Kapitel 28
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Gegenwart
Für einen kurzen Moment setzte mein Herz aus. Hörte auf in meiner Brust zu schlagen.
Es wäre vor Schmerz am liebsten auseinander gesprungen, als ich die Tür aufmachte und Luc vor mir sah.
Ich hatte mir diesen Moment ausgemalt. Immer und immer wieder. Bestimmt tausend Mal. Um mich irgendwie über Wasser zu halten. Aber so war er in meinen Gedanken nie abgelaufen.
Elias stand neben ihm. Selbstsicher, etwas einschüchternd. Doch das positive Gefühl welches ich ihm gegenüber aufgebaut hatte, war verschwunden, seitdem ich wusste, wer für die Scheiße verantwortlich war.
Luc sah nicht einmal halb so selbstsicher aus. Seine Schultern waren gesunken, sein Blick verletzt. Ich wollte sauer auf ihn sein, wollte ihn anschreien, doch ich war zu leer. Zu viele Gefühle hatten die letzten Tage an mir gezerrt, als das noch etwas übrig sein könnte.
»Können wir, Mrs.?«, fragte Elias und wollte meine Mutter mit einer Bewegung in ihr eigenes Haus einladen. Obwohl ich mir nicht mehr so sicher war, ob es nicht vielleicht doch schon Denny gehörte.
Meine Mutter nickte nur. Versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie wenig sie verstand, was sich vor ihren Augen abspielte. Elias glitt an mir vorbei, darauf bedacht mich nicht zu berühren. Trotzdem jagte mir seine Nähe einen Schauer über den Rücken.
Ich hatte gedacht, wir könnten Freunde werden.
Zurück blieben Luc - und ich.
Allein. Also drehte ich mich auf dem Absatz um, bereit, ihn hinter mir zu lassen, so wie er mich hinter sich gelassen hatte.
»Warte, mein Her-.« Er beendete den Satz abrupt. Sprach das Wort Prinzessin nicht aus. Und mein Herz schmerzte.
»Alora«, korrigierte er sich. Doch ich drehte mich nicht um, blieb einfach nur mit dem Rücken zu ihm gewandt stehen. Konnte nicht in seine Augen gucken, wohlwissend dass ich daran versinken würde. Sie augenblicklich die Kontrolle über mich übernehmen könnten, wenn sie das wollten.
»Können wir reden?«
Seine Stimme war weich, einfühlsam.
Und in meinem Kopf entstand ein Krieg.
Niemand kämpfte für Frieden, nur darüber die Oberhand zu gewinnen.
Die eine Seite wollte es zulassen, wollte sich anhören was er zusagen hatte. Obwohl vermutlich selbst das gelogen war, sie wollte sich in seine Arme fallen lassen und ihn spüren. Seine Nähe, seine Liebe, ihr zu Hause.
Die andere Seite wollte laufen. Nichts von dem hören, was er sagen wollte. Keine Ausreden, keine ausgedachten Geschichten, nicht einmal die Wahrheit. Denn sie sieht keinen Grund darin, nach solanger Zeit zuzuhören, wenn er die ganze Zeit schon reden konnte.
Welche der beiden Seiten gewinnt diesen Krieg?
»Ich fange einfach an zu reden, anstatt auf eine Antwort zu warten denn ich weiß ja gar nicht ob du was zu sagen hast. Aber ich habe es. Magst du mich anschauen, bitte? Schau mich bitte an, Darling.«
Ich atmete tief ein, langsam wieder aus.
Mein Herz pulsierte unglaublich schnell. Mein Kopf versuchte sich die Erinnerung seiner Stimme in einer kleinen Tür ganz hinten abzuspeichern, falls es das letzte Mal sein sollte, dass er diese gehört hatte.
Zitternd drehte ich mich zu ihm um, hielt mich am Türrahmen fest, um mich zu stützen. Ich war schwach. Die letzten Tage hatten mich ausgelaugt.
Seine Abwesenheit hatte ihren Tribut gezollt.
Sobald unsere Blicke sich trafen, begann er zu reden. Und Gott, seine Stimme war wie Musik in meinen Ohren.
»Es tut mir leid. Ich bin ein Arschloch, ein Wichser und habe dich nicht verdient. Das weiß ich. Wirklich, glaub mir. Deine Abwesenheit tut weh. Jeden Tag, jede Stunde, verdammt, jede Minute.«
Er begann nervös auf und ab zu laufen, ließ mich dabei aber nicht aus den Augen.
»Ich liebe dich. Mehr als alles andere auf dieser Welt. Aber ich hatte keine Wahl. Du warst in Gefahr. Deine Eltern waren in Gefahr. Ich habe nur versucht euch zu beschützen und das war der einzige Weg. Glaub mir, ich habe gesucht. Nach Auswegen. Und dieser ist beschissen aber er ist besser als der Ursprung. Und ich vermisse dich. Ich vermisse dich so sehr.«
Seine Stimme sackte kurz ab. Seine Hand fuhr durch seine schwarzen Locken - und ich wünschte mir nichts sehnlicher, als das es meine Hand wäre.
