55 ** jetzt reichts! ** Fr. 27.9.2019
Bitte der Autorin:
nicht schlagen hinterher!
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Ich wache so auf, wie ich gestern eingeschlafen bin – verkrampft vom unterdrückten Heulen, mit einem fetten Kloß im Hals, weil ich mich fühle wie unter einer dicken Gewitterwolke.
Ist es richtig, was Anni und ich tun? Und warum ist es so wunderschön und tut gleichzeitig so furchtbar weh?
Ich begreife einfach nicht, was mit mir los ist. Gestern Mittag dachte ich, ich hätte mich an dieses wunderbare Neue gewöhnt und krieg das hin, weil es mir das wert ist. Unsere letzte Kuschelstunde hat mir so viel Geborgenheit und Glück geschenkt. Aber heute Nacht im Traum habe ich an einem Abgrund gestanden – und bin gestürzt. Und Anni war nicht da.
Wie soll ich das ein Dreivierteljahr lang durchhalten???
Es war einfach zu blöd, dass mich die Jungs heulend erwischt haben. Ich habe genau gesehen in den Gesichtern, dass sie mir kein Wort abgekauft haben. Aber hier darf ich ihnen das auf keinen Fall erzählen, ich muss das irgendwie bis heute Abend durchhalten. Oder morgen. Denn ins Training kann ich heute auf keinen Fall.
Die beiden anderen schlafen noch tief und fest, und so versuche ich, ob ich es allein aufs Klo schaffe. Also trinke ich erst nochmal ganz viel, dann richte ich mich auf und steige aus meinem Bett.
Puh! Es geht wieder.
Ich bin zwar wackelig, aber es dreht sich nicht mehr ununterbrochen alles.
Ich bin wieder ein Mensch!
Ich begegne niemand auf dem Flur, aber als ich mich auf den Rückweg mache, erwacht allmählich das Haus zum Leben. Wir frühstücken, packen unsere Sachen, ziehen die Betten ab, fegen die Zimmer und treffen uns dann noch zu einer Abschlussrunde. Der letzte Tag dieses Projektes wird ja am Samstag vom dritten Advent sein, und wir werden nun gebeten zu sagen, was uns noch gefehlt hat, was wir – im Rahmen der Möglichkeiten in der Schule – an diesem Tag gerne noch lernen oder nochmal üben würden.
Ich kann mich kaum konzentrieren, denn ich bin die ganze Zeit damit beschäftigt, nicht zu Anni zu schauen, keine Zeichen zu machen, nicht an sie zu denken, was natürlich ganz suuuuper funktioniert – nicht. So schwer habe ich mir das nicht vorgestellt. Es ist wirklich beeindruckend, WIE sehr das Gehirn sich auf einen Punkt fixiert, wenn es an genau den einen Punkt nicht denken soll. Das ist wie ein stummer Ohrwurm. Entsprechend froh bin ich, als die Runde endlich vorbei ist und wir alle mit unserem Gepäck zum Bus gehen.
Mir wird sofort die Rückbank angeboten, damit ich mich bei Bedarf hinlegen kann. Und Anni sitzt vorne mit Frau Tucher und Dr. Fahrendorf.
Witzig! Der wirkt total erschossen. Der musste wohl auch ziemlich viel an seine Grenzen gehen.
Frau Tucher macht sich einige Notizen, vielleicht für ihre Hausarbeit über das Projekt.
Und Anni?
Ich kann es nicht richtig erkennen, weil sie stur nach vorne kuckt. Aber ihre Körperhaltung sieht aus, wie ich mich fühle – halbiert, verwirrt und irgendwie undefinierbar niedergeschlagen.
Meine Anni. Du hast gesagt, dass ich nicht versuchen soll, künstlich erwachsen zu sein wegen dir. Naja – vielleicht ist dieser Beschützerinstinkt, der da grade in mir erwacht, ja altersunabhängig ans Ypsilon gekoppelt ... Ich würde am liebsten hinrennen und dich in die Arme nehmen.
Einige sind schon wieder eingeschlafen, als der Bus schließlich in Rüttenscheid von der A52 rollt und kurz darauf an der Schule vorfährt. Ich hatte mich ein bisschen hingelegt auf der Autobahn und richte mich grade wieder auf, als mein Blick suchend auf den Parkplatz fällt. Tanja hatte mir versprochen, mich abzuholen. Ich kann sie allerdings nirgends entdecken. Als wäre sie mit einer Signalleuchte auf dem Kopf ausgestattet, sticht stattdessen Tanta Jana aus der Elternhorde hervor.
