Kapitel 4
Irgendwann später am Vormittag, als Sherlock Rosi schon längst bei der Kinderkrippe abgegeben und eine Weile mit William unterwegs war, wurde John wach. Das erste was ihm auffiel war, dass er bequemer lag, als sonst. Dann bemerkte er, dass die Bettwäsche anders roch. Es war ein vertrauter und angenehmer Geruch, der ihn dazu veranlasste, noch länger schlafen zu wollen. Erst als ihm bewusst wurde, dass heute ein Arbeitstag war und er zu spät in die Praxis kommen könnte, schreckte er hoch, in der Hoffnung auf eine Uhr in der Nähe. Verwundert blickte er sich im Zimmer um, während ihm klar wurde, dass er sich in Sherlocks Schlafzimmer befand. Hatte er gerade wirklich noch gedacht, dass die Bettwäsche angenehm roch? Verwirrt schüttelte John den Kopf und sah dann zum Nachttisch, auf der ein Digitalwecker stand. Sobald er die Uhrzeit registrierte, riss er erschrocken die Augen auf. Er kam nicht nur zu spät zur Arbeit, er war schon längst überfällig. Stöhnend ließ er sich zurück auf's Bett fallen. Da dürfte er sich heute einiges von seinen Kollegen anhören. Und wenn er Pech hatte, auch von seinem Chef. Um nicht noch mehr Zeit zu vertrödeln, stand er auf und verließ das Schlafzimmer des Detektivs, wobei er noch nicht mal wusste, wie er da überhaupt hinkam. Und wo er gerade bei Sherlock war... Wo steckte dieser eigentlich? Von William war auch keine Spur. Ob er mit dem Jungen raus ist? Hoffentlich hat er auch Rosi mitgenommen oder sie zu Martha gebracht. Das er sie vergessen hatte, daran glaubte John nicht. Der Consulting Detektiv vergaß das Mädchen nie, erst Recht nicht, seit sie bei ihm eingezogen waren.
Ratlos stand er eine Weile in der Wohnstube, bis sein Blick auf sein Smartphone fiel, welches durch ein Blinken anzeigte, dass er eine Nachricht bekommen hatte. Wahrscheinlich war das Jemand von der Arbeit, der sich nach ihm erkundigen wollte. Seufzend nahm er das Gerät in die Hand und entsperrte dieses. Und wie er es sich schon dachte, hatte er ein paar Nachrichten von einer Arbeitskollegin. Aber auch einige von Sherlock.
Zuerst öffnete er den Chatverlauf von seiner Arbeitskollegin. Sherlock kann warten, die Arbeit ist erstmal wichtiger.
'Verdammt! Sie können doch nicht so einfach entscheiden, ob John heute frei machen soll oder nicht!' _07:23 Uhr_ Verwirrt runzelte er die Stirn und las dann die folgenden Nachrichten.
'Jetzt ignorieren Sie mich nicht und sagen Sie lieber, was bei euch los ist!' _07:46 Uhr_
'Lebt ihr Beide noch?' _08:31 Uhr_
'Mr. Holmes? John?' _08:57 Uhr_
Die letzte Nachricht kam vor ca. 15 Minuten rein. Und so wirklich schlau wurde er daraus nicht. Deswegen scrollte er etwas nach oben, um die Nachrichten zuvor zu lesen, die an diesem Tag geschrieben wurden. Von denen keine von ihm waren, obwohl es sein Handy war. Allerdings verstand er dann auch endlich, was diese Nachrichten bedeuteten. Seufzend schloss er den Chatverlauf. Am Besten er rief an, anstatt zu schreiben. Er brauchte auch nicht lange warten, bis seine Kollegin abnahm.
"John! Gott sei Dank! Warum hast du dich nicht eher gemeldet?", wurde er gleich besorgt, aber auch aufgeregt begrüßt.
"Tut mir Leid, Lily. Aber ich bin gerade erst wach geworden und hab die Nachrichten jetzt erst lesen können."
"Wie? Jetzt 'erst wach geworden'? Was ist los bei euch? Gestern Mittag schien doch noch alles Okay zu sein."
