Kapitel 14
Vor 3 Jahren
Stille nahm den Balkon ein. Breitet sich aus wie eine unaufhaltsame Wolke.
Die Luft wurde eng, stickig. Ich hatte das Gefühl nicht atmen zu können.
Diese Information überrollte mich.
»Ich -«, ich schluckte.
Ich hatte keine Ahnung was ich sagen sollte.
Was angebracht war. Meine Eltern waren am Leben, auch so hatte
ich noch niemanden aus meiner Familie verloren. War noch nie auf einer
Beerdigung gewesen. Wusste also überhaupt nicht, wie man sich in so einer
Situation vehalten sollte.
»Schon okay«, sagte er. Doch ich hatte nicht das Gefühl das auch nur irgendwas okay ist.
Das Thema wechseln schien mir unangebracht zu sein.
Nichts fühlte sich gerade richtig an.
Überhaupt gar nichts.
Er griff nach meiner Hand. Es kam unerwartet, doch beruhigte mich augenblicklich.
Mein Herzschlag verlangsamte sich wieder.
Doch trotzdem hatte ich das Gefühl, etwas würde zwischen uns stehen.
»Willst du darüber reden?«, flüsterte ich. Sein Daumen streichelte sanft meinen Handrücken.
»Noch nicht. Gib mir ein wenig mehr Zeit. Ich bin noch nicht bereit.«
»Wie lange?«
»2 Monate.«
Mein Bauch zog sich zusammen.
»Ich wünschte ich könnte all die Trauigkeit und den Schmerz aus deinem Herzen nehmen und ihn in meins packen. Ich wünschte ich könnte dir helfen.«
»Das du hier bist, reicht mir. Es tut weniger weh wenn du da bist. Neben mir.«
Ich legte meine andere Hand auf unsere bereits verschlossenen.
Schaute ihn an. Was auch immer er dachte oder fühlte, er verschloss es vor mir hinter einer Maske. Ich wünschte, ich könnte dahinter blicken, erkennen, was in ihm vorgeht.
Doch ich entschied mich zu warten.
Zu warten bis er mich hereinließ, bis er sich dazu bereit fühlte sich mir gegenüber zu öffnen.
Zwei Monate war keine lange Zeit, vor allem nicht für den Tod von beiden Elternteilen.
Wenn er bereit war, würde ich da sein. Ihm zuhören und seine Hand halten.
Ich werde da sein, das wusste ich.
Von heute an jeden Tag.
Schweigend saßen wir noch eine Weile nebeneinander, unsere Hände verschränkt.
Bis wir uns entschieden, schlafen zu gehen.
Sein Gewicht neben mir zu spüren, seine Nähe und seinen Geruch.
Ich schlief schnell ein in seinen Armen. Fühlte mich sicher und geborgen.
Er streichelte meine Haare solange, bis ich meine Augen nicht mehr aufhalten konnte.
Ich glitt in einen tiefen, erholsamen und traumlosen Schlaf.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, brauchte mein Gehirn kurz,
um die Ereignisse des gestrigen Tages zu verarbeiten. Es war so viel passiert.
Fühlte sich an, als hätten wir eine ganze Woche an einem Tag erlebt.
Meine Hand suchte die linke Seite des Bettes ab.
Doch ich tastete nur ins Leere. Panik stieg in mir hoch.
Ich öffnete meine Augen, doch er war nicht da. Luc lag nicht mehr neben mir.
Schnell setzte ich mich auf.
War er schon gegangen? Musste er irgendwo hin? Musste er arbeiten?
Mein Kopf ratterte, überlegte ob er etwas in diese Richtung gesagt
hatte doch mir fiel nichts ein.
Er hatte kein Wort darüber verloren.
Meine Füße berührten den kuschligen Teppich. Ich zog mir einen Bademantel über
und verließ das Schlafzimmer.
»Luc?«, fragte ich in meine augenscheinlich leere Wohnung.
Ich lief durchs Wohnzimmer, auf den Balkon, doch er war nicht aufzufinden.
Dann öffnete ich die Tür der Küche.
Eine Thermoskanne stand auf dem Tisch. Brötchen in einem Korb. Erdbeeren in einer kleinen Schale. Daneben ein Zettel. Ich beruhigte mich.
»Guten Morgen Arlie. Ich habe einen wichtigen Anruf bekommen und musste los. Wollte dich nicht wecken. Habe mir erlaubt dir Frühstück zu machen. Erkläre dir alles, wenn wir uns später sehen. Luc.«
Ich laß den Zettel bestimmt fünf Mal, bis sich mein Kopf hatte dazu überreden lassen, dass alles okay war. Er zwar gegangen war, aber nicht weil zwischen uns etwas passiert war.