Was macht die denn hier? Naja, vielleicht hat Tanja nicht frei bekommen.
Paul zieht mich hoch von der Bank.
„Geh schon, Max. Wir holen dein Gepäck."
Mit wackeligen Knien gehe ich an Anni vorbei und streife wie zufällig ihre Schulter. Das hab ich jetzt einfach gebraucht ... Draußen wackele ich auf meine Tante zu. Die sieht besorgt aus und irgendwie wütend.
Was ist denn jetzt schon wieder los?
Wortlos nimmt sie mich fest in die Arme.
„Es tut mir so leid, Max. Wir konnten es nicht verhindern."
Ich löse mich und schaue sie irritiert an.
„Was denn???"
Und dann saust das Damoklesschwert ungebremst auf mich runter.
„Axel hat ... gestern einen Brief von der Schule bekommen. Er ist ausgerastet. Da standen deine ganzen Konflikte mit Frau Hartmann drin. Er wollte mir einfach nicht glauben, dass du nichts dafür konntest. Er hat Tanja zur Seite geschubst und ist in dein Zimmer gerast. Dort hat er angefangen, Deine Klamotten in Taschen zu stopfen, dann ..."
Mein Hirn setzt aus, mir werden die Knie weich, und ich sinke in Tanta Janas Arme. Sie fängt mich auf. Auch Moritz und Paul stehen jetzt neben mir und helfen, mich zu halten. Ich fange laut und haltlos an zu heulen.
Papa schmeißt mich jetzt schon raus. Und Tanja ist wahrscheinlich schon weg. Jetzt ist alles aus.
„Max, fasse dich. Er hat dann seinen Bruder angerufen und gebeten, ihm zu helfen. Der hat sich allerdings geweigert, als er das Chaos gesehen hat. Er hat Axel aus deinem Zimmer geholt und mitgenommen – tobend. Axel ist erst heute Morgen wiedergekommen, läuft rum wie ein Gewitter und redet mit niemandem. Tanja und Lasse haben noch gestern Abend alle deine Sachen gepackt und zu uns rübergeschafft. Dein Bett, dein Schreibtisch, deine Geräte und alle deine persönlichen Dinge sind jetzt bei uns in deinem alten Kinderzimmer. Lasse hat sogar die Bucketlist-Zettel von deiner Tür gerettet. Und Tanja hat mir den Brief von der Schule noch geben können, bevor sie gegangen ist."
Anni! Du hast mir doch versprochen, das zu verhindern. Wie konnte ...
Anni taucht in meinem Blickfeld auf, mit besorgtem Gesicht. Da brennt mir plötzlich die Birne durch, die letzten 48 Stunden waren einfach zuviel.
„Soviel zum Thema Versprechen.
Frau Süß.
Mein Vater hat gestern einen Brief von der Schule bekommen und daraufhin mein Eigentum aus dem Haus geschafft. Dankeschön! Ich bin jetzt eine Vollwaise."
Anni schießen die Tränen aus den Augen, aber das ist mir grade so egal.
„Lass uns nach Hause gehen, Tante Jana. Ich muss das selbst sehen."
„Max!" Ich schaue nicht mehr zurück.
Heulend stehe ich zwischen den ganzen Eltern und verliere vollkommen die Fassung. Jenny schiebt mich an den Rand.
„Geh sofort rein in die Schule. Was auch immer ist, du brauchst Abstand, und ich kriege das hier alleine hin! Los. Geh!"
Blind vor Tränen stolpere ich über den Schulhof und in die Eingangshalle. Alle Schüler und die meisten Kollegen sind schon nach Hause gegangen. Aber Frau Zimmermann bleibt immer noch, um das Chaos von der Woche auf ihrem Schreibtisch in den Griff zu kriegen, damit sie das nicht am Montag früh als erstes machen muss. Hoffentlich erwische ich sie noch.
Ich habe Glück. Fröhlich pfeifend sitzt sie hinter ihrem Tresen und sortiert Papiere in Aktenordner. Das Pfeifen bleibt ihr allerdings ganz schnell im Halse stecken, als sie mir ins Gesicht sieht.
„Hallo, Süße! Herzlichen Glü... - Was ist denn mit Ihnen passiert? Ist auf der Fahrt was total schief gegangen?"