"Ja, gestern Mittag...", murmelte John vor sich hin und es kam ihm vor, als wäre es eine Ewigkeit her. "Es ist ... wie Sherlock schon geschrieben hat. Familienprobleme."
Zur Antwort bekam er erst mal nur ein Schnauben und dann die Frage: "Familienprobleme? Deine oder Seine?"
"Unsere.", antwortet er, ohne groß darüber nachzudenken. Darauf folgte eine Weile Schweigen, bis es verwundert zurück kam: "'Unsere'? Seit wann seid ihr denn eine Familie?"
"Wie?" Nun war es an John, irritiert zu sein. Was hatte er gerade gesagt?
"Ich ... ich glaub ich bin noch nicht ganz auf der Höhe. Entschuldige.", meinte er dann.
"Das glaub ich auch. Okay! Hör zu John. Klärt das heute, was auch immer gerade bei euch los ist und wir sehen uns dann morgen früh wieder."
"Ja. Danke!" Nun musste der Arzt leicht lächeln. War er doch froh, dass seine Kollegin ihm den kurzfristig frei genommenen Tag nicht allzu übel nahm.
Da das erstmal geklärt war, widmete er sich nun Sherlocks Nachrichten.
'Ich hab bei dir auf Arbeit bescheid gegeben, dass du heut nicht kommst. SH' _07:59 Uhr_
'Ich hoffe dass war OK? SH' _08:03 Uhr_
'Rosi ist in der Kinderkrippe. Bin noch mit William unterwegs. Einkaufen. SH' _08:39 Uhr_
'Wieviel Kleidung braucht ein Kind eigentlich? SH' _08:48 Uhr_
'Schläfst du immer noch? SH' _08:54 Uhr_
'Ach ja... Martha macht heute Mittagessen. SH' _09:01 Uhr_
Die Menge der Nachrichten lies John seufzen, allerdings musste er auch leicht lächeln. Wie es aussah ging es Sherlock wieder besser. Sonst würde er ihn nicht so zutexten. Immer noch mit einem sanften Lächeln auf den Lippen, machte er sich ans beantworten, bevor sein bester Freund noch Panik bekam.
'Bin jetzt wach.
Danke das du dich um Rosi gekümmert hast.
Kauf für William nicht ganz so viel. Er bekommt noch seine Sachen von zu Hause. Und in seinem Alter brauch er spätestens in einem halben Jahr neue Kleidung. Er ist schließlich noch im Wachstum.
Danke für die Info. JW' _09:27 Uhr_
Er sollte nachher mal zu Martha runter gehen, vielleicht konnte er ihr helfen. Aber erstmal brauche er eine Dusche und frische Kleidung.
Doch bevor er den Gedanken in die Tat umsetzen konnte, meldete sein Smartphone eine neue Nachricht an. Natürlich wieder von Sherlock.
'Wegen Rosi, kein Problem. Das mach ich doch gern.
Wegen der Kleidung... Ich versuch daran zu denken. Lasse mich da aber auch gerade noch von der Verkäuferin beraten.
Nachher wollen wir noch in den Supermarkt. Brauchen wir noch was für Rosi? SH' _09:28 Uhr_
Irgendwie wollte John es nicht richtig glauben, dass sein bester Freund eine Verkäuferin um Rat fragt. Er muss da wohl wirklich ziemlich verzweifelt sein. Auf die Frage, ob sie noch was für Rosi brauchen, überlegte der ehemalige Militärarzt kurz, dann schrieb er zurück.
'Dann lass dir von ihr nicht zu viel aufschwatzen. Das machen sie gerne mal, wenn sie merken, dass Jemand total ahnungslos ist.
Und ja. Sie braucht neue Windeln. Ansonsten hat sie noch alles. JW' _09:28 Uhr_
Nachdem die Nachricht abgeschickt war, legte er erstmal das Handy wieder auf den Tisch, ehe er ins Bad ging.
Einige Zeit später, saß John dann unten bei Mrs. Hudson in der Küche. Die ältere Frau hatte gerade den Auflauf aus dem Ofen geholt, der fertig war, als sie hörten, wie zwei Personen die Wohnung von Martha betraten. Kurz darauf kamen Sherlock und William in die Küche.
