149 ** Romantischer Abend ** Sa. 23.5.2021
Nach dem Flohmarktbesuch trollen wir uns ins Hotel, sortieren unsere Beute und ruhen uns ein bisschen aus. Als Max auf Toilette verschwindet, kann ich die ganzen runden Sachen aus meiner großen Tasche in eine Tüte stecken und schon mal in meinen Koffer tun. Aneinander gekuschelt, wie wir es so lieben, liegen wir entspannt auf seinem Bett. Ich habe noch zwei weitere vergebliche Versuche gestartet, das Programm für den heutigen Abend aus Max rauszukriegen, aber er lässt sich einfach nicht überlisten. Er hatte mir vor ein paar Tagen gesagt, ich möge doch bitte auch ein abendfeines Kleid einpacken. Mehr weiß ich nicht. Bisher gab es jedenfalls noch keinen Grund, das aus dem Schrank zu holen. Aber jetzt brummt er zufrieden in meine Locken, richtet sich auf und gibt mir einen Kuss.
„Schatz? Du hast doch an das Kleid gedacht, oder? Das brauchst du nämlich gleich."
Meine Neugierde ist sofort geweckt.
„Ach ja? Wofür denn?"
Ich bin nicht so der Typ Frau mit dem gekonnten Wimpernaufschlag. Darum scheitert mein Versuch, irgendeine weitere Information aus Max rauszubekommen, erneut ganz kläglich.
„Für hoffentlich ganz viel Spaß haben."
Der Schlawiener lacht mich nur aus, holt seinen ...
Moment, der hat'n richtigen Anzug mitgebracht? Was hat der denn vor heute!?! Äh ...
Max holt eine sehr ordentliche Jeans, ein Hemd mit Jacket und glänzende schwarze Schuhe aus dem Schrank, zwinkert mir zu und geht ins Bad.
Während ich es nebenan plätschern höre, zermartere ich mir das Hirn, was wir denn noch alles geplant hatten und was mir da heute noch blühen könnte. Aber mir fällt einfach nichts ein. Als das Plätschern verstummt, klopfe ich an der Tür und frage laut nach.
„Müssen wir erst noch was essen, oder ...?"
Dumpf schallt es aus dem Bad zurück.
„Oder."
Dann höre ich den Rasierapparat brummen und gebe mich geschlagen.
Die Badezimmertür geht auf, und ich halte intuitiv den Atem an. Dunkelblaues Jacket auf weißem Hemd, der oberste Knopf ist lässig offen. Edle Jeans und die schwarzen Schuhe. Eine Figur wie ein junger Gott und dieses fette Grinsen im Gesicht. Nur, weil ich ihn so gut kenne, sehe ich auch die winzige Spur von Verunsicherung in seinem Gesicht. Als ich wieder atmen kann, entfährt mir ein beeindrucktes „WOW!", und Max entspannt sich etwas. Er tritt zur Seite, zeigt auf die offene Tür und verbeugt sich leicht.
„Die Dame? Sie sind dran."
Da bleibt mir ja wohl nichts anderes übrig, als zu gehorchen ... Ich hole mein halblanges Kleid, bequeme Pömps und eine passende Strickjacke aus dem Schrank und gehe nun auch ins Bad. Nach dem Duschen mache ich mir eine schnelle Hochsteckfrisur und lege etwas Schmuck an. Schminke mag ich nicht, also bleibt mein Gesicht jungfräulich unverkleistert und weithin sichtbar seeeeehr neugierig. Als ich aus dem Bad komme – ist das Zimmer leer. Erst einen Augenblick später entdecke ich Max, der auf der Terrasse Kreise läuft wie ein Tiger mit Hospitalismus.
Ach, Max! Wie kann ich dir die Sorge nehmen, dass du heute Abend etwas falsch machen könntest? Ja, du hast meine Andeutungen gestern verstanden. Ja, du darfst deswegen ein bisschen nervös sein heute. Aber deshalb musst du doch nicht gleich zum Nervenbündel mutieren!
In diesem Moment fällt sein Blick auf mich, und er macht eine Vollbremsung. Ich fühle mich sehr geschmeichelt, denn in seinem Kopf scheint das selbe vorzugehen wie vorhin in meinem. Er starrt mich an, schluckt und haucht nur ein leises „wow!"
