47- Eltern
"Ist das euer Ernst?!", schrie Lily ihre Mutter und ihren Stiefvater an.
"Lily, beruhig dich bitte."
"Genau, schrei deine Mutter nicht an."
"Ich soll- Oh mein Gott, das ist euer Ernst! Habt ihr ihn gesehen? Seine Narben? Und ihr schmeißt ihn raus? Was wenn er jetzt in irgendeiner dunklen Gasse verblutet, daran schon mal gedacht?"
Ihr Stiefvater schnaubte abfällig. "Wir können nichts dafür, dass dein Bruder so abartig krank ist."
Lily fing an zu weinen. "Es ist nichts falsch mit ihm außer mit seinen Narben. Er braucht Hilfe. Mom, bitte. Er ist dein Sohn."
Aber ihre Mutter sagte nicht, sondern schüttelte nur den Kopf.
Lily öffnete den Mund, um sie weiter anzuschreien und anzuflehen, doch sie gab auf und rannte in das Zimmer ihres Bruders und schloss die Tür hinter sich ab.
Das Zimmer wirkte so kalt. Die Wände waren weiß, die Decke, die Möbel.
Sie hatte gerade erst ihren Bruder wiederbekommen, und jetzt war er weg. Und das wegen ihrer Mutter. Immer wegen ihrer Mutter.
Das Mädchen setzte sich auf das Bett und zog die Knie an ihre Brust.
Sie war wieder alleine, ohne irgendjemanden.
Keiner ihrer Freunde würde es verstehen, sie lebten in ihrer heilen Welt wo Papa morgens zur Arbeit fuhr und Mama das Frühstück vorbereitete.
Lily sah auf die Kommode, in der seine Sachen gelegen hatte. Die meisten waren immer noch da.
Zitternd stand sie auf und sah in die erste Schublade.
T-Shirts, Tops, Tank Tops. Er würde die nie wieder tragen können.
Sie ließ alles auf den Boden fallen, und dann riss sie die nächste Schublade aus der Kommode und warf sie auf den Boden.
Und die nächste, nächste, nächste.
Hosen, Shirts, Pullover.
Eine Schublade traf die Wand hinter ihr mit voller Wucht und sie hörte Holz splittern, doch sie drehte sich nicht um. Sie war so wütend.
Auf ihre Mutter und Frank, weil die ihn vertrieben hatten. Auf sich, weil sie sie nicht überreden konnte. Auf Isaac, weil er ihr nichts erzählt hatte.
Plötzlich spürte sie, wie etwas sehr scharfes ihren Arm traf, und ihre Haut aufschlitzte.
"Shit.", flüchte sie und trat einen Schritt zurück, und unter ihren Füßen war das Geräusch von Metall, das auf Metall traf zu hören.
Sie sah herunter, und um sie herum lagen verstreut Rasierklingen. Es waren bestimmt über zwanzig, kleine, im Sonnenlicht glänzende Klingen.
Lily bückte sich, und aus der Nähe konnte sie das Blut sehen, das noch an ihnen klebte.
Langsam hörte sie auf zu weinen, und sie konnte klar denken.
Ihr Atem wurde wieder ruhiger, und sie lehnte sich mit dem Rücken gegen das Bett, tief ein- und ausatmend.
Sie nahm ihr Handy uns schrieb Isaac Nachrichten.
Wo bist du?
Es tut mir leid.
Bitte, antworte mir.
Isaac ich liebe dich.
Bitte.
Sie schrieb noch viele mehr, Entschuldigungen, Bitten, Fragen.
Aber er antwortete nicht.
Sie verbrachte den Rest des Tages und den nächsten in seinem Bett. Die Matratze war zu hart und die Decke zu dünn, aber sie rollte sich ein und schrieb ihm weiter Nachrichten.
Erst am Sonntag bekam sie Antworten.
Ich bin in Sicherheit. Ein Waisenhaus. Liebe dich auch. - Isaac
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