"Wir sind wieder zurück.", meinte der Consulting Detektiv.
"Und? Habt ihr alles bekommen?", erkundigte sich John.
"Ja.", kam die schlichte Antwort zurück.
"Das passt ja. Das Essen ist auch gerade fertig geworden.", freute sich Martha.
"Oh. Was gibt es denn?", wollte William wissen und schaute neugierig zur Auflaufform.
"Nudelauflauf. Ich hoffe du magst das?"
"Ich mag alles, was mit Nudeln zu tun hat."
"Dann ist ja gut. Jetzt setzt euch aber alle an den Tisch, bevor das Essen kalt wird.", meinte Mrs. Hudson und sah sich dann kurz um. Irgendwo hatte sie doch noch einen Hocker stehen gehabt. Immerhin reichten die drei Stühle nicht, für sie vier.
"Ich geh noch eben einen Hocker holen.", verkündete sie dann, wurde aber von Sherlock zurückgehalten: "Ich mach das schon."
"Oh. Danke. Der steht in der Schlafstube." Ihr fiel ein, dass sie ihn dort letztens brauchte und einfach stehen gelassen hatte. Der Detektiv nickte nur und ging dann den Hocker holen. In der Zwischenzeit verteilte die ältere Frau das Essen auf die Teller und stellte diese auf den Tisch, der schon gedeckt war.
Während des Essens erzählte William dann, was sie am Vormittag alles unternommen hatten. John und Martha hörten ihm aufmerksam zu, während Sherlock in Gedanken versunken war.
Nachdem der Junge fertig mit erzählen war, sah der Doktor zu seinem besten Freund.
"Sherlock?"
"Hm?", aus seinen Gedanken gerissen, sah er fragend zu John.
"Alles in Ordnung?", wollte dieser wissen.
"Ja.", meinte der Detektiv und erklärte dann: "Es ist nur... Rosi's Gruppenleiterin hat mir gesagt, dass sie einige Vorschulen kennt, die sie empfehlen könnte. Immerhin ist William in dem Alter, wo er in eine gehen kann. In Deutschland war er noch im Kindergarten und dort wäre er auch erst ab 6 Jahre in die Schule gekommen, bzw. mit 5 Jahren in eine Vorschule."
"Verstehe. Und du überlegst, auf welche Schule du William schicken willst.", erwiderte der Doktor nachdenklich. "Hattet ihr euch schon überlegt, wo ihr ihn in Deutschland hin schicken wolltet? Vielleicht findet sich hier in der Nähe eine Schule, die das gleiche Angebot hat."
"Na ja... Liz und ich hatten überlegt, ihn an eine Schule zu schicken, die sich spezialisiert haben, auf Kinder mit überdurchschnittlicher Intelligenz. Das William diese hat, wurde schon durch mehrere Test bewiesen. Eine normale wollten wir ihm gerne ersparen, da ich noch weiß, wie langweilig der Unterricht dort ist. Meine Eltern haben uns leider auf eine normale Schule geschickt. Sie dachten, dass sei das Beste für uns. Allerdings waren sowohl Mycroft, als auch ich dort total unterfordert. Mein High School Abschluss hatte ich schon mit 14 Jahren abgelegt. Eher durfte ich nicht. Und zum Glück hat eines der besten College eine Ausnahme gemacht und mich schon aufgenommen. Eigentlich darf man ja erst ab 16 Jahren an eines gehen. Dort habe ich dann auch innerhalb zwei Jahre meinen Bachelor gemacht und bin dann nach Oxford, wo ich dann natürlich der jüngste Schüler war."
"Warte mal....", unterbrach John Sherlocks Redefluss. "Du hast einen Bachelor gemacht?" Das war für ihn dann doch etwas neues.
"Ja. Natürlich. Alles andere wäre zu langweilig geworden.", kam als Antwort, auf diese der ehemalige Militärarzt nur ungläubig den Kopf schütteln konnte.
"Jedenfalls, wollte ich meinen Sohn eine langweilige Schule ersparen und Liz war meiner Meinung, weswegen wir uns dahingehend schon etwas informiert hatten. Entschieden hatten wir uns allerdings noch nicht, es war ja auch noch etwas Zeit. Schon weil wir mit William auch zusammen die Schulen anschauen wollten, damit er mitentscheiden kann."