Mit wenigen Schritten ist er bei mir und verschlingt mich dabei fast mit seinen braunen Augen.
„Ich wusste es! Die allerschönste Frau der Welt ist meine Freundin."
„Und der allerschönste Mann der Welt mein Freund!"
Wir müssen beide lächeln, bevor wir uns ein sehnsüchtig-zärtliches Küsschen geben.
Max wirft einen Blick auf die schlichte, aber elegante Uhr an seinem Handgelenk. Auch die hat er sonst nicht in Gebrauch.
„Wollen wir los?"
„Wohin auch immer – sehr gerne! Hauptsache Spaß haben ..."
Heute Abend bewegen wir uns nochmal mit dem Taxi. Nach dem Ding mit den Besoffenen vorgestern weigere ich mich auch überhaupt nicht. Wir fahren durch die Altstadt, über eine Brücke, in eine Gegend mit großen Gründerzeithäusern und halten vor einem Gebäude, das eine streng klassizistische Fassade hat.
Ist das ein Gasthaus? Oder ein anderes Hotel? Was zum Kuckuck hat der mit mir vor???
Max führt mich eine breite alte Steintreppe hinunter in den ziemlich tiefen Keller des Hauses. Laternen mit großen Kerzen werfen ihr sanftes Licht auf die Stufen. Neben der Eingangstür steht ein Mann in Livree, und darüber ist ein Schild angebracht, das auf alt getrimmt ist und nur zwei Wörter trägt. „Varieté Extra".
Max zückt zwei Tickets aus seiner Jackettasche und reicht sie dem Livrierten, der bittet uns herein. Drinnen kommt gleich der nächste und führt uns in einen Saal mit hohem altem Tonnengewölbe, vielen kleinen Tischen und einer Bühne an einem Ende. Unser Tisch steht sogar ziemlich weit vorne und ist für zwei Personen gedeckt. Galant hält Max mir den Stuhl, als ich mich hinsetze. Wir bekommen zwei Speisenkarten. Zu meinem Erstaunen sind die ganzen Gerichte ohne Preise aufgelistet.
„Max, weißt du, wo die Preise stehen? Nicht, dass wir uns heute Abend arm essen!"
„Das wird nicht passieren. Ich habe den romantischen Abend für Zwei gebucht – diesen Tisch, das Varieté, ein 3-Gänge-Menu nach Wahl und eine Flasche Wein. Du musst nur nach deinem Appetit gehen, die Preise sind irrelevant."
Mit bleibt der Mund offen stehen.
„Du hast was???"
„Beschlossen, dir heute zu zeigen, wie sehr ich dich liebe, indem ich dir einen wunderbaren, romantischen Abend bereite."
Max klingt dabei entschlossener, als er ist. Er sucht nach einer Antwort in meinem Gesicht. Ich starre ihn mit offenem Mund an, gebe mir dann schließlich einen Ruck.
„Ach, du Lieber! Ich genieße es jetzt schon!"
Sein Gesicht entspannt sich.
Um uns drumrum füllt sich langsam der Saal, Ober wuseln dezent hin und her, und einer davon scheint ganz für uns da zu sein. Wir haben viel Zeit, nach und nach zwei Gänge zu genießen. Dann beginnt das Varieté mit einem wirklich witzigen Conferencier, der zaubert und rumblödelt. Dabei spricht er kein Wort. Aber seine pantomimischen Einlagen sind so gekonnt, dass kein Zweifel bleibt, was er wohl grade meinen könnte. Alle seine Requisiten und auch die Schilder mit den Namen der nächsten Künstler holt er aus einem uralten Koffer. Das Programm setzt sich zusammen aus Akrobaten, Jongleuren und einigen anderen atemberaubenden Nummern.
In der Pause bekommen wir unsere Nachspeise serviert – Eis mit flambierten Rumfrüchten. Der Ober zelebriert das kleine Feuerchen vor unseren Augen am Tisch. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass manche der anderen Gäste etwas neidisch kucken. Aber das ist mir schnell wieder egal. Max hält meine Hand und strahlt mit mir um die Wette. Dann genießen wir diese besondere Köstlichkeit. Die Früchte zergehen uns auf der Zunge. Es ist ein Gedicht.