Ich schlage nur die Hände vors Gesicht und schüttele den Kopf.
Mist! Wie erkläre ich ihr jetzt, dass ich wegen eines Briefes so in Tränen aufgelöst bin?
„Nein. Bis auf den Sonnenstich von Max und die Wespenattacke auf Bernds Arm war es eigentlich ganz schön. Aber ich bin jetzt einfach fix und alle. Und ... Max wurde grade von seiner Tante abgeholt, weil sein Vater einen Brief von der Schule bekommen hat. Wissen sie was darüber? Sein Vater hat ihm daraufhin offensichtlich den Stuhl vor die Tür gestellt."
Völlig ahnungslos schüttelt sie den Kopf.
„Nö. Keine Ahnung. Ich hab die Akten bewacht wie mein eigenes Baby."
Dann nimmt sie mich einfach in die Arme.
„Ach, Süße. Das ist ja eine echte Schande. Sie haben so tapfer um Max gekämpft. Und dann so ein Nackenschlag. Und das an Ihrem Geburtstag! Das Leben ist manchmal so gemein."
„Ganz ehrlich? Mein Geburtstag ist mir egal. Max ist jetzt viel schlimmer dran."
Und ... und ... er glaubt, dass ich dran schuld bin. Er hasst mich. Wie soll ich das denn aushalten???
Mir tut alles weh. Und mein Herz am allermeisten. Wieder fange ich an zu heulen.
Frau Zimmermann schiebt mich auf den nächsten Stuhl, gibt mir Taschentücher und was zu trinken und rauscht dann in das Zimmer vom Direx. Sehr schnell sind die beiden wieder draußen, und Dr. Miegel starrt mich völlig entgeistert an.
„Er hat was??? ICH habe keinen Brief geschrieben. Und Sie selbst ganz sicher auch nicht. ... Das ist doch die Höhe!"
Ich versuche krampfhaft, mich wieder zu fassen, auch wenn nun ein Schluckauf mir das Leben schwer macht. Schnell sind wir uns einig, dass da nur Frau Hartmann dahinter stecken kann. Dr. Miegel beschließt, sofort den Schulelternbeirat zu informieren.
Dann kommt endlich Jenny um die Ecke. Augenblicklich mutiere ich wieder zum Springbrunnen. Ganz kurz informiert Dr. Miegel sie, was vermutlich passiert ist, Jenny erstarrt und flucht höchst undamenhaft. Sie bringt mich zu unserem Auto, wo unser Gepäck schon drin ist. Der Bus ist auch schon weg, und dann fahren wir total erschüttert nach Hause.
„Haben wir noch Eis?"
„Keine Ahnung. Aber das hilft jetzt auch nicht mehr."
„Au weia, Toni. Wenn Du nicht mal Eis willst, dann ist Holland wirklich in Not."
Ich kommentiere das nicht sondern konzentriere mich voll und ganz darauf, die alten Bilder, die meinen Kopf überschwemmen, im Zaum zu halten.
Das hat mir grade noch gefehlt. Wieso kommt DAS denn jetzt hoch?
Zu Hause schafft Jenny mich ins Bett, holt unser Gepäck hoch, schmeißt die erste Waschmaschine an, kontrolliert den Inhalt unseres Kühlschranks, geht kurz das Nötigste einkaufen, kocht uns ein schönes Essen – und lässt mich einfach total in Ruhe. Ich liege derweil im Bett und heule drei Packungen Taschentücher durch. Ich weiß gar nicht, was ich zuerst fühlen soll – Scham, Angst, Wut, Resignation, Liebeskummer, Hilflosigkeit, wasweißich. Das einzige Gefühl, das ich jetzt gerne hätte, hat sich leider spurlos verkrümelt – mein Kämpfergeist. Beim Gedanken daran, wie Max sich jetzt fühlt, dreht sich mir der Magen rum. Für seine hirnverbrannte Idee, ich könnte das veranlasst haben, möchte ich ihn am liebsten verprügeln. Meine Flashbacks von damals überschwemmen mich mit Panik. Und gleichzeitig würde ich jetzt um alles in der Welt soooo gerne in seine braunen Augen schauen und mich in seinen Armen geborgen fühlen.
Ganz lange hat sie mich in Ruhe gelassen, doch nun wird Jenny energisch. Sie kommandiert mich in die Küche und zwingt mich, was zu essen. Dann schiebt sie mich zum Sofa.
