Story I, Part III
Ich lag wach und starrte an die Decke. Schon wieder. Es war 1 Uhr in der Früh und während ich versuchte die Sterne zu zählen, dachte ich an ihn und merkte, dass er der weit entfernteste von allen war. Er war der Stern, den ich berühren konnte und nie ganz hatte. Ich wartete darauf, dass er antwortete. Schon wieder. Ich wusste, dass ich ihm das Herz gebrochen hatte. Aber ich konnte mich nur für die Hölle oder das Fegefeuer entscheiden. Ich wollte alles retten. Ich wollte mich retten und verlor den einzigen Stern, den ich jemals haben wollte. Statt von Adrian bekam ich eine Nachricht von Angelina. Sie wollte mich zurück. Nochmal mit mir reden, seitdem ich vor ein paar Tagen aus heiterem Himmel mit ihr Schluss gemacht hatte. Aber immer, wenn ich mit ihr zusammen war, dachte ich an ihn. Wie weich seine Lippen wohl wären? Wie Leidenschaftlich er mich lieben würde? Aber ich hatte zu viel Angst davor ich selbst zu sein, um bei ihm zu sein. Das war das schlimmste. Dass es meine Schuld war. Ich hätte nur einmal ehrlich sein müssen. Aber ich hatte Angst, dass ich nicht fliegen konnte und deswegen blieb ich in meinem Käfig sitzen. Stattdessen verbrachte ich Zeit mit Angelina. Alle schienen sie zu lieben nur ich nicht. Ich hatte mein Herz ausgerechnet an jemand anderen verschenkt, der nicht mehr mit mir sprach, weil ich mich vor unserer Verbundenheit fürchtete und lieber zu einem Mädchen flüchtete, dass überhaupt nicht so war wie Adrian. Er hasste mich und er hatte jeden Grund dazu. Er dachte, ich liebte ihn und das tat ich, aber nicht in der Öffentlichkeit. Ich konnte einfach noch nicht. All die Blicke, die auf mir ruhen würden. Der Druck, der Hass, die Abscheu. Ich hatte Angst alleine mit Adrian zu sein. Ausgeschlossen zu werden von Menschen, die ich schon aus dem Kindergarten und der Orientierungsstufe kannte. Es war Liebe gegen Freundschaft und der Kampf war erbittert, aber wie konnte ich meine vier besten Freunde verlieren, um einen zu gewinnen, der vielleicht nicht einmal blieb. Der Einsatz war zu hoch. Aber es schmerzte so nicht bei ihm zu sein. Ich fühlte mich einsamer als jemals zuvor, was mir nur noch deutlicher zeigte, wie wichtig er mir war. Ich konnte die Gefühle nicht unterdrücken, aber war er es wert? Mein ganzer Kopf kreiste, um diese Angst. Was wenn ich es aussprach, meine Freunde mich verstießen und er mich alleine stehen ließ? War es das wert? Trotzdem vermisste ich ihn. Ein bisschen zu doll und ein bisschen zu oft.
Grummelnd drehte ich mich um, als mein Wecker mir wieder unmissverständlich klarmachte, dass ich wieder zur Schule musste. Ich war noch unmotivierter als sonst und fühlte mich schrecklich. Ich konnte seit Wochen nicht mehr richtig schlafen und meine Konzentration litt total unter der Sache mit Adrian. Ich war ein emotionales Wrack. Trotzdem hievte ich mich wieder aus dem Bett, zog mich an und stratzte zum Bus. Das einzig gute an meinen Tagen war die Musik. Nichts und niemand schien mich zu verstehen und alles, was mir blieb war mich in Lyrics wiederzufinden, die mir zumindest ein wenig Verständnis entgegenbrachten. Sobald ich aber an der Schule ankam, sah ich Phillip, wie er eine Zigarette rauchte und mich sofort anlächelte, als er mich sah.
"Na, wie gehts dir?", fragte er mit seiner tiefen aber dennoch sehr sanften Stimme.
"So wie immer. Müde und gestresst."
