Kapitel 16
Gegenwart
Luc's Sicht
Meine Finger trommelten nervös auf das Lenkrad. Es war der Punkt angekommen, an dem ich am Ende war. Nicht weiter wusste. Meine Fäuste ballten sich und ich schlug auf die Armatur.
Immer und immer wieder. Solange bis der Schmerz meinen Kopf erreichen sollte, doch er kam nicht an. Es tat nicht weh. Nichts konnte gerade mehr schmerzen, als der Gedanke an Alora - in Gesellschaft mit Denny.
Dieser Wichser. Wenn er sie anfassen würde, würde ich mich vergessen.
Dann wären Aloras Eltern nicht die einzigen auf meiner Abschussliste.
Aloras Eltern.
Marry und Tommy.
Die liebsten Menschen die ich jemals kennenlernen durfte.
»Verdammte scheiße!« Ich lehnte mich zurück, raufte mir durch die Haare.
Verzweiflung machte sich in mir breit. Es gab keinen Ausweg, kein beschissenes Schlupfloch.
Dabei könnte ich gerade jetzt wirklich eins gebrauchen.
Ohne großartig darüber nachzudenken wählte ich Dennys Nummer. Es klingelte.
»Ich dachte es wäre alles geklärt und du schon längst auf dem Weg?«
Ich konzentrierte mich darauf ihre Stimme zu hören, irgendwo im Hintergrund, doch sie war nicht da.
»Nimm mein beschissenes Leben«, sagte ich.
Am andere Ende hörte ich ihn lachen.
»Du denkst ich würde dich umbringen? Nach allem was wir zusammen erlebt haben? Du liegst falsch. Ich will das du ein wenig leidest, so wie du mich hast leiden lassen. Aber töten? Sicherlich nicht. Noch einen anderen Deal parat?«
»Ich zahle dir das Geld was Aloras Eltern dir schulden. Jeden Cent und von mir aus auch noch mehr.« Einen Moment herrschte Stille und kurz hatte ich gedacht, ich hatte ihn überzeugt.
»Ich habe mehr als genug Geld. Aber Leute die mich verarschen bezahlen nun einmal einen hohen Preis. Das müsstest du doch nur zu gut wissen.«
Ein stechen durchfuhr mein Herz, denn ich wusste es wirklich nur zu gut.
»Wenn dir irgendwas an mir liegt, zwingst du mich nicht es zu machen.«
»Dann frage ich Alora. Sie würde sich wahrscheinlich lieber selber umbringen, als dass sie ihre Eltern auch nur anrührt. Irgendjemand aus dieser Familie wird bezahlen. Haben wir uns verstanden?«, zischte er. Er war sauer, ich konnte es verstehen. Sie haben ihn um 300 Millionen Euro leichter gemacht, doch er war auf das Geld nicht angewiesen. Er brauchte es nicht.
Ihre Eltern hatten es gebraucht.
»Hättest du dich niemals in sie verliebt, hätte es dich auch nicht interessiert. Du hättest es gemacht, ohne mit der Wimper zu zucken«, fuhr er mich an.
Es musste einen anderen Weg geben. Denny war eigen. Er brauchte ein bisschen Unterhaltung in seinem Leben, denn ansonsten würde er sich wahrscheinlich selber die Kugel geben.
»Du willst das diese Familie leidet? Ich werde dafür sorgen, dass diese Familie leidet. Aber ich werde nicht ihre Eltern töten, weil du dich dafür entschieden hast ihnen Geld zu leihen um ihre Firma zu vergrößern. Erledige deine Drecksarbeit selber. Aber ich habe etwas anderes im Sinn.
Dein Geld beschaffe ich dir, ich verstehe mich gut mit Marry und John.«
»Berichte mir mehr. Denn wie gesagt, nur das Geld interessiert mich wirklich viel zu wenig. Also, wenn du etwas vergleichbares findest -«
»Mit dem Tod ist doch sowieso alles vorbei. Das empfindest du als Leid? Ist das nicht eher eine Befreiung? Du bekommst dein Geld und wir treiben ihre Familie in den Ruin. Sie werden alles verlieren, ihre Firma, ihr zu Hause in London, jeden Cent auf ihren Konten. Ihren Status nicht zu vergessen. Du weißt doch bestimmt ein paar schmutzige Geschäfte, Geheimnisse, irgendwas.«
»Jetzt rede ich wohl endlich wieder mit Luc. Willkommen zurück, du hast lange gebraucht.«
Erleichterung machte sich in mir breit. Es war nicht der beste Weg, keine Frage.
Aber es würde sie nicht ihr Leben kosten.
Sie würden wieder auf die Beine kommen, ich würde dabei helfen.
Alora wird verstehen, dass es zu ihrer Sicherheit und der ihrer Familie galt.
Sie musste es verstehen.
»Aber eine Sache noch.« Ich atmete tief ein. Was könnte jetzt noch kommen?
Wann hatte er genug? Irgendwann musste er genug haben.
»Ich finde deine kleine Freundin wirklich sehr interessant.« Er machte eine Pause.
»Und weiter?«, knurrte ich.
»Schenkst du sie mir für eine Nacht?«
Mein Kiefer verspannte sich augenblicklich. Mein Puls begann zu rasen.
