Kapitel 33
Gegenwart
Luc's Sicht
Nervös warf ich Steine auf das Wasser. Dass ich keine Ahnung hatte, was vor sich ging, brachte mich beinahe um den Verstand.
»Kann ich mich setzen?« Ich fuhr erschrocken hoch und erblickte Elias. Verwirrt rückte ich ein Stück zu Seite und er setzte sich neben mich. Schnappte sich ein paar Steine und warf sie ebenfalls über das Wasser. Im Gegensatz zu meinen sprangen seine aber, anstatt einfach unterzugehen.
»Woher wusstest du wo ich bin?«, fragte ich ihn, meinen Blick nicht vom Wasser abweichend.
»Komm schon Luc. Wie lange kennen wir uns schon?« Er zündete eine Zigarette an und reichte sie mir. Ich nahm sie dankend entgegen, hatte wieder viel zu viel geraucht in letzter Zeit.
Seine Nussbrauen Augen schauten mich durchdringend an. Es lag Mitleid in ihnen.
Oder Mitgefühl? Gab es dort überhaupt einen großen Unterschied?
»Du hast mir nie erzählt, wo diese Narbe herkommt.« Ich versuchte das Thema auf etwas zu lenken, dass nicht mit Alora zu tun hatte. Musste meinen Kopf irgendwie auf andere Gedanken bringen.
»Du weißt wo ich her komme wenn das Leben mich fickt aber ich weiß nicht wo diese Narbe in deinem Gesicht herkommt. Irgendwie unfair.« Ich nahm einen langen Zug, doch der Rauch in meinen Lungen hatte nicht die selbe Wirkung wie sonst.
»Meine Mutter wollte mir eine Glasflasche überziehen als ich acht war. Ich bin ausgewichen und sie hat meine Wange getroffen. Zu tief, als das keine Narbe bleiben würde.«
Er sagte es, als würde es ihm nichts mehr ausmachen. Als wäre es zu lange her, als das es was bedeuten könnte. Doch das war es nicht.
»Hat sie es getan, weil du zu teuer warst? Wollte sie -?« Ich traute mich nicht einmal meine Gedanken laut auszusprechen. Würde eine Mutter im Stande sein ihren Sohn wegen Geldsorgen zu töten?
»Keine Ahnung. Denke schon. Sicher bin ich mir sicher.« Unkontrolliert strich er sich über die Narbe.
»Tut mir leid, Man.«
»Es war das Erste und Einzige Mal«, versuchte er sie zu verteidigen.
»Das macht es nicht ungeschehen. Alles was danach kam war nicht besser.«
»Als ob dein Vater dich nie geschlagen hat, bevor er gestorben ist.«
Den wunden Punkt den ich getroffen hatte, schoss er genauso scharf zurück.
»Wo du Recht hast.«
Einen Moment schwiegen wir. Ich war dankbar für seine Gesellschaft. Anderseits gefiel es mir nicht, Denny und Alora alleine in einem Haus zu wissen. Mein Vertrauen ihm gegenüber war immer noch zu brüchig. Er war unberechenbar.
»Er wird sie nicht anfassen.«
»Kannst du eigentlich Gedankenlesen? Langsam finde ich das gruselig.«
Ein Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab.
»Ich kenn dich einfach nur scheiße gut. Ich weiß was in deinem Kopf vorgeht, Luc. Und würde er sich gerade nicht um Alora und Denny drehen, würde ich ernsthaft an dir zweifeln.«
»Weißt du, was er vorhat?«
Er zog sich seinen grauen Pullover über. Am Wasser war es immer etwas frisch. Elias sah unscheinbar aus. Nicht so, als würde er krumme Sachen machen. Obwohl das meistens sowieso Vorurteile sind. Aber er könnte auch auf eine Uni gehen, in der Bibliothek Bücher lesen und einen Espresso trinken. Zumindest sah er danach aus. Unscheinbar. Aber gefährlich.
Das einzige was ihn verraten könnte, war sein muskulöser Körper. Er machte viel mehr Sport als Denny und ich zusammen. Seit seine Freundin einmal im Park angegriffen wurde und er es nicht geschafft hat dazwischen zu gehen. Diesen Tag wird keiner von uns jemals vergessen.