„So, und jetzt schön der Reihe nach. Wir haben eine tolle Woche, eine geniale Gruppe und bis auf zwei Pannen einen störungsfreien Tripp hinter uns. Du musst deine Matheklausuren nicht mit in die Ferien schleppen, du hast heute Geburtstag, wir haben Ferien. Aber seit wir gestern von der Tour zurück gekommen sind, bist du seltsam. Schweigsam, in dich gekehrt, irgendwie zerstreut. Du hast by the way beschissen unruhig geschlafen, dich heute Morgen über meine guten Wünsche nur seeeeehr halbherzig gefreut und im Bus gesessen wie ein Navi mit einprogrammierten Standardantworten. Kaum sind wir da und bei Max tut sich eine Schwierigkeit auf, brichst du zusammen und schaust ihm hinterher, als hätte er dich erdolcht. WAS. IST. LOS???"
Hat er ja auch!
Jenny kennt mich gut genug, um mir jetzt erstmal Zeit zu lassen, damit ich freiwillig anfangen kann zu erzählen. DASS ich ihr sofort alles erzähle, steht allerdings außer Frage.
Es gibt ja auch nichts mehr zu verheimlichen. Dieses „Frau Süß." war deutlich genug. Es hätte in meinem Leben ja auch maaaal was klappen können ...
Ich hole noch ein paaaaaaarmal tief Luft, putze mir zum 723.968ten Mal die Nase und kippe ihr einfach alles vor die Füße. Ihre Augen werden immer größer dabei. Dann nimmt sie mich kurz in die Arme, geht raus und kommt mit einer Packung Eis wieder.
„Wusst'ichs doch. Das IST ein Fall für Eis. Und dann klauben wir die Reste deines Verstandes zusammen und stellen dich wieder auf die Füße."
Schniefend löffele ich das Eis in mich rein.
„Besser ?"
„Hm-mm."
„Ach, Jenny. Ich habe das Gefühl, ich bin durch eine Kreissäge geschoben worden. Endlich, endlich! Nach fünf Jahren lasse ich wieder einen Kerl in mein Herz. Ich traue mich, ich traue ihm. Und dann das! Es tut so unendlich weh!!!"
„Das glaube ich dir ja. Lass ihn gesund werden und runterkommen. Wir sollten so schnell wie möglich diesen Brief in die Finger kriegen. Der Schulelternbeirat muss sofort die Hölle lostreten. Und dann schaun wir mal, ob ihr beide euch nicht wieder zusammenrauft. Lass es wachsen. Er ist noch so jung!"
„Ich weiß, ich weiß, ich weiß und ich weiß. Aber ich fühle mich soooo bescheuert. Verliebe mich in meinen Schüler. Beschwöre eine ganze Horde von Problemen herauf. Will mit dem Kopf durch die Wand. Und wundere mich dann, dass das schief geht. Und ... und ... ich hab ihn wirklich furchtbar lieb!"
„Schon ganz lange, ich weiß. Ich bin ja nicht blind."
Entgeistert starre ich sie an.
„Wie bitte? Kann ich eigentlich irgendwas auch mal alleine machen?"
Jenny fängt schallend an zu lachen, schüttelt den Kopf und boxt mich vor die Schulter.
„Aua!"
„Stell dich nicht so an. Natürlich kannst du das. Das hier hast du ganz bestimmt alleine auszubaden. Ich hätte dir das vor vier Wochen auch noch nicht direkt sagen können. Aber es lag schon länger in der Luft. Es ist nur so beschissen verboten, dass ihr es gar nicht für möglich gehalten habt. Deshalb hat es euch auch so überrumpelt."
Müde und leer geheult starre ich die Wand an.
„Toni? Darf ich versuchen, sachlich zu sein, oder ist dir das zu früh?"
„Ne, geht schon."
„Gut. Wir haben es mit mehreren Problemen zu tun. Erstens muss die Herkunft des Briefes geklärt und die vermutliche Verursacherin gerichtlich belangt werden. Dazu müssen wir den Brief in die Finger bekommen. Zweitens muss Max zur Vernunft kommen. Wann kommt er das nächste Mal für Mathe?"
„Montag. Wie immer."
