113 ** Happy Birthday! ** Di. 18.2.2020
Ich glaube, halb Rüttenscheid summt heute wie ein aufgeregter Bienenstock. Familie Seitz, Tanja Frey, Moritz und Paul, Sebastian und Antoine, der Sport-LK, die Tanzschule - sie alle haben das Problem, dass Max so richtig zünftig gefeiert werden sollte heute. Aber gleichzeitig hat er Schule, wird mit seiner Stiefmutter zu seinem Vater nach Remscheid fahren, hat Tanztraining und will abends noch zu mir. Mehrere WhatsApp-Gruppen in unterschiedlichster Besetzung sind entstanden, und unüberschaubar viele Nachrichten sind hin und her gesaust, Vorschläge wurden gebracht - und wieder verworfen.
Wie denn auch??? Die meisten davon wissen ja gar nichts von Max heimlichem Liebesleben und können darum auch seine eigenen Pläne für den Abend nicht kennen.
Dabei wollen Max und ich einfach nur tief durchatmen und dankbar sein, dass dieses Datum uns nun endgültig aus der Gefahrenzone bringt. Als sich die Anfragen für seinen großen Tag von allen Seiten verdichtet haben, hat er sich nur noch kringelig gelacht und abgewunken.
„Leute, lasst uns das im Sommer feiern. Wenn wir alles hinter uns haben. Ich schreib am nächsten Tag die wichtigste Klausur meines Lebens."
Und so kommt es, dass Max geweckt wird von einer singenden Familie Seitz, zum Frühstück eine Herzchen-Spam-Nachricht der übelst kitschigen Sorte von seiner Freundin bekommt, in Englisch, Mathe, Geschichte, Deutsch und allen Pausen tausend Glückwünsche und Umarmungen und Ständchen von all seinen Kommilitonen und Lehrern über sich ergehen lässt und dann nach einem eiligen Mittagessen zu Tanja ins Auto steigt.
Als sie von Remscheid wieder aufbrechen, damit Max noch ins Training kann, schreibt er mir eine kurze Nachricht, dass es toll war und er sich unheimlich auf mich freut. Da sein Training um 20.00 Uhr endet, wird er sicher nur ganz kurz duschen und dann so schnell wie möglich bei mir auf der Matte stehen. Darum beeile ich mich mittags mit meinen Stundenvorbereitungen für den nächsten Tag und mache mich dann daran, für heute Abend ein festliches Essen für Max vorzubereiten. Jenny wird bei Lennart sein, und so haben wir beide hier freie Bahn.
Die sind echt alle verrückt geworden! Ich hab doch einfach nur Geburtstag ... Aber wichtige Leute soll man nicht aufhalten.
Geweckt werde ich von Gesang auf dem Flur vor meiner Tür. Von Onkel Thorstens Bariton bis zu Lottas und Oles hellen Kinderstimmen ist alles dabei. Und natürlich singen sie das unverwüstliche „Heute soll es regnen, stürmen oder schnei'n" von Rolf Zuckowski, das schon seit Jahren keiner mehr hören kann, was aber nicht tot zu kriegen ist. Ich kneife die Augen zu, warte, bis alle drin sind, und tue dann so, als ob ich aus tiefstem Schlaf gerissen würde.
Ole dauert das offensichtlich zu lange, denn er nimmt einfach Anlauf und hüpft mir auf den Bauch. Seine süßen Worte zur Gratulation gehen daraufhin allerdings in meinem Stöhnen unter. Lasse greift sofort zu und befreit mich wieder von der Last.
„Mensch, Ole! Du machst Max ja ganz kaputt, wenn du einfach so auf ihn draufspringst."
Misstrauisch lunzt Ole unter meine Decke, um nachzusehen. Dann dreht er sich empört zu Lasse um.
„Stümmt ja ganich. Der Max is nich kaputt!"
„Aber fast!"
Ich ziehe Ole in meine Arme und geben ihm einen dicken, feuchten Schmatzer auf die Wange, woraufhin er sich schnell aus meinen Armen windet und sich mit dem Ärmel durch sein Gesicht wischt.
„Iiiiiiih!"
Ich richte mich auf im Bett und nehme von allen nacheinander herzliche Umarmungen und Gratulationen entgegen.
„Ist das Bad frei?"
„Du hast freie Bahn, lieber Neffe. Wir erwarten dich am Esstisch."
