Kapitel 1
Gegenwart
Er zog mich hinter sich her. Sein Griff war fest, es gab keine Möglichkeit meinen Arm zu befreien. Ich wollte nicht mit ihm diskutieren, ich war es leid, ich war müde.
»Luc, warte doch bitte.«
Er überhörte mich, ich wusste, es war Absicht. Sein eigener Film lief vor seinen Augen ab, er war rasend vor Wut, ohne jeglichen Grund.
»Sag mir doch bitte wo dein Problem liegt.«
Jetzt stoppte er abrupt. Da ich nicht damit gerechnet hatte, lief ich in ihn hinein.
Mein Arm war immer noch fest umklammert.
Er lachte höhnisch.
»Wo mein Problem liegt? Willst du mich verarschen?«
Seine Stimme wurde lauter und ich spürte die Blicke der Menschen auf mir.
Ich wollte ihnen keine Szene machen, nicht jetzt, nicht heute.
Also lief ich weiter, ihn hinter mir her zerrend da er immer noch keine Anstalten machte mich loszulassen. Ich zog ihn um eine Ecke, in eine kleine anliegende Gasse.
Keine Menschen, keine neugierigen Blicke.
»Kannst du mich bitte loslassen?«
Seine Hand ließ von mir ab, die Stelle schmerzte.
»Du glaubst, du kannst dir alles erlauben?« fragte er scharf.
»Ich war tanzen!«
Ich versuchte mich zur Wehr zu setzen, doch ich wusste ganz genau ich würde mich ihm unterwerfen, dass tue ich immer. Ich war der schwächere Charakter von uns beiden.
»Es ist nicht sicher. Hast du eine Sekunde daran gedacht, als du alleine durch die dunklen Straßen gelaufen bist?!«
Er machte einen Schritt auf mich zu, ich machte einen Schritt von ihm weg.
Wir tanzten umeinander herum. Ich verstand seine Sorge, doch die Vergangenheit lag weit zurück. Es war sicher, mittlerweile.
In diesem Moment wirkte er bedrohlich, doch er hatte mich noch nie verletzt. Und das würde er auch nie.
»Du weißt alles. Du weißt die ganze Gott verdammte Geschichte. Es wird nie sicher sein. Nicht auf diesen Straßen, und auch auf keinen anderen.«
Ein Sturm tobte in seinen Augen. Ich wusste wovon er sprach, ich dachte nur nicht gerne an diese Zeit zurück. Ich versuchte mein Leben weiterzuleben. Unbeschwert. Alleine auf die Straße zu gehen, die Nacht mit Freunden durchtanzen. Ich wollte alles hinter mir lassen.
»Mir ist nichts passiert. Es ist sicher, Luc. Wir sind nicht mehr in Gefahr. Okay? Wann verstehst du das endlich. Wir müssen aufhören Geistern nachzujagen, die nicht mehr da sind.« Ich gab mir Mühe, meine Stimme ruhig klingen zu lassen. Der Ruhepol zu seiner Aufruhr zu sein. Meistens funktionierte das, und er beruhigte sich wieder. Nicht heute.
Das Grau wirbelte, und ohne das ich Zeit hatte eine Sekunde darüber nachzudenken, traf deine Faust den Stein neben meinem Kopf. Ich zuckte zusammen. Dabei wusste ich, dass er mich niemals schlagen würde. Doch ich wusste ebenso, wozu er fähig war, wenn man ihn herausforderte.
Mein Körper begann zu zittern, ohne das ich es kontrollieren konnte. Ich hatte keine Angst vor ihm. Und trotzdem schauderte mein Körper, spielte seine Bewegung immer und immer wieder in meinem Kopf ab. Zwei Zentimeter, und es wäre mein Gesicht gewesen. Ich spürte, wie mir sämtliche Farbe aus dem Gesicht wich.
»Oh mein Gott Arlie!« Er beugte sich zu mir runter und nahm mich in den Arm.
Ich ließ mich fallen, ließ ihn mich umarmen. Die Arme die eigentlich der sicherste Hafen dieser Welt sein sollten.
»Es tut mir so leid! Ich... Ich wollte dich nicht erschrecken. Ich war so rasend vor Wut, dass ich nicht realisiert habe, was ich hier tue. Glaub mir, ich würde dir niemals mit Absicht weh tun. Ich mache mir nur so unendlich viele Sorgen um dich.« Er strich mir über den Haaransatz, verteilte Küsse auf ihm.
Ich zitterte immer noch, konnte keinen klaren Gedanken fassen.
Mein Kopf fuhr Karussell.
Was war das gewesen?
Was ging hier vor sich?
»Bitte glaub mir, ich liebe dich so sehr. Es wird nie wieder vorkommen.« Er wimmerte, in seiner Stimme schwang Reue und Verachtung mit.
Verachtung gegenüber sich selbst.
»Ist schon gut Luc, alles gut. Ich hätte nicht alleine gehen sollen. Ich verstehe dich.«
Ich griff nach seinem Arm und streichelte ihn sanft.
Ich hörte ihn schluchzen, er weinte. Augenblicklich machte sich Sorge in mir breit.
»Ich liebe dich auch Luc. Okay? Mach dir keine Sorgen.«
Ich versuchte das Zittern meines Körpers unter Kontrolle zu kriegen, mich einzig und allein auf Luc's Herzschlag zu konzentrieren. Er hatte mir nicht weh getan. Er würde mir niemals weh tun.
Luc hatte viele Menschen verletzt, und nicht alle von ihnen hatten es verdient.
Doch diese Zeiten haben wir hinter uns gelassen. Sie liegen zurück. Wir sind andere Menschen geworden, bessere Menschen.
Zumindest dachte ich das.
Bis heute.
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