„Montag. Wahrscheinlich ist er da noch nicht wieder ganz gesund, vielleicht weicht er auch mit diesem Argument aus und kommt nicht. Aber wenn er selbst sich dir verweigert, dann hätte ich zweitens keine Skrupel, mich an diese Tante zu wenden und die Schuldfrage zu klären, ohne irgendwie die Beziehung zu erwähnen. Das ist eine Gratwanderung, aber möglich.
Drittens muss für Max endlich ein Gefühl von Sicherheit in sein Leben kommen. Er reißt sich echt Beine aus und sollte dafür nicht bestraft werden. Ich habe aber das Gefühl, dass es ihm gut geht, wenn er bei dieser Tante lebt. Sie ist die Verbindung zur Mutter, sie hat ihn praktisch mit aufgezogen, dort stehen alle hinter ihm. Eigentlich ist es so sogar besser, nur die Umstände sind scheiße.
Und viertens sollten wir nach Präzedenzfällen suchen, wo sich Lehrer und Schüler verliebt haben. Denn das kann ja immer wieder vorkommen. Dafür können doch nicht alle in den Knast wandern. Wir müssen rausfinden, ob der Staat solchen Menschen eine legale Lösung anbietet."
„Du spinnst doch. Soll ich jetzt betteln gehen, um seine Gunst und um Vergebung? Und welche Lösung soll es da geben? Er ist minderjährig! ... Ach, is ja eh egal."
Ich sacke frustriert in mir zusammen. Max hat mich rabiat aus seinem Leben gekickt, und ich lasse grade alle Würde fahren, weil ich das Schicksal darum anbettele, ihn wiederhaben zu dürfen.
Daran stimmt doch einfach alles nicht.
Aber Jenny lässt sich nicht bremsen. Sie fährt ihr Notebook hoch und fängt an zu googeln. Sie macht sich Notizen, murmelt Paragraphen, studiert Präzedenzfälle. Ab und zu wirft sie mir Brocken von Ideen oder Erkenntnissen zu, die bei mir zum einen Ohr rein und zum anderen wieder rausgehen. Schließlich gibt sie ein enthusiastisches „Das isses!" von sich und rutscht wieder neben mich aufs Sofa.
„Schau mal hier. 1983 hat s..."
Ich rolle die Augen zur Decke.
19, ich wiederhole Neunzehn! -hundertdreiundachzig.
„Stöhn nich, hör zu! Da haben sich ein Lehrer und seine Schülerin verliebt. Sie hat daraufhin ein halbes Jahr vorm Abi die Schule gewechselt. Geahn..."
„Jenny! Damals haben die mit 19 Abi gemacht. Also war sie volljährig. Und Max kann nicht einfach die Schule wechseln. Er hat Sport-LK. Schon vergessen? Das Beethoven-Gymnasium ist weit und breit das einzige mit diesem Angebot. Das funktioniert nicht."
„Stimmt. So rum nicht ..."
Ich brauche eine ganze Weile, um zu begreifen, was sie damit meint.
„Spinnst du? Ich kann doch nicht, weil ich vielleiiiiiiicht einen Kerl zurückgewinnen könnte, meinen Leistungskurs ein halbes Jahr vorm Abi abservieren und mich vom Acker machen. Und ich will auch nicht weg vom Beethoven. Und wo sollte ich überhaupt so schnell hin? Und wie sollte ich das den Schülern und den Eltern und dem Direx erklären?"
„Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass du die beiden Kurse mit Max locker bis zum Abitur behalten kannst, ohne dir und ihm irrsinnig weh zu tun?"
„Pf. Gegen Null."
„Warum klammerst du dann so daran?"
„Ach, Jenny. Das funktioniert nicht!"
„Na gut. Ich lass dich damit erstmal in Ruhe. Erstmal. Aber um den Brief müssen wir uns sofort kümmern. Wie kommen wir an diesen Schulelternbeirats-Anwalts-Vater ran? Und wie an die Tante?"
„Das ist eigentlich nicht schwer. Denn der Anwalt ist der Mann von der Tante. Er sitzt direkt an der Quelle und weiß mit Sicherheit schon seit gestern Abend Bescheid. Aber ICH kann mich da jetzt nicht melden. Die bringen mich sofort um."
„Quatsch! Max ist durch den Wind. Aber die Erwachsenen zählen doch eins und eins zusammen. Denen ist ganz sicher klar, dass du gar nichts dafür kannst."
„Dein Wort in Gottes Gehörgang ..."
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8.11.2020
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