Ich mache heute mal einen auf Daniel Düsentrieb und erscheine bereits elf Minuten später unten. Wie es in dieser Familie Tradition ist, ist mein Platz besonders geschmückt, eine Kerze leuchtet, Süßigkeiten sind um meinen Teller aufgereiht, und am Ende des Tisches sind ein paar Geschenke aufgebaut. Alle sind etwas eher aufgestanden, damit wir in Ruhe zusammen frühstücken können. Weil ich den ganzen Tag auf Achse sein werde, muss ich jetzt schon die Kerzen auf dem Geburtstagskuchen auspusten. Ich kneife die Augen zusammen und wünsche mir im Stillen, dass mein Nachmittag bei Papa schön wird, und dass Anni und ich lange glücklich sein können. Dann puste ich die Kerzen aus. Ich löffele mein Lieblingsmüsli und genieße den Augenblick.
Was sah das vor einem halben Jahr alles finster aus! Und jetzt habe ich alle Ziele greifbar vor Augen, habe eine tolle Freundin, bin zuversichtlich und für alles gut vorbereitet. So darf es jetzt bitte weitergehen!
Ich ignoriere all die eingehenden Gratulationsnachrichten auf meinem Handy. Jetzt bin ich erstmal hier. Ich packe meine Geschenke aus und freue mich über das gemalte Bild von Ole genauso wie über den Zuschuss zum Führerschein von Tante Jana und Onkel Thorsten.
„Ich danke euch allen so sehr! Ihr habt keine Ahnung, WIEVIEL es mir bedeutet, heute an diesem Tisch zu sitzen. Das allergrößte Geschenk seid nämlich ihr selbst. Eine Familie, die mich nie im Stich lässt. Bei euch bin ich zu Hause, und das kann man echt nicht mit Gold aufwiegen!"
Kurz darauf starten Lasse und ich zur Schule, wo der ganze Affenzirkus weitergeht. Mitschüler, Lehrer – sogar Frau Zimmermann taucht irgendwann hinter ihrem Tresen hervor auf und sucht mich, um mir zu gratulieren. Meine drei „Pressevertreter" Moritz, Paul und Lasse fotografieren mich ununterbrochen mit allen möglichen Leuten, und nicht selten entstehen dabei unglaublich witzige Momente.
Keine Ahnung, was die mit den Bildern vorhaben ...
In der Pause stürzt sich der geschlossene Sport-LK auf mich. Sie haben einen weißen Sporthoodie mit Bildern von uns allen aus der gesamten LK-Zeit bedrucken lassen. Oder selbst bedruckt? Oder wie sonst kommen die Bilder sogar auf die Ärmel???
„Sagt mal, wie habt ihr DAS denn gemacht?"
Annika grinst.
„Es gibt so Transferfolie. Da druckt man die Bilder drauf, und dann kann man selbst entscheiden, wo man die Bilder aufbügelt. Wir konnten uns nicht entscheiden, und da dachten wir: dann kommen eben alle drauf!"
Ich schlüpfe sofort in den üppig großen Hoodie rein.
„Hoffentlich hält das ganz lange. Wenn das abgeht, kann ich den nicht mehr tragen! Dann kommt der an die Wand. Tausend Dank, Leute. Das ist eine tolle Erinnerung."
Ich schaue mir einige Bilder genauer an. Sogar Sebastian, Lore und Anni sind verewigt, und Antoine ist dazu gemogelt worden. Ich bin einfach hin und weg.
Irgendein Mädel aus der Zehnten drückt mir auf dem Flur eine Rose in die Hand, läuft dunkelrot an und rennt, ohne ein Wort zu sagen, weg. Sie hat auch ihre Nummer nicht drangehängt oder so. Ich kann sie also gar nicht so ohne weiteres wiederfinden. Und vergeben bin ich ja sowieso. Aber die Geste ist total süß.
Nach der Schule radele ich zügig nach Hause, denn Tanja und ich wollen ja zu Papa fahren. Tanja ist schon da. Sie hat nebenan für uns beide gekocht. Sie hat noch etwa drei Monate bis zur Entbindung und schiebt schon eine tüchtige Kugel.
Standardspruch:"Das muss ein Junge sein, der ist nur noch am Treten. Der wird mal Fußballer."
Manchmal kann ich die Beulen auf ihrem Bauch sehen.
Von ihr bekomme ich einen großzügigen Gutschein für ein Sportbekleidungsgeschäft.
„Du wirst Tanz studieren. Ich zweifle da keine Sekunde dran. Und dann wirst du einen hohen Verschleiß haben. Ich dachte, das kannst du am besten brauchen."
„Tausend Dank, Tanja. Das ist eine tolle Idee. Auch, weil es gut tut, dass du so fest an mich glaubst!"
„Wollen wir dann los?"