"Hm... Vielleicht kann Rosi's Gruppenleiterin auch in der Hinsicht ein paar Schulen raussuchen.", überlegte John, woraufhin sein bester Freund nickend erwiderte: "Das macht sie auch. Ich habe ihr die Situation erklärt und sie verstand es. Außerdem meinte sie noch, dass William, bis wir was geeignetes gefunden haben, bei ihr mit in die Kinderbetreuung kann. Oder besser gesagt, bei einer Kollegin, die sich um die älteren Kinder kümmert. Bis 5 Jahren betreuen sie diese ja."
"Muss ich wirklich? Kindergarten ist so langweilig.", jammerte der Junge daraufhin, was John kurz Grinsen ließ. Erinnerte ihn das doch sehr an Sherlock. Der allerdings seufzte genervt.
"Das Thema hatten wir doch schon. Und die Antwort wird sich nicht ändern, egal wie oft du noch fragst." Auf diese Aussage zog William einen Flunsch. Hatte er doch gehofft, dass er zu Hause bleiben konnte, bis er in die Schule musste.
"Außerdem bist du doch da unter gleichaltrigen mit denen du spielen kannst. Das ist doch toll.", versuchte Martha etwas positives zu finden.
"Aber die sind alle so kindisch.", jammerte der Junge.
"Das muss aber nichts schlechtes sein. Nur weil sie nicht so reif sind wie du, kannst du Spaß mit ihnen haben.", versuchte der Detektiv seine Taktik zu ändern.
"Meinst du?" Was wohl auch zu funktionieren schien.
"Ja. Immerhin hatte ich damals als Kind auch einen Freund, der nicht, wie wir war. Und dennoch hat es Spaß gemacht, mit ihm zu spielen."
"Hm... Na gut. Dann werd ich den Kindern da doch eine Chance geben."
Da das nun wohl endgültig geklärt war, meldete sich John wieder zu Wort, der sich aus dieser Angelegenheit lieber raushalten wollte: "Mal was anderes. Ich wollte nachher mit Rosi in den Park gehen. Bei dem Wetter, muss sie ja nicht den ganzen Tag drin sein. Wollt ihr da mit?"
"Au ja. Gehen wir mit?", fragte William begeistert.
"Ja. Natürlich.", stimmte sein Vater mit einem Lächeln zu.
Später, am Abend des Tages, saß John wieder auf dem Sofa. Rosi war schon längst im Bett und Sherlock sorgte gerade dafür, dass auch William schlafen ging. Der ehemalige Militärarzt laß in einem Buch, als sein bester Freund wieder in die Wohnstube zurück kam. Eine Weile beobachtete dieser den Doktor, ehe er ebenfalls zum Sofa ging. Dort setzte er sich so auf das Möbelstück, dass er mit dem Rücken an John lehnte und seinen Kopf auf dessen Schulter lag. Irritiert hörte der Arzt Mitten im Satz auf und sah zu seinem besten Freund.
"Sherlock?", kam es fragend und der Angesprochene drehte seinen Kopf so, dass er den Anderen ansehen konnte.
"Stört es dich?", erkundigte er sich, woraufhin John erst schwieg, dann aber auch für sich selbst überraschend meinte: "Nein." Es war zwar für ihn seltsam, so mit Sherlock hier zu sitzen, dennoch fühlte es sich gut an, mal wieder mit Jemanden so vertraut zu sein. Das letzte Mal, dass er diese Vertrautheit spürte, war einfach schon zu lange her. Immerhin war Mary schon seit über einem Jahr Tot und nach ihr hatte er keine Frau in sein Leben gelassen. Schon weil ihm die Zeit, wegen Rosi und seiner Arbeit dafür fehlte. Aber auch wegen Sherlock, der die freie Zeit, die er hatte, für sich beanspruchte. Kein Wunder also, dass man sie wohl mittlerweile wieder für ein Paar hielt. Egal wie oft er dem widersprach.