"Just same. Hab gar kein Bock auf Herr Leier", sagte er ruhig, während er seine Zigarette auf den Boden warf und wir uns zu den Computerräumen aufmachten. Herr Leier war schon immer Phillips und mein Informatiklehrer gewesen. In der siebten Klasse ging er immer noch raus um zu Rauchen, während dem Unterricht, aber zwei Jahre später konnte er uns stolz erzählen, dass er kein Raucher mehr war. Nun waren wir schon in der Oberstufe und er erzählte uns immer noch, wie wundervoll das wäre. Er war eigentlich ganz nett. Ziemlich streng, aber zumindest lernten wir etwas bei ihm. Die ersten Reihen mussten zwar immer einen Regenschirm aufspannen, um am Ende nicht komplett durchnässt den Raum zu verlassen, aber das Problem hatten Phillip und ich nicht. Wir saßen immer ganz hinten und in den meisten Fällen würden wir nicht mitmachen, aber Herr Leier hatte die dumme Angewohnheit immer alles einzusammeln, was wir machten. Also, arbeiteten wir brav mit und wenn mal jemand ein Problem mit dem Computer hatte, war sein glorreicher Satz immer: "Der User ist der Loser!" Früher hatten die meisten trotzdem nachgefragt, aber da man nie Hilfe, sondern immer nur diesen Satz bekam, ließ man es irgendwann. Zurzeit war unser Thema Kommunikation im Netz. Es war nicht das schlimmste, was wir die letzten Jahre gemacht hatten, aber trotzdem war es sterbenslangweilig. Er hielt uns da vorne einen Vortrag und wir sollten mitschreiben, aber ich war viel zu sehr mit meinen Gedanken beschäftigt. Warum musste ich das, was in mir herrscht einen Namen geben? War es nicht egal? Ich war doch trotzdem ich. Aber diese Erkenntnis schlich nur langsam in meinen Kopf und ich konnte sie auch nur langsam akzeptieren.
Nach 90 Minuten klingelte es dann endlich zur Pause und seufzend konnte ich meine Sachen zusammen packen. Phillip und ich schlenderten gerade durch die Schule, auf der Suche nach den anderen als uns von hinten jemand ansprang.
"Naaa Leude!", grinste Jordan und gesellte sich zu uns. Wir wackelten zu dritt nach draußen in den Innenhof da wunderschönes Wetter war und wir uns dort mit Kayla und Samantha treffen wollten. Als wir bei ihnen ankamen, begrüßten sie uns kurz mit einer Umarmung ehe wir uns zusammen auf das Gras setzten.
"Was ist eigentlich bei dir und Angelina? Ich dachte, es läuft gut und jetzt erzählt sie mir, dass du aus heiterem Himmel Schluss gemacht hast", fing Jordan an.
"Ja, keine Ahnung. Hat einfach nicht gepasst", weichte ich aus, aber er beließ es nicht dabei.
"Im Ernst? Sie ist super heiß. Du solltest dich echt mal ranhalten und irgendwen flachlegen, sonst denken alle noch du bist schwul!", lachte er und in mir fing es an zu brodeln. Warum war es ihnen und mir so wichtig, dass ich nicht schwul war? War ich sonst weniger wert? Unmännlich? Konnte ich dann nicht mehr mit ihnen befreundet sein? Was wäre das Problem? Ich verstand es nicht. In mir kam es zur Kurzschlussreaktion und der einzige Gedanke der durch meinen Kopf sauste war: Fuck it.
"Alter, halt doch einmal dein dummes Maul! Ja, ich bin schwul und jetzt? Willst du mich verstoßen? Zusammenschlagen? Mach doch!", schrie ich, während alle mich geschockt ansahen. Ohne noch lange darüber nachzudenken, schnappte ich mir meine Tasche, stand auf und ließ meine verwirrten Freunde hinter mir. Ich fühlte mich so befreit. Ich hatte es ausgesprochen. Ich war aus meinem Käfig ausgebrochen und flog, obwohl ich immer noch Angst hatte sie zu verlieren. Sie waren mir dafür viel zu wichtig. Ich bog gerade um die nächste Ecke, als sich eine Hand auf meine Schulter legte und mich umdrehte. Ohne, dass ich reagieren konnte, lag ich in Samis Armen.
"James, es ist okay. Wir lieben dich auch, wenn du schwul bist!", lächelte sie und erst danach bemerkte ich das hinter ihr auch noch ein Lächelnder Phillip stand.
"Echt mal! Du hast schon immer zur Clique gehört und wirst es immer", grinste er und mir fiel ein riesiger Stein vom Herzen.
"Und was sagen die anderen?" Unsicher schaute Sami zu Phillip, der ihr aber auch nur einen undefinierbaren Blick schenkte.
"Ich weiß es nicht. Wir sind gleich dir hinterher bevor jemand etwas sagen konnte", gestand sie. Wir redeten, dann die restliche Pause noch darüber wie ich es herausgefunden hatte und Schluss endlich fragten sie mich nur noch über Adrian aus. Es war alles wie immer nur, dass ich mich viel befreiter fühlte.