Ich freue mich wie wild auf Papa. Durch die ganze Erpressungsscheiße ist es nicht möglich gewesen, ihn nochmal zu besuchen. Und auch heute hätte es fast nicht geklappt. Ich habe den Verdacht, die wollten ihn testen. Denn er hat schon frühzeitig für heute beantragt, dass er die Klinik verlassen darf, um mich in der Stadt zu treffen. Aber dann haben sie ihm seine Einzelvisite auf diesen Nachmittag gelegt. Er musste richtig kämpfen und selbst eine gute therapeutische Begründung auffahren, damit sie ihn gehen lassen. Er hat mir das am Telefon erzählt und war ein bisschen stolz.
„Ich habe denen erklärt, dass der schlimmste Grund für meinen Zusammenbruch war, dass wir beide uns auseinander gelebt hatten und ich sehr, sehr ungerecht mit dir umgegangen bin. Und dass du nur einmal 18 Jahre alt wirst. Und dass es mir unglaublich wichtig ist, dir an genau diesem Tag zeigen zu können, dass du Teil meines Lebens und mein geliebter Sohn bist. Da haben sie sich dann geschlagen gegeben. Ich freue mich so sehr auf dich!"
„Ich freu mich auch wie Bolle, Papa. Ich könnte mir für diesen Tag keinen schöneren Ort vorstellen als bei dir."
Wir kommen zügig durch, sammeln Papa am Kliniktor ein und fahren in die Stadt. Dort hat er in einem Café einen Tisch für uns reserviert. Wir bestellen uns eine große gemischte Tortenplatte und was zu trinken. Es ist süß zu sehen, wie aufmerksam und sanft Papa mit Tanja umgeht. Und wie sehr sie es genießt.
„Es ... ist schön, euch so zu sehen."
Beide schauen mich erst irritiert, dann ein bisschen berührt an.
„Ich ... ich möchte so gern, dass wir vier eine Familie sind. Dass du bald nach Hause kommst und wir miteinander lernen können, ganz vieles anders zu machen als vorher."
Tanja lächelt.
„Wir Vier?"
„Ja klar! Du bist doch Zwei! Also sind wir zusammen Vier."
Papa holt tief Luft.
„Max, ... ich hab ein Geschenk für dich. Da hab ich jetzt ein paar Wochen dran gearbeitet. Und Uwe und Tanja und Jana und Thorsten haben mir dabei geholfen."
Er reicht mir ein großes quadratisches Paket über den Tisch. Es ist schwer und hart.
„Ein Buch?"
„Sowas in der Art."
Ich sehe, wie nervös er ist, und erlöse ihn schnell, indem ich die Schleife aufziehe und das Papier abwickele. Zum Vorschein kommt ein großes Album, das mit vielen zusätzlichen Einlegeblättern und Buchschrauben ziemlich dick geworden ist. Die Albumdeckel sind mit dunkelblauem Leinen bezogen. Ich schlage den vorderen Deckel auf und starre die erste Seite an.
„Papa! Wann ... du hast ... Oh Gott! Wie hast du das ausgehalten? Ich danke dir so sehr!"
Ich springe auf und falle ihm um den Hals. Uns beiden kommen die Tränen. Ein größeres Geschenk hätte er mir wirklich niemals machen können. Solange ich denken kann, gab es Fotos und Fotoalben von meiner Mutter nur bei Tante Jana. Bei uns gab es nicht ein einziges Bild von Mama. Auch keine Zeitungsausschnitte über ihre Tanzerfolge oder, oder, oder ... Und hier auf der ersten Seite dieses Albums klebt ein Foto, auf dem meine Mama in ganz jung mit meinem ziemlich jungen Papa zu sehen ist. Sie stehen mitten in der Isenburg oberhalb des Baldeneysees und strahlen Arm in Arm in die Kamera.
Unter dem Bild hat Papa was geschrieben.
„Mein lieber Max! Ich gratuliere Dir ganz herzlich zu Deinem 18. Geburtstag und noch mehr zu Deinem übergroßen, gütigen Herzen. Ja, Du hattest recht. Nicht Erinnern tut noch viel mehr weh als Erinnern. Auf diesem Bild siehst Du Mama und mich, nachdem wir uns in der Isenburg unter diesem Torbogen zum ersten Mal geküsst haben."
Ich schlage die nächste Seite auf. Und die nächste. Und die nächste. Papa hat ein Fotoalbum unsrer Familie gemacht, von ganz von Anfang an. Es ist gespickt mit ersten Malen und letzten Malen. Mit Mamas Erfolgen und dann meiner Geburt. Ab jetzt bin ich dabei auf den Bildern. Wir sind eine glückliche Familie, mal sind auch die Seitzens dabei, weil Lasse und ich schon immer viel miteinander gespielt haben. Onkel Uwe taucht auf. Omi und Opi. Und zu allen Bildern hat Papa erzählt, wann das war, was da war. Und was ihm dieses Bild bedeutet. Mir verschlägt es die Sprache. Erst nach einer ganzen Weile kann ich etwas flüstern.