"Gut.", kam es von dem Detektiv zurück, während er sich mit einem sanften Lächeln wieder umdrehte und sich mehr in das Polster des Sofas kuschelte. John, der das sanfte Lächeln bemerkte, erwiderte es, ehe er kurz stutzte.
"Hey!", rief er dann und stieß Sherlock mit den Ellenbogen an. "Aber nicht wieder einschlafen. Ich möchte nicht noch eine Nacht auf der Couch verbringen."
"Wieso nicht? War doch gemütlich.", behauptete der Detektiv.
"Gemütlich? Das ist wohl ein Witz." Der Arzt glaubte wirklich, dass sein bester Freund nur gescherzt hatte. Dieser zuckte allerdings die Schultern und meinte: "Jedenfalls hab ich so gut, wie schon lange nicht mehr, geschlafen."
"Dann solltest du dir überlegen, die Couch in dein Schlafzimmer zu stellen. Dann kannst du jede Nacht darauf schlafen, wenn sie dich so gut schlafen lässt.", überlegte John, wobei er dass nicht wirklich ernst meinte, was auch Sherlock bemerkte, dennoch erwiderte dieser leise: "Das lag sicherlich nicht an der Couch."
Auch wenn es nur leise gesagt wurde, konnte der Arzt jedes einzelne Wort gut verstehen. Für einen Moment ließ es ihn stutzen und verwirrt runzelte er die Stirn. Meinte sein bester Freund es wirklich so, wie er es verstand? Aber was bedeutete dass dann? Und wieso ließen diese Worte sein Herz schneller schlagen?
"Sag mal... Wie bin ich heute morgen eigentlich in dein Bett gekommen?", fragte John, um von seinen verwirrenden Gedanken wegzukommen.
"Indem ich dorthin gebracht habe.", kam die unverzügliche Antwort. "Immerhin war deine Schlafposition nicht gerade gut für deinen Rücken. Und in deinem Alter sollte man da schon vorsichtig sein."
"In meinem Alter? Bitte?", empörte sich der Arzt, obwohl er genau heraushören konnte, dass Sherlock das nicht ernst meinte. Dieser konnte sich auch gerade so ein Lachen verkneifen.
"Ich wusste gar nicht, dass du auch mal herumalbern kannst.", fügte John noch hinzu.
"Du weißt so vieles nicht.", erwiderte der Detektiv und ergänzte noch leise: "Von mir."
"Stimmt! zum Beispiel, dass du einen Bachelor gemacht hast. Und dass du schon mit 16 auf's Collage gingst.", kam es zurück, wobei der Doktor eher erstaunt, als beleidigt oder sauer klang. Sherlock zuckte daraufhin nur die Schultern. Was sollte er auch großartig dazu sagen? Es war ja nicht so, dass er was dafür konnte, dass es ihm so leicht fiel, sich Wissen anzueignen. Er war halt ein Genie.
"Unter anderem.", murmelte der Consulting Detektiv, woraufhin John nachdenklich mit der Stirn runzelte. Sherlock gab also zu, Geheimnisse vor ihm zu haben? Darüber wollte er jetzt allerdings nicht nachdenken, weswegen er fragte: "Aber war das nicht etwas einsam? Die anderen Studenten waren doch viel Älter als du, da muss es doch schwer gewesen sein, Freunde zu finden." Noch während er dies formulierte, wurde ihm bewusst, wie dämlich es war. Immerhin ging es hier um Holmes. Dieser machte sich nicht viel aus Freundschaft. Wahrscheinlich war ihm das damals einfach egal.
"Eigentlich nicht. Ich würde zwar nicht sagen, dass ich Freunde hatte. Aber mit ein paar Leuten aus meinem Jahrgang kam ich gut aus. Besonders mit meinem Zimmergenossen. Er war...", kurz überlegte Sherlock, wie er sich am besten ausdrücken sollte, doch fiel ihm nichts besseres ein als: "Seine Gesellschaft war angenehm. Irgendwie mochte ich ihn."
Obwohl es albern war, spürte John, wie er eifersüchtig auf diesen Zimmergenossen wurde. Auch war ihm klar, dass sein bester Freund ihm irgendwas verschwieg. Nur warum?
"Habt ihr heute noch Kontakt?", wollte der ehemalige Militärarzt wissen.
