72. Kennenlernen
Die Stimmung war komisch und mehr als nur unentspannt.
Manus Mutter hatte sich sichtlich Mühe gegeben, Patrick gegenüber offen zu sein und auch Manus Freund strengte sich sichtlich an, einen möglichst guten Eindruck zu hinterlassen.
Bisher hatten sie nur Smalltalk betrieben und waren immer mehr oder weniger geschickt um das Thema »Beziehung herumgeschifft. Manus Mutter hatte die beiden Jungs erfolgreich im Wohnzimmer festgehalten, wo sie sie aufs Sofa dirigiert und ihnen Kuchen angeboten hatte. Beide mampften also nun ihre Torte, während das Gespräch, wenn auch etwas zäh, immerhin verlief.
»Wo sind eigentlich die Anderen?«
Manu versuchte, irgendein Gesprächsthema zu schaffen.
»Die Jungs sind mit Freunden weg gewesen, dein Vater ist sie gerade holen gefahren.«
Manu nickte, holte ein Mal tief Luft. Früher oder später musste einer von ihnen es ja ansprechen. Totschweigen war nicht immer die richtige Lösung.
»Wissen sie ... Bescheid?«
»Ja.«
Manu senkte den Blick, wagte es nicht mehr wirklich, seine Mutter anzusehen. Aus irgendeinem Grund hatte er wahnsinnige Angst, sie enttäuscht zu haben, etwas, was ihn sonst nie so sehr interessiert hatte. Er knetete seine kalten Hände, ballte sie immer wieder zur Faust und öffnete sie erneut, versuchte, diese Nervosität irgendwie abzulegen. Auf ein Mal spürte er, wie Patricks Hand sich das erste Mal, seit sie hier waren, leicht in seine legte und zudrückte, ihm so Mut machen zu wollen schien.
»Tut mir leid, wenn wir Sie damit irgendwie überlaufen haben oder so. Vielleicht wäre es besser gewesen, ich wäre heute noch nicht mir hier her gekommen.«
Patrick war so verdammt höflich. So übertrieben kannte Manu ihn gar nicht.
»Nein, das ist schon okay. Wir sind froh, dass Manu es uns erzählt hat.«
Für einen winzigen Moment wagte er es, hoch zu linsen und seine Mutter sogar kurz anzulächeln.
»Naja. Ihr werdet dann auch Mal hoch gehen wollen. Wir könnten dir das Zimmer eines von Manus Brüdern anbieten. Peter ist momentan verreist und wir haben dementsprechend ein Bett frei.«
Manu seufzte, musste seine Mutter jetzt doch ansehen.
»Mama. Patt hat auch das letzte Mal schon bei mir im Bett geschlafen. Wir haben uns im Internat am Anfang ein Zimmer geteilt. Es ist okay, es ist nicht das erste Mal, dass wir zusammen schlafen.«
Manus Mutter schien wie erwartet nicht allzu begeistert, doch er ließ sie gar nicht erst ausreden.
»Naja, mir wäre es lieber ...« »Mama, ich bin kein kleines Kind mehr. Bitte. Wie oft hat Dani bei Peter übernachtet? Oder eine von Tobis oder Sebastians Freundinnen?«
»Das ist ... etwas anderes.«
Manu schnaubte.
»Warum? Weil ich der Jüngste bin? Oder weil Patt ein Junge ist?«
Seine Mutter seufzte, schloss kurz die Augen, schien aber selbst zu merken, dass sie keine Argumente hatte.
»Nein. Du hast Recht. Ich überziehe euch gleich noch Decke und Kissen, wenn ihr wollt. Patrick, wenn du irgendetwas brauchst, sag einfach Bescheid.«
»Vielen Dank.«
Manus Mutter stand auf und nahm das Tablett mit dem restlichen Kuchen zu sich. Sofort tat Palle es ihr gleich und begann, in seiner übereifrigen Höflichkeit, die er heute an den Tag legte, die Teller einzusammeln.
»Schon gut, lass das einfach stehen, ich mach das schon. Geht ruhig hoch.«
Patrick lächelte so charmant, dass Manu grinsen musste.
