Hunter ~ Boxhandschuhe
Sobald das Auto am Sunset Park Brooklyns gehalten hatte, war ich der erste, der auf festen Boden floh.
Meine Beine waren doch um ein ganzes Stück länger als die meiner Schwester und denkbar ungeeignet für einen Platz auf der Rückbank – nicht, dass das jemanden interessierte. Windhundprinzip.
Was tat man nicht alles für seine Ladys...
Peggy warf mir ihren Wohnungsschlüssel zu und ich schloss die Autotür, damit sie den Wagen in die Garage fahren konnte.
Locker joggte ich die paar Stufen zum Eingang des roten Backsteingebäudes hoch und drückte nebenbei auf den Fahrstuhlknopf, damit meine Schwester nicht laufen musste.
Ich selbst nahm das Treppenhaus – ein Körper wie meiner kam nicht von selbst.
Außerdem gab es im Wohnkomplex hier nur sieben Apartments, und das der Rogers' war das einzige ohne Blick auf die Skyline von Manhattan - ich hatte also nur drei Treppen zu laufen.
Der fehlende Ausblick war sehr zu Peggys Unwillen, aber Steve mochte Wolkenkratzer noch immer nicht sehr gern.
Doch noch bevor ich die Wohnung erreichte, öffnete sich die Tür zu meiner Linken und Vision trat hervor.
Er hatte mich wohl kommen sehen: „Hunter, wie schön, dich zu treffen."
Ich salutierte grinsend in seine Richtung, und mein Onkel kommentierte dazu: „Heb dir das für Steve auf. Er ist vor zwölf Minuten angekommen, Sharon ist noch beim CIA."
„Na dann", ich grinste ihm zu, „Was macht Wanda so? Alles klar bei euch?"
„Wie immer, alles in Ordnung. Wir haben letzte Woche endlich den Kochkurs besucht, den sie mir zum Geburtstag geschenkt hat. Es war... eine interessante Erfahrung." Leicht lächelnd zupfte Vision seinen schwarzen Pullunder zurecht, der ihn wie einen ganz normalen älteren Herren aussehen ließ. Auch die dünnen blonden Haare trugen dazu bei, aber das blaue Leuchten auf seiner Stirn ließ sich nicht verbergen - nur, wenn er seine dunkle Beanie trug, aber die hatte Peggy ihm irgendwann mal geklaut.
Ich warf einen kurzen Blick über die Schulter, wo sich die Fahrstuhltüren jetzt öffneten, und drückte meiner Schwester den Schlüssel in die Hand.
Sie strich sich mit einem leichten Lächeln die schulterlangen dunkelblonden Haare zurück und verschwand dann kommentarlos um die Ecke zu Rogers' Wohnung.
„Naja, beim nächsten Familienessen bekomme ich ja hoffentlich eure Künste präsentiert", griff ich das Gespräch wieder auf, „Nächste Woche, wenn Peter Geburtstag hat, oder?"
„Sehr gerne", verabschiedete sich Vision, und ich schlug ihm auf die Schulter, die mit meiner endlich auf einer Höhe war. „Sag Wanda liebe Grüße, bis dahin!"
Peggy kam jetzt ebenfalls die Treppe hoch, und ich wartete, bis sie mich erreicht hatte, dann betraten wir gemeinsam ihre Wohnung.
Ich entledigte mich meiner Lederjacke und hängte sie an die Gästegarderobe, wo sie einsam ihr Dasein fristete.
Eigentlich war es zu warm für lange Ärmel, aber kommt schon, diese Teile sind einfach cool... Meine Schwester hatte selbstverständlich keine Jacke getragen – um ehrlich zu sein war ich mir nicht einmal sicher, ob sie so etwas überhaupt besaß.
„Hey, schön, dass ihr da seid!"
Steve trat aus dem hellen Wohnzimmer und zog seine Tochter prompt in die Arme, was Peggy nur mit einem Augenverdrehen kommentierte. Ich bekam einen brüderlichen Schlag auf die Schulter.
„Ich hab euch vermisst, Kiddos."
„Ja, reicht auch wieder", murrte Peggy und verschwand um die holzgetäfelte Flurecke nach rechts, in ihr Zimmer.
Normalerweise war sie ein wahrer Sonnenschein, aber in dieser Familie war es manchmal schwierig, auf seine Eltern zu treffen. Wachhunde und Glucken waren nichts gegen die Avengers.
Steve sah mich jetzt etwas ratlos an. „Und... alles gut bei euch?"
„Kann mich nicht beschweren", zuckte ich die Schultern.
Mein Onkel sah zur Zimmertür seiner Tochter, dann kehrte sein Blick wieder zu mir zurück. „Ja... Gehen wir in den Keller, bis Gracie kommt?"
Meine Laune hob sich um ein paar weitere Grad, und ich grinste ihn erleichtert an: „Ich dachte schon, du fragst nie."
Der Keller hier war nicht sonderlich spektakulär, es grenzten nur ein paar Räume an, wo Geräte und Putzmittel herumstanden. Wichtig war für uns der Boxsack, der in der Mitte von der Decke hin: Hier trainierten Steve und ich, wann immer wir die Gelegenheit dazu hatten.