"Nein.", erhielt er als Antwort und fragte weiter: "Warum nicht?" Wenn sie sich doch so gut verstanden haben?
"Weil ich irgendwann gemerkt hatte, dass er ein Arsch ist." Das klang leicht verbittert, jedenfalls kam es John so vor.
"Er? Nicht du?", fragte er scherzend, um die Stimmung wieder etwas aufzubessern, doch Sherlock zuckte nur mit den Schultern.
"Was ist passiert?", erkundigte sich der Doktor daher wieder ernster?
"Na ja... zuerst Mal hat er mein Chemie Wissen dafür genutzt, um an Drogen heran zu kommen. Ich hab schnell herausgefunden, wie man einiges selber herstellen konnte. Und das sogar in einer besseren Qualität, als man irgendwo kaufen konnte. Durch ihn bin ich auch selber zu den Drogen gekommen." Das allein reichte John schon, um diesen Zimmergenossen unsympathisch zu finden, doch kam da noch mehr. "Und dann..." Hier schien es eher so, als ob der Detektiv noch überlegte, ob er es wirklich sagen sollte, bzw. wie. "... hab ich ihn mit einem Anderen im Bett erwischt, obwohl wir fest zusammen waren." Diese Worte kamen ziemlich schnell über seine Lippen und vermittelten erst Recht den Eindruck, dass er dies nicht gerne erzählte. Was der Doktor auch gut nachvollziehen konnte, nachdem die Bedeutung der Worte endlich zu ihm durchgedrungen waren.
"Dann war er wirklich ein Arsch.", meinte John, als er endlich den Schock, dass sein bester Freund mal in einer richtigen Beziehung war und dass noch mit einem Mann, überwunden hatte. "Und ein Idiot.", fügte er dann noch hinzu.
"Wieso das denn?", irritiert runzelte Sherlock die Stirn, wusste er doch nicht, wieso John den ihm Unbekannten, für einen Idioten hielt.
"Weil er dich betrogen hat. Nur Idioten würden eine Beziehung mit dir auf's Spiel setzen.", kam es als Antwort, woraufhin der Detektiv nichts zu sagen wusste. "Oder eine Freundschaft.", fügte der Doktor noch leise an.
"Obwohl ich so eine Nervensäge und oft unausstehlich bin?", erkundigte sich Sherlock herausfordernd. Wusste er doch nur zu gut, was die Anderen von ihm hielten. Auch wenn es ihm bei den Meisten nicht interessierte.
"Ja! Trotz dass du eine Nervensäge und oft unausstehlich bist.", erwiderte John, nicht ganz so ernst gemeint. Immerhin stimmte das seit einer Weile nicht mehr. Seit der Sache mit Eurus, oder eigentlich schon davor, als sie ihre Freundschaft nach Marys Tod wieder neu aufgebauten, war der Consulting Detektiv viel umgänglicher. Doch das sagte er ihm besser nicht, stattdessen meinte er: "Trotzdem bist du der beste Freund, den man haben kann. Bei dir kann man sicher sein, dass du immer ehrlich deine Meinung zu einem sagst. Meistens allerdings etwas zu ehrlich. Und du bist für einen da, wenn man dich braucht. Hilfst einen aus den schwierigsten Situationen, selbst wenn man dich von sich wegstößt. Nur gehst du dabei leider auch ein zu großes Risiko für dich selbst ein."
"Glaub mir John, das ist alles nur Eigennutz. Wenn ich jemanden mag, lass ich ihn nur ungern wieder aus mein Leben.", erklärte Sherlock ernst.
"Vergiss es! So egoistisch bist du nun auch wieder nicht!", meinte der Arzt daraufhin kopfschüttelnd.
"Sicher?"
"Ja!" Auf dieses Wort, dass so selbstsicher rüber kam, schaute der Detektiv wieder zu seinem besten Freund, der ebenfalls zu ihm sah und leicht lächelnd meinte: "Du solltest Wissen, dass du mir nichts vormachen kannst. Dafür kenne ich dich mittlerweile zu gut."
