Hunter ~ Himmelfahrtskommando
Warten war nicht gerade meine Stärke.
Morgan hatte Nate, Queenie und Peggy losgeschickt, auf irgendeine Kontrollmission – ich hatte nicht ganz zugehört. Unsere Chefin selbst saß leise murmelnd vor irgendwelchen Karten und Statistiken und natürlich den altbekannten Hologrammen.
Die restlichen beiden Watchers waren witzigerweise genau die, denen schnell langweilig wurde und die schon im beschäftigten Zustand hochexplosiv waren. Meine Schwester und Chad wartend nebeneinanderzusetzen war ungefähr so klug wie mit einem Flammenwerfer in einer Tankstelle zu experimentieren.
Jedenfalls hatten wir uns eine Möglichkeit suchen müssen, keinen dritten Civil War vom Zaun zu brechen, auch wenn Scars Blick tödlich wurde, als Chad mit triumphierendem Grinsen eine Zwei-Ziehen-Karte auf ihre Friss-Vier legte.
Seufzend zog ich sechs neue Uno-Karten und stieß meine Schwester an, die vor lauter Todesfantasien nicht mitbekommen hatte, dass sie an der Reihe war. „Jetzt warte doch mal", zischte sie, „Ich finde eindeutig, dass man schwarze Ziehen-Karten nicht weiterschieben kann. Nicht mit Zweiern auf jeden Fall."
„Du legst dir die Regeln aber auch, wie du sie gerade brauchst", schoss Chad zurück, sich genervt aus seiner zurückgelehnten Haltung aufrichtend.
Für einen winzigen Moment hob ich meine Augenbrauen und ließ meinen Blick abwesend durch den Raum schweifen. Auf unserem niedrigen gläsernen Tisch spiegelten sich Morgans Hologramme, die vom hölzernen Schreibtisch auf der anderen Seite des Raumes zu uns herüberleuchteten. Eigentlich wäre auf den drei U-förmig aufgestellten Ledersofas noch mehr als genug Platz für sie gewesen, doch mit einem entschuldigenden Blick in meine Richtung hatte sie sich verzogen.
Tief luftholend strich ich gedankenverloren über das dunkle Material der Couch. Der Raum hatte zwar kein Fenster, war aber durch die weißen Wände hell genug... Glück für uns, Scar hätte jegliche Verbindung nach draußen weit aufgerissen. Dabei war ihr Anzug so dünn wie nur irgendwie möglich, ganz im Unterschied zu den Hoodies von mir und T-Chada. Seiner selbstverständlich schwarz, meiner weiß – gegensätzlicher könnten drei Gleichaltrige gar nicht sein.
„Hey, Hoodwink, kannst du nun oder nicht?", riss mein ungeduldiger Cousin mich aus meinen Gedanken.
„Ach, ihr seid also fertig", murmelte ich kaum hörbar, aber Scar zog trotzdem die Augenbrauen hoch. Nach einem kurzen prüfenden Blick legte ich eine rote Vier – bei zwölf Karten konnte ich selbstverständlich legen – und meine Schwester zog augenverdrehend vom Stapel. Aus dem Augenwinkel sah ich Chads Mundwinkel zucken, und bemüht, eine ausdruckslose Miene zu wahren, legte er sein „Uno". Doch als Scarlett hörbar mit den Zähnen knirschte, grinste er breit – die beiden konnten wirklich kindisch sein.
Allerdings wurden wir unterbrochen, bevor mein Cousin seinen letzten Zug machen konnte: Die Tür öffnete sich und Mom trat ein, nach hinten über ihre Schulter irgendetwas zu Gramps sagend, der sich gegen den Rahmen lehnte.
Chad und Scar richteten sich beinahe synchron auf und warteten ab, was die beiden Älteren zu sagen hatten, nur Morgan regte sich nicht. Genau die wollte Gramps aber sprechen: Ohne überhaupt darüber nachdenken zu müssen, schlenderte er weiter nach rechts, wo er Sichtkontakt zum Schreibtisch hatte. „Juice Pops, bist du auch geistig anwesend oder nur körperlich? Oder keins von beidem? Man weiß ja nie..."
Genervt fuhr Morgan auf ihrem Drehstuhl herum und verschränkte die Arme: „Was?! Ich hasse es, beim Arbeiten unterbrochen zu werden..."
„Genauso sehr wie er", bestätigte Mom grinsend, die ihm gefolgt war, und nickte in unsere Richtung. „Kommt zusammen."
Augenverdrehend erhob sich Morgan und ließ sich zusammen mit ihrer Schwester neben Scar fallen. Mom aber war noch nicht zufrieden und forderte Gramps auf: „Du auch. Ich weiß, dass du gern über allen anderen stehst, aber in der Situation ist das dann doch ein wenig ungünstig." „Du wirst immer frecher, Kid", beschwerte sich Tony, setzte sich aber leise ächzend neben Chad, der sofort ungefragt Platz machte. Vor dem Familienoberhaupt hatte jeder Respekt, außer Mom, vielleicht.