»Ich möchte dir die ganze Geschichte erzählen. Die ganze Wahrheit. Du hast verdient sie zu wissen. Ich kann verstehen, wenn du danach nie wieder was von mir hören willst. Wir beide wirklich unser Ende gefunden haben. Ich kann es verstehen. Es ist dein gutes Recht nach allem was nicht nur die letzten Tage, sondern Wochen passiert ist. Angefangen bei meinem unkontrollierten Verhalten in der Gasse nach der Party.«
Meine Hand griff automatisch an meinen Hals und ich sah den Schmerz in seinen Augen. Diesen Tag werden wir beide niemals vergessen.
»Aber ich liebe dich. Und wenn du nicht da bist dann ... Dann kann ich nicht mehr atmen. Ich kann nicht mehr essen, nicht mehr schlafen. Wenn ich schlafe, dann habe ich Albträume, doch noch viel schlimmer ist es aufzuwachen und festzustellen dass du nicht mehr neben mir liegst. Ich weiß es fällt gerade alles auseinander. Wir fallen auseinander. Aber ich muss meinem Herzen folgen. Und ich habe dir versprochen, dass wir alle Zeiten überstehen. Die guten und die schlechten. Und das hier sind schlechte Zeiten. Wirklich schlechte Zeiten. Aber ich bin nicht vollkommen ohne dich. Es wird immer etwas fehlen, wenn du nicht bei mir bist. Ich bin nur noch ein Schatten meiner selbst. Ich liebe dich Alora. Ich liebe dich.«
Er schaute mich einfach nur an. Doch ich stand regungslos in der Tür.
Unfähig etwas zu sagen oder zu fühlen.
Ich wollte etwas fühlen.
Nachdem ich die schönsten Worte dieser Welt gehört hatte, musste ich etwas fühlen. Doch es kam nichts. Keine Wut, keine Traurigkeit, kein Glück. Es blieb Leer in mir. Alles war so unfassbar still.
»Bitte sag etwas.« Ich sah, wie er versuchte seine zitternde Hand in seiner Hosentasche zu verstecken. Der Krieg in meinem Kopf hatte seinen Höhepunkt gefunden. Alles stand in Flammen, brannte meinen Kopf bis auf das kleinste bisschen nieder.
»Alora, mein Herz«, flehte er.
Mein Hals schnürte sich zusammen. Meine Beine wackelten. Auch wenn meine Seele kaum mehr da war, reagierte mein Körper umso heftiger auf ihn - und den Krieg in meinem Kopf.
Tausende Gedanken wirbelten durch die Flammen. Meine Augen fixierten seine. Ich versuchte das Grau vor dem Sturm zu verstecken. Versuchte mich selbst dazu zu überreden, nicht dieses Bild zu verbrennen. Prägte mir jedes kleine Detail ein, was ich von hier finden konnte.
Wir schwiegen. Schauten uns einfach nur an. Zwei Menschen, die so sehr ineinander verliebt sind. Dessen Liebe spürbar ist, greifbar. Dessen Liebe so viel überstanden hat. Die füreinander bestimmt waren. Eine Seele in zwei Körpern trugen.
Doch reichte das aus?
Konnte das reichen für alles was passiert war?
»Ich verspreche dir, dass es immer wieder auf das selbe hinauslaufen wird, Luc. Das Ende bleibt das gleiche. Wir werden streiten. Du wirst scheiße bauen. Wir werden uns trennen. Es gibt keinen Grund uns weiterhin so sehr wehzutun. Wir tun uns nicht mehr gut.«
Mein Mund sprach Wörter die mein Herz nicht verstand. Die mein Herz niemals ausgesprochen hätte, wenn es die Kontrolle gehabt hätte. Doch das hatte es nicht.
Denny hatte meiner Familie alles genommen. Und somit hatte das auch Luc. Genauso wie Elias. Wie konnte ich diese Menschen in mein Leben lassen? Wie sollte ich ihnen das jemals verzeihen?
»Es tut mir leid, Luc«, wisperte ich, während ich meinen Körper langsam hinter die Tür schob. Eigentlich nur darauf wartete, dass er schnell genug nach meinem Arm griff und mich zu sich zog. Mich nie wieder losließ. Doch ich spürte seine Hände erst an der Tür, als diese leise ins Schloss fiel. Die Ruhe mit lauten Klopfen und Schlägen durchbrochen wurde. Er immer und immer wieder meinen Namen schrie.
Und ich mir sicher war, dass wir beide zeitgleich gegen die Tür sackten.
Wissend, dass wir uns beide unser eigenes Grab geschaufelt hatten.
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