„Papa, wie hast du das ausgehalten? Das muss doch furchtbar schwer für dich gewesen sein. Und es ist so liebevoll und detailreich geworden. Was für eine Mühe!"
„Das ... war tatsächlich nicht leicht. Aber ich habe beim Mittagessen auf Schloss Burg von dir etwas gelernt. Du hast mir deine schönste Kindheitserinnerung mit mir erzählt."
„Das Angelwochenende."
„Genau. Das Angelwochenende. In der Nacht konnte ich nicht schlafen. Ich hatte die ganze Zeit deine Gans in der Hand und habe lauter Bilder von uns Dreien vor meinem inneren Auge gesehen. Ich hab versucht, sie wie immer wegzudrücken. Aber es ging nicht. Denn dann bist du immer mit verschwunden. Also hab ich vorsichtig hingeschaut. Und ... es ausgehalten. Ich konnte uns Drei anschauen. Am nächsten Tag hab ich das meinem Therapeuten erzählt, und der meinte, dann solle ich doch mal um Fotos aus der Zeit bitten und mir die ansehen. Und dazu aufschreiben, was ich erinnere. Und hinfühlen, wie es mir damit geht.
Ich hatte unglaubliche Angst davor. Ich habe lange mit Tanja, Uwe, Jana und Thorsten darüber telefoniert. Irgendwann hab ich es selbst ausgesprochen. Wenn ich das als ein Fotoalbum für dich mache, dann habe ich eine Motivation, dran zu bleiben. Also haben die Vier sich auf ihre Schuhkartons und Fotoalben gestürzt und haben mich mit ganz viel Material versorgt. Und mit diesem Album. Es ... gab auch Sachen, die konnte ich nicht anschauen. Aber ich habe auf jeden Fall geschafft, dir eine Geschichte unserer Familie zusammenzukleben. ... Ich hoffe, ... es gefällt dir ..."
Fast ängstlich schaut er mir ins Gesicht.
„Das meinst du jetzt nicht ernst, oder? Ob mir das gefällt? Papa, das ist das allerschönste Geschenk, das du mir überhaupt machen konntest. Du hast mir ganz offiziell Mama zurückgegeben! Und all deine Liebe und innere Kraft gleich mit. Ich bin unglaublich stolz auf dich. Und glücklich. Und überhaupt."
Wieder nehme ich ihn in den Arm und drücke ihn fest. Eine Weile blättern wir noch gemeinsam vor und zurück und erzählen uns was dazu.
Aber dann müssen wir Papa zurück in die Klinik fahren und selbst zurück nach Essen. Ich möchte am liebsten gar nicht weg hier.
Ich habe meinen Vater wieder! Und meine Mutter!
Und meine zweite tolle Mutter hat die ganze Zeit so gestrahlt, dass ich mir sicher bin, dass auch sie bald wiederkommen wird. Auf der gesamten Heimfahrt halte ich das Album in meinen Armen wie einen wertvollen Schatz.
Zu Hause packe ich das Album wasserfest ein, denn ich will es den Jungs und Anni heute noch zeigen. Ich nehme Tante Jana und Onkel Thorsten ganz dolle in die Arme und bedanke mich, dass sie bei diesem wunderbaren Geschenk mitgeholfen haben.
„Weißt du, Max. Es hat mir all die Jahre so weh getan, dass Axel meine Schwester aus eurem Leben verbannt hat. Dass er jetzt von sich aus um Bilder und andere Erinnerungsstücke gebeten hat, hat mich mit ihm versöhnt. Es hat auch mir nochmal geholfen, Abschied zu nehmen."
Ich drücke sie nochmal fest. Dann schnappe ich mir meine Sporttasche und sause zum Training.
Die ersten beiden Stunden mit dem Gruppentraining sind ganz normal. Anfang April, direkt nach den Abi-Klausuren wird ja das Jahresfest des Studios gefeiert mit den Eltern, und jede Gruppe steuert eine Performance bei. Also proben wir hier jetzt einen flotten Tanz, den wir als große Contemporary-Gruppe vorführen können. Lasse nebenan probt mit seinem Kurs eine Standard-Formation. Aber in unserer Extrastunde hinterher kann ich mich nicht mehr zurückhalten. Kaum sind alle anderen raus und Lasse zu uns rüber gekommen, hole ich das Album raus und fange an zu schwärmen.