„Folgendes", begann diese da auch schon, sehr zur Freude Scars, die schon wieder ungeduldig auf ihre blassblauen Fingerspitzen gestarrt hatte, „Peter ist-" „Na, Kid, ich bin immer noch erfahrener als du. Und älter. Und chefiger", unterbrach Gramps sie, stockte aber sofort wieder – irritiert von sich selbst. „Jedenfalls, ich übernehme."
Dank der erneuten Unterbrechung ließ ich meinen Kopf kurz in den Nacken sinken, und mein Fokus fiel dabei zufällig auf Chad – dessen Augen zwar genauso ruhelos waren wie meine, der aber neben Tony Stark völlig stillsaß.
„Peter haben wir erstmal bei Happy und May einquartiert", erklärte Gramps endlich, „Und da wird er auch so schnell nicht wieder hervorkommen."
„Sollte er nicht eigentlich seinen Anzug überziehen und auf die Jagd nach den Entführern seiner Tochter gehen?", hakte Morgan skeptisch nach, doch Gramps presste nur kurz die Lippen zusammen.
„Ich glaube nicht, dass er je wieder seinen Anzug überzieht", sprang Mom sanft ein, „Nicht nach dem letzten Mal."
Unwillkürlich lief - trotz Hoodie - ein Schauer über meinen Rücken, und sogar Gramps wurde eine Spur blasser.
Das letzte Mal.
Nicht nur im Sinne von der „letzten Entführung" von vor sieben Jahren, sondern vor allem dem „letzten Kampf der Avengers". Als sie damals nicht geschafft hatten, MJ zu rächen, hatten sie alle aufgehört, an sich selbst als Rächer zu glauben. Und Gramps hatte die Watchers ins Leben berufen...
„Hier kommt ihr ins Spiel." Tony lehnte sich vor und legte seine Hand, die nur ganz leicht zitterte, auf den Glastisch, und unbewusst folgten wir anderen seiner Bewegung. „Die Avengers sind... nicht mehr in derselben Verfassung wie früher. Aber ihr seid ein Team, ihr seid stark. Wir wissen, dass dieselben Schuld sind wie beim letzten Mal. Ihr kennt sie als die Geweihten." Morgan öffnete ihren Mund, doch Mom schüttelte sacht den Kopf. Das hieß: Die Analyse würden unsere schlauen Köpfe später klären. Erleichtert wandte ich mich wieder Gramps zu. „Ihr habt einen Vorteil, den wir damals nicht hatten: Ihr steht nicht in der Öffentlichkeit. Ihr könnt undercover agieren, seid im perfekten Alter für neue Rekruten, könnt euch einschleichen und sie von innen heraus zerstören."
Mom murmelte irgendwas, das sich stark nach „Zemo Reprise" anhörte, doch meine Aufmerksamkeit lag woanders: „Einen Maulwurf in die Mafia schicken? Ernsthaft?" Ich hörte selbst, wie meine Stimme einen merkwürdigen Unterton bekommen hatte - ungläubig, aber hoffnungsvoll.
„Nein, nicht ernsthaft", reagierte Morgan dagegen erstaunlich heftig, „Wie du schon gesagt hast, sie scheinen vor allem junge Menschen zu rekrutieren – Jugendliche, die ihr Leben nicht im Griff haben. Aber genau deshalb ist die Erkennungsgefahr von einem von uns viel zu hoch."
„Nicht unbedingt", widersprach Gramps, und sein eindeutiger Blick legte sich auf mich.
Ich schluckte schwer, mit rasenden Gedanken. Das war gefährlich. Ein Himmelfahrtskommando. Aber wenn Gramps und Mom es vorschlugen – und Nia... Ja, ich würde viel riskieren, aber sie hatte schon immer über allem anderen gestanden. Und wenn ich eine Illusion über mich selbst legte, würde mich tatsächlich niemand erkennen können.
Vielleicht zitterten mir die Finger, ja. Mein Herz klopfte und sagte mir eindeutig, wie dämlich die Idee war... Aber es gab keine Entscheidung. Wir mussten Nia um jeden Preis schützen.
Langsam nickte ich.
***
Soo. Es war natürlich im Nachhinein sehr offensichtlich, dass im Prolog nicht Gracie, sondern MJ gestorben ist. Das tut mir zwar sehr leid, war aber nötig... Und ich hätte es niemals, niemals übers Herz gebracht, wirklich Gracie sterben zu lassen. Solltet ihr das noch nicht vorher geahnt haben, dann schreibt mir gern, was ihr davon haltet!😉
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