Auch die zweite Hälfte des Abends hält noch einige Überraschungen bereit, wir taumeln hin und her zwischen Gelächter und Entsetzen. Wir sind ja Sportler und einiges gewöhnt. Aber bei manchen Nummern halten wir beide den Atem an, weil es gleichzeitig so gefährlich und so leicht aussieht, was wir zu sehen bekommen. Nach dem donnernden Schlussapplaus gehen einige sofort, aber an manchen Tischen bleiben noch Leute sitzen. Auch wir lassen uns Zeit, denn unsere Weinflasche ist noch nicht leer, und der gute Tropfen ist viel zu schade, um ihn nicht auszutrinken. So einen guten Wein habe ich glaube ich noch nie getrunken.
Als die Flasche leer ist, drückt Max unserem Ober etwas Trinkgeld in die Hand und bittet darum, uns ein Taxi zu rufen.
„Musst du nicht noch bezahlen?"
„Damit du lunzen und rausfinden kannst, was der Abend gekostet hat? Vergiss es! Das erfährst du niemals. Ich habe das Ganze online gebucht und sofort bezahlt, damit du gar nicht in Versuchung kommst!"
Mein Protest geht in einem zärtlichen Kuss unter. Ein paar Minuten später kommt der Ober zurück und meldet uns, dass unser Wagen vorgefahren ist.
Das Taxi fährt uns ruhig und sicher durch die Nacht. Ich fühle mich leicht und glücklich und unendlich geliebt. Wir hatten ein hervorragendes Mahl, einen exquisiten Wein und eine Varieté-Vorstellung, die jede Erwartung übertroffen hat. Max hat seinen Arm um mich gelegt. Wir reden nicht, wir lassen den zauberhaften Abend in uns nachschwingen. Die Atmosphäre zwischen uns ist irgendwo zwischen kribbelig und verzaubert. Wie ein seltener Schmetterling. Wir bewegen uns nicht, damit er nicht davonfliegt.
Gleichzeitig bin ich total aufgedreht. In mir steigt die Aufregung. Man kann sich ja nicht einfach vornehmen, nicht getriggert zu werden. Aber ich möchte so gerne endlich mit Max ganz eins sein. Also bete ich so inbrünstig wie noch nie in meinem Leben, dass die Stimme wirklich besiegt ist und wir beide uns heute ganz fallen lassen können.
Max ist nicht Adrian. Max ist sensibel und aufmerksam. Er wird mir niemals willentlich weh tun.
Viel zu schnell sind wir am Hotel. Max bezahlt das Taxi, ganz Gentleman, springt auf seiner Seite raus und flitzt zu mir rüber, bevor ich reagieren kann. Er hält mir die Tür auf, reicht mir die Hand und führt mich zum Eingang. Wir winken dem Rezeptionisten zu und schlendern zum Aufzug. Ich bin müde und entspannt gegen ihn gelehnt, während wir in den obersten Stock gezogen werden. Max öffnet unser Apartment und hält mir galant die Tür auf. Drinnen macht er nur ein kleines Licht an, nimmt mir die Handtasche ab, hängt unsere Jacken an die Garderobe und dreht mich zu sich um.
Seine Augen glitzern. Ganz sanft zieht er mich in seine Arme. Dann senkt er seine Stimme ein bisschen.
„Anni? Du ... hast mir gestern Abend ausdrücklich gesagt, dass du mir vertraust. Wolltest du mir damit etwas bestimmtes sagen?"
Ich kneife die Augen zu, und Max kichert. Dann nicke ich heftig. Ich spüre seinen Finger an meinem Kinn. Er hebt meinen Kopf hoch und küsst mich so sanft, dass ich nur noch in seinen Armen dahinschmelze. Ich behalte einfach die Augen geschlossen. Er hebt mich hoch und läuft los.
Erst neben meinem Bett stellt er mich vorsichtig wieder auf meine Füße. Das Mondlicht scheint durchs große Terrassenfenster, und als ich die Augen öffne, sehe ich direkt in seine traumhaft schönen, braunen Augen.
„Darf ich?"
Seine Stimme zittert ein kleines bisschen. Ich nicke noch einmal.
„Soll ich ... Ich mein'... ich hab'..."
Ich ahne, was jetzt kommt, und schüttele den Kopf.
„Lass ruhig, ich nehm' eh die Pille, und es soll doch Spaß machen."