»Ich weiß es, ja. Aber ich denke er wird es dir selber sagen wollen. Ich bin nur die moralische Stütze bis die beiden fertig sind.« Hoffnungsvoll fand meinen Blick seinen.
»Wenn du mir ein bisschen Schmerz nehmen kannst, bitte tu das«, flehte ich ihn an.
»Reicht es dir nicht zu wissen, dass er dir helfen will? Er liebt dich wie einen Bruder.«
»Davon habe ich ihn letzter Zeit wenig gemerkt.« Ich warf den nächsten Stein, rauchte die nächste Zigarette.
»Glaubst du, du hast ihm das Gefühl gegeben, als du dich für Alora und gegen uns entschieden hast?« Ich hörte einen Vorwurf in seiner Stimme. Einen Vorwurf, den ich wohl nie wieder aus der Welt schaffen kann.
»Ich habe in ihr meine Familie gefunden«, flüsterte ich.
»Aber du warst unsere Familie. Wieso waren wir nicht auch deine? Wieso ging nicht beides?«
Die Frage übermannte mich. Lange hatte ich Angst gehabt, jemals mit ihr konfrontiert zu werden.
»Seit wann bist du so weich?«, äffte ich ihn nach.
Der Tag an dem ich erfuhr, dass ich Marry und Tommy töten sollte schoss mir in den Kopf.
»Ich war sauer. Kannst du das nicht verstehen?«
Es kam nicht oft vor, dass Elias sich so verletzlich zeigte. Offen darüber sprach, was in ihm vorging. Das tat sonst niemand von uns. Außer es drohte uns der Schädel zu platzen.
»Elias.«
»Luc, man. Ich hatte doch nur euch.«
Ich schluckte schwer. Versuchte seinem Blick auszuweichen. Konnte noch mehr Schuld kaum ertragen. Auch wenn ich sie verdiente, hatte ich das Gefühl die Schuld der Welt würde auf meinen Schultern lasten.
»Es tut mir leid.«
»Ich will nur wissen wieso.«
»Ich dachte, sie verlässt mich. Wenn sie rausfindet, dass ich nicht aufhören kann. Ich konnte sie nicht verlieren. Bei Nila ist es doch nicht anders.«
»Nila musste mich so akzeptieren wie ich bin. Ich habe von Anfang an mit offenen Karten gespielt. Und jetzt sind wir -« Er brach den Satz ab, wandte seinen Blick ab.
»Was seid ihr?«
»Schwanger. Nila ist schwanger«, ergänzte er leise.
»Was? Das ist doch super! Ein kleines Baby in unserer Gang. Gibt es Lederjacken in Babygröße? Es brauch die gleiche wie du.«
»Sie.« Ein stolzes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus.
»Sie?« Er nickte.
»Herzlichen Glückwunsch, man. Versau sie bloß nicht.« Ich klopfte ihm auf die Schulter. Wir beide wussten, dass ein Kind nicht nur gute Nachrichten bedeutete. Elias war eigentlich immer in Gefahr. Das war kein Geheimnis.
Jedoch traute sich keiner von uns beiden, das Thema anzusprechen.
»Damit es bloß nicht versaut wird, könnte Nila mit Sicherheit weibliche Unterstützung gebrauchen.« Elias lächelte immer noch. Ich konnte mir kaum vorstellen, wie sich das anfühlen mag. Und war mir leider auch nicht mehr so sicher, es jemals zu erleben.
»Das liegt leider nicht in meiner Hand.«
»Aber in Denny's.« Er schaute mich wieder an. Seine Augen funkelten.
»Ich bin mir sicher, dass alles gut wird. Und wir eine große glückliche Familie werden. Auch wenn du uns sitzen lassen hast. Aber ich schwöre, machst du das noch einmal, jag ich dir höchstpersönlich eine Kugel mit deinem Namen durch den Kopf«, drohte er mir.
»Nett«, erwiderte ich ironisch.
»Danke, Elias.«
»Du bist mein Bruder Luc.«
Sein Handy vibrierte.
»Bist du soweit?«, fragte er. Selbst seine Stimme zitterte.
»Bereit wofür?« Mein Herzschlag beschleunigte sich.
»Bereit herauszufinden ob deine Kleine sich für oder gegen dich entschieden hat.«
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