Unauffällig schnuppere ich an mir und verziehe angewidert das Gesicht. Igitt! Ich brauch dringend 'ne Dusche.
Definitiv, du Stinkmorchel. Dein Geruch ist echt 'ne Zumutung!
Na, vielen Dank. Ist ja nicht so, als hätte ich mich seit Tagen nicht gewaschen. Die Wasserhähne im Bad funktionieren schließlich einwandfrei. Aber so 'ne notdürftige Katzenwäsche ist nun mal kein Ersatz für schönes heißes Wasser aus dem Duschkopf.
Wenn ich nur an das Prasseln auf meiner Haut denke, wird mir schon wohlig warm. Mmh ... Meine Muskeln entspannen sich und – Nein! Davon rieche ich auch nicht weniger streng. Also verscheuche ich den Tagtraum schnell aus meinem Kopf.
Für die Kids und mich hat Alex netterweise Waschlappen und ein Stück Seife aufs Waschbecken gepackt. Kein duftendes Duschgel, kein Deo. Großzügig von ihm, oder? Immerhin benutzt er selbst die Dusche irgendwo anders im Haus. Und wir? Wir dürfen uns sauber machen wie vor hundert Jahren. Ist das fair? Wohl eher nicht!
Wer sagt denn, dass das Leben fair sein muss?, mischt sich mein Hirngespinst mal wieder ungefragt ein. Du solltest doch am besten wissen, wie's in der Realität aussieht. Oder hast du's vergessen, Miss Am-Ende-wird-alles-gut?
Argh! Ich will jetzt keine philosophische Diskussion, sondern nur 'ne stinknormale Dusche! Ist das denn zu viel verlangt?!
Scheinbar schon. Sonst würde Alex nicht so'n Geheimnis aus dem anderen Badezimmer machen.
Ja, klar. Wieder ist sie auf seiner Seite. Das kotzt mich langsam wirklich an!
Nun beruhig dich mal. Wenn du weiter so rumschnaubst, weckst du noch die Kids. Stimmt. Das wäre natürlich auch nicht fair.
Also schlage ich behutsam die Decke zurück und verlasse so leise wie möglich den Raum. Tief ein- und ausatmen, dann ab durch den dunklen Flur. Im Salon seh ich mich aufmerksam um. Wo geht's denn hier weiter? Da ist keine Tür, die zu Alex' Schlafzimmer oder 'nem anderen Bad führen könnte.
Schlafzimmer? Hast du etwa solche Sehnsucht nach ihm, dass du gleich zu Alex ins Bett krabbeln willst?
„Natürlich nicht! Ich steig doch nicht mit dem ins Bett!", reagiere ich heftig. Zu heftig, das merke ich selbst.
Ja, klar. Wer's glaubt!
Das Gegacker in meinem Hirn verstummt, als hinter mir tatsächlich jemand auflacht. Shit! Wieso passiert mir das dauernd?
„Soso, kein Matratzensport für uns. Bist du dir da wirklich sicher?" Der provokante Unterton trifft bei mir 'nen Nerv und ich würde ihm am lieb– „Die Chemie zwischen uns fand ich eigentlich okay. Es könnte Spaß machen, das Ganze mal zwischen zerwühlten Laken auszutesten."
„Du fandest es okay? Okay?!" Wutschnaubend drehe ich mich um und gebe mir die größte Mühe, ihn in Grund und Boden zu starren. War der Kerl überhaupt dabei? Wir waren fantastisch, verdammt! Heiß, explosiv, völlig atemberaubend. Wie kann er es wagen, das so runterzuspielen? „Es war nicht einfach nur okay, klar?!"
Nun lacht er noch mehr. „Oh, entschuldige. Habe ich dein armes kleines Herz verletzt?"
Das hat er jetzt nicht wirklich gesagt, oder? Fassungslos sehe ich ihn an. Was hat denn bitte mein Herz damit zu tun?!
„Tut mir leid, wenn es jetzt ein paar Risse hat. Vielleicht finde ich hier irgendwo Panzertape oder so, dann können wir es wieder kitten."
Der Mistkerl fängt doch tatsächlich an, ein Schubfach nach dem anderen zu öffnen, um mich noch mehr zu provozieren. Das schau ich mir natürlich nicht kommentarlos an. Mal sehen, wie ihm die Retourkutsche gefällt!
„Oh je, hat da jemand 'nen Höhenflug? Keine Angst, Mister Komm-mir-bloß-nicht-zu-nah. Emotionale Krüppel wie dich kenne ich zur Genüge. Vor dir ist mein Herz sicher."