Auch Sherlock musste auf diese Äußerung lächeln. Erwidern tat er allerdings nichts. Immerhin wussten sie Beide, dass John damit Recht hatte. Dafür drehte er sich aber wieder um und Beide hingen jeweils ihren eigenen Gedanken nach.
Irgendwann meinte John dann, dass er langsam mal ins Bett sollte, wenn er am nächsten Tag nicht wieder verschlafen wollte. Auf diese Äußerung brummte der Detektiv missmutig. Wollte er die Nähe seines besten Freundes jetzt nicht missen.
"Kannst du nicht einfach hier schlafen?", fragte Sherlock mit einem leicht bittenden Ton.
"Ich hab vorhin schon gesagt, dass ich nicht noch eine Nacht auf dem Sofa verbringe.", erinnerte der Arzt ihn, was den Anderen seufzen ließ.
"Ich will jetzt aber nicht ohne dich sein.", erwiderte der Detektiv leise, was John kurz auflachen ließ. Hielt er es doch zuerst für einen Scherz. Doch als er dann Sherlock's leicht verletzten und flehenden Blick bemerkte, wurde ihm klar, dass dieser es ernst meinte. Seufzend ließ er seinen Kopf gegen die Sofalehne fallen, ehe er vorschlug: "Okay. Wie wäre es, wenn du William in mein Zimmer bringst und ich heute bei dir übernachte?"
"Okay." Was John nicht wusste war, dass sein bester Freund genau darauf hinaus wollte. Allerdings wusste er, dass der Vorschlag schon von dem Doktor selber kommen musste. Hätte er das gefragt, hätte der Andere sich nur quer gestellt. Oder sie hätten lange darüber diskutiert.
Ohne noch eine weitere Äußerung abzuwarten, stand Sherlock auf und ging in sein Schlafzimmer. Vorsichtig, damit er seinen Sohn nicht weckte, hob er diesen auf seine Arme und ging zurück. Auch John war mittlerweile aufgestanden und sah zu den Beiden. Seufzend ging er dann voraus, um dem Detektiv die Türen auf zu halten. Mit den Jungen in seinen Armen, wäre es nicht so einfach gewesen diese selber zu öffnen. In John's Zimmer angekommen, legte er William in das Bett neben Rosi, die ebenfalls friedlich schlief. Der ehemalige Militärarzt nahm sich schon mal die Sachen für morgen aus dem Schrank. Diese nahm er dann mit runter. So konnte er gleich nach dem Aufstehen duschen und danach was sauberes anziehen, ohne nochmal nach oben in sein Zimmer gehen zu müssen. Leise gingen sie wieder aus dem Zimmer, in dem die Kinder schliefen. Unten holte John noch sein Smartphone und das Babyphone aus der Wohnstube und folgte Sherlock dann in dessen Schlafzimmer. Dort war der Detektiv schon dabei sich sein Schlafoberteil überzuziehen, die Hose hatte er schon angezogen. Der Doktor legte seine Sachen für den nächsten Tag auf den Boden, die Geräte stellte er auf den Nachttisch ab, vorher schaltete er aber noch sein Wecker im Smartphone ein. Während sein bester Freund ins Bad ging, für die tägliche Abendroutine, zog er noch die Sachen aus, die er zum schlafen nicht brauchte. Er schlief immer in Boxershorts und T-Shirt. Danach ging auch er ins Bad, um sich fürs Schlafen gehen fertig zu machen.
Es dauerte dann auch nicht lange, bis Beide im Bett lagen, wobei John dem Anderen den Rücken zugedreht hatte. Sherlock sah eine Weile nachdenklich auf diesen, bis er an seinen besten Freund ran rückte und vorsichtig einen Arm um dessen Oberkörper legte. Der Arzt, war über diese Aktion zuerst überrascht, doch dann dachte er, dass es irgendwie passte, so anhänglich der Detektiv seit gestern war. Jedenfalls solange sie allein waren. Da John ihn gewähren ließ, kuschelte er sich an dessen Rücken und murmelte leise: "Nacht."
"Nacht.", erwiderte der Doktor und versuchte dann einzuschlafen, was ihm überraschend leicht viel. Auch Sherlock brauchte nicht lange, bis er im Reich der Träume war.
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