»Treib das Spiel nicht zu weit.«
»Ohne Alora als Kirsche auf der Torte, steht der Deal nicht.«
»Sie würde niemals mit dir schlafen.«
»Was macht dich so sicher? Dass ihr beide doch ach so verliebt seid?«
»Denny -«
»Wenn sie ja sagt - und das wird sie, darf ich sie dann ficken?«
Ich sah sein dummes Grinsen vor mir.
Zulange kannte ich ihn schon. Mein Blut kochte und meine Handflächen begannen zu schwitzen.
Er trieb den Einsatz zu hoch. Er wusste, dass ich ihrer Familie das Geld nahm, konnte sie mir verzeihen. Dass ich sie an Denny verzockt hatte? Wie sollte sie mir das jemals verzeihen.
Ich würde sie verlieren. Auf jedem erdenklichen Weg den ich in meinem Kopf durchspielte, würden wir am gleichen Ziel herauskommen. Es würde immer darauf hinauslaufen, dass ich sie verliere. Ich töte ihre Eltern? Verloren. Jemand anders tötet ihre Eltern und sie findet raus, dass ich davon wusste? Verloren. Ich sage ja dazu, dass Denny sie vögeln darf und sie findet es heraus? Verloren.
Sie würde nicht ja sagen. Das würde sie niemals.
Aber der Gedanke, dass ich es erlaubt hätte, würde sie brechen.
In tausende kleine Einzelteile.
»Ich warte.« Denny holte mich aus meinen Gedanken zurück.
»Kann ich-?«
»Nein du kannst keine Nacht drüber schlafen.«
Wieso kannte er mich immer noch so gut, was hatte ich jemals in dieser Freundschaft gesehen?
Ich wollte Zeit schinden, solange bis mir etwas anderes einfiel, aber selbst das schien nicht zu funktionieren.
»Kann ich sie sehen. Vorher?«, flüsterte ich.
Sie war meine Schwachstelle, dass wusste ich.
Aber ich musste mich verabschieden.
Sie ein letztes Mal sehen, ein letztes Mal berühren. Ihr sagen, wie sehr ich sie liebe und dass sie verstehen muss, dass das alles nur zu ihrem Besten war.
»Du kannst sie morgen sehen. Nachdem die wahrscheinlich beste Nacht meines Lebens vorbei ist.« Ich schüttelte meinen Kopf. Wann würde ich aus diesem Alptraum endlich aufwachen?
Irgendwann musste dieser Teufelskreis doch durchbrochen werden können.
»Ich wollte sie heiraten, Denny.« Verzweiflung schwang in meiner Stimme mit.
»Ich wollte sie verdammt nochmal heiraten.« Wieder ein Schlag auf die Armatur.
Scheiße, wieso konnte ich diesen Schmerz nicht fühlen?
»Verrate niemals einen Freund. Ich hoffe das ist dir eine Lektion«, erwiderte er.
»Wir sind schon lange keine Freunde mehr.«
»Aber wir waren es Mal. Irgendwann, bevor du sie kennengelernt hast. Und du hast dich für sie entschieden. Und gegen uns. Ich habe verloren, was mir im Leben am meisten bedeutet hat. Ich habe mit dir meinen besten Freund verloren. Jetzt wird es Zeit, dass du verlierst, was dir am meisten bedeutet. Und da niemand anderes mehr übrig ist außer sie -«
»Fick sie! Verdammt. Wenn dein Ego so groß ist, dass du denkst sie würde das zulassen, ausgerechnet dich ranlassen, dann los, schlaf mit ihr! Nimm mir auch den letzten Menschen auf dieser verschissenen Welt.«
»Danke, dass du mit mir teilst Luc. In dir steckt wohl immer noch ein echter Freund.«
Bevor ich noch etwas sagen konnte, legte er auf. Es war still. Viel zu still.
Ich wusste, dass ich gerade den größten Fehler meines Lebens begangen hatte.
Sie hatte mir vertraut. Und ich habe sie verkauft.
Verkauft für ihr Leben, verkauft für das Leben ihrer Eltern.
Aber verkauft.
Ich öffnete das Handschuhfach.
Kurz machten sich Zweifel in mir breit. Ich wollte dieser Mensch nie wieder sein.
All der Scheiße habe ich doch schon vor so langer Zeit abgeschworen.
Alora versprochen all das Schlechte wieder gut zu machen.
Ein besserer Mensch zu werden. Für sie. Manchmal auch für mich.
Aber wenn ich sie verliere, dann habe ich nichts mehr zu verlieren.
Dann ist da nichts mehr außer mir selbst und elendig großem Hass.
»Scheiß drauf«, murmelte ich, wahrscheinlich um mir selber ein wenig Mut zu machen.
Es war nicht das erste Mal und das letzte Mal war nicht das letzte Mal gewesen.
Ich griff nach der Pistole, die eingewickelt in einem schwarzen T-Shirt lag und ließ sie langsam zwischen meine Hände gleiten. Sie war schwerer als ich es in Erinnerung hatte.
Dabei konnte ich mich ganz genau an den Tag erinnern, an dem ich dachte sie das letzte Mal freiwillig zu benutzen. Falsch gedacht, Luc.
Da gibt es noch einen Menschen, der diese Kugel mehr verdient als alle anderen zuvor.
»Ich hoffe der Sex ist gut, denn das wird der letzte sein den du in deinem erbärmlichen Leben jemals gehabtt hast, Denny.«
Dann drückte ich das Gaspedal durch.
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