„Mister Komm-mir-bloß-nicht-zu-nah?" Jetzt lacht er nicht mehr. „Das sagt genau die Richtige! Wer versteckt sich denn bitte hinter seinem Job als Mutter Teresa, um ja kein eigenes Leben führen zu müssen?"
Autsch. Das hat gesessen, bemerkt sogar meine innere Stimme.
„Ach ja? Und du tust das nicht?", gebe ich bissig zurück. „Ich seh nicht einen einzigen persönlichen Gegenstand im ganzen Haus und da ist auch kein Ring an deinem Finger. Niemand außer uns ist hier – keine Freunde, keine Familie. Nur drei völlig Fremde hast du gerettet. Das spricht doch für sich!" Zur Abwechslung wandert mal meine Augenbraue nach oben.
Aww. Dir ist der leere Ringfinger aufgefallen!, jubelt mein Hirngespinst prompt und hat die Kränkung von eben schon wieder vergessen. Doch es stimmt. Ich hab nach unserem Kuss vielleicht 'nen flüchtigen Blick auf die Stelle geworfen – bis mich sein blöder Kommentar zur Vernunft gebracht hat! Natüüürlich.
„Du weißt nichts über mich!"
Bedrohlich nah steht Alex nun vor mir und bohrt seinen Zeigefinger in meine Brust. Wow. Wenn Blicke töten könnten, wär ich jetzt wohl tot. Aber ... wie ist er so schnell hierher gekommen?! Ach, egal.
Seine ganze Art macht mich so wütend, dass ich zurückknurre: „Du weißt doch auch nichts über mich, verdammt! Also wag es ja nicht, mir irgendwas zu unterstellen. Bevor die ganze Scheiße hier losging, hatte ich sehr wohl ein Leben!"
Ich bin genauso wütend wie er, als ich seine Hand einfach wegschlage. Er hat kein Recht, so mit mir zu reden! Und ich hab ihm auch nicht erlaubt, mich zu berühren!
Hättest du aber gern. Gib's zu! Du würdest ihn am liebsten noch mal küssen.
Leider liegt die Stimme damit gar nicht so falsch. Sein Duft steigt mir in die Nase und obwohl ich die letzten Tage in 'nem Raum voller Rosen verbracht habe, springe ich immer noch drauf an – zumindest bei ihm. Alex' Geruch berauscht mich. Wieder und wieder wandert mein Blick von seinen Augen zu den vollen, leicht geöffneten Lippen. Sie glänzen verführerisch, weil er schon zum zweiten Mal mit der Zunge drüber fährt. Huch. Wann ist denn die Stimmung umgeschlagen?
Das Lodern in seinem Blick verändert sich und zieht mich magisch an. Noch ein Schritt in seine Richtung und ...
„Tess? Alex? Ist jemand da?"
Shit! Was war das denn?! Energisch schüttle ich den Kopf, um die bescheuerten Gedanken und Gefühle zu vertreiben. Bevor ich diesen unmöglichen Kerl küsse, muss er erst mal meine Fragen beantworten!
Aha. Und danach?
Darauf geh ich gar nicht ein. Jetzt gibt es Wichtigeres, die Pflicht ruft. Ty ist wach und hat sicher Hunger.
„Ich mache das schon", kommt es von Alex, der sich scheinbar auch wieder gefangen hat. Mit seinem perfekten Pokerface marschiert er Richtung Küche, ohne auf mich zu warten. Na schön. Aber bevor er verschwindet, müssen wir noch was klären.
Also greife ich nach seinem Arm, bekomme aber nur den Ärmel zu fassen. Egal. Er bleibt trotzdem stehen und sieht irritiert nach hinten, direkt in mein Gesicht.
„Wir kommen gleich, Ty!", rufe ich, dann widme ich mich wieder Alex. „Wo ist die Dusche? Ich stinke wie ein Schwein!"
Oink oink, grunzt es in meinem Kopf. Aber auch das ignoriere ich.
„Oh, du wirst hier nicht duschen, Teresa", gibt er zuckersüß zurück. „Außerdem ist es noch gar nicht so schlimm, glaub mir." Und schon wieder liegt dieses Funkeln in seinem Blick, das mich schwach macht. Dabei bin ich doch stinksauer auf ihn!
Tja, so ist das halt. Er geht dir unter die Haut, Teresa. Das kennst du gar nicht, oder? Der Langweiler Anton hat's jedenfalls nicht geschafft ...
„Ach, halt doch die Klappe!", schnauze ich mein Hirngespinst an und zeige danach auf den sturen Kerl vor mir. „Und du wirst mir jetzt sagen, wo die verdammte Dusche ist! Wenn du sie benutzen kannst, dann ich ja wohl auch!"