Moritz reißt die Augen auf.
„Das hätte ich nach dem letzten Sommer niemals erwartet. Das muss ganz schön schwer für ihn gewesen sein."
„War es auch. Hat er gesagt. Aber er hat so erleichtert gewirkt, als ich mich so riesig gefreut habe. Ich glaube, es hat ihm doch gut getan, dass er das gemacht hat. Er spricht auch ganz normal über Mama auf einmal. Ich bin so unglaublich glücklich!"
Auch in dieser Kleingruppe trainieren wir noch etwas, vor allem wieder Ballett und Contemporary für Moritz und Paul. Dann verabschiede ich mich und fahre zu meiner letzten Station heute. Ich fahre zu Anni.
Kurz vor 20.00 Uhr räume ich zufrieden die Küche auf und fange an, den Tisch zu decken. Mein Geschenk für Max steckt in einem unscheinbaren Briefumschlag. Ich habe einfach mal nach Tanzaufführungen im Ruhrgebiet ab dem Sommer gegoogelt und dabei etwas ganz Irres gefunden. Eine große Tanzgala im Oktober im Aaltotheater hier in Essen. Und ich habe noch zwei Tickets bekommen, von denen aus wir einen gar nicht so schlechten Blick auf die Bühne haben.
Da Max den ganzen Tag auf Achse war und jetzt vom Tanztraining kommt, wird er einen Bärenhunger haben. Und sooo viel Zeit hat er ja auch gar nicht, weil er morgen die Mathe-Klausur schreibt. Aber ein winziges Bisschen feiern wollen wir doch. Ich stelle grade die Quiche Lorraine auf den Tisch, als es klingelt. Kurz darauf fällt er mir noch im Treppenhaus um den Hals und wirbelt uns herum. Ich ziehe ihn in die Wohnung.
„Herzlichen Glückwunsch zur Lizenz zum selber Unsinnbauen, mein sehr geliebter, wundervoller Max."
Der Geburtstagskuss fällt entsprechend üppig aus.
„Komm, lass uns gleich essen."
Max zieht aus seiner Sporttasche eine große Tüte hervor, bevor wir gemeinsam ins Wohnzimmer gehen und uns zum Essen hinsetzen. Ich habe leise Musik aufgelegt, gebe uns beiden von der Quiche und schaue ihn dann fragend an.
„Was hast du in dieser riesigen Tüte, Max?"
„Das ist das Geschenk von meinem Vater. Und das ist so sagenhaft toll, und es bedeutet mir so viel, dass ich dir das unbedingt gleich zeigen muss."
Wir essen uns erstmal satt und stoßen mit einem Piccolo auf den Geburtstag an. Dann gebe ich ihm den Umschlag.
„Ich habe ein bisschen gesucht und dann das hier gefunden."
Neugierig nimmt er den Umschlag und macht ihn auf. Seine Augen werden so groß wie Wagenräder.
„Eintrittskarten zur Verleihung des deutschen Tanzpreises? Wie irre ist das denn??? Und wenn ich die ganzen Namen lese. Da kommt echt alles auf die Bühne, was Rang und Namen hat. Danke Anni. Das ist ein sagenhaft tolles Geschenk!"
„Und ich bin jetzt neugierig auf das Geschenk von deinem Vater. Magst du es mir zeigen? Lass alles stehen, das mache ich, wenn du weg bist, lass uns keine Zeit verschwenden."
Gemeinsam hocken wir uns aufs Sofa, und legen uns das Album quer über die Beine. Dann zeigt er mir das aufwändig und liebevoll gestaltete Werk über seine Familie. Ein paar der Bilder erklärt er mir auch. Und ich sehe sehr deutlich, dass Herr Frey über den Berg ist.
DAS hätte er nicht geschafft, wenn er in der Therapie nicht entscheidend vorwärts gekommen wäre.
Das macht mich für Max und seinen Vater extrem glücklich. Irgendwann klappen wir das Album zu und kuscheln nur noch für fünf Minuten. Um kurz nach 21.00 Uhr schmeiße ich Max schweren Herzens raus, damit er morgen eine gute Mathe-Klausur schreiben kann.
„Versuche jetzt bitte nicht mehr, noch irgendwas zu lernen, das geht nach hinten los. Geh einfach ins Bett und höre ruhige Musik, die du magst. Ich bin morgen in Gedanken ganz dolle bei dir, Schatz!"
„Deine armen Schüler!"
„Spinner!"
„Bei der Arbeit."
Breites Grinsen. Und weg ist er.
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6.1.2021
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