»Nein, schon okay, wir helfen eben mit.«
Patrick machte Anstalten, die Teller in die Küche zu räumen, während Manus Mutter ihn erst verwundert ansah, dann irgendwie verzückt wirkte und ihren Sohn fast schon anklagend ansah. Ihr Blick sprach Bände. So etwas war sie von ihren eigenen vier Söhnen nicht gewöhnt. Manu konnte förmlich sehen, wie ihre Sympathie für Patrick noch ein kleines Bisschen mehr stieg.
Er grinste. Der Junge wusste schon, was er tat. Noch ein paar Stunden, und seine Mutter würde ihn gar nicht mehr gehen lassen wollen. Ihm sollte es recht sein.
Sie waren gerade damit fertig, das benutzte Geschirr in der Spülmaschine zu verstauen und die paar Teile, die nicht ein durften mit der Hand abzuwaschen, als Manu das vertraute Geräusch der sich öffnenden Tür hörte. Sofort spürte er seinen Puls quasi wieder ansteigen und ein kurzer, panischer Blick zu Patrick verriet ihm, dass auch dieser es gehört hatte. Dieses Mal konnte er, trotz ihres Vorsatzes, die ganze Pärchen-Sache in Gegenwart seiner Familie langsam angehen zu lassen, nicht anders, als nach seiner Hand zu greifen und als er kurz zu seiner Mutter sah, sah er diese sogar leicht lächeln. Schien so, als würden Patricks Bemühungen, sich bei ihr beliebt zu machen, schon erste Früchte tragen.
Sie lächelte den beiden Jungs kurz zu und ließ sie dann in der Küche zurück, um die Anderen im Flur begrüßen zu können. Manu entschied sich, hier auf sie zu warten und trat vorerst ein paar Schritte Rückzug an, bis der gegen die Theke gelehnt dastand und so gefühlt zumindest ein bisschen Rückendeckung hatte. Er tauschte noch ein kurzes Lächeln mit Patrick, das mutiger wirkte, als er wirklich war, bevor er auch dessen Hand widerwillig wieder los ließ. Patrick lehnte sich neben ihn an die Küchenzeile.
Es langsam angehen lassen.
Es dauerte nicht lange, bis als erster Tobi die Küche betrat. Manu versuchte ein leichtes Lächeln, versuchte, seine Angst zu verbergen und seinen Brüdern so eine möglichst geringe Angriffsfläche zu bieten. Zu seinem Glück jedoch wirkte zumindest Tobi relativ offen.
»Hey.«
Er ging, ohne seinen kleinen Bruder zu beachten, auf Patrick zu und hielt ihm freundlich die Hand entgegen. Palle schlug ohne zu zögern ein.
»Hey. Wir kennen uns schon, oder? Du warst schon ein Mal zu besuch bei der kleinen Ratte.«
Sofort spürte Manu, wie ihm das Blut in die Wangen schoss. Konnte der Ältere sich nicht ein Mal zusammenreißen und nicht allzu schlecht über ihn sprechen? Zumindest, wenn er seinen Freund kennen lernte?
Patrick grinste nur, aber als er Manu ansah, lag so viel offene Zuneigung in seinem Blick, dass er es ihm nicht ein Mal übel nehmen konnte.
Stattdessen fauchte er einfach seinen Bruder an.
»Freut mich auch, dich wieder zu sehen.«
Tobi grinste bloß und Manu bekam fast nicht mit, wie auch Sebastian Palle begrüßte, weil er damit beschäftigt war, sich über den Boxer aufzuregen, den Tobi ihm zur Begrüßung gegen den Oberarm gegeben hatte und der mehr weh tat, als er sollte.
Und dennoch, auch wenn er es natürlich nicht zeigte, war Manu mehr als nur zufrieden.
Seine Brüder schienen seinen Freund zumindest nicht von Anfang an kategorisch abzulehnen und seine Mutter schloss ihn gerade wahrscheinlich, ohne es zu wollen, mit jeder Minute mehr ins Herz.
Und irgendwie war das bereits mehr, als er erwartet hätte.
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Ein Uhr nachts ist eine super Uploadzeit. Lasst euch da nichts anderes einreden.
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