Mit geübten Griffen wickelten ich Bandagen um meine Hände und fing dann zur Erwärmung an, auf der Stelle zu hüpfen.
Auf und ab, hin und her, drehen nach rechts und links – immer darauf achtend, dass alle Gelenke gelockert wurden.
Nebenbei Armkreisen, dann höhere Sprünge, bei denen ich die Beine ganz anzog.
Glaubt mir, Flummis haben ein anstrengendes Leben.
Schließlich zog ich die Boxhandschuhe über und ging in die Grundstellung.
Zum Einstieg machte ich nur ein paar schnelle Schläge hintereinander, rechts und links, bis Steve Anweisungen dazwischen warf: „Weiter so, links, rechts – Haken!"
Überrascht von dem plötzlichen Kommando wirkten meine Bewegungen noch etwas abgehackt, und um meine Flüssigkeit zu verbessern, ging ich gleich in die nächste Kombination über: Jab, linker Haken, rechter Haken.
„Besser. Jetzt mehr Kraft hineinlegen – Jab, rechts, Haken, rechts!"
Nach einigen kräftigen Schlägen erhob Steve wieder seine Stimme: „Achte auf deine Beinarbeit, Hunter! Beweise mir, dass auch Männer multitaskingfähig sind!"
„An Nat komme ich sowieso nicht heran", keuchte ich grinsend, konzentrierte mich dann aber wieder auf den Boxsack.
„Jab, links, Haken, Haken!"
Ich prustete, als ich nur meinen linken Arm beanspruchte. Das war ungewöhnlich, und es gefiel meinem Körper nicht so ganz.
„Halte deine Rechte in der Defensivposition, nicht senken lassen! Auch, wenn sie gerade passiv ist, bleib auf alle Körperteile konzentriert!"
Ich nickte nur knapp und wiederholte die Bewegung, dann schlug ich wieder einen Jab, eine rechte Gerade und einen Haken wie am Anfang.
„Gut, Hunter, jetzt, Achtung: Jab, rechts, Haken – rechter Aufwärtshaken, rechter Haken!"
Kurz taumelte ich, nachdem mein vorletzter Schlag den Boxsack getroffen hatte, dann landete mein Haken doch noch erfolgreich.
„Du willst mich aber auch echt quälen heute, kann das sein?"
Keuchend blickte ich zu ihm auf - hatte dabei aber nur ein kleines Stück hochzusehen - und stützte meine Hände auf den Knien ab. Neben mir schwang der Sack immer noch leicht hin und her, und die Stahlketten klirrten leise.
„Ach was", Steve zwinkerte mir zu, „Ich bin harmlos im Vergleich zu Peggys Namensgeberin damals. Nur nicht aufgeben, Großer!"
Ich nickte und hob die Fäuste wieder.
„Von vorn!"
*
Später saßen wir dann beide mit unseren Wasserflaschen auf der Plastikbank, die irgendwer mal hier stehengelassen hatte. Steve nickte mir zu: „Du wirst immer besser, Kleiner."
Ich grinste ihn dankbar an, verdrehte dann aber meine Augen: „Von wegen ‚Kleiner'. Ich hab' dich fast eingeholt." Steve winkte das nur ab und klopfte mir auf den Rücken.
Tja, das Los des jüngsten männlichen Avengers-Nachkommen. Wow, was für ein Titel.
Wenigstens war ich zwölf Minuten älter als meine Schwester, und natürlich trennten unser Küken und mich volle sechs Jahre.
„Naja", grinste ich sorglos, „Ich boxe ja gern. Irgendwann wird's vielleicht auch weniger anstrengend."
Steve schmunzelte. „Kann ich dir nicht versprechen. Du musst ja nicht immer bis an deine Grenzen gehen."
Ich zog leicht die Augenbrauen hoch. „Nun, vom Nichtstun wird man nicht zum Schulschwarm."
Mein Onkel runzelte leicht die Stirn. „Du solltest nicht so viel auf diese Bezeichnung geben."
Ich tat das mit einem Schulterzucken ab. Mir war es egal, wie viele Mädels – und teilweise auch Jungs – mir hinterherrannten, jedenfalls war es mir nützlich, wenn einer von uns sich in irgendwas reingeritten hatte.
Vorzugsweise meine Schwester.
Ein Gespräch mit der Schulsekretärin und die Sache war gegessen...
„Ich bleib schon auf dem richtigen Pfad", versicherte ich meinem Onkel. Dieser lächelte und öffnete schon wieder seinen Mund, da ließ uns eine Stimme innehalten: „Hunter, Steve, kommt ihr bitte nach oben? Gracie ist gerade eingetroffen."
Ich seufzte. „Schon unterwegs, Oscar."
Moms KI nahm zu gern Zugriff auf die Starkphones von mir und Scar. Das sorgte gern für Verwirrung, aber in unserer Familie hatten sich alle an ihn gewöhnt.
Steve schlug sich auf die Oberschenkel und erhob sich: „Na dann, lassen wir die Damen nicht warten."
Ich ergriff seine dargebotene Hand und ließ mich von ihm hochziehen.
***
Und hier haben wir etwas mehr Alltagsleben der Avengers im Jahre 2043. Sie könnten fast eine ganz normale Familie sein, nicht wahr? Fast.😉
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