„Streitest du gerade mit mir und deiner inneren Stimme gleichzeitig?", fragt er mit hochgezogener Augenbraue und lacht laut auf, als ich ertappt wegsehe. „Worum geht es denn im Parallelgespräch?"
„Das geht dich überhaupt nichts an!", fauche ich. „Lenk nicht ab. Wo zur Heugabel ist die Dusche?!"
„Hör mal", meint Alex plötzlich ernst und ich beruhige mich etwas. Vielleicht gibt's für sein Verhalten ja tatsächlich 'nen guten Grund. „Die Dämonen überwachen auch die Wassernutzung. Und wenn in einem Waldhaus auf einmal doppelt oder drei-, viermal so viel Wasser verbraucht wird wie sonst, werden sie garantiert misstrauisch. Dann kommen sie her, um zu überprüfen, was sich verändert hat. Selbst die Toilettenspülung, das zusätzliche Wasch- und Trinkwasser könnten schon auffallen. Also sollten wir kein Risiko eingehen, okay?"
Das klingt logisch. Aber ... „Klar. Allerdings gibt's dafür 'ne ganz einfache Lösung."
„Ach ja?" Er mustert mich skeptisch. „Und wie soll die aussehen?"
Ein Grinsen breitet sich auf meinem Gesicht aus. „Du duschst einfach die nächsten Tage nicht mehr. Dann können die Kids und ich deine Wassermenge nutzen. Zack, Problem gelöst!"
Sieht er scheinbar anders, wenn ich seinen Gesichtsausdruck richtig deute. Aber ich habe recht. Dagegen kann er wohl kaum was sagen.
Und um Alex noch 'nen zusätzlichen Anreiz zu bieten, gehe ich wieder auf ihn zu, bis ich direkt vor ihm stehe. Verführerisch lecke ich mir über die Lippen und halte seinen Blick gefangen – genau wie er vorhin. Und es wirkt! Hitze lodert in seinen Augen auf.
Bingo! Ich lächle siegessicher.
Dann reiße ich den Arm hoch und halte ihm meine Stinke-Achsel direkt vor die Nase.
„Uh, was soll das denn?!" Angewidert stolpert er ein paar Schritte zurück und hält sich noch die Hand vors Gesicht, als er längst außer Reichweite ist.
„Nur ein kleiner Vorgeschmack. Wenn du mir nicht deine Duschzeit gibst, werde ich das wohl öfter tun. Immer dann, wenn du nicht damit rechnest. Wieder und wieder. Willst du das?" Nun bin ich diejenige, die provokant die Augenbrauen hochzieht. Darauf hat er kein Patent.
Nein. Aber bei ihm sieht's deutlich heißer aus.
Na und? Ich will ihn ja auch überreden und nicht anmachen.
Das sah vorhin noch ganz anders aus, stichelt die Stimme weiter.
Auf die Diskussion hab ich jetzt aber keine Lust. Ich muss mich auf Alex konzentrieren, um keine Regung in seinem Gesicht zu verpassen. Ich bin echt gespannt, wie er sich entscheidet. Denn das war keine leere Drohung. Notfalls verfolge ich ihn bis zum Nordpol, um meinen Gestank mit ihm zu teilen. Aber so genervt, wie er nun wirkt, gibt Alex garantiert nach. Schlauer Kerl.
„Von mir aus. Du kannst heute duschen. Ich bin gerade von meinem Rundgang zurück und wollte jetzt ins Bad. Tja. Pech gehabt, schätze ich. Komm, hier geht es lang", meint er und schiebt einen schwer aussehenden Schrank mit nur einer Hand zur Seite.
„Was zur ..." Entgeistert sehe ich ihn an. „Ist das etwa ein Geheimgang?"
„Das hier ist ein Safehouse. Warum wundert es dich also, dass Schlafzimmer und Bad – die beiden Orte, an denen man besonders angreifbar ist – versteckt sind?" Mit hochgezogener Augenbraue mustert er mich und tut doch ernsthaft so, als wäre das alltäglich. Schon ist sie wieder da, seine verdammte Arroganz!
„Das sollte mich nicht wundern, oder?", gebe ich dann nachdenklich zurück. Vielleicht hab ich mich ja geirrt und dieses Haus ist ... Nein. Irgendwas stimmt hier trotzdem nicht.
Aber eins nach dem anderen. Jetzt steige ich erst mal unter die Dusche. Wenn ich sauber bin, kann ich auch wieder klar denken.
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