wir werden euch immer beschützen."
Ich schluckte schwer, verhakte meine Augen für einen Moment mit denen meines Cousins, die jetzt wieder klar waren.
„Denn ihr seid die Kinder", sagte Tony Stark, „Die Helden, die wahren Erfolg verkörpern."
***
Etwas ändert sich nie. Shawarma gehört zu einem Sieg dazu - und epische Worte von Tony Stark natürlich auch. Das hier ist übrigens das drittletzte Kapitel, und ich spüre schon die Emotionen in mir hochwallen.😉
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