In der nächsten Stunde sollte ich dann Englisch mit Kayla haben. Es waren immer die witzigsten Stunden gewesen und nun hatte ich Angst, dass alles anders werden würde. Ich wurde mit jeder Stufe, die ich nach oben trat nervöser und als ich sie da sitzen sah und sie an ihrem Handy spielte, wurde mir unwillkürlich schlecht. Ich wollte weglaufen, mich verstecken und nie wieder zurückkommen. Aber sie hatte mich schon gesehen und kam auf mich zu.
"Das war vorhin ein sehr theatralischer Abgang", lachte sie und nahm mich ebenfalls in den Arm. Ich atmete erleichtert aus.
"Also, ist alles gut zwischen uns?", hakte ich dennoch noch.
"Was sollte sich denn ändern?" Ohne etwas zu antworten, umarmte ich sie nochmals, bevor wir uns in die Höhle des Löwens begaben. Aber nicht Mal Frau Guppler konnte mir heute etwas anhaben. Ich war unbesiegbar. Der einzige der sich den ganzen restlichen Tag nicht blicken ließ war Jordan. Aber Kayla versicherte mir mehrfach, dass er einfach ein bisschen länger bräuchte, um es zu verdauen. Ich versuchte ihr Glauben zu schenken, wobei ich mir nicht recht sicher war. Jordan war stur und eigen. Aber er war auch mein Freund. Trotzdem konnte ich ihn hierbei nicht einschätzen.
Als ich am Nachmittag zuhause ankam, fühlte ich mich so frei und glücklich wie noch nie. Ich rief sofort Adrian an und diesmal nahm er tatsächlich ab. Ich erzählte ihm alles. Meine Gefühle spielten total verrückt und ich wollte ihm nur sagen, dass ich ihn liebte. Er atmete erleichtert aus, als ich mit meinem Redeschwall aufhörte und für einen kurzen Moment stieg Panik in mir hoch, dass ich zu lange gezögert hatte und er mich von sich weg stieß. Aber das tat er nicht. Er freute sich mindestens genauso sehr und wir verabredeten uns gleich für den nächsten Tag und dann war ich wieder alleine. Aber diesmal war es nicht so schlimm. Meine Gedanken kreisten zwar immer noch, aber weniger und langsamer. Manche Sorgen waren einfach weggefallen und hatten Platz gemacht. Ohne lange zu zögern, schnappte ich mir den schwarzen Nagellack meiner Schwester und lackierte mir die Fingernägel. Ich wollte das schon so lange machen und nun hatte ich keine Angst mehr davor. Ich war frei.
Am nächsten Tag war ich nervös. So wie eigentlich immer in letzter Zeit. Ich wusste nicht, ob ich es bereuen sollte, dass ich mir gestern im Sturm meiner Gefühle die Fingernägel lackiert hatte. Aber es fühlte sich so verdammt gut und richtig an. Aber nun hatte ich wieder Angst anders zu sein. Verstoßen zu werden. Vor allem von Jordan. Aber ich hatte nicht mehr genug Zeit, um mir Gedanken zu machen und groß etwas an der Tatsache zu ändern, da ich sonst meinen Bus verpassen würde und da ich die erste Stunde bei Frau Atlens hatte, konnte ich mir das nun wirklich nicht erlauben. Also hechtete ich mit schwarzen Fingernägeln zum Bus, um pünktlich anzukommen. In der Schule wurde meine Nervosität zunehmend schlimmer, da ich Deutsch mit Jordan zusammen hatte.
Ich fläzte mich gerade vor den Raum, als zwei Typen aus meinem Deutschkurs kamen.
"Bist du jetzt schon sone Schwuchtel, die sich die Fingernägel lackiert?", witzelte der eine und ich fühlte mich sichtlich unbehaglich, sagte aber nichts.
"Schlimm, wie es hier immer mehr Tunten gibt", kommentierte der andere abfällig und spuckte mir vor die Füße. Er wurde aber sogleich zur Seite geschubst und ihm entwich ein erschrockener Schrei, als er mit einem Schwung gegen die Wand knallte. Der andere, der noch vor mir stand, wich erschrocken ein paar Schritte zurück, konnte, aber dem Monster, das hinter ihm tobte nicht entkommen.
"Kommt ihm noch einmal zu nah und ich bringe euch eigenhändig um!", zischte Jordan bedrohlich, während er den Jungen gegen die Wand drückte. Er war total bleich im Gesicht und nickte nur mit großen Augen. Danach wurde er losgelassen und beide verschwanden sofort um die nächste Ecke. Nun war es an mir erschrocken Jordan anzusehen, der mir seine Hand reichte. Zögerlich und, immer noch unter Schock, ergriff ich sie und wurde von ihm auf die Beine und sogleich in seine Arme gezogen.
"Du wirst immer mein bester Freund sein", sagte er, während er mich so innig umarmte, wie er es noch nie getan hatte.
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