Wenn wir uns später sehen.
Es war alles in Ordnung. Er würde wieder kommen.
Ich wusste es war zu früh soetwas zu fühlen. Panik in mir aufsteigen zu lassen nach einem Treffen, einer Nacht, nicht mal Sex. Und ich konnte weder mir - noch jemand anderem - erklären was es war, doch das da etwas war, konnte ich nicht leugnen.
Ich ließ mich auf den Küchenstuhl fallen, goss mir eine Tasse Kaffee ein.
Dann entschied ich mich dafür meine Mutter anzurufen.
Wegen dem Treffen mit Luc hatte ich mich nicht so oft gemeldet, wie ich es eigentlich gewollt hatte. Ihr versprochen hatte. Es klingelte zwei Mal, dann hob sie ab.
»Hallo Süße.« Ihre Stimme zu hören erfüllte mich mit Wärme.
Meine Eltern hinter mir zu lassen, war das schlimmste gewesen.
»Hallo Mama. Tut mir leid das ich mich jetzt erst melde«, sagte ich kleinlaut.
Ich hasste es sie zu enttäuschen.
»Alles gut mein Schatz, was hast du denn solange gemacht? Du musst doch erst in 14 Tagen anfangen zu arbeiten.«
»Ich habe schon einen Freund kennengelernt und er hat mir gestern die Stadt gezeigt.«
»Oh wie schön, da freue ich mich sehr für dich. Meine größte Angst war, dass du alleine bist. Erzähl mir alles!«, sagte sie erfreut.
Ich begann ihr zu erzählen wie ich in Luc reingelaufen war, wie wir einen Kaffee trinken waren, vom Park. Einige, für sie, unwichtige Details ließ ich aus.
Eigentlich alles, was darauf hindeutete, dass sich daraus mehr als Freundschaft entwickeln konnte, ließ ich aus. Dafür war die Zeit noch nicht gekommen.
Und meine Mutter würde mir dann sagen, dass ich mich erst auf die Arbeit konzentrieren soll und das wollte ich gerade einfach noch nicht hören.
Sie lauschte gespannt, stellte die ein oder andere Frage. Es war schön ihre Stimme zu hören.
»Und was gibt es bei euch neues?«, beendete ich meine Erzählung.
Ich war gerade mal drei Tage weg, doch es fühlte sich an wie eine Ewigkeit.
»Du weißt doch, dass dein Vater schon länger expandieren will. Er hat nächste Woche wieder ein Gespräch mit einem Geldgeber. Einem Geldgeber aus London«, sagte sie aufgeregt.
»Heißt das?« Sie quietschte.
»Ja Süße. Wenn das klappen sollte und der Deal so läuft wie dein Vater und ich uns das vorstellen, wäre es möglich das wir nach London expandieren können.«
Der enge Knoten um meinem Herzen löste sich.
»Und dann würdet ihr -?«
Meine Mutter war viel zu aufgeregt. Ich fragte mich, wie sie es überhaupt geschafft hatte mich so lange reden zu lassen, wenn sie mit dieser Neugigkeit am liebsten schon ganz am Anfang herausgeplatzt wäre.
»Wir würden dann auch nach London ziehen, genau das heißt es.«
Ein Lächeln machte sich auf meinem Gesicht breit.
»Das wäre toll, Mama! Ich drücke euch die Daumen, halt mich bitte auf dem laufenden!«
»Ich melde mich sobald wir die Zusage haben. Ich bin optimistisch, dass alles so klappt wie wir uns das vorstellen. Wir hätten lange genug Zeit das Geld zurückzuzahlen, 30 Monate sogar. Das könnte unser großer Durchbruch werden. Ich bin zuversichtlich. Ganz ehrlich.«
Ich konnte das Strahlen auf ihrem Gesicht beinahe durch das Telefon sehen.
»Ich freue mich sehr. Gib Papa einen Kuss von mir. Ihr schafft das. Da bin ich mir genauso sicher wie du. Jeder der euch ablehnt hat nicht verstanden, was ihr erreichen wollt. Das wird toll.« In meiner Stimme klang mittlerweile genauso viel Euphorie wie in der meiner Mutter.
Unsere Familie wieder vereint, in London. Das Geschäft meiner Eltern am expandieren.
Das ist alles, was ich mir schon so lange Wünsche.
Mein Leben schien eine überraschend gute Wendung zu nehmen.
Und ich freut mich auf alles, was noch kommen würde.
Was noch vor uns lag.
Bitte lasst es bleiben, Mama.
Bitte tut das nicht.
Der Preis dafür ist viel zu hoch.
Doch das wusste ich noch nicht.
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