Während er „danke!" flüstert, legt er wieder seine Arme um mich und seinen Kopf auf meiner Schulter ab. Ich kann spüren, wie er atmet und langsam dabei ruhiger wird. Seine eine Hand wandert meinen Rücken hinauf. Ich kriege Gänsehaut. Langsam zieht er den Reißverschluss meines Kleides auf. Ich küsse ihn und komme ihm dabei noch näher. Und ich spüre: ich habe tatsächlich keine Angst mehr.
Nach und nach fallen die Hüllen, während unsere Augen sich ineinander verhaken und die Küsse immer sehnsüchtiger werden. Wir flüstern nur noch, als würde dadurch alles noch schöner und geheimnisvoller.
„Du bist wunderschön!"
Ich zwinkere ihm zu.
„Pass gut drauf auf, damit es noch eine Weile so bleibt!"
„Das werde ich. Ganz sicher! Für mich wirst du immer schön sein."
Unsere Hände erkunden die Gestalt des anderen wie die Landkarte eines fremden Kontinents, immer darauf bedacht, jede Schönheit zu entdecken, jede Reaktion zu spüren, jede Zufriedenheit zu erinnern. Manchmal ist Max unsicher, aber er verkrampft sich nicht sondern fragt nach. Es ist ein stetes Führen und führen lassen, während wir einander erleben und auf ganz neue Weise kennen lernen.
Ich halte noch einmal einen Moment inne – dann lasse ich mich fallen in seine Unschuld und seine Neugierde, in sein Spüren und Verwöhnen, in seine zärtlichen Hände und seine wachsende Lust.
Als ich am nächsten Morgen die Augen aufklappe, liege ich nicht mehr in seinen Armen. Ich reibe mir den Schlaf aus dem Gesicht und schaue mich um. Plötzlich muss ich mir das Lachen verkneifen. Vorm Kleiderschrank steht ein Stuhl mit unserem Bilder-Paket. Auf dem Packpaier steht in sehr großen Buchstaben, damit ich das auch ganz bestimmt nicht übersehe: „Frühstück ist gleich fertig!"
Mit einem glücklichen Seufzer lasse ich mich zurück in die Kissen sinken und meinen Gedanken freien Lauf.
Max hat mich so sehr beschenkt heute Nacht. Wir haben uns beschenkt. Endlich ist der Knoten geplatzt, und ich bin frei. Endlich ist Adrian Vergangenheit. Runter vom Sockel! Da ist nur noch Platz für Max. Für meinen einzigartigen, wundervollen Max.
Ich recke und strecke mich ausgiebig. Die Tür zum Balkon ist offen, und so höre ich es draußen am Tisch klappern, höre Stühle rücken und schließlich leise Schritte, die auf unser Zimmer zukommen. Max Kopf lugt um die Ecke, und er fängt an zu strahlen, als er sieht, dass ich wach bin. Fast schüchtern kommt er zu mir und setzt sich neben mich. Er nimmt meine Hand und küsst sich meinen Arm hoch, bis sein Gesicht ganz dicht über meinem schwebt. Ich fühle mich allein von seinen Blicken sanft gestreichelt und geliebt.
Ich spüre, dass er etwas sagen will, aber es kommt kein Laut über seine Lippen. In seinen Augen stehen auf einmal große Fragezeichen. Ich überlege, was ihn jetzt grade so verunsichern könnte.
Hm. Vielleicht ...
„Max?"
„Ja, mein Schatz?"
„Hast du dich wohl gefühlt heute Nacht? War es schön für dich, dein erstes Mal?"
Er nickt und strahlt und grinst.
„Ja. Sehr. Und ... du?"
Ich lege meine Arme um seinen Hals und ziehe ihn zu mir runter.
„Es war das Allerschönste, was ich jemals erlebt habe. Du hast mich unendlich reich beschenkt."
Seine braunen Augen leuchten auf und glitzern vor lauter Glück. Ich ziehe ihn ganz zu mir ran und küsse all die Fragezeichen aus seinen Augen und die Unsicherheit aus seinem Gesicht fort.
Ich hatte recht. Er hat sich nicht getraut zu fragen, ob es für mich schön war, ob er „seine Sache" gut gemacht hat. Hat er!
........................................
11.2.2021
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro