10.
Ich hatte in meiner Eile kaum realisiert, wie weit meine Sinne gewandert waren. Erst als ich eine Treppe hinaufflitzte und zu Keuchen anfing, wurde es mir wirklich bewusst. Die Geräusche waren vom anderen Ende des Schulgebäudes gekommen! Hoffentlich war ich dann noch nicht zu spät!
Doch ich hatte Glück, riesiges Glück. Gerade rechtzeitig schlitterte ich um die Ecke des Korridors, sprintete an den Schließfächern vorbei und drängte mich durch die Menge an Schülern, die sich als schaulustige Schar um zwei miteinander kämpfende Jungen drängte. Der eine war soweit ich das wusste ein Siebtklässler, verhaltensauffällig und nur auf Ärger aus, doch dieses Mal hatte er sich eindeutig mit dem Falschen angelegt...
"Julian! Um Gottes Willen, lass ihn runter!", rief ich, während ich auf die beiden zuging. Die Geräusche, die ich gehört hatte, waren der Überlebenskampf des Kleineren gewesen, der von meinem Klassenkameraden am Hals gegen die Wand gepresst wurde. Er würgte, schlug verzweifelt um sich und weinte bitterlich bei dem Versuch, weiter nach Luft zu ringen. Was machte Julian da?! Eben hatte Herr Eisler noch davon gesprochen, dass man ein kritisches Auge auf uns und unsere Kräfte geworfen hatte, jetzt war er schon drauf und dran, einen anderen Schüler umzubringen! War er nur komplett durchgeknallt?!
Julian löste die Schlinge tatsächlich, als ich mich einmischte, und gab sein Opfer frei, aber seine Überraschung währte nur für Sekunden. "Halt dich da raus!", brüllte er mich an, seine Stimme rutschte dabei um einiges höher als ich sie je zuvor gehört hatte, "Du hast ja keine Ahnung!"
Er wollte sich wieder dem Jungen zuwenden, der halb ohnmächtig zu seinen Füßen lag, als ich Julian an der Schulter packte und aufhielt: "Ich werde hier garantiert nicht nur zusehen! Was zur Hölle soll das? Lass ihn in Ruhe!"
"Er hat angefangen! Er hat mich seit Anfang des Jahres ständig gemobbt und ausgelacht! Das hat er verdient, also geh mir aus dem Weg!", fauchte er mich wütend an und erschrocken hörte ich ein leises Zischen, das von seinen Händen ausging, dann spürte ich auch die schnell anwachsende Wärme von ihnen ausstrahlen. Er hatte wirklich vor, Ernst zu machen und den Kleinen zu verbrennen! Oder mich, wenn ich nicht aufpasste! Was sollte ich tun? Ich konnte ihn nicht einfach weiter machen lassen! Doch genauso wenig wusste ich, wie ich Julian besänftigen konnte. Ich hatte mich nie viel mit ihm unterhalten und kannte ihn deswegen kaum. Das fiel mir jetzt auf die Füße, während ich mit beschwichtigend erhobenen Händen dastand, um uns ein besorgt miteinander tuschelnder Kreis, und mir verzweifelt das Hirn zermarterte. Mit überlegenem Ausdruck wandte Julian sich von mir ab und wollte sich bereits wieder den regungslosen Jungen vorknöpfen, als mir jemand zur Hilfe eilen wollte.
"Hey, hast du nicht gehört? Lass ihn in Ruhe!", blaffte Tim laut, war mit ein paar Schritten an mir vorbei gestapft und stieß Julian vor die speckige Brust. Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass er mir gefolgt war, und erschrocken hielt ich die Luft an. Mir blieb keine Zeit mehr, um meinen Freund zu warnen. Julian taumelte nur einen Meter rückwärts, ehe er wieder einen sicheren Stand fand, Tim hasserfüllt anstarrte und wild brüllend beide Hände auf seinen Oberkörper presste.
Wie in meinen Erinnerungen von gestern schien die Zeit sich zu verlangsamen. Ich sah das geschockte Gesicht meines Freundes, jede noch so winzige Veränderung seiner Mimik, wie es von Unglauben zu plötzlichem Verstehen wechselte, dann blitzte in seinen Augen der unendliche Schmerz auf. Julians Hitzekräfte versenkten sein Oberteil und die Haut direkt darunter, Tim schrie trommelfellzerreißend laut auf und knickte widerstandslos zur Seite um. Sogar die sich rasch bildenden Brandblasen konnte ich sehen, bevor alles zur normalen Geschwindigkeit zurückkehrte und der Brünette begann, sich unter Qualen herumzuwälzen und ungehemmt zu schluchzen. Julian hatte es getan! E-er hatte es wirklich getan! T-timmi...! Ich war vor Angst um ihn wie gelähmt und konnte meinen Blick nicht abwenden, obwohl es mein Herz zerquetschte, ihn so leiden zu sehen... Zusammengekrümmt blieb er schließlich liegen, seine Arme um seinen Oberkörper geschlungen und zitternd vor Schmerzen. Erst da schaffte ich es, zu ihm zu stürmen und ihn genauer zu untersuchen. Alles rot glühend und geschwollen, der Geruch von verbranntem Fleisch drohte mich würgen zu lassen. Timmi...! Timmi bitte, er musste durchhalten! Wir würden das irgendwie wieder hinkriegen, k-konnte nicht jemand um uns Hilfe holen?! Begriffen sie denn nicht-?
"Ihr schert euch doch bloß einen feuchten Dreck! Ihr wisst nicht wie das ist, von allen immer nur ausgelacht zu werden! Jetzt kann ich es endlich allen heimzahlen, die mich verspottet haben!", rief Julian triumphierend, doch seine Stimme schwankte jetzt heftig. Ein kurzer Blick zu ihm machte es noch deutlicher. Er hatte Angst! Das, was er Tim angetan hatte, musste ihm die Augen geöffnet haben, welchen Schaden schon eine falsche Berührung ausrichten konnte. Mit einem Tränenschleier vor meinem Sichtfeld stand ich wieder auf und taumelte auf ihn zu. Am liebsten hätte ich ihn in diesem Moment verprügelt, vor allem als ich ein weiteres gequältes Stöhnen und Wimmern hinter mir hörte! Doch stattdessen musste ich mich beherrschen. Sonst würde der Junge nicht mit seinem Vernichtungstrip aufhören! "Lass es Julian! Niemand wird dich je wieder runtermachen, außer du verletzt noch mehr Menschen! Komm zu dir, verdammt!"
"Was ist hier los?", rief eine andere Stimme von außerhalb der eingeschüchterten Zuschauer, kurz darauf hatte Herr Eisler sich seinen Weg durch die Schüler gedrängt und schaute uns beide direkt an. Julian bekam Panik, ich spürte erneut die Hitze um ihn stärker werden und packte geistesgegenwärtig seine Handgelenke, bevor er mir oder dem Mann auch noch eine Kostprobe seiner Fähigkeit verpassen konnte. Es klappte, egal wie sehr er sich dagegen wehrte, ich konnte ihn unter Kontrolle halten! So lange, bis Herr Eisler nahe genug war, um die Situation mit eigenen Augen zu erfassen. Sein Blick huschte von den beiden Verletzten am Boden zu Julian und mir, wie wir noch immer miteinander rangen, und entschlossen versuchte er zwischen uns zu gehen. "Hey, Stop! Das reicht, ihr beiden müsst aufhören! Vielleicht finden wir noch eine friedliche Lösung, aber nur wenn ihr euren Streit jetzt beendet! Ihr habt andere Schüler verletzt bei eurer Auseinandersetzung!"
Wieder kam von Tim ein Schmerzenslaut, fast als wolle er Herr Eislers Worte nochmal unterstützen, und unbedacht ließ ich meinen Gegenüber los, um zu meinem Freund hinüberschauen zu können. Hätte Julian nicht auch endlich seine Gegenwehr aufgegeben, hätte das mein Ende sein können, aber als ich ihn ansah, schien er seinen Gefühlsausbruch bereits zu bereuen. Am ganzen Körper bebend schaute er sich um, in all die verängstigten Gesichter der jüngeren Schüler, und blieb schließlich an dem Kleinen hängen, der sich nicht einen Zentimeter weiter bewegt hatte von dem Fleck, an dem er vorhin zusammengesunken war. "E-es tut mir leid!", brachte mein Mitschüler abgehackt hervor, "I-ich, es-" Er verstummte erschrocken, presste sich die Hände auf den Mund und stürmte plötzlich davon, niemand hielt ihn auf. Kurze Zeit folgten ihm noch meine Sinne auf seiner Flucht, dann verdrängte ich sie, um mich jetzt voll und ganz auf Tim konzentrieren zu können. Er war schlimm verletzt und musste dringend behandelt werden! Beruhigend wollte ich auf ihn einreden und seine Wange streicheln, als mir Herr Eisler auf die Schulter tippte: "Ich werde mich um ihn kümmern, überlass das mir. Aber ich würde mich gerne danach noch mit dir unterhalten, gehst du schonmal vor in den Raum siebzehn? Ich werde in ein paar Minuten nachkommen!"
"Aber er ist mein Freund!", protestierte ich, "Ich will ihn jetzt nicht alleine lassen!"
Der Mann seufzte geschlagen. "Nagut, dann bleib hier während ich einen Arzt anrufe. Und ihr anderen, bitte geht zurück in eure Klassenräume! Falls ihr den Jungen findet, der mit beteiligt war, dann schickt ihn zu mir. Wir wollen in Zukunft solche Zwischenfälle verhindern. Danke!"
Der Kreis um uns löste sich zögernd auf. Herr Eisler kramte in seinen Taschen nach seinem Handy und wählte rasch, doch ich hatte nur noch Augen für Tim, dessen Schmerzenslaute zu einem leisen Ächzen verkommen waren. Hätte ich ihn nur rechtzeitig gewarnt oder reagiert, dann würde er jetzt nicht leiden...! Es war meine Schuld. Ich hatte versagt und ihn nicht beschützen können!
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Ich brauche eure Hilfe. Und zwar suche ich für eine Geschichte gruselige Kinderreime, -lieder, -märchen oder ähnliches! Könnt ihr mir da vielleicht eine spezielle Internetseite empfehlen? Ich suche schon seit gestern Abend, finde aber leider nichts passendes. Es sollte möglichst harmlos und normal beginnen, dann aber in eine gruselige oder grausame Richtung abschweifen, das Ende darf offen sein, ob es gut oder schlecht ausgeht. Vielleicht kennen einige von euch aus dem Spiel "The Park" die veränderte Version von Hänsel und Gretel, in der die Kinder zu Kannibalen werden? :'D Klingt total abstrus, aber ich spiele mit dem Gedanken, sowas in der Art zu verwenden! Ich bin